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Gruppenrestschuldversicherung  – Versicherungsschutz

Erstattung der wirtschaftlichen Folgen

OLG Dresden – Az.: 4 W 397/20 – Beschluss vom 08.06.2020

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 4.5.2020 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage aus einem Gruppenversicherungsvertrag zwischen der S… B… und der Antragsgegnerin, dem er bei Abschluss eines Kfz-Darlehensvertrages beigetreten ist. Am 5.11.2016 kam es zu einem Unfall des versicherten Fahrzeugs, der unstreitig zu einem wirtschaftlichen Totalschaden geführt hat. Die Antragsgegnerin hat auf der Grundlage ihrer Versicherungsbedingungen eine Zahlung in Höhe von 4400,- € direkt an den Antragsteller geleistet. Der Antragsteller meint, sie sei ihm darüber hinaus zur Erstattung des gesamten Unfallschadens in Höhe von weiteren 34.223,- € verpflichtet. Er sei zu dessen gerichtlicher Geltendmachung auch aktivlegitimiert, weil die Bank ein weiteres Vorgehen gegen die Antragsgegnerin ablehne. Das Landgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es fehle an der gebotenen Ermächtigung zur Klagerhebung durch den Rechteinhaber, den bei einer Auslegung des Versicherungsvertrages geschuldeten Betrag habe die Antragsgegnerin überdies bereits beglichen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Für die beabsichtigte Klage besteht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

1. Das Landgericht hat zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Restschuldgruppenversicherungsvertrag um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt und der Antragsteller als versicherte Person im Sinne des § 43 VVG anzusehen ist. Eine Versicherung für fremde Rechnung liegt jedoch nur dann vor, wenn der Versicherungsnehmer, d.h. vorliegend die darlehensgewährende S… B…, im eigenen Namen ein fremdes Interesse versichert. Hieran bestehen jedoch Zweifel, weil von der Restschuldgruppenversicherung vorwiegend das Kreditinstitut als Darlehensgeber profitiert, das sich durch die Versicherung gegen den Ausfall des eigenen Darlehensrückzahlungsanspruchs gegen den Kreditnehmer absichert. Die Bank als Darlehensgeber und gleichzeitig Versicherungsnehmer der Restschuldversicherung will kein Interesse der versicherten Person versichern; die Verträge dienen vielmehr allein der Absicherung der Kreditverträge und werden auch nur im Zusammenhang mit diesen abgeschlossen. Bei der hier vorliegenden Gruppenversicherung handelt es sich mithin nicht um eine Fremdversicherung (Göbel/Köther, VersR 2015, 425, 426).

2. Ob gleichwohl mit Blick auf die bestehende Darlehensrückzahlungsverpflichtung des Antragstellers und die von ihm behauptete Weigerung der Darlehensgeberin, gegen die Antragsgegnerin aus dem Gruppenversicherungsvertrag vorzugehen, die Aktivlegitimation des Antragstellers für die Verfolgung eines Anspruchs auf Zahlung an die Darlehensgeberin gegeben ist, hat das Landgericht zutreffend dahinstehen lassen. Ein solcher Anspruch besteht nämlich nicht. Das der beabsichtigten Klage zugrunde liegende Verständnis von Inhalt und Absicherung des S…-Gruppenversicherungsvertrages ist auch nach Auffassung des Senat ausgehend vom Verständnishorizont eines verständigen Versicherungsnehmers, der sich die Versicherungsbedingungen aufmerksam durchliest, nicht vertretbar.

a. In den „Allgemeinen Versicherungsbedingungen“ der Antragsgegnerin wird unter Nr. 2a zwar der Schutzumfang auf die „wirtschaftlichen Folgen eines Totalschadens“ erstreckt. Dass hiermit entgegen der Auffassung des Antragstellers jedoch nicht eine der Vollkaskoversicherung vergleichbare Absicherung erreicht werden soll, wird im Folgenden aber durch Nr. 3b S. 2 (“ Die S… Safe Versicherung ersetzt keine Vollkasko- bzw. Teilkaskoversicherung“) eindeutig klargestellt. Der Versicherungsschutz wird damit auf eine Ergänzung derjenigen wirtschaftlichen Folgen beschränkt, die dem Darlehensnehmer trotz des Abschlusses einer Voll- bzw. Teilkaskoversicherung im Falle eines Totalschadens verbleiben. Da die Kaskoversicherung bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeugs grundsätzlich nur den Wiederbeschaffungswert am Tag des Unfalls unter Abzug eines vorhandenen Restwerts des Fahrzeugs ersetzt (vgl. etwa A.2.5.1.1 AKB 2019), besteht bei einem Anspruch aus einer Gruppenrestschuldversicherung dieser wirtschaftliche Schaden allein in der Differenz zwischen diesem Wiederbeschaffungswert und dem dem Darlehensvertrag zugrunde liegenden Neuwert des versicherten Fahrzeugs, nicht aber – wie der Antragsteller meint – in der Differenz zwischen dem nach einem wirtschaftlichen Totalschaden verbleibenden Restwert und dem Kaufpreis. Hierfür spricht auch, dass die Versicherungsleistung gem. Nr. 3 der AVB Gruppenversicherungsvertrag auf „maximal 15.000,- €“ beschränkt ist, was als Vollkaskoabsicherung für einen VW xxx ersichtlich unzureichend wäre.

