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Berufsunfähigkeitsversicherung – Berufsunfähigkeit nach Anlage eines künstlichen Darmausgangs

Berufsunfähigkeit nach künstlichem Darmausgang: Oberlandesgericht Saarbrücken entscheidet zugunsten des Klägers

Im Fall des Oberlandesgerichts Saarbrücken (Az.: 5 U 40/13) wurde entschieden, dass der Kläger, ein Immobilienmakler mit einem künstlichen Darmausgang, Anspruch auf Zahlungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung hat. Das Gericht erkannte an, dass die Unberechenbarkeit seiner Darmtätigkeit und die damit verbundenen psychischen Belastungen es ihm unmöglich machen, seinen Beruf angemessen auszuüben. Eine Umorganisation seines Betriebes oder die Verweisung auf einen anderen Beruf waren ihm nicht zumutbar. Folglich wurde die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die vereinbarte Rente und eine Beitragsbefreiung zu gewähren.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 U 40/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Anerkennung der Berufsunfähigkeit eines Immobilienmaklers mit künstlichem Darmausgang.
  2. Unzumutbarkeit der Fortführung seiner beruflichen Tätigkeit aufgrund physischer und psychischer Belastungen.
  3. Ablehnung der Möglichkeit einer sinnvollen Umorganisation seines Betriebes oder der Verweisung auf einen anderen Beruf.
  4. Verpflichtung der Versicherung zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente und zur Beitragsbefreiung.
  5. Berücksichtigung der individuellen Situation des Klägers, insbesondere der Schwierigkeiten im Kundenkontakt.
  6. Beweisführung durch umfassende medizinische Gutachten und Zeugenaussagen.
  7. Keine Umkehrung der Beweislast trotz früherer Vereinbarungen über mögliche Ansprüche.
  8. Bestätigung der Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken durch das Oberlandesgericht.

Berufsunfähigkeitsversicherung bei Erkrankungen wie Morbus Crohn

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) kann für Menschen mit Erkrankungen wie Morbus Crohn eine wichtige Absicherung sein. Laut transparent-beraten.de ist es ratsam, Zuschläge in der BU-Versicherung zu bevorzugen, da diese im Falle einer Berufsunfähigkeit durch Morbus Crohn zahlt. Dies gilt auch, wenn eine Anlage eines künstlichen Darmausgangs notwendig ist, wie in einem Urteil des LSG Thüringen vom 28.05.2008 erwähnt wird.

Bei der Antragstellung auf eine BU-Versicherung ist es entscheidend, alle relevanten Informationen offenzulegen, um spätere Probleme bei der Leistungs

Der Weg zur Urteilsfindung im Falle der Berufsunfähigkeit

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte in seinem Urteil vom 19. Dezember 2014, Aktenzeichen 5 U 40/13, einen komplexen Fall zu entscheiden, der sich um die Frage der Berufsunfähigkeit nach der Anlage eines künstlichen Darmausgangs drehte. Im Kern ging es darum, ob der Kläger, ein selbstständiger Immobilienmakler, aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen, die nach einer Darmkrebs-Operation und der Anlage eines künstlichen Darmausgangs auftraten, berufsunfähig im Sinne seiner Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung war.

Der Kläger führte aus, dass seine berufliche Tätigkeit sowohl im Innen- als auch im Außendienst stattfand, wobei der Schwerpunkt auf letzterem lag. Er beschrieb detailliert die Auswirkungen seiner gesundheitlichen Situation auf seine Arbeit, insbesondere die Unberechenbarkeit seiner Darmtätigkeit, die zu unkontrollierbaren Darmgeräuschen, Gerüchen und in einigen Fällen zu Undichtigkeiten des Auffangbeutels führte. Diese Probleme führten zu einer erheblichen psychischen Belastung und machten die Fortführung seiner bisherigen Tätigkeit, insbesondere die Außendiensttermine, unzumutbar.

Die rechtliche Beurteilung der Berufsunfähigkeit

Das Gericht stellte fest, dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht in der Lage war, seine berufliche Tätigkeit im bisherigen Umfang und in der bisherigen Form fortzuführen. Die Richter erörterten, dass es bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit auf einen Vergleich zwischen der letzten konkreten Berufsausübung in gesunden Tagen und der aktuellen Leistungsfähigkeit ankommt. Sie kamen zu dem Schluss, dass dem Kläger die Fortführung seiner Tätigkeit nicht mehr zumutbar war. Dabei wurde insbesondere berücksichtigt, dass die Außendiensttätigkeit mit direktem Kundenkontakt ein zentraler Bestandteil seiner Arbeit war und durch die gesundheitlichen Probleme massiv beeinträchtigt wurde.

Betriebsumorganisation als unzumutbare Option

Das Gericht wies auch die Möglichkeit einer Betriebsumorganisation als unzumutbare Option zurück. Es erkannte an, dass eine Umverteilung der Arbeit innerhalb des Betriebs des Klägers nicht realisierbar war, da der Kläger als Betriebsinhaber und Schlüsselfigur in der Kundenakquise nicht durch andere Mitarbeiter ersetzt werden konnte. Die Richter betonten, dass insbesondere in Kleinbetrieben die Möglichkeiten zur Umverteilung der Aufgaben begrenzt seien und dem Betriebsinhaber kein ausreichendes eigenes Einsatzgebiet mehr verbleiben würde.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken

Infolgedessen verurteilte das Gericht die Versicherung zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente sowie zur Beitragsbefreiung ab dem Jahr 2006. Dieses Urteil stellt eine wichtige Entscheidung im Bereich des Versicherungsrechts dar, insbesondere im Hinblick auf die Berufsunfähigkeitsversicherung bei schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen.

Fazit

Das Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken zeigt deutlich, wie individuell und detailliert die Umstände eines jeden Falls im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung geprüft werden müssen. Es unterstreicht die Bedeutung der konkreten Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit und die Auswirkungen gesundheitlicher Einschränkungen auf die Berufsausübung.

Weitere Informationen und der vollständige Urteilstext können weiter unten eingesehen werden.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Wie wird der Grad der Berufsunfähigkeit in der deutschen Rechtsprechung bewertet und festgestellt?

Der Grad der Berufsunfähigkeit in der deutschen Rechtsprechung wird durch eine Gesamtbewertung aller beruflichen Einzelaspekte festgestellt. Dabei spielen sowohl medizinische Gutachten als auch die konkrete Auswirkung der gesundheitlichen Einschränkungen auf den Berufsalltag eine entscheidende Rolle.

Feststellung der Berufsunfähigkeit

Die Feststellung der Berufsunfähigkeit erfolgt in mehreren Schritten:

  1. Erkrankung und ärztliche Bestätigung: Zunächst muss eine Erkrankung oder gesundheitliche Beeinträchtigung vorliegen, die von einem Arzt bestätigt wird.
  2. Antragstellung: Der Versicherte stellt einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente bei seiner Versicherung und füllt entsprechende Fragebögen aus.
  3. Medizinische Begutachtung: Die Versicherungsgesellschaft prüft den Antrag und beauftragt in der Regel einen medizinischen Gutachter, der die Berufsunfähigkeit nach Aktenlage oder durch eine persönliche Untersuchung feststellt.
  4. Gutachterliche Bewertung: Der Gutachter bewertet, inwieweit Krankheiten und Beschwerden zu einer Leistungsminderung im konkreten Berufsfalltag führen. Er stellt medizinische Sachverhalte fest, entscheidet jedoch nicht über die Berufsunfähigkeit selbst, sondern beeinflusst die Entscheidung des Versicherers.
  5. Entscheidung der Versicherung: Auf Basis des Gutachtens entscheidet die Versicherung über die Anerkennung der Berufsunfähigkeit und die Leistungspflicht.

Grad der Berufsunfähigkeit

Der Grad der Berufsunfähigkeit wird in der Regel ab einem Schwellenwert von 50 Prozent angenommen. Das bedeutet, dass der Versicherte mindestens 50 Prozent seiner gewöhnlichen Tätigkeiten nicht mehr ausüben kann. Die Berufsunfähigkeit muss dabei voraussichtlich dauerhaft bestehen.

Rolle der Gerichte

Kommt es zu einem Rechtsstreit über die Anerkennung der Berufsunfähigkeit, entscheiden die Gerichte auf Basis der vorliegenden medizinischen Gutachten und weiterer Beweismittel.

Wichtige Aspekte

  • Objektivität und Neutralität: Der Gutachter ist zu Objektivität und Neutralität verpflichtet, auch wenn er von der Versicherung beauftragt wird.
  • Berufliche Tätigkeit: Bei der Bewertung der Berufsunfähigkeit muss die gesamte berufliche Tätigkeit berücksichtigt werden, nicht nur einzelne Aspekte.
  • Nachprüfung: Versicherungen behalten sich das Recht vor, das Bestehen der Berufsunfähigkeit regelmäßig nachzuprüfen.

Die Feststellung der Berufsunfähigkeit ist ein komplexer Prozess, der eine genaue Prüfung der individuellen beruflichen und gesundheitlichen Situation des Versicherten erfordert.

Welche Rolle spielt die letzte konkrete Berufsausübung bei der Bewertung der Berufsunfähigkeit?

Die letzte konkrete Berufsausübung spielt eine zentrale Rolle bei der Bewertung der Berufsunfähigkeit in Deutschland. Sie ist maßgeblich für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang eine Person als berufsunfähig gilt. Die Versicherer und Gerichte orientieren sich an der zuletzt im gesunden Zustand ausgeübten Tätigkeit des Versicherten, um zu bestimmen, ob die Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeit erfüllt sind.

Konkrete Verweisung

Ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang relevant ist, ist die sogenannte „konkrete Verweisung“. Wenn ein Versicherter nach Eintritt der Berufsunfähigkeit eine neue Tätigkeit aufnimmt, die seiner bisherigen Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung entspricht, kann der Versicherer die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente beenden. Dies geschieht unter der Annahme, dass der Versicherte in der neuen Tätigkeit eine vergleichbare soziale Wertschätzung und Vergütung erzielt.

Juristische Präzedenzfälle

Gerichtsurteile haben klargestellt, dass bei der Bewertung der Berufsunfähigkeit die letzte konkrete Berufsausübung entscheidend ist. Dies gilt auch, wenn mehrere Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt wurden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinen Urteilen betont, dass die Beurteilung im Leistungsfall auf Basis des zuletzt ausgeübten Berufs erfolgt.

Bedeutung für den Versicherten

Für den Versicherten bedeutet dies, dass er bei der Antragstellung auf Berufsunfähigkeitsrente seine letzte konkrete Tätigkeit genau beschreiben muss, um die behauptete Berufsunfähigkeit nachweisen zu können. Eine genaue Tätigkeitsbeschreibung ist somit unerlässlich, um die Ansprüche gegenüber der Versicherung geltend zu machen.

Die letzte konkrete Berufsausübung ist also ein entscheidendes Kriterium bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit. Sie dient als Grundlage für die Bewertung, ob eine Person ihren Beruf nicht mehr ausüben kann und somit Anspruch auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung hat. Die konkrete Verweisung und die genaue Beschreibung der letzten Tätigkeit sind dabei wesentliche Faktoren, die berücksichtigt werden müssen.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 40/13 – Urteil vom 19.12.2014

1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 06.05.2013, Az: 12 0 284/09 wird die Beklagte verurteilt,

a) an den Kläger aus der abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Versicherungsschein vom 24.06.1986, Nummer AA AAA) 27.169,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2007 zu zahlen,

b) an den Kläger weitere 27.169,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von

6.792,35 EUR seit dem 01.01.2007,

6.792,34 EUR seit dem 01.04.2007,

6.792,34 EUR seit dem 01.07.2007,

6.792,34 EUR seit dem 01.10.2007 zu zahlen,

c) an den Kläger weitere 27.169,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von

6.792,35 EUR seit dem 01.01.2008,

6.792,34 EUR seit dem 01.04.2008,

6.792,34 EUR seit dem 01.07.2008,

6.792,34 EUR seit dem 01.10.2008 zu zahlen,

d) an den Kläger weitere 27.169,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von

6.792,35 EUR seit dem 01.01.2009,

6.792,34 EUR seit dem 01.04.2009,

6.792,34 EUR seit dem 01.07.2009,

6.792,34 EUR seit dem 01.10.2009 zu zahlen,

e) an den Kläger weitere 2.061,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen,

f) an den Kläger weitere 2.098,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2007 zu zahlen,

g) an den Kläger weitere 2.134,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2008 zu zahlen,

h) an den Kläger weitere .265,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab August 2009 hinsichtlich seiner Lebensversicherung einschließlich Zusatzversicherungen (Versicherungsschein vom 24.06.1986, Nummer AA AAA) beitragsfrei zu stellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des gesamten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

7. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 126.440,48 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente und Beitragsfreistellung.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer AA AAA eine Lebensversicherung mit Unfallzusatz- und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit einer Laufzeit bis zum 01.06.2018 (Bl. 11 d.A.). Der Kläger ist Immobilienmakler. Er hat 1986 den väterlichen Betrieb übernommen und ist seitdem selbständig.

Die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sieht eine jährliche Rentenzahlung von 27.169,37 EUR (Stand 01.01.2005 – Bl. 114 d.A.) und eine Beitragsbefreiung bei einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50% vor. Einbezogen waren die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Bl. 24 d.A.), die in § 2 Abs. 1 B-BUZ vorsehen, dass vollständige Berufsunfähigkeit vorliegt, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Nach § 1 Abs. 1a B-BUZ besteht volle Beitragsbefreiung für die Hauptversicherung und die eingeschlossenen Zusatzversicherungen im Falle der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit. Nach § 1 Abs. 1b B-BUZ wird die Rente vierteljährlich im Voraus ausgezahlt. Nach § 3 Abs. 4 der Sonderbedingungen für Versicherungen mit automatischer Anpassung unterbleibt die Anpassung während der Dauer der Beitragsbefreiung (Bl. 29 d.A.).

Nach einer Darmkrebs-Operation im Juli 1997 wurde beim Kläger ein künstlicher Darmausgang gelegt.

Im Januar 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Die Parteien einigten sich darauf, mögliche Ansprüche bis zum 31.12.2005 durch eine Zahlung der Beklagten in Höhe von 35.000,00 EUR abzugelten (Bl. 33 d.A.). Der Kläger hat keinen konkreten Zeitpunkt des Eintritts seiner Berufsunfähigkeit vor Januar 2006 behauptet und war bei Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs durch einen Rechtsanwalt vertreten.

Die Beklagte holte ein Sachverständigengutachten vom 13.03.2008 bei Prof. Dr. L. ein, welches neben diesem auch Dr. Z. unterschrieben hat (Bl. 37 d.A.). In diesem Gutachten wurden die geschilderten Probleme des Klägers für nachvollziehbar gehalten, eine Berufsunfähigkeit wurde allerdings nur in Höhe von 40% wegen der Beeinträchtigung bei Außenterminen angenommen.

Der Kläger hat behauptet, vor seiner Erkrankung habe er 10 Stunden am Tag gearbeitet. Dabei sei Innen- und Außendienst geleistet worden. Er habe sehr flexibel sein müssen, um den Kundenwünschen entsprechen zu können. Neben Objektbesichtigungen habe er Finanzierungsbesprechungen gehabt. Im Innendienst habe er mit Kunden telefoniert, Termine geplant und Objektdateien aktualisiert. Überwiegend habe er aber außerhalb des Büros gearbeitet (ungefähr zu 2/3). Entscheidend sei die Erlangung eines Makleralleinauftrages gewesen. Die Besichtigung solcher Objekte habe zwischen 1 und 2 Stunden gedauert. Besichtigungen mit Interessenten hätten zwischen 0,5 und 2 Stunden Zeitaufwand bedeutet. Die Fahrtstrecke pro Jahr habe 40.000 km betragen.

Er habe vor der Operation 4 Mitarbeiter gehabt. Zwei der Mitarbeiter hätten Verkaufstermine wahrgenommen, die beiden anderen seien im Büro beschäftigt gewesen. Seine Mitarbeiter habe er bis zum Jahr 2006 auf zwei Teilzeitkräfte auf 400,00 EUR-Basis reduziert. Im Jahr 2003 habe er Herrn Sch. entlassen, 2004 sei seine Tochter ausgeschieden. Er könne keine Verkaufsmitarbeiter mehr beschäftigen, weil er nicht mehr genug Objekte hereinholen könne.

Die Kundenkontakte übe er nun alleine aus. Eine Übertragung auf Mitarbeiter, die nur die Bürotätigkeit erledigten, sei nicht möglich. Aus finanziellen Gründen könne er auch für die wichtigen Außenterminen keinen neuen Mitarbeiter einstellen. Ein ausreichend qualifizierter Mitarbeiter sei zu teuer und werde sich nach kurzer Zeit ohnehin selbständig machen und gegebenenfalls noch Kunden mitnehmen. Nur im Notfall springe seine Tochter ein, die inzwischen wieder in seinem Betrieb mitarbeite.

2006 habe er noch 4 bis 5 Stunden pro Tag arbeiten können, 2009 seien es nur noch 3 bis 4 Stunden gewesen.

Seine Tätigkeit habe sich wegen der Unberechenbarkeit seiner Darmtätigkeit zeitlich um mehr als 50% eingeschränkt. Hinzu komme die Angst vor unkontrollierbaren Darmgeräuschen, Gerüchen und im schlimmsten Fall davor, dass der Auffangbeutel nicht halte und der Darminhalt seine Kleidung verschmutze. Beim Sitzen und Einsteigen in das Auto verstärke sich der Druck mit der Folge, dass sich Klebeflächen lösten und der Beutel auslaufen könne. Eine Undichtigkeit des Beutels führe zu vollkommenen Konzentrationsverlust, Herzrasen und Schweißausbrüchen. Ein Arbeiten sei dann überhaupt nicht mehr möglich. Er müsse dann sofort Termine abbrechen, nach Hause fahren, Kleider wechseln und sich frisch machen. Entsprechende Vorfälle in der Vergangenheit hätten ihn erheblich verunsichert. Er habe täglich entsprechende Probleme. Weil er gerade seine repräsentativen Aufgaben meist nur kurzfristig planen könne, komme es immer wieder zu erheblicher Belastung und dem Abbrechen von Außenterminen. Er müsse seine Erkrankung geheim halten, weil er sonst in seinem Beruf „erledigt“ sei. Die psychische Belastung sei enorm. Seit 2009 befinde er sich in psychiatrischer Behandlung.

Mobilitätshemmende Medikamente und Therapien habe er bereits seit Jahren versucht. Es sei ihm trotzdem nicht möglich, auf einen Auffangbeutel für 24 Stunden zu verzichten oder störende Darmgeräusche zu vermeiden.

Außerdem verstärkten sich in den letzten Jahren auftretende Darmschlingenlähmungen mit der Folge, dass er Medikamente einnehmen und Ruhe halten müsse. In dieser Zeit könne er praktisch nichts essen. Solche Zustände dauerten bis zu 7 Tagen und träten 3 bis 5 mal pro Jahr auf.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger könne seine Situation mit einer erneuten intensiven Stoma-Beratung/Schulung mit Fokussierung auf eine optimierte Selbstirrigation verbessern. Außerdem könne er motilitätshemmende Medikamente einsetzen.

Informatorisch befragt hat der Kläger im Juli 2010 angegeben, seine Tochter verfüge wegen einer Drogenproblematik über keinen eigenen Führerschein und müsse deshalb zu Besichtigungsterminen von seiner früheren Ehefrau gefahren werden. Der Kläger hat außerdem betont, dass er bei fremden Leuten nicht auf die Toilette gehen könne, weil mit dem Wechsel eines Auffangbeutels große Schwierigkeiten verbunden seien.

Der Kläger hat mit vorliegender Klage Leistungen ab dem Jahr 2006 bis zum Jahr 2009 und weitere Beitragsfreistellung verlangt.

Das Landgericht Saarbrücken hat die Zeugin B. vernommen (Bl. 208 d.A.), ein psychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. Sch. vom 16.05.2011 (Bl. 288 d.A.) und ein internistisch/gastroenterologisches Gutachten bei Prof. Dr. K. vom 11.10.2011 (Bl. 329 d.A.) sowie ein Ergänzungsgutachten vom 12.03.2012 bei Prof. Dr. K. (Bl. 411 d.A.) eingeholt. Der psychiatrische Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, dass nur eine geringgradige Einschränkung des Klägers, d.h. nicht über 20% anzunehmen sei. Der internistische Sachverständige nahm eine Einschränkung von 60% an, weil die Außentätigkeit des Klägers erheblich durch tatsächliche bzw. befürchtete Undichtigkeiten und Darmgeräusche oder -gerüche und wiederkehrende gastrointestinale Beschwerden beeinträchtigt sei. Außerdem hat das Landgericht die Sachverständigen Prof. Dr. Sch. und Prof. Dr. K. im Termin vom 21.03.2013 mündlich angehört (Bl. 483 d.A.)

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 06.05.2013 – Az: 12 O 284/09 – (Bl. 508 d.A.) abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt,

8. unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 06.05.2013, AZ: 12 0 284/09, die Beklagte zu verurteilen, an ihn aus der abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung vom 04.01.1988, Versicherungsnummer AA AAA, die seit dem 01.01.2006 fälligen Versicherungssummen in Höhe von 27.500,00 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2007 zu zahlen,

9. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 27.789,80 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von

2.315,82 Euro seit dem 01.01.2007,

2.315,82 Euro seit dem 01.02.2007,

2.315,82 Euro seit dem 01.03.2007,

2.315,82 Euro seit dem 01.04.2007,

2.315,82 Euro seit dem 01.05.2007,

2.315,82 Euro seit dem 01.06.2007,

2.315,82 Euro seit dem 01.07.2007,

2.315,82 Euro seit dem 01.08.2007,

2.315,81 Euro seit dem 01.09.2007,

2.315,81 Euro seit dem 01.10.2007,

2.315,81 Euro seit dem 01.11.2007

sowie

2.315,81 Euro seit dem 01.12.2007.

zu zahlen,

10. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 28.062,48 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von

2.338,54 Euro seit dem 01.01.2008,

2.338,54 Euro seit dem 01.02.2008,

2.338,54 Euro seit dem 01.03.2008,

2.338,54 Euro seit dem 01.04.2008,

2.338,54 Euro seit dem 01.05.2008,

2.338,54 Euro seit dem 01.06.2008,

2.338,54 Euro seit dem 01.07.2008,

2.338,54 Euro seit dem 01.08.2008,

2.338,54 Euro seit dem 01.09.2009,

2.338,54 Euro seit dem 01.10.2008,

2.338,54 Euro seit dem 01.11.2008

sowie

2.338,54 Euro seit dem 01.12.2008.

zu zahlen,

11. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 28.315,00 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von

2.359,59 Euro seit dem 01.01.2009,

2.359,59 Euro seit dem 01.02.2009,

2.359,59 Euro seit dem 01.03.2009,

2.359,59 Euro seit dem 01.04.2009,

2.359,58 Euro seit dem 01.05.2009,

2.359,58 Euro seit dem 01.06.2009,

2.359,58 Euro seit dem 01.07.2009,

2.359,58 Euro seit dem 01.08.2009,

2.359,58 Euro seit dem 01.09.2009,

2.359,58 Euro seit dem 01.10.2009,

2.359,58 Euro seit dem 01.11.2009

sowie

2.359,58 Euro seit dem 01.12.2009.

zu zahlen,

12. die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Beiträge zur Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für das Jahr 2006 in Höhe von 2.061,00 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen,

13. die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Beiträge zur Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für das Jahr 2007 in Höhe von 2.098,44 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2007 zu zahlen,

14. die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Beiträge zur Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für das Jahr 2008 in Höhe von 2.134,80 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2008 zu zahlen,

15. die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Beiträge zur Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für das Jahr 2009 in Höhe von 1.265,46 Euro (Beiträge bis 31.07.2009) zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen.

16. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, künftige Beiträge, die nach dem 31.07.2009 bei der Beklagten eingegangen sind, an ihn zurückzuzahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

In der Berufungsinstanz hat der Kläger im August 2013 weiter behauptet, er benötige eine Stunde Zeit, wenn er nach einem Stuhlgang nach Hause fahre und den Beutel wechsele. 2006 habe er bemerkt, dass er seinen Betrieb nicht mehr dauerhaft aufrechterhalten könne. Er habe damals noch keine Hernie gehabt und Spülungen durchführen können, so dass er nachmittags weitgehend ohne Beutelwechsel habe auskommen können. Das habe sich inzwischen aber verschlechtert. Seine reine Arbeitszeit gehe nicht mehr über 2-3 Stunden pro Tag hinaus. Im Jahr 2006 habe seine Arbeitszeit noch ca. 8 Stunden täglich betragen, allerdings habe er schon damals seine Tätigkeit wegen unvorhergesehenem Stuhlgang immer wieder unterbrechen müssen, so dass er über 6 Stunden wirkliche Arbeit nicht mehr hinausgekommen sei.

In den letzten Jahren habe er sein Vermögen aufgebraucht, um seinen Betrieb aufrechtzuerhalten.

Seine Tochter habe es in den letzten 10 Jahren nicht geschafft, die MPU erfolgreich zu durchlaufen und sei nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis. Sie erhalte inzwischen ein Gehalt von 2.696,75 EUR brutto.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T. (Bl. 699 d.A.) und Z. (Bl. 754 d.A.) und durch Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. K. (Bl. 757 d.A.) und Dr. Z., der an der Erstellung des Gutachtens im Auftrag der Beklagten durch Prof. Dr. L. mitgewirkt hatte (Bl. 760 d.A.).

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 2 VVG a.F. i. V. m. den §§ 1 Abs. 1 und 2, 2 Abs. 1 und 3 B-BUZ auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente im streitgegenständlichen Zeitraum und Beitragsfreistellung seit Anfang 2006.

Voraussetzung für die begehrten Versicherungsleistungen ist, dass der Kläger während der Dauer der Zusatzversicherung zu mindestens 50 % berufsunfähig geworden ist (§ 1 Abs. 1 B-BUZ). Nach § 2 Abs. 1 und 3 B-BUZ liegt Berufsunfähigkeit vor, wenn der Kläger infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Dies hat der Kläger bewiesen.

(1.)

Mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat das Landgericht aus dem unmissverständlichen Wortlaut der Vergleichsvereinbarung der Parteien über die Jahre vor 2006 (Bl. 33 d.A.) darauf geschlossen, dass dem Kläger deutlich sein musste, dass sich die Beklagte rechtlich hinsichtlich des Vorliegens von Berufsunfähigkeit ab 2006, über die die Parteien streiten, gerade nicht binden wollte, und zwar auch nicht in Gestalt eines befristeten Anerkenntnisses (allgemein zu den Anforderungen an ein Anerkenntnis: BGH, Urt. v. 12.11.2003 – IV ZR 173/02 – VersR 2004, 96; BGH, Urt. v. 28.02.2007 – IV ZR 46/06 – VersR 2007, 777).

(2.)

Es kann offenbleiben, ob der getroffene Vergleich zwischen den Parteien über die Abgeltung möglicher Ansprüche vor dem Jahr 2006 objektiv treuwidrig war, wie das Landgericht dies erörtert und letztlich verneint hat.

Individualvertragliche Vereinbarungen über die Leistungspflicht des Versicherers können den Versicherungsnehmer benachteiligen, da sich der Versicherer damit einerseits eine beweisrechtliche Rechtsposition verschafft, als hätte er die Leistung abgelehnt, andererseits aber den Versicherungsnehmer von dem Nachweis der Berufsunfähigkeit während des Kulanzzeitraums abhält, was für diesen infolge Verschlechterung von Beweismitteln bis zur Geltendmachung von Folgeansprüchen erhebliche Nachteile mit sich bringen kann. Jedenfalls dann, wenn der aus einer überlegenen Verhandlungsposition heraus agierende Versicherer den Versicherungsnehmer nicht über diese Nachteile belehrt hat, kann er sich insoweit auf entsprechende Vereinbarungen nach Treu und Glauben nicht berufen (vgl. BGH, Urt. v. 28. Februar 2007 – IV ZR 46/06 – VersR 2007, 777; ähnlich schon BGH, Urt. v. 12. November 2003 – IV ZR 173/02 – VersR 2004, 96). Das bedeutet aber nicht, dass sich in einem solchen Fall generell die Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit zu Lasten des Versicherers umkehrte. Rechtsfolge einer unzulässigen, weil unter Ausnutzung einer überlegenen Verhandlungsposition zustande gekommenen Vereinbarung ist vielmehr nur, dass sich der Versicherer nach Treu und Glauben nicht darauf berufen könnte, dass bei Prüfung des Vorliegens von Berufsunfähigkeit die Gesundheitsverhältnisse des Versicherungsnehmers im Zeitpunkt eines neuen Antrags maßgebend sein sollen (BGH, Urt. v. 28. Februar 2007 – IV ZR 46/06 – VersR 2007, 777; Lücke, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 12 BU Rn. 15). Außerdem erhält der Versicherungsnehmer Schutz durch das Beweisrecht, unter Umständen bis hin zu einer Beweislastumkehr für bestimmte konkrete Tatsachen, dann, wenn aufgrund des mit den befristeten Vereinbarungen verbundenen Zeitablaufes für ihn tatsächlich Beweisschwierigkeiten entstanden sind (BGH, v. 28. Februar 2007 – IV ZR 46/06 – VersR 2007, 777; Lücke, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 12 BU Rn. 15; Rixecker, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2.Aufl., § 46 Rn. 152).

Ein solcher Fall liegt aber nicht vor. Der Kläger hat erst im Januar 2006 Ansprüche geltend gemacht. Über den Eintritt der Berufsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt streiten die Parteien seitdem. Der Vergleich zwischen ihnen betrifft lediglich die früheren Jahre und verschiebt den Prüfungszeitraum nicht auf einen späteren Zeitpunkt als Januar 2006. Folglich lägen Beweisschwierigkeiten für die Jahre vor 2006 nicht an der erfolgten Einigung der Parteien, sondern an dem verspäteten Antrag des Klägers.

Weil der Kläger zwar aufgrund der Bedingungen auch für einen zurückliegenden Zeitraum Leistungen wegen bereits eingetretener Berufsunfähigkeit hätte geltend machen können, wäre es bei einem substantiierten Vortrag zwar auf diesen Zeitpunkt angekommen, wenn eine unwirksame Befristung bis Ende 2005 vorläge. Allerdings ist bis heute kein Vortrag dazu erfolgt, ab welchem Zeitpunkt und aus welchem genauen Grund der Kläger vor Januar 2006 bereits berufsunfähig hätte sein sollen. Vielmehr hat der Kläger selbst stets auf den Zeitpunkt Januar 2006 abgestellt, so dass die Prüfung der Leistungspflicht der Beklagten zu diesem Zeitpunkt aufgrund des maßgeblichen Parteienvortrags – unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der außergerichtlichen Einigung der Parteien – die einzig mögliche ist.

(3.)

Bei der Ermittlung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ist grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d. h. solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war.

Da der Versicherungsfall bedingungsgemäß erst mit dem Erreichen eines bestimmten Grades von Berufsunfähigkeit eintritt, ist die Heranziehung eines Vergleichszustandes für die Ermittlung des maßgeblichen Grades unerlässlich. Dieser Vergleichszustand kann grundsätzlich nur einheitlich gefunden werden und nicht davon abhängen, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit sich langsam fortschreitend entwickelt hat oder zeitgleich mit einem plötzlichen Ereignis eingetreten ist. Maßgebend ist demnach grundsätzlich – d.h. von etwaigen Fallbesonderheiten abgesehen – die letzte konkrete Berufsausübung, so wie sie in noch gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h. solange die Leistungsfähigkeit des Versicherten noch nicht beeinträchtigt war (BGH, Urt. v. 22.09.1993 – IV ZR 203/93 – VersR 1993, 1470). Andernfalls, wenn sich der bedingungsgemäß festgelegte Grad von Berufsunfähigkeit an einem fortlaufend absinkenden Leistungsniveau des Versicherten als Vergleichsmaßstab orientierte, wäre die Berufsunfähigkeitsversicherung entwertet (BGH, Urt. v. 22.09.1993 – IV ZR 203/93 – VersR 1993, 1470). Jedenfalls in Fällen, in denen die fortschreitende Gesundheitsbeeinträchtigung nicht zum Anlass für einen Berufswechsel genommen wird, gilt dies grundsätzlich ohne starre Zeitgrenze. Eine solche, z.T. wird auf 3 oder 5 Jahre abgestellt (Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 2 BU Rn. 27), führte – wie gerade vorliegender Fall bei unterstelltem Klägervortrag zeigte – zu einer Entwertung des Versicherungsschutzes. Wenn der Kläger vor 1997 täglich rund 10 Stunden gearbeitet hätte, 2006 nur noch 5 bis 6 Stunden und 2009 nur noch 3 bis 4 Stunden, weil sich seine Verdauungssituation kontinuierlich verschlechtert und ihn immer stärker an der Wahrnehmung von Außenterminen gehindert hätte, so würde ein Abstellen auf einen späteren Zeitpunkt als 1997 dazu führen, dass er bei einem langsamen Absinken seiner Arbeitskraft aus gesundheitlichen Gründen nie berufsunfähig würde, obwohl kein Zweifel daran besteht, dass er sich gerade gegen dieses Absinken seiner Leistungsfähigkeit um mindestens die Hälfte versichert hat.

Letztlich kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits aber deswegen nicht maßgeblich auf den Unterschied zwischen der Tätigkeit des Klägers im Jahr 1997 und 2006 an, weil es aus den im Weiteren ausgeführten Rechtsgründen nicht auf die zeitliche Einschränkung des Klägers ankommt, sondern darauf, dass ihm die seine Tätigkeit prägende Außendiensttätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann. Dass seine Außendiensttätigkeit bzw. der Kundenkontakt prägend für seine Tätigkeit war, gilt aber gleichermaßen für die Zeitpunkte 1997 und 2006.

(a)

Der Kläger hat behauptet, vor seiner Erkrankung habe er 10 Stunden am Tag gearbeitet. Dabei sei Innen- und Außendienst geleistet worden. Er habe um 8:30 Uhr angefangen und bis 17:30 Uhr oder 18:30 Uhr gearbeitet, im Sommer auch länger (Bl. 203 d.A.). Er habe sehr flexibel sein müssen, um den Kundenwünschen entsprechen zu können. Neben Objektbesichtigungen habe er Finanzierungsbesprechungen gehabt. Er sei auch zu Behörden und Banken gefahren. Im Innendienst habe er mit Kunden telefoniert, Termine geplant und Objektdateien aktualisiert. Überwiegend habe er aber außerhalb des Büros gearbeitet (ungefähr zu 2/3, also 6 bis 7 Stunden). Entscheidend sei die Erlangung eines Makleralleinauftrages gewesen. Die Besichtigung solcher Objekte habe zwischen 1 und 2 Stunden gedauert. Für den „Einkauf der Objekte“ habe er durchschnittlich 3 Termine an dem Objekt wahrnehmen müssen. Besichtigungen mit Interessenten hätten zwischen 0,5 und 2 Stunden Zeitaufwand bedeutet. Die Fahrtstrecke pro Jahr habe 40.000 km im Nahbereich betragen.

Das Landgericht hat den Kläger informatorisch angehört und die zu der Ausgestaltung seiner früheren Tätigkeit benannte geschiedene Ehefrau des Klägers, die Zeugin B., vernommen (Bl. 202 d.A.). Nach Richterwechsel hat es die informatorische Anhörung des Klägers wiederholt (Bl. 483 d.A.).

Es ist möglich, eine Überzeugung über die Ausgestaltung des Berufes alleine auf die persönlichen Angaben des Versicherten zu stützen (Senat, Urt. v.13.08.2008 – 5 U 27/07-3). Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Klägers nicht zutreffen, liegen nicht vor. Auch hat die Zeugin B., die zwar wegen ihres Arbeitsplatzes und wegen Unterhaltszahlungen durch den Kläger ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, gegen deren glaubhafte Bekundungen jedoch keine Bedenken bestehen, bestätigt, dass der Kläger im Wesentlichen Außentermine wahrgenommen habe und der entscheidende Ansprechpartner für die Kunden gewesen sei. Sie hat seine Arbeitszeiten bestätigt (von 8:30 Uhr/ 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr im Winter und bis 19:30 Uhr/ 20:00 Uhr im Sommer) und erklärt, dass der Kläger die wichtige Akquisition nahezu alleine wahrgenommen habe.

Dadurch hat der Kläger bewiesen, dass seine wesentliche Tätigkeit in der Wahrnehmung von Außenterminen und dem Kundenkontakt bestand.

(b)

Diese Tätigkeit kann der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum seit Januar 2006 nicht mehr ausüben, ohne dass es auf die genaue zeitliche Einschränkung des Klägers durch seine Verdauungsbeschwerden ankommt.

Das bedingungsgemäße Außerstandesein zur Ausübung des Berufs bedeutet, dass der Versicherte in gesundheitlicher Hinsicht nicht überfordert werden darf. Es genügt also, dass dem Versicherten die Fortsetzung seiner Tätigkeit vernünftigerweise und im Rahmen des Zumutbaren nicht mehr möglich ist (Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 172 Rn. 64). Dies wird zumeist auf den gesundheitlichen Raubbau bezogen, betrifft diesen aber nicht alleine. Auch andere Umstände können die weitere Berufsausübung zur überobligationsgemäßen Anstrengung werden lassen (BGH, Urt. v. 11.10.2000 – IV ZR 208/99 – VersR 2001, 89).

Da der Kläger bewiesen hat, dass die Unberechenbarkeit seiner Darmtätigkeit dazu führt, dass täglich für ihn unkontrollierbare Darmgeräusche und Gerüche auftreten, ist dem Kläger ein „Aushalten“ dieser Situation bei seiner prägenden Außentätigkeit mit Publikumsverkehr nicht zumutbar. Es liegt auf der Hand, dass solche Vorkommnisse von der Gesellschaft nicht toleriert werden und besonders im Geschäftsfeld des Klägers, in dem das äußere Auftreten eine wesentliche Rolle spielt, den Kläger ständig der Gefahr aussetzt, nicht nur den Erfolg seiner Bemühungen zu beeinträchtigen, sondern ihn in peinliche Situationen zu bringen. Wenn sogar die konkrete Gefahr bei jedem Außentermin besteht, dass der Auffangbeutel nicht hält und der Darminhalt seine Kleidung verschmutzt, können solche Termine zwar ohne gesundheitliche Gefahren für den Kläger durchgeführt werden, so lange seine Psyche diese Belastung aushält. Zumutbar sind dem Kläger diese Termine mit Publikumskontakt jedoch nicht mehr, und zwar wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung, die sich in der konkreten Situation zwar nicht in einer objektiven Leistungsminderung äußert, aber vom Kläger verlangt, sich sehenden Auges einer unzumutbaren Situation auszusetzen. Dass der Kläger wegen des wechselnden Personenkreises nicht einmal die Möglichkeit hat, durch eine Erklärung und einen Gewöhnungseffekt die Unerträglichkeit der Situation aufzulösen, verstärkt das Ganze, unabhängig davon, dass es dem Kläger angesichts der üblichen Schamgefühle ohnehin nicht zumutbar wäre, Dritten Kenntnis von seiner Erkrankung zu gewähren, um sein Verhalten zu entschuldigen.

Es kommt deshalb auf die tatsächliche Zeit, die der Kläger durch Beutelundichtigkeiten, Reinigungsmaßnahmen, dem Abbrechen von Außenterminen wegen unkontrollierbarer Darmgeräusche und den immer wieder auftretenden Darmschlingenlähmungen verliert, nicht an. Aus demselben Grund kommt es auch nicht darauf an, in welchem Umfang der Kläger es durch seine Bemühungen in den streitgegenständlichen Jahren geschafft hat, seine Geschäftstätigkeit fortzusetzen und Gewinne zu erzielen. Daraus, dass der Kläger die von der Beklagten verlangten Geschäftsergebnisse nicht dargelegt hat, kann die Beklagte folglich nichts herleiten. Auch die Indizwirkung einer ungeschmälerten Geschäftsfortführung spielte angesichts der Ergebnisse der Beweisaufnahme keine Rolle. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Geschäftsfortführung durch den Kläger auf überobligationsmäßigen Anstrengungen des Klägers beruht, die der Beklagten nicht zugutekommen.

(c)

Der Kläger hat bei seiner informatorischen Anhörung im Juli 2010 (Bl. 205 d.A.) seine Klagevortrag mündlich näher erläutert und insbesondere betont, dass er bei Außenterminen beeinträchtigt sei. Wenn er bei Anzeichen für eine Darmtätigkeit Termine absagen oder fluchtartig verlassen müsse, beeinträchtige dies auch sein Kurzeitgedächtnis in erheblichem Maße. Der Kläger hat bei seiner zweiten informatorischen Anhörung im März 2013 (Bl. 484 d.A.) seine Probleme im Kontakt mit anderen Menschen beschrieben und erklärt, er habe früher über diese Probleme nicht einmal reden können. Er hat behauptet, dass er einen frischen Auffangbeutel benutze, wenn er losfahre und dann nur hoffen könne, dass es gut gehe. Das sei für ihn ein unzumutbarer Zustand. Es nütze ihm auch nichts, wenn er in der Nähe einer Toilette sei, denn fremde Toiletten könne er nicht benutzen. Der Wechselvorgang und die Entsorgung des Beutels und gegebenenfalls ein Kleiderwechsel seien ihm nur zu Hause möglich. Auch gegenüber dem Senat hat der Kläger in glaubhafter Form seine Probleme geschildert (Bl. 703 d.A.).

Die Zeugin B. hat bekundet (Bl. 211 d.A.), dass der Kläger häufig spät und gehetzt ins Büro komme, schlecht gelaunt zu Terminen fahre und häufig plötzlich wieder da sei, in sein Büro laufe und die Tür zuknalle. Niemand dürfe heute ohne Anklopfen einfach in sein Büro. Meist verlasse er dann sein Büro und sage niemanden, wo er hingehe, und erkläre einfach, Termine müssten verschoben werden. Oftmals komme er dann erst nachmittags wieder. So ginge es regelmäßig 3½ Tage die Woche. An 1½ Tagen sei ein normales Miteinander möglich. Wegen der vielen abgebrochen Termine, sei der Kläger in der Akquise nicht mehr so erfolgreich wie früher. Es komme auch vor, dass der Kläger zwei Tage überhaupt nicht im Büro erscheine und sich nicht melde, weil er an Darmlähmungen leide.

Auch die vom Senat vernommene Zeugin T. (Bl. 700 d.A.) hat die Gesundheitsprobleme des Klägers bestätigt. Die Zeugin hat im Einzelnen sehr detailliert, aber gleichzeitig zurückhaltend verdeutlicht, dass der Kläger seine Darmtätigkeit nicht kontrollieren könne. Dies habe zur Folge, dass es immer wieder zu Darmgeräuschen und Gerüchen komme. Das sei seit der Operation des Klägers der Fall gewesen. Zwar habe der Kläger bis zum Jahr 2009 oder 2010 regelmäßig Darmentleerungen vornehmen können, so dass die Notwendigkeit, plötzlich zur Toilette zu müssen, nicht so oft aufgetreten sei. Aber auch in dieser Zeit sei dies immer wieder passiert.

Die Zeugin T. hat, auch wenn sie als Lebensgefährtin des Klägers ein erhebliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, auf den Senat sehr glaubwürdig gewirkt. Sie hat ohne erkennbare Übertreibungstendenzen Lebensvorgänge in einer Art bekundet, die den Eindruck erweckt hat, dass die Zeugin wirklich Erlebtes wiedergibt.

Aus ihrer Aussage wurde auch deutlich, wie sehr die Gesundheitsprobleme den Kläger sogar in seiner Freizeit beim Kontakt mit Freunden belasten und zu welchen Maßnahmen der Kläger deswegen greift, wenn er ein Wohnmobil benutzt, um damit Freunde zu besuchen. Dass er in diesem Zustand bei seiner Außendiensttätigkeit, die ein repräsentatives Auftreten erfordert, in unzumutbarer Weise belastet ist, liegt auf der Hand.

Der Senat hält diese Zeugenaussagen auch deshalb für glaubhaft, weil sie mit den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen im Einklang stehen.

Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat in seinem gastroenterologischen Gutachten vom 11.10.2011 (Bl. 329 d.A.) ausgeführt, dass die vom Kläger beschriebenen Beschwerden alle 2-3 Monate am 05.08.2011 im städtischen Krankenhaus N. untersucht worden seien und eine erhebliche Dilatation des Jejunums und des Ileums festgestellt worden sei. Außerdem bestehe eine Paracolostomie-Hernie mit einer Bruchlücke von ca. 3,5 cm. Bei dem Kläger seien die Probleme fehlender Selbstbestimmtheit durch diese wiederkehrenden gastrointestinalen Beschwerden verstärkt. Die beschriebenen anfallsartigen Schmerzen und Passagestörungen träten als Subileus/Ileus auf. Außerdem beständen beim Kläger eine Stenose und eine parastomale Hernie. Diese Hernie könne nur durch eine erneute Operation verbessert werden, die zu weiteren Komplikationen führen könne.

Der Sachverständige hat weiter erklärt, dass Stomapatienten erfahrungsgemäß deutlich weniger „Aktivitäten außer Haus“ durchführten. Selbst bei guter Versorgungsmöglichkeit bestände bei Stomapatienten eine MDE von 50%, bei Beschwerden – wie sie beim Kläger nachweisbar seien – eine MDE von 60-80%. Unter Berücksichtigung der beruflichen Situation des Klägers, die einen unbedarften Umgang mit Kunden voraussetze, sei der Kläger zu 60% berufsunfähig.

Prof. Dr. K. hat in seinem Ergänzungsgutachten (Bl. 413 d.A.) ausgeführt, dass die Schilderungen des Klägers für ihn glaubhaft seien. Die explosionsartigen Entleerungen in den Stomabeutel von bis zu 10mal am Tag, die Bauchschmerzen und die damit verbundenen Darmgeräusche, die auch für Außenstehende hörbar seien, seien nachvollziehbar. Gleiches gelte dafür, dass es gelegentlich zu Undichtigkeiten im Bereich des künstlichen Darmausganges komme. Die Erfahrung zeige, dass es trotz aller stomatherapeutischen Maßnahmen immer wieder bei Patienten vorkomme, dass die Stuhlentleerungen in der geschilderten Weise gestört seien. Der Sachverständige hat erklärt, dass das Trauma, welches mit der Undichtigkeit eines künstlichen Ausganges einhergehe, nur der einschätzen könne, der dies erlebt habe. Schließlich hat der Sachverständige weiter verdeutlicht, dass die Ileus (Darmlähmung) bzw. Subileuszustände (beginnende Darmlähmung) keine harmlosen und seltenen Ereignisse seien, sondern vielmehr schwerwiegende Beeinträchtigungen aufgrund von Schmerzen und Durchfällen, auch wenn keine stationäre Behandlung erforderlich sei.

Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. K. bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht in erster Instanz (Bl. 486 d.A.) wiederholt und vertieft. Er hat die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers detailliert und nachvollziehbar beschrieben und ausgeführt, dass bei Stomapatienten die Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung ausführen, dass betroffene Personen innerhalb von Sekundenbruchteilen eine Toilette aufsuchen müssen und sie keine Tätigkeit mit Publikumsverkehr oder mit einer Präsenzpflicht wahrnehmen sollen. Daraus zieht der Sachverständige den nachvollziehbaren Schluss, dass dem Kläger dementsprechend die Außendienstätigkeit mit Kundenkontakt überhaupt nicht mehr zuzumuten ist.

Zu den Einwendungen der Beklagten hat der Sachverständige Prof. Dr. K. ausgeführt, er habe den Kläger ausführlich befragt und könne die Glaubhaftigkeit der klägerischen Aussagen aufgrund seiner Erfahrung beurteilen. Die ungünstige Stelle des Stomas, die Ablösungen begünstigen könne, und die Hernie seien objektiv bestätigt. Der Kläger habe auch die vom Sachverständigen üblicherweise abgeklopften Maßnahmen zur Darmkontrolle alle erfolglos durchlaufen, wie er glaubhaft geschildert habe. Soweit die Beklagte Widersprüche zwischen der vom Kläger angegebenen täglichen Stuhlfrequenz bemängelt habe, hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass die Angaben üblicherweise durch das gegenwärtige Erleben geprägt seien und die von ihm zugrunde gelegte Frequenz von 4-10 mal pro Tag schon die sehr große Spannbreite zeige, wobei eine Frequenz von 3-4 mal pro Tag angesichts der klägerischen Probleme schon sehr erheblich sei.

Auch in seiner Anhörung vor dem Senat hat der Sachverständige Prof. Dr. K. erneut anschaulich dargelegt, dass der Kläger unter chronischen Darmproblemen leidet, die einer Therapie nicht zugänglich sind. Die vom Kläger geschilderte Notwendigkeit, zeitweilig vier- bis zehnmal am Tag den Stomabeutel zu wechseln, hat der Sachverständige als plausibel bewertet, weil er dies auch von anderen Patienten höre. Es sei auch nichts Ungewöhnliches, dass einzelne Patienten mit dem Stomabