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Gebäudeversicherung – keine Erstattung des Neuwertschadens ohne Wiederaufbau

Versicherungsstreitigkeiten und Brandfall: OLG Brandenburg entscheidet über Gebäudeversicherung und Neuwertentschädigung

Der Fall, der vor dem Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg verhandelt wurde, dreht sich um einen komplexen Versicherungsstreit zwischen einem Eigentümer eines Anwesens und seinem Gebäudeversicherer. Der Kläger, der auch einen Holzhandel betreibt, forderte nach einem Brand in seinem Haus weitere Leistungen von der Versicherung. Das Kernproblem des Falles liegt in der Frage, ob der Kläger Anspruch auf die Differenz zwischen einem bereits ausgezahlten Vorschuss und der Entschädigung zum behaupteten Neuwert hat. Das Landgericht Potsdam hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen, und das OLG Brandenburg bestätigte diese Entscheidung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 U 244/20  >>>

Die Rolle der Versicherungsbedingungen

Gebäudeversicherung - keine Erstattung des Neuwertschadens ohne Wiederaufbau
Komplexer Versicherungsstreit nach Brandfall: OLG Brandenburg bestätigt Ablehnung von Neuwertentschädigung ohne schlüssigen Wiederaufbauplan (Symbolfoto: Kunakorn Rassadornyindee /Shutterstock.com)

Die Versicherung hatte bereits einen Vorschuss von € 25.000 gezahlt, aber in ihrer Abrechnung argumentiert, dass die Leistung wegen Unterversicherung, Obliegenheitsverletzung und grober Fahrlässigkeit gekürzt werden müsse. Der Kläger bestritt dies und argumentierte, dass die Versicherung sich an ihren eigenen Angaben zur Höhe des Schadens festhalten lassen müsse. Er führte auch an, dass die Versicherung im Rahmen der Schadensregulierung auf die Sicherstellung des Wiederaufbaus verzichten könne.

Neuwertentschädigung und Wiederaufbau

Das Gericht stellte fest, dass der Kläger nicht ausreichend nachgewiesen hatte, dass er tatsächlich vorhatte, das Gebäude wieder aufzubauen. Zwar hatte der Kläger argumentiert, dass er aus finanziellen Gründen derzeit nicht in der Lage sei, weitere Arbeiten durchzuführen, aber das Gericht sah dies als unzureichend an. Es wurde auch festgestellt, dass der Kläger rund 40% des bereits erhaltenen Vorschusses nicht in die Rekonstruktion investiert hatte.

Beweislast und rechtliches Gehör

Der Kläger beklagte, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei, da das Gericht zu dem Schluss gekommen war, dass es an der Sicherstellung des Wiederaufbaus fehle. Er argumentierte, dass ein Bauvertrag nicht notwendig sei, um den ernsthaften Wiederherstellungswillen zu belegen. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass der Kläger den Zeitwertschaden nicht schlüssig dargelegt hatte.

Endgültige Entscheidung und Kosten

Das OLG Brandenburg wies die Berufung des Klägers zurück und entschied, dass die Kosten des Berufungsverfahrens dem Kläger zur Last fallen. Die Entscheidung und die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Potsdam wurden als vorläufig vollstreckbar erklärt, und die Revision wurde nicht zugelassen.

In diesem Fall zeigt sich, wie komplex und vielschichtig Versicherungsstreitigkeiten sein können, insbesondere wenn es um Gebäudeversicherungen und Schadensfälle wie Brände geht. Die Entscheidung des OLG Brandenburg verdeutlicht die Bedeutung der Versicherungsbedingungen und der Beweislast in solchen Fällen.

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Das vorliegende Urteil

OLG Brandenburg – Az.: 11 U 244/20 – Urteil vom 21.12.2022

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 29.10.2020 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam – 13 O 32/20 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Abweisung der Klage insgesamt als endgültig unbegründet erfolgt.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