b. Bei der Auslegung der Klauseln des Gruppenversicherungsvertrages sind zudem die Regelungen des hierzu verbundenen Darlehensvertrages mit einzubeziehen. Nach dem Darlehensvertrag, in dessen Rahmen der Antragsteller der hier streitgegenständlichen Gruppenversicherung beigetreten ist, ist der Darlehensnehmer verpflichtet, „eine Teilkasko- und nach Wahl der Bank eine Vollkaskoversicherung abzuschließen“; bei Ausübung dieses Wahlrechts käme es daher zu einer für den Darlehensnehmer wirtschaftlich sinnlosen Doppelversicherung (§ 78 VVG). Wäre mit dieser Versicherung tatsächlich eine Vollkaskoabsicherung verbunden, wäre die Berechnung der Versicherungssumme als im Voraus feststehender Einmalbetrag ohne Einbeziehung versicherungsmathematischer Kalkulationen über Unfallhäufigkeiten, Alter des Fahrzeugs etc. überdies zumindest ungewöhnlich; auch liegt auf der Hand, dass für einen Gesamtbeitrag von 1718,18 € netto eine Vollkaskoabsicherung für einen VW xxx über die gesamte Laufzeit des Darlehensvertrags von 96 Monaten von keiner Versicherung abgedeckt würde. Das Zusammenspiel von Darlehens- und Gruppenversicherungsvertrag gibt nach alledem für das vom Antragsteller vertretene Verständnis nichts her.

c. Dass der Antragsteller im Zeitpunkt des Beitritts zu dem Gruppenversicherungsvertrag gleichwohl subjektiv davon ausgegangen ist, hierdurch umfassend gegen das Totalschadensrisiko abgesichert gewesen zu sein und daher eine Vollkaskoversicherung für sich als unnötig empfunden haben will, kann zu seinen Gunsten unterstellt werden. Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB liegt in den Regelungen in Ziff. 2 und 3 der AVB der Gruppenversicherung jedoch schon deshalb nicht, weil es sich hierbei um die Beschreibung des Gegenstands der Hauptleistung handelt, der keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterworfen ist (st. Rechtsprechung vgl. nur BGH NJW 2001, 1132; Roloff in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 307 BGB, Rn. 42) und weil bei einer solchen Inhaltskontrolle überdies allein auf den Versicherungsnehmer, d.h. hier die S… B… abzustellen wäre. Der Antragsteller mag bei Abschluss des Darlehensvertrages und Beitritt zu dem Gruppenversicherungsvertrag unzureichend beraten worden sein; etwaige sich hieraus ergebende Schadensersatzansprüche stellen jedoch einen anderen Streitgegenstand dar und werden im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht.

3. Auf der Grundlage der im Prozesskostenhilfeverfahren vorgelegten Unterlagen kann freilich nicht ohne weitere Beweisaufnahme beurteilt werden, ob als „Anschaffungspreis des Fahrzeugs gem. dem Kaufvertrag, der dem Darlehensvertrag zugrunde liegt“, der als Anlage K2 vorgelegte Kaufvertrag vom 30.3.2015 zwischen der M.T. Hausprofi U. G. und der W-Automobile GmbH über 44.000,- € oder der Kaufvertrag zwischen dem Antragsteller und der M… H… UG vom 28.8.2015 über 40.000,- € (K 3) zugrunde zu legen wäre. Da der Darlehensvertrag eine Summe von 44.000,- € nennt, spricht einiges dafür, insofern auf den Vertrag vom 30.3.2015 abzustellen. Nachdem die Antragsgegnerin lediglich auf der Grundlage des Vertrags vom 28.8.2015 abgerechnet hat (vgl. Anlage K 10), hätte insofern eine Klage im Umfang von 4000,- € hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dieser Betrag unterschreitet indes den Zuständigkeitsstreitwert des Landgerichts (§ 23 Nr. 1 GVG). Zur Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht gehört auch die Prüfung, ob das angerufene Gericht zuständig, die Klage also zulässig ist. Ist das nicht der Fall, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insgesamt zu verweigern, denn eine unzulässige Klage bietet ersichtlich keine Aussicht auf Erfolg (Senat, Beschluss vom 21. Januar 2008 – 4 W 28/08 –, Rn. 11, juris). Bei dieser Sachlage war die Beschwerde insgesamt zurückzuweisen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten. Die Verpflichtung des Antragstellers, die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz (Ziff. 1812 Anlage KV GKG); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

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