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Rechtsschutzversicherung – Leistungsumfang bei Vergleichsmehrwert

LG München I – Az.: 25 S 17954/16 – Urteil vom 01.12.2017

1. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 07.10.2016, Az. 112 C 15871/16, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den weiteren Kosten der A… A.. D.. und K.. Rechtsanwälte, …., in Höhe von EUR 1.400,04 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2016 freizustellen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert wird für das Verfahren auf EUR 1.400,04 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten im Hinblick auf einen Vergleichsmehrwert.

Der Kläger ist Versicherungsnehmer bei der Beklagten und unterhält bei dieser seit dem 06.04.2011 einen Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der … (ARB …, Anlage K 20) zugrunde liegen. Dort ist u a. Folgendes geregelt:

„§ 4 Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz

(1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles

(…)

c) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.

(…)

§ 5 Leistungsumfang

(1) Der Versicherer erbringt und vermittelt Dienstleistungen zur Wahrnehmung rechtlicher Interessen und trägt

(…)

i) Kosten, die bei einer einverständlichen Erledigung entstanden sind, soweit sie dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist. Dabei ist ausschließlich auf das wirtschaftliche Ergebnis abzustellen, andere Überlegungen wie z.B. die Vermeidung einer Beweisaufnahme oder das offene Prozesskostenrisiko sind nicht zu berücksichtigen. Der Eintritt eines Rechtsschutzfalles ist auch bei mit erledigten Angelegenheiten erforderlich.“

Der Kläger war bei seinem Arbeitgeber, der B… F… Management GmbH, seit dem 01.01.2009 in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt (vgl. Arbeitsvertrag, Anlage K 1).

Im Mai 2014 erteilte der ehemalige Arbeitgeber des Klägers diesem ein Zwischenzeugnis, in dem u. a. Folgendes ausgeführt wurde:

„Herr H… kommt mit allen Ansprechpartnern, egal ob Kollegen, Kunden und Vorgesetzten gut zurecht.“

Mit Schreiben vom 19.09.2014 (Anlage K 2) wurde der Kläger von seinem ehemaligen Arbeitgeber folgendermaßen abgemahnt:

„Sehr geehrter Herr H…,

Wir mahnen Sie hiermit wegen der Verletzung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten ab. Der Verstoß ergibt sich aus folgendem Sachverhalt:

(…)

Mit Ihrem Verhalten haben Sie gegen die vertragliche Verpflichtung, alle Obliegenheiten Ihres Dienstes unter persönlicher Verantwortung sowie den allgemeinen Anordnungen der Gesellschaft und auch den Weisungen Ihres Vorgesetzten entsprechend zu erledigen, verstoßen und vor allen Dingen das Vertrauen Ihres Arbeitgebers erheblich missbraucht. Wir nehmen dieses Fehlverhalten nicht unbeanstandet hin und missbilligen ausdrücklich Ihr Verhalten.

Darüber hinaus fordern wir Sie auf, sich künftig vertragsgemäß zu verhalten. Der guten Ordnung halber weisen wir Sie darauf hin, dass wir Ihr Verhalten als groben Arbeitszeitverstoß werten und Ihnen, sofern sie zukünftig noch einmal falsche Zeiten zu Ungunsten des Arbeitgebers aufschreiben, von unserem Recht Gebrauch machen und Ihnen eine außerordentliche Kündigung aussprechen werden!“

U. a. im Hinblick auf die vorstehende Abmahnung vom 19.09.2014 kam es zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Arbeitgeber zum Streit. Mit Schreiben vom 22.09.2014 (Anlage K 8) erteilte die Beklagte dem Kläger gegenüber Deckungszusage hinsichtlich der außergerichtlichen und erstinstanzlichen Interessenvertretung aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers mit der B… F…. Management GmbH „aufgrund des mitgeteilten Sachverhaltes (Abmahnung vom 19.09.2014)“.

Mit Schreiben vom 12.11.2014 (Anlage K 3) führte der ehemalige Arbeitgeber des Klägers Folgendes aus:

(…) Abmahnungen:

Herr H… hat von uns am 19.09.2014 eine Abmahnung wegen Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten erhalten. Der abgemahnte Vorfall hätte u.E. nach eine fristlose Kündigung ermöglicht. Aufgrund der Betriebszugehörigkeit haben wir davon abgesehen und dies auch Herrn H…. im Gespräch unter Beisein eines Mitgliedes des Betriebsrates erläutert.“

Das Vorgehen des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers löste bei diesem eine psychische Erkrankung aus (vgl. Attest vom 24.06.2015, Anlage K 4).

Der Kläger erhob mit Anwaltsschriftsatz vom 29.06.2015 (Anlage K 5) Klage und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht München und beantragte u. a. die Rücknahme der Abmahnung vom 19.09.2014 und deren Entfernung aus der Personalakte. Hierzu führte der Kläger aus, dass diese Abmahnung jeglicher Substanz entbehre sowie inhaltlich unzutreffend und rechtswidrig sei.

Mit Urteil vom 31.07.2015 (Anlage K 6) wurde der Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 08.09.2015 (Anlage K 7) stellte das Arbeitsgericht im Hauptsacheverfahren den Vergleichsschluss der Parteien fest, mit dem der Kläger und sein ehemaliger Arbeitgeber auch über Folgendes einigten:

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus beim Kläger vorliegenden personen- bzw. krankheitsbedingten Gründen im beiderseitigen Einvernehmen mit Wirkung zum 31. August 2015 („Beendigungsdatum“) sein Ende finden wird. (…)

3. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger unter dem Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein qualifiziertes, wohlwollendes Arbeitszeugnis zu erteilen, welches eine gute Leistungs- und Verhaltensbeurteilung beinhaltet. Das Arbeitszeugnis wird mit einer entsprechenden Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel abschließen.“

Die Beklagte weigerte sich im Folgenden, den Kläger von den Kosten der ihn vertretenden Anwälte bezüglich des Vergleichsmehrwerts (Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Ausstellung eines positiven Endzeugnisses) in Höhe eines Betrages von insgesamt 1.400,04 EUR freizustellen.

Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts München Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Mit Endurteil vom 07.10.2016 wies das Amtsgericht München die Klage ab. Das Amtsgericht München hat dies unter Anwendung der Regelung in § 5 Abs. 1 i der ARB … im Wesentlichen damit begründet, dass im Hinblick auf die beiden streitgegenständlichen Vergleichsmehrwert-Positionen „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ und „Zeugniserteilung“ kein Versicherungsfall vorliegt.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts München legte der Kläger mit Schriftsatz vom 25.10.2016 Berufung ein, die mit Schriftsatz vom 11.01.2017 innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist sowie mit Schriftsätzen vom 24.03.2017 und vom 27.10.2017 begründet wurde.

Der Kläger wendet gegen das erstinstanzliche Urteil ein, dass die Regelung in § 5 Abs. 1 i der ARB …, wonach der Eintritt eines Rechtsschutzfalles ist auch bei miterledigten Angelegenheiten erforderlich ist, aufgrund eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sei. Es sei unklar, was „miterledigte Angelegenheiten“ heißen soll. Der Versicherungsschutz werde eingeschränkt, ohne dass der Versicherungsnehmer das genaue Ausmaß der Einschränkung klar erkennen könne. Die Regelung sei weiter überraschend und damit unwirksam. Denn der Versicherungsnehmer müsse nicht damit rechnen, dass unter dem „§ 5 Leistungsumfang“ im Unterpunkt Abs. 1 i am Ende eine Regelung getroffen werde, die die Leistungspflicht der Beklagten angeblich einschränken soll. Diese Klausel sei generell ungewöhnlich und subjektiv für den Versicherungsnehmer überraschend.