III. Das Berufungsurteil und die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i. H.v. 120 % des aufgrund dieses Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Als Sicherheit genügt die schriftliche unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes oder Kreditversicherers.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger, der Eigentümer eines Anwesens am südlichen Stadtrand von ### ist, wo er wohnt und als eingetragener Kaufmann einen Holzhandel betreibt, verlangt von der Beklagten, einem Kompositversicherer, aus einer Gebäudeversicherung, die die Prozessparteien laut Police vom 17.09.2015 (Kopie in Anl. K2/GA I 12, 15 ff.) mit Wirkung ab 08.10.2015 zu den Versicherungsbedingungen für die verbundene Firmen-Sachversicherung 2008 (Kopie in Anl. K2/GA I 12, 20 ff. = BLD1/GA I 95 ff.), künftig zitiert als VFS 08, geschlossen haben, in der Hauptsache weitere Leistungen (die Differenz zwischen einem bereits vorgerichtlich ausgezahlten Vorschuss und der Entschädigung zum behaupteten Neuwert i.H.v. € 76.306,46) wegen Schäden an einem von ihm bewohnten Haus, das von einem am späten Abend des ### 2018 auf dem Grundstück ausgebrochenen Brand betroffen wurde. Dessen genaue Ursache konnte polizeilich nicht festgestellt werden; das gegen unbekannt geführte Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Brandstiftung ist mit Verfügung vom 22.11.2019 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden (Kopie Anl. K1/GA I 11; BeiA [StA Potsdam 446 UJs 2092/19] I 120 f.). Gemäß einer durch die Anspruchsgegnerin eingeholten (als Vorbericht bezeichneten) Stellungnahme ihres Privatsachverständigen Dipl.-Ing. ### vom 28.09.2018 (Kopie Anl. BLD9/GA I 136, 139) beträgt die vorläufige Gesamtschadenssumme € 75.306,46. Gezahlt hatte die Beklagte zunächst € 25.000,00. In ihrer Abrechnung vom 23.05.2019 (Kopie Anl. K3/GA I 42 = Anl. BLD 5/GA I 131) führt sie aus, dass die Versicherungsleistung wegen Unterversicherung, Obliegenheitsverletzung und grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles auf € 23.533,25 zu kürzen sei; auf die Rückforderung der Überzahlung werde verzichtet. Wegen der weiteren Details wird nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen (LGU 2 f.).

Vom Landgericht Potsdam, das in der Eingangsinstanz aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10.09.2020 erkannt hat, wurde die Klage abgewiesen, in der Hauptsache als derzeit unbegründet. Hierzu hat die Zivilkammer in ihrem Urteil ausgeführt:

Der geltend gemachte Anspruch auf die Erstattung des Neuwertschadens sei noch nicht fällig, weil der Berufungsführer – was indes bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Brandereignis nachgeholt werden könne – bislang nicht sichergestellt habe, dass die Leistung tatsächlich zur Wiederherstellung des Gebäudes verwendet werde; dessen bis dahin zu ersetzenden Zeitwert habe er nicht schlüssig dargelegt. Dem Klagevorbringen sei zwar zu entnehmen, dass er weiterhin auf dem Anwesen wohnen wolle; eine ausreichende Sicherheit, dass er das Gebäude insgesamt in dessen früherer Form neu errichten werde, bestehe aber nicht, zumal er selbst vortrage, zu weiteren Arbeiten aus finanziellen Gründen derzeit nicht in der Lage zu sein, und von den bereits erhaltenen € 25.000,00 rund 40 % fast zwei Jahre nach dem Brand noch immer nicht in die Rekonstruktion investiert habe. Um den Zeitwertschaden darzulegen, hätte der Anspruchsteller vortragen müssen, wie hoch der – von den Reparaturkosten in Abzug zu bringende – Betrag sei, um den sich infolge der Instandsetzung der Zeitwert der Sache gegenüber dem unmittelbar vor dem Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden erhöhe, was allerdings auch im erstinstanzlich nachgelassenen Schriftsatz nicht geschehen sei. Soweit die Beklagte ihrer Abrechnung vom 23.05.2019 (Kopie Anl. K3/GA I 42 = Anl. BLD 5/GA I 131) eine Schadenssumme zugrunde gelegt habe, beinhaltet dies weder ein Anerkenntnis noch handle es sich dabei um den bedingungsgemäßen Zeitwertschaden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des landgerichtlichen Urteiles verwiesen (LGU 3 ff.).

Dieses ist dem Kläger zu Händen seines erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten – nach dessen Empfangsbekenntnis (GA I 199) – am 03.11.2020 zugestellt worden. Er hat am 24.11.2020 (GA I 204) mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel mit einem am 02.01.2021 (GA I 212) bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz begründet (GA I 213 ff).

Der Kläger ficht das landgerichtliche Urteil – im Kern seine bisherigen Darlegungen wiederholend, ergänzend und vertiefend – in vollem Umfange seiner Beschwer an. Dazu trägt er speziell Folgendes vor:

Die Beklagte könne sich nicht auf Unterversicherung berufen, weil letztere bei der Versicherung zum gleitenden Neuwert wie hier ausgeschlossen sei und weil ihr Versicherungsagent ### den Wert bei Vertragsabschluss geschätzt habe. Obliegenheitsverletzungen darzulegen und nachzuweisen, sei der Anspruchsgegnerin nicht gelungen. Allerdings müsse sie sich an ihren Angaben zur Höhe des Gebäudeschadens in der Abrechnung vom 23.05.2019 (Kopie Anl. K3/GA I 42 = Anl. BLD 5/GA I 131), die nicht zwischen Wiederherstellungskosten und Zeitwertschaden differenziere, festhalten lassen, weil sich hieraus für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ergebe, dass sie den vollen Betrag gezahlt hätte, wenn weder Unterversicherung noch Obliegenheitsverletzungen vorlägen. Auf die in seinen Versicherungsbedingungen als Voraussetzung für den Neuwertanteil vorgesehene Sicherstellung des Wiederaufbaus könne der jeweilige Versicherer im Rahmen der Schadensregulierung verzichten. Dass der Privatsachverständige Dipl.- Ing. ### in seinem Vorbericht vom 28.09.2018 (Kopie Anl. BLD 9/GA I 136 ff.) nur auf einen Schaden i.H.v. € 75.306,46 € gekommen sei, habe er – der der Anspruchsteller – erst mit der Klageerwiderung erfahren. Zu Unrecht und unter Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sei die Zivilkammer zu dem Ergebnis gelangt, es fehle an der Sicherstellung des Wiederaufbaues. Ein Bauvertrag müsse dazu keineswegs abgeschlossen werden. Die Neuwertspanne könne unabhängig davon verlangt werden, wie hoch die tatsächlichen Aufwendungen letztlich seien, und werde selbst dann geschuldet, wenn diese den Zeitwert unterschritten. Ein gesetzliches Bereicherungsverbot gebe es bei den Versicherungen der vorliegenden Art nicht mehr. Mit einer Wiederherstellungsklausel solle der Versicherer vor Eigenbrandstiftungen und vorgetäuschten Versicherungsfällen geschützt werden; im Streitfalle liege jedoch weder das eine noch das andere vor. Unter den hier gegebenen Umständen genügten die bereits durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen, um den ernsthaften Wiederherstellungswillen zu belegen. Den Grundsatz der strengen Vergleichbarkeit von neu errichteten und alten Gebäude habe die Judikatur aufgegeben. Soweit es auf den Zeitwertschaden ankomme, müsse dieser – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht durch den Versicherungsnehmer, sondern vom Versicherer beziffert werden, da es sich um einen Annex zur Neuwertversicherung handele.

Der Kläger beantragt,

a) unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, ihm – dem Kläger – zu zahlen

a.a) € 51.306,46 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 23.05.2019 und

a.b) weitere € 1.954,46 vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit, davon € 1.492,40 nebst den darauf entfallenden Zinsen auf das Konto der ### Rechtsschutz Versicherung AG, ###.

b) hilfsweise den Rechtsstreit an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt – unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens – das ihr günstige Urteil des Landgerichts. Dazu trägt sie insbesondere Folgendes vor:

Als Berufungsinstanz sei der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichtes gebunden; konkrete Anhaltspunkte für vernünftige Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit zeige die Berufung im Streitfall nicht auf. Dass der Zeitwertschaden die schon vorgerichtlich ausgezahlten € 25.000,00 übersteige, habe der Kläger nach wie vor nicht dargetan. Ein Anerkenntnis durch sie, die Rechtsmittelgegnerin, wonach unabhängig von der gesicherten Wiederherstellung eine Entschädigungsleistung i.H.v. € 75.306,46 oder sogar € 76.306,46 geschuldet werde, die sich allein wegen Unterversicherung und Obliegenheitsverletzungen reduziere, gebe es nicht. Die entrichteten € 25.000,00 seien unstreitig bloß ein Vorschuss gewesen, der sich jedoch nachträglich als zu hoch erwiesen habe; allein auf die Rückforderung der Überzahlung sei verzichtet worden, was aus dem Schreiben vom 23.05.2019 eindeutig hervorgehe (Kopie Anl. K3/GA I 42 = Anl. BLD 5/GA I 131). Aus Gesprächen mit dem Schadensregulierer ### habe der Kläger gewusst, dass der Privatsachverständige Dipl.-Ing. Arch. ### die Reparaturkosten zunächst zum Neuwert ermittle. Anknüpfungstatsachen für die Bemessung des Zeitwertschadens seien vom jeweiligen Anspruchsteller vorzutragen. Bei der Prüfung, ob die sogenannte Neuwertspitze geschuldet werde, genügten Erwägungen dazu, ob eine Bereicherung des Versicherungsnehmers eintrete, keineswegs. Maßgeblich sei, ob nach den getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Durchführung der Wiederherstellung bestünden; bloße Absichtserklärungen oder nur vorläufige Dispositionen des Versicherungsnehmers genügten indes nicht. Die tatsächliche Ausführung der klägerseits behaupteten Bauarbeiten sei streitig.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 04.10.2021 (GA II 272 ff.) hat der Kläger ein Angebot des Gewerbetreibenden ###, handelnd unter der Firma Allround-Service ###, betreffend „Sanierung Dach“ vom 23.08.2021, versehen mit dem Zusatz „Auftrag erteilt am 23.08.21“, sowie eine Material-Vorauszahlungsrechnung vom 14.09.2021 mit dem Vermerk „bezahlt am 15.09.21“ nachgereicht. Durch Senatsbeschluss vom 07.10.2021 (GA II 278 f.) ist der Rechtsstreit gemäß § 527 Abs. 1 ZPO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Vorbereitung der Entscheidung zugewiesen worden. Im Termin der mündlichen Verhandlung am 13.10.2021 (Protokoll GA II 281 ff.) schlossen beide Seiten einen Prozessvergleich, der durch die Beklagte mit anwaltlichen Schriftsatz vom 02.11.2021 (GA II 291) widerrufen wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der bisherigen Prozessgeschichte wird ergänzend auf die anwaltlichen Schriftsätze beider Seiten nebst Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

A.

Die Berufung ist zwar an sich statthaft und ebenso im Übrigen zulässig; sie wurde insbesondere sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet (§ 511 Abs. 1 und 2 sowie § 517 ff. ZPO). In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel des Klägers aber erfolglos. Denn die Eingangsinstanz hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist insgesamt endgültig unbegründet. Gesetzliche Gründe i.S.d. § 513 Abs. 1 ZPO, auf die eine Berufung allein gestützt werden kann, existieren im Streitfall nicht: Weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung gemäß der Definition im § 546 ZPO zum Nachteil des Anspruchstellers noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere – für den Rechtsmittelführer günstige(re) – Entscheidung; maßgebend ist in diesem Zusammenhange die objektive Richtigkeit des angegriffenen Richterspruches, nicht dessen Begründung (arg. § 561 ZPO; vgl. Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 513 Rdn. 13; MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl., § 513 Rdn. 6; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 513 Rdn. 5).

Die Beklagte schuldet dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus dem in Rede stehenden Versicherungsgeschäft gemäß Teil C § 17 Nr. 1 lit. a) bb), Nr. 2 und 3 i.V.m. § 1 Nr. 1, § 4 Nr. 1 und § 5 Nr. 1 VFS 08 sowie § 1 S. 1 VVG, weitere Entschädigungszahlungen wegen des am 16.09.2018 eingetretenen Gebäudeschadens. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfange sich die Versicherungsleistung aufgrund von Unterversicherung reduziert beziehungsweise infolge von (zumindest) grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles oder Obliegenheitsverletzungen gekürzt werden darf, kann hier offenbleiben. Denn es lassen sich – was vom Landgericht zu Recht angenommen wurde (LGU 3 ff.) – bereits die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht feststellen, hinsichtlich derer der Berufungsführer gemäß den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast trägt. Die geltend gemachten Nebenforderungen teilen das rechtliche Schicksal des Hauptanspruches, zu dem sie gehören.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Es spricht freilich vieles dafür, dass auch in den Konstellationen der vorliegenden Art, in denen eine sogenannte strenge Wiederherstellungsklausel vereinbart wurde (Teil C § 17 Nr. 2 VFS 08), die gemäß ganz herrschender Meinung, die der Senat teilt, keine bloße Fälligkeitsregelung i.S.d. § 93 Satz 1 VVG beinhaltet (vgl. dazu BGH, Urt. v. 13.12.2000 – IV ZR 280/99, BeckRS 2001, 613; Urt. v. 18. 02.2004 – IV ZR 94/03, LS., BeckRS 2004, 2887; ferner BeckOK-VVG/Rust, 17. Ed., § 93 Rdn. 10 ff.; Beckmann/Schirmer in Wagner, Gabler Versicherungslexikon, 2. Aufl., Stichwort Wiederherstellungsklausel), die Klage zumindest betreffend den Neuwertanteil lediglich als derzeit unbegründet abgewiesen werden kann, wenn die Mittelverwendung für den Wiederaufbau zwar bislang nicht sichergestellt, die vereinbarte (dreijährige) Wiederherstellungs(sicherungs)frist aber noch nicht abgelaufen ist. Dadurch wird die materielle Rechtskraft der Entscheidung dergestalt beschränkt, dass ein Kläger, dem der von ihm geltend gemachte prozessuale Anspruch gemäß dem im Verfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt gegen den jeweiligen Beklagten noch nicht zusteht, beim Wegfall des konkreten Abweisungsgrundes oder Eintritt der zuvor fehlenden materiellen Anspruchsvoraussetzung die Möglichkeit zur erneuten Klageerhebung behält und dass die andere Partei dem nach wie vor all ihre Einwendungen und Einreden entgegensetzen kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.05.2018 – II ZR 119/16, Rdn. 20, BeckRS 2018, 14277; Urt. v. 26.10.2021 – XI ZR 608/20, Rdn. 16, BeckRS 2021, 34202; ferner BeckOK-ZPO/Elzer, 46. Ed., § 313 Rdn. 80; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 322 Rdn. 51). Endet die Wiederherstellungs(sicherungs)frist jedoch während des Prozessverlaufes, was hier mit dem 16.09.2021 geschah, so ist die Klage insgesamt als endgültig unbegründet abzuweisen. Dies kann laut gefestigter höchstrichterlicher und obergerichtlicher Judikatur, der sich der Senat anschließt, in zweiter Instanz ohne Verstoß gegen § 528 ZPO im Rahmen eines allein von der klagenden Partei eingelegten Rechtsmittels geschehen, da letztere keinen schutzbedürftigen Besitzstand erlangt hat und mit einer endgültigen Klageabweisung rechnen muss, wenn sie den gesamten Anspruch zur Überprüfung durch das Berufungsgericht stellt und ein umfassendes Sachurteil erstrebt (so BGH, Urt. v. 21.04. 1988 – VII ZR 372/86, BeckRS 1988, 237; ebenso OLG Hamm, Urt. v. 10.03.2022 – 24 U 194/20, LS 2, BeckRS 2022, 5640 Rdn. 53 f., m.w.N.; vgl. ferner OLG Nürnberg, Urt. v. 23.10.2014 – 13 U 1907/12, BeckRS 2014, 21598 Rdn. 64).

2. Zu Unrecht meint die Berufung, die Klage hätte bereits deshalb Erfolg haben müssen, weil die Beklagte – infolge eines Anerkenntnisses (GA II 256, 264) – an die Zahlenangaben in ihrer Abrechnung vom 23.05.2019 (Kopie Anl. K3/GA I 42 = Anl. BLD 5/GA I 131) gebunden sei. Ob ein solches existiert, hat das Landgericht geprüft und – mit völlig zutreffenden Erwägungen – verneint (LGU 4 f.). Neben einem abstrakten Schuldanerkenntnis i.S.d. § 781 BGB und dem im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelten deklaratorischen Schuldanerkenntnis, die beide im Streitfall schon deswegen nicht vorliegen, weil nach dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens gerade keine Zahlungsverpflichtung (weder eine Schuld noch ein Anspruch) anerkannt wurde, ist zwar ein sogenanntes tatsächliche Anerkenntnis möglich, welches keinen besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des Schuldners verkörpert, sondern von diesem allein zu dem Zweck abgegeben wird, dem Gläubiger seine Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen und ihn dadurch etwa von sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder ihm den Beweis zu erleichtern; solche „als Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst” zu wertenden Bestätigungserklärungen können im Zivilprozess eine Umkehr der Beweislast bewirken oder stellen jedenfalls ein Indiz dar, das der Richter – unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Entkräftung – bei seiner Beweiswürdigung verwerten kann (vgl. BGH, Urt. v. 23.09.2020 – XII ZR 86/18, Rdn. 19 m.w.N., BeckRS 2020, 31246). Es besteht aber keinerlei tatsächliche Vermutung für die Abgabe eines solchen Anerkenntnisses (vgl. BGH aaO Rdn. 24). Unter den hier vorliegenden Umständen gab er für die Beklagte offensichtlich weder Grund noch Anlass, dem Kläger ihren Leistungswillen zu signalisieren, etwa um ihn von zeitnahen rechtlichen Schritten abzuhalten oder um seine spätere Beweislage zu stärken. Mit ihrem Schreiben vom 23.05.2019 wollte die Anspruchsgegnerin – vom objektivierten Empfängerhorizont aus betrachtet – nur mitteilen, dass sie (aus ihrer Sicht) in keinem Falle mehr schulde als die im Voraus gezahlten € 25.000,00, sondern sogar etwas weniger, wobei sie die Differenz (aus Kulanz) nicht zurückfordere. Mitnichten geht daraus hervor, dass sie – wenn ihre Einwendungen betreffend die Unterversicherung, die Verletzung vom Obliegenheiten und die grob fahrlässige Herbeiführung des versicherten Ereignisses erfolglos blieben – die volle Neuwertentschädigung zahlen werde, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für den Anspruch auf den Neuwertanteil vorliegen. Auf eine Differenzierung zwischen den gesamten Wiederherstellungskosten und dem Zeitwertschaden kam es im damaligen Kontext nicht an. Dass die Kostenzusammenstellung des Privatsachverständigen Dipl.-Ing. Arch. ### mit € 75.306,46 endet, steht übrigens bereits in den ersten Zeilen des Schreibens vom 23.05.2019, weshalb es durchaus einen deutlichen Anhaltspunkt dafür gab, dass es sich bei den in die Berechnungsformel eingesetzten € 76.306,46 um einen bloßen Schreibfehler handelt.

3. Die Erstattung des Neuwertschadens kann der Kläger von der Beklagten – unter Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen, die der Senat als Berufungsgericht laut § 522 Abs. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen hat – gemäß den von den Prozessparteien vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht verlangen.

a) Nach Teil C § 17 Nr. 2 lit. a) Satz 1 VFS 08 erwirbt der Versicherungsnehmer, wenn – wie hier laut der Police vom 17.09.2015 (Kopie in Anl. K2/GA I 12, 15) für die (ganz oder zumindest überwiegend gewerblich genutzten) Betriebs- und Geschäftsgebäude – die Entschädigung zum Neuwert vereinbart ist, den Anspruch auf den Neuwertanteil (die Neuwertspitze) nur, soweit und sobald innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt des Versicherungsfalls, die im Vorliegenden mit dem 16.09.2021 abgelaufen sind, sichergestellt ist, dass er die Entschädigung verwenden wird, um Gebäude zum gleichen Betriebszweck an der bisherigen Stelle wiederzuerrichten. Dabei handelt es sich – wie bereits oben erörtert wurde – um eine sogenannte strenge Wiederherstellungsklausel, die keine bloße Fälligkeitsregelung trifft, sondern die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anspruchsentstehung festlegt. Einen eigenständigen Betriebszweck Wohnen gibt es im Streitfalle – entgegen der Auffassung der Berufung (GA I 213, 226 f; II 300, 301 f.) – nicht, auch wenn sich die Prozessparteien darüber einig, dass das in Rede stehende Gebäude, das der Privatgutachter der Beklagten in seiner Versicherungswertermittlung vom 21.05.2019 (Kopie in Anl. BLD 9/GA I 140, 141) als „eingeschossiges, vom VN selbst genutztes Wohn- und Bürogebäude“ beschreibt, zu den versicherten Objekten gehört. Die bedingungsgemäße Sicherstellung der Mittelverwendung muss – wie die Zivilkammer zu Recht ausgeführt hat (LGU 3 f.) – sehr hohen Anforderungen genügen, um Manipulationen möglichst auszuschließen. Zwar bedarf es nicht zwingend des Abschlusses eines entsprechenden Bauwerkvertrags und kommt es ebenso wenig darauf an, ob die gesamten finanziellen Mittel vom Versicherungsnehmer letztlich ausgegeben (also verbaut) werden müssen, so dass keinen Nachteil erleiden darf, wer den bereits vollzogenen Wiederaufbau eines gleichwertigen Gebäudes kostengünstiger bewerkstelligt hat; notwendig sind zuvor aber immer Vorkehrungen, die – selbst wenn sie eine restlose Sicherheit nicht bieten – bei vorausschauend-wertender Betrachtung jedenfalls keine vernünftigen Zweifel an der Wiederherstellung (das heißt dem Eintritt des Erfolges) aufkommen lassen, was etwa bei bloßen Absichtsbekundungen oder bei Maßnahmen, die ohne Weiteres wieder rückgängig gemacht werden können, nicht zutrifft (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18.02.2004 – IV ZR 94/03, BeckRS 2004, 2887; Urt. v. 20.07.2011 – IV ZR 148/10, Rdn. 11 ff.; BeckRS 2011, 204 73; ferner BGH, Urt. v. 20.04.2016 – IV ZR 415/14, Rdn. 11 ff., BeckRS 2016, 8174; ebenso Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 93 Rdn. 21 und 26 ff. m.w.N.).

b) Hier ist der Wiederaufbau – schon laut dem klägerischen Vorbringen (GA I 213, 225; II 272 und 300, 302) – bis zum Ablauf der Dreijahresfrist nicht beendet worden, weshalb es auf die bedingungsgemäße Sicherstellung der Mittelverwendung ankommt. Als nicht ausreichend erweist es sich, wovon letztlich die Berufung offenbar selbst ausgeht (GA I 213, 225 ff.), dass – nach dem bestrittenen Klagevortrag – auf dem Grundstück etwas errichtet wurde, in dem der Anspruchsteller provisorisch wohnen kann und auch tatsächlich wohnt. Ein gleichwertiges Gebäude ist im maßgeblichen Zeitraum nicht entstanden. Allein aus dem behaupteten Beginn von Wiederaufbauarbeiten musste das Landgericht – unter Berücksichtigung der oben erörterten strengen Anforderungen und angesichts der konkreten Umstände des Streitfalles – keineswegs schlussfolgern, dass der Kläger die weiteren finanziellen Mittel inklusive der sogenannten Neuwertspitze gleichermaßen in die Wiederherstellung investieren werde. Bereicherungsrechtliche Erwägungen genügen in diesem Zusammenhange nicht, was in der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon vor längerem explizit klargestellt wurde (vgl. BGH, Urt. v. 20. 04.2016 – IV ZR 415/14, LS und Rdn. 12 ff., BeckRS 2016, 8174). Weil es stets auf den Wiederherstellungserfolg ankommt, lassen sich allein aus dem bisherigen Investitionsvolumen, welches – selbst unter Einbeziehung des zweitinstanzlich nachgereichten und mit dem Vermerk „Auftrag erteilt“ versehenen Angebots des Allround-Service-Unternehmers ### vom 23.08.2021 (Kopie Anl. BK1/GA II 273 f.) – bei lediglich € 28.597,45 liegt, also die ausgezahlte Versicherungsleistung nur geringfügig übersteigt und rund 37 % der durch die Beklagte in Ansatz gebrachten Gesamtwiederherstellungskosten ausmacht, keine für den Berufungsführer günstigen Schlüsse ziehen. Sein Prozessbevollmächtigter hatte im ersten Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz, wie im Protokoll vom 13.10.2021 festgehalten ist (GA II 281, 283), beim vorbereitenden Einzelrichter ausdrücklich Schriftsatznachlass beantragt und erhalten zu der seinerzeit erörterten Frage, inwieweit an dem betreffenden Gebäude Brandschäden entstanden sind, welche bereits behoben wurden und was zur Sicherstellung der restlichen Wiederaufbauarbeiten per 16.09.2021 veranlasst wurde. Dargetan worden ist hierzu indes nichts weiter. Der Kläger meint, das Gericht könne und müsse sich den Baufortschritt an Ort und Stelle ansehen respektive dazu den Zeugen ### hören. Dies trifft jedoch nicht zu. Da im Zivilprozess der Beibringungsgrundsatz beherrscht, findet ohne schlüssiges beziehungsweise erhebliches Parteivorbringen keine Beweisaufnahme statt.

4. Hinsichtlich des Zeitwertschadens beschränken sich die Angriffe der Berufung darauf, die Darlegungslast bei der Beklagten zu sehen (GA I 213, 227 f.). Es gibt jedoch weder Grund noch Anlass, in Konstellationen der vorliegenden Art von der allgemein anerkannten – ungeschriebenen – Basisregel abzuweichen, wonach im Zivilprozess jede Partei das Vorhandensein sämtlicher Voraussetzungen der ihr günstigen Normen zunächst vorzutragen, bei Bedarf zu substanziieren (präzisieren) und im Bestreitensfalle zu beweisen hat (sog. Normentheorie; vgl. dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZivilProzR, 18. Aufl., § 116 Rdn. 7 f., 37 und 40; ebenso Jäckel, Das BeweisR der ZPO, 3. Aufl., Rdn. 874 und 878). Der Anspruch auf Entschädigung zum Zeitwert ist gemäß den durch die Prozessparteien getroffenen Absprachen kein schlichtes Minus im Verhältnis zur Neuwertentschädigung; vielmehr existiert bei Vereinbarung einer strengen Wiederherstellungsklausel ein völlig eigenständiger Anspruch auf den jeweiligen Neuwertanteil. Dementsprechend obliegt es allein dem hiesigen Rechtsmittelführer, seinen Zeitwertschaden zu beziffern, die für dessen Feststellung notwendigen Anknüpfungstatsachen darzutun und hierfür Beweis anzutreten (vgl. dazu LG Aachen, Urt. v. 14.07.2016 – 9 O 288/15, BeckRS 2016, 114734; ferner OLG Köln, Beschl. v. 08.06. 2021 – 9 U 20/21, BeckRS 2021, 40433 Rdn. 23; ebenso Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 93 Rdn. 6; BeckOK-VVG/Rust, 17. Ed., § 93 Rdn. 42; Günther, r+s 2017, 340, 342). Dies ist auch zumutbar, weil der Kläger selbst die örtlichen Gegebenheiten auf seinem Anwesen und alle sonstigen diesbezüglichen Umstände am besten kennt und weil er die Höhe des Betrages schätzen darf. Wenn der Versicherer zur Schadensregulierung einen Privatsachverständigen hinzuzieht, so hat dies – anders als die Berufung meint (GA I 213, 228) – nichts mit dem Sachverständigenverfahren i.S.d. Teil A § 15 VFS 08 zu tun, das insbesondere zur Feststellung der Schadenshöhe dient und nur vom Versicherungsnehmer einseitig verlangt werden kann. Weil die notwendigen Ausgangstatsachen fehlen, ist dem Senat keine Schätzung gemäß § 287 ZPO möglich; sie würde – bildlich gesprochen – völlig in der Luft hängen. Im Übrigen kann infolge des Inhalts der Erörterungen im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.11.2022 nicht ausgeschlossen werden, dass der bedingungsgemäße Zeitwertschaden bereits mit dem vorgerichtlich gezahlten € 25.000,00 abgegolten ist.

5. Der nicht nachgelassen Anwaltsschriftsatz des Klägers vom 19.12.2022 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 ZPO, unter denen zwingend wiederzueröffnen ist, liegen nicht vor.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 97 Abs. 1 ZPO. Danach fallen die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels dem Kläger zur Last, weil er es eingelegt hat.

C.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Berufungsurteils und der angefochtenen Entscheidung gründet sich auf § 708 Nr. 10 ZPO sowie auf § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. Art und Umfang der Sicherheitsleistung hat der Senat nach § 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO – unter Berücksichtigung der in § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO und in § 239 Abs. 2 BGB enthaltenen Rechtsgedanken – bestimmt. Zu Sicherungszwecken gegebene Zahlungsversprechen von Kreditversicherern sind – speziell nach Auffassung des Gesetzgebers (vgl. u.a. Bericht des Rechtsausschusses zum BReg-Entw. für ein Bauhandwerkersicherungsgesetz, BT-Drucks. 12/4526, S. 9, 11) – denen von Kreditinstituten gleichwertig (arg. § 648a Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. = § 650f Abs. 2 Satz 1 BGB n.F.; § 31 Abs. 3 Nr. 1 EEG 2021; § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ElektroG 2015; § 14 Abs. 1 Satz 3 WBVG; § 17 Abs. 2 VOB/B).

D.

Die Revision wird durch den Senat – in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG – nicht zugelassen. Denn die vorliegende Rechtssache hat weder grundsätzliche – über den konkreten Streitfall hinausgehende – Bedeutung (für eine unbestimmte Vielzahl zu erwartender Streitigkeiten, in denen sich die nämlichen Rechtsfragen als klärungsbedürftig erweisen) noch erfordert die Fortbildung des Rechtes oder die Sicherung einer einheitlichen Judikatur eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Ob sich die Sicherstellung der bestimmungsgemäßen Mittelverwendung im Einzelfall nach den dort gegebenen Umständen konstatieren lässt, ist eine Tatfrage (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2011 – IV ZR 148/10, Rdn. 13, BeckRS 2011, 20473). Das Berufungsurteil des Senats beruht deshalb im Kern auf der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall und auf der Würdigung von dessen tatsächlichen Umständen. Divergenzen zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder zu den Judikaten anderer Oberlandesgerichte, die höchstrichterlich bisher noch ungeklärte Fragen mit Relevanz für den Ausgang des hiesigen Streitfalles betreffen, sind nicht ersichtlich.

E. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren beträgt – wie in der ersten Instanz (LGU 2) – € 51.306,46 (§ 3 1. Halbs. ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 40 und § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Maßgebend ist – gemäß dem sogenannten Angreiferinteresseprinzip (vgl. dazu BeckOK-KostR/Schindler, 39. Ed., GKG § 47 Rdn. 1; MüKoZPO/Wöstmann, 6. Aufl., § 3 Rdn. 4, 5 und 10; Roth, MDR 2017, 1153, 1154; Schumann, NJW 1982, 1257, 1260; Toussaint/Elzer, KostR, 51. Aufl., ZPO § 3 Rdn. 11; ferner OLG Brandenburg a.d.H., Beschl. v. 15.10.2019 – 11 W 24/ 19, Rdn. 3, BeckRS 2019, 28478; OLG Dresden, Beschl. v. 18.12.2019 – 4 W 896/19, Rdn. 3, BeckRS 2019, 34226; jeweils m.w.N.) – in vermögensrechtlichen Streitigkeiten wie vorliegend generell das mit dem Petitum derjenigen Partei, die das Verfahren des jeweiligen Rechtszuges beantragt hat, offenbarte und entsprechend ihrem Rechtsschutzziel in der Hauptsache zu bewertende wirtschaftliche Interesse an der Rechtsverfolgung beziehungsweise Rechtsverteidigung zu Beginn der Instanz. Hier verfolgt der Kläger mit der Berufung seine vom Landgericht abgewiesenen Klageanträge weiter, die auf Zahlung bezifferter Geldbeträge zur Erfüllung einer Schuld gerichtet sind. In solchen Konstellationen ist deren Nennwert in Ansatz zu bringen (arg. § 6 Satz 1 ZPO; vgl. BeckOK-KostR/ Toussaint aaO, § 48 Rdn. 84; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl., § 3 Rdn. 72 und § 6 Rdn. 5; Toussaint/Elzer aaO, ZPO § 3 Rdn. 23 Stichwort Geldforderung; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 6 Rdn. 7). Die miteingeklagten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bleiben – ebenso wie die geltend gemachten Zinsen – nach § 43 Abs. 1 GKG als bloße Nebenforderungen streitwertneutral (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 25.09. 2007 – VI ZB 22/07, Rdn. 4 ff., BeckRS 2007, 17108; ferner BDZ/Dörndorfer, GKG/FamGKG/JVEG, 5. Aufl., § 43 Rdn. 2; BeckOK-KostR/Schindler aaO § 43 Rdn. 11; NK-GK/Schneider, 3. Aufl., GKG § 43 Rdn. 16; Zöller/Herget aaO, § 4 Rdn. 13, m.w.N.).

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