Weiter wendet der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil ein, dass das Amtsgericht München unzutreffenderweise davon ausgehe, dass im Hinblick auf die beiden streitgegenständlichen Vergleichsmehrwert-Positionen „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ und „Zeugniserteilung“ kein Versicherungsfall gegeben sei. Vielmehr lägen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des 4. Senates des BGH jeweils Versicherungsfälle vor.

Hinsichtlich der Position „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ habe der Kläger seinem ehemaligen Arbeitgeber vorgeworfen, u. a. mit insgesamt fünf Abmahnungen in erheblichem Maße gegen seine Fürsorgepflicht verstoßen zu haben. Der Kläger sei auch davon ausgegangen, dass er aufgrund dieses Sachverhaltes (erhebliche Verstöße gegen die Fürsorgepflicht) zu einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 BGB berechtigt gewesen sei. Eine bloße Behauptung eines solchen Verstoßes durch den Versicherungsnehmer sei ausreichend, wenn dieser wie vorliegend auf Tatsachen beruhe (u. a. Abmahnungen, ärztliche Feststellungen, ärztliche Bescheinigung Anlage K 4). Hierauf sei das Amtsgericht in seiner Entscheidung nicht eingegangen.

Hinsichtlich der Position „Zeugniserteilung“ sei mit Abschluss des Vergleichs der Streit über die Verhaltensbewertung des Klägers auch vor dem Hintergrund des erteilten Zwischenzeugnisses vom Mai 2014 beigelegt und ein zukünftiger Rechtsstreit nach Erteilung eines Endzeugnisses, das dem Zwischenzeugnis entsprochen hätte, verhindert worden. Denn das Zwischenzeugnis sei insbesondere hinsichtlich der Verhaltensbeurteilung des Klägers kein gutes Zeugnis gewesen und habe somit nicht der Leistung des Klägers entsprochen.

Der Kläger beantragte Folgendes:

1. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 07.10.2016, Az. 112 C 15871/16, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den weiteren Kosten der A.. A..D.. und ..Rechtsanwälte, .., in Höhe von EUR 1.400,04 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2016 freizustellen.

Die Beklagte beantragte, die Berufung des Klägers abzulehnen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil insbesondere damit, dass die streitgegenständliche Regelung in § 5 Abs. 1 i) ARB … wirksam sei. Vor dem Hintergrund dieser Regelung und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei das Amtsgericht München zutreffend davon ausgegangen, dass hinsichtlich der beiden streitgegenständlichen Vergleichsmehrwert-Positionen kein Versicherungsfall gegeben sei. Demzufolge müsse der vorgetragene Tatsachenkern die (dann erst auf einer späteren Ebenen vorzunehmende) Beurteilung erlauben, ob der damit beschriebene Vorgang den zwischen den Parteien ausgebrochenen Konflikt ausgelöst hat. Im vorliegenden Fall habe eine Abmahnung mit Kündigungsandrohung im Wiederholungsfalle den Rechtsschutzfall ausgelöst. Hiergegen habe sich der Kläger gewehrt. Im weiteren Verlauf haben die Parteien der Arbeitsrechtsauseinandersetzung dann aus persönlichen Gründen die Vertragsaufhebung vereinbart. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Streit gestanden habe. Wäre es im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu keinen weiteren Arbeitsrechtsverstößen gekommen oder wäre die Abmahnung durch entsprechende Verteidigungsmittel aus der Personalakte verschwunden, so wäre die Beendigung des Arbeitsverhältnisses per se nicht weiter im Streit gestanden. Ein Ursachenkern für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die einhergehende Erteilung des Zeugnisses sei damit nicht vor gegeben.

Ergänzend wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien mit samt aller Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2017 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Zwar hat das Amtsgericht München zutreffend die Wirksamkeit der Regelung in § 5 Abs. 1 i) der ARB … bejaht. Allerdings liegen entgegen der Ansicht des Amtsgerichts München im Hinblick auf die beiden streitgegenständlichen Vergleichsmehrwert-Positionen „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ und „Zeugniserteilung“ jeweils Versicherungsfälle vor, so dass der streitgegenständliche Freistellungsanspruch des Klägers in der geltend gemachten Höhe besteht.

1. Wirksamkeit der Regelung § 5 Abs. 1 i) der ARB …

Zutreffend legt das Amtsgericht München dar, dass die Regelung § 5 Abs. 1 i) der ARB …, wonach der Eintritt eines Rechtsschutzfalles auch bei miterledigten Angelegenheiten erforderlich ist, eindeutig sowie nicht für den Versicherungsnehmer überraschend und damit nicht unwirksam gemäß §§ 305 ff. BGB ist.

a) Bei den ARB … handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des §§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB, womit sie einer Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB unterliegen.

b) Diese Klausel stellt sich nicht als überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB dar. Gemäß § 305 c Abs. 1 BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen dann nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Klausel von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht rechnen muss (vgl. hierzu Urteil des BGH vom 26.02.2013, Az. XI ZR 417/11). Hier wiederholt die Regelung in § 5 Abs. 1 i) der ARB … klarstellend den allgemeinen und in § 4 Abs. 1 der ARB … eindeutig und für den verständigen Versicherungsnehmer nachvollziehbar niedergelegten Grundsatz, dass nur bei dem Vorliegen eines Rechtsschutzfalles ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf Rechtsschutz gegenüber der Versicherung besteht. Die Regelung in § 5 Abs. 1 i) der ARB … schränkt folglich den Anspruch auf Übernahme der Kosten, die durch eine einverständliche Erledigung entstanden sind, für miterledigte Angelegenheiten, bei denen der Rechtsschutzfall (noch) nicht eingetreten ist, ein. Eine derartige Beschränkung einer Leistungspflicht ist im Rahmen eines Rechtsschutzversicherungsvertrages jedoch nicht als ungewöhnlich zu qualifizieren. Es entspricht vielmehr dem Wesen eines Versicherungsvertrages, dass der Versicherer nicht für alle denkbaren Fälle eintreten will. Dass ein Anspruch auf Leistungen aus der Rechtsschutzversicherung nur dann besteht, wenn der Rechtsschutzfall gegeben ist, und dass dies auch für den Fall gilt, dass im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs neben den ursprünglich streitigen Punkten weitere streitige Punkte geregelt werden, ist somit von einem verständigen Versicherungsnehmer zu erwarteten und für diesen folglich nicht überraschend.

c) Weiter ergibt die inhaltliche Kontrolle der Regelung in § 5 Abs. 1 i) der ARB …, dass diese Klausel dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entspricht. Dementsprechend sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Eine solche unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers liegt vorliegend jedoch nicht vor. Denn der Versicherer hat ein legitimes Interesse daran, nur für solche Angelegenheiten Rechtsschutz zu leisten, für die der Versicherungsfall auch eingetreten ist. Umgekehrt besteht für den Versicherungsnehmer auch kein schutzwürdiges Interesse, Rechtsschutz hinsichtlich sämtlicher in einem Vergleich mitgeregelten Angelegenheiten zu erlangen, die zwischen Parteien des Rechtsstreites bislang nicht streitig gewesen waren. Die streitgegenständliche Beschränkung des Versicherungsschutzes in der Regelung des § 5 Abs. 1 i) der ARB … stellt folglich keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Vielmehr überwiegt das Interesse des Versicherers und auch der Versicherungsgemeinschaft mit unbeschränkten Kosten belastet zu werden.

2. Vorliegen von Versicherungsfällen im Hinblick auf die beiden streitgegenständlichen Vergleichsmehrwert-Positionen „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ und „Zeugniserteilung“

Entgegen dem Amtsgericht München geht die Kammer unter Berücksichtigung der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung sowie unter Zugrundelegung der Regelungen in §§ 4 Abs. 1 c), 5 Abs. 1 i) ARB … davon aus, dass im Hinblick auf die beiden streitgegenständlichen Vergleichsmehrwert-Positionen „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ und „Zeugniserteilung“ jeweils Versicherungsfälle vorliegen.

a) Entsprechend der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. beispielsweise Urteil des BGH vom 19.11.2008, Az. IV ZR 305/07) besteht ein weites Verständnis hinsichtlich des Vorliegens eines Rechtsschutzfalles.

Ein Rechtsschutzfall ist dementsprechend nach dem insoweit ausschließlich maßgeblichen Klägervortrag zu dem Vorgehen seines Arbeitgebers dann eingetreten, wenn er diesem eine Vertragsverletzung vorhält. Gemäß der Regelungen in § 4 Abs. 1 c) ARB … gilt der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Weiter ist aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse ein Rechtsschutzfall dann anzunehmen, wenn das Vorbringen des Versicherungsnehmers (erstens) einen objektiven Tatsachenkern – im Gegensatz zu einem bloßen Werturteil – enthält, mit dem er (zweitens) den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbindet und worauf er dann (drittens) seine Interessenverfolgung stützt.

Der vorgetragene Tatsachenkern muss dabei die Beurteilung erlauben, dass der damit beschriebene Vorgang den zwischen den Parteien ausgebrochenen Konflikt jedenfalls mit ausgelöst hat, also geeignet gewesen ist, den Keim für eine (zukünftige) rechtliche Auseinandersetzung zu legen. Weiterer qualifizierender Voraussetzungen bedarf es insofern nicht; ein adäquater Ursachenzusammenhang reicht mithin aus. Bei dem damit verbundenen Vorwurf ist auf die für den Verstoß gegebene Begründung abzustellen. Auf dieser Grundlage löst bereits eine darin enthaltene bloße Behauptung eines Pflichtverstoßes unabhängig von ihrer Berechtigung oder Erweislichkeit den Versicherungsfall aus. Auf die Schlüssigkeit, Substantiiertheit oder Entscheidungserheblichkeit dieser Behauptung in den jeweiligen Auseinandersetzungen kommt es dagegen nicht an. Erst recht spielt es dann keine Rolle, ob es nach dieser Darstellung tatsächlich zu einem Verstoß gekommen ist, der dann auch noch den Vertragspartner bereits in seiner Rechtsposition beeinträchtigt. Entscheidend ist vielmehr, ob eine behauptete Pflichtverletzung zur Grundlage einer rechtlichen Streitigkeit wird. Das ist der Fall, wenn eine der streitenden Parteien den so umschriebenen – angeblichen – Verstoß der Gegenseite zur Stützung seiner Position heranzieht. Unbeachtet bleiben demgegenüber nur solche Vorwürfe, die zwar erhoben werden, jedoch nur als Beiwerk („Kolorit“) dienen und auch diejenigen Vorwürfe, die der Versicherungsnehmer möglicherweise ausspricht, aber nicht zur Grundlage seiner Interessenverfolgung macht, für die er Rechtsschutz begehrt.

b) Unter Berücksichtigung des vorstehenden rechtlichen Maßstabes sowie unter Zugrundelegung der Regelungen in §§ 4 Abs. 1 c), 5 Abs. 1 i) ARB … ist im Hinblick auf die streitgegenständliche Vergleichsmehrwert-Position „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ ein Versicherungsfall gegeben.

Denn aus dem Sachvortrag des Klägers und ergibt sich unter Berücksichtigung des als Anlage K 3 vorgelegten Schreibens des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers vom 12.11.2014, des als Anlage K 4 vorgelegten Attestes vom 24.06.2015 sowie des als Anlage K 5 vorgelegten Klageschriftsatzes vom 29.06.2015, dass der Kläger der Ansicht gewesen ist, dass u. a. die Abmahnung vom 19.09.2014 unberechtigt gewesen war, dass das Vorgehen seines ehemaligen Arbeitgebers bei ihm eine psychische Erkrankung ausgelöst hatte und dass sein ehemaliger Arbeitgeber hierdurch den Arbeitsvertrag verletzt hatte. Weiter war der Kläger der Ansicht, dass er infolge dessen auch selbst berechtigt gewesen wäre, sein Arbeitsverhältnis mit seinem ehemaligen Arbeitgeber außerordentlich zu kündigen. Wie sich darüber hinaus auch aus dem letzten Absatz der Abmahnung vom 19.09.2014 (Anlage K 2), gegen die der Kläger gerichtlich vorgegangen ist, sowie aus dem Schreiben des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers vom 12.11.2014 (Anlage K 3), in dem der ehemalige Arbeitgeber des Klägers seine grundsätzliche Berechtigung zur fristlosen Kündigung des Klägers betont, ergibt, war zumindest im Kern ein Streit zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Arbeitgeber über das Bestehen bzw. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits angelegt.

Folglich trägt die Argumentation des Amtsgerichts München nicht, wonach vorliegend ein Rechtsschutzfall nicht gegeben sei, weil die für die Zukunft bei weiterem Fehlverhalten in Aussicht gestellte außerordentliche Kündigung der gesetzlichen Regelung entspreche und keinen Pflichtenverstoß darstelle. Denn hier wurde die Abmahnung vom 19.09.2014 nach Ansicht des Klägers zu Unrecht ausgesprochen und löste bei ihm eine psychische Erkrankung aus. Demzufolge liegt vor dem Hintergrund der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Versicherungsfall hinsichtlich des Vergleichsmehrwertes „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ vor. Denn aus der maßgeblichen Sicht des Klägers lag ein Pflichtenverstoß seines ehemaligen Arbeitgebers vor, der ihn zur außerordentliche Kündigung berechtigt hätte. Weiter sprach der ehemalige Arbeitgeber des Klägers diesem gegenüber eine deutliche Kündigungsandrohung aus, so dass der Streit zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Arbeitgeber über das Bestehen bzw. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits im Kern angelegt war.

c) Unter Berücksichtigung des vorstehenden rechtlichen Maßstabes sowie unter Zugrundelegung der Regelungen in §§ 4 Abs. 1 c), 5 Abs. 1 i) ARB … ist auch im Hinblick auf die streitgegenständliche Vergleichsmehrwert-Position „Zeugniserteilung“ ein Versicherungsfall gegeben.

Denn der Kläger führte bereits mit Klageschriftsatz vom 27.07.2016, auf den in dem Tatbestand des Urteils des Amtsgerichts Bezug genommen wurde, aus, dass das Zwischenzeugnis vom Mai 2014 insbesondere hinsichtlich der Verhaltensbeurteilung des Klägers durch die Formulierung „Herr H… kommt mit allen Ansprechpartnern, egal ob Kollegen, Kunden und Vorgesetzten gut zurecht.“ kein gutes Zeugnis gewesen sei und somit nicht der Leistung des Klägers entsprochen habe. Demzufolge war ein Rechtsstreit zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Arbeitgeber über die inhaltlich zutreffende Zeugniserteilung bereits im Kern angelegt, so dass mit dem Abschluss des Vergleichs auch die vor dem Hintergrund des erteilten Zwischenzeugnisses vom Mai 2014 zwischen dem Kläger und dessen Arbeitgeber streitige Erteilung eines guten Zeugnisses geregelt und ein zukünftiger Rechtsstreit nach Erteilung eines Endzeugnisses, das dem Zwischenzeugnis entsprochen hätte, verhindert wurde.

3. Entscheidung hinsichtlich der Kosten und der vorläufigen Vollstreckbarkeit

Ob die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Nichtzulassung der Revision

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da es sich bei der Frage des Vorliegens von Versicherungsfällen im Rahmen von Arbeitsrechtsschutzversicherungsverträge in Anwendung der Regelung in § 5 Abs. 1 i) ARB … um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage gesicherter obergerichtlicher Rechtsprechung handelt. Folglich hat diese Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

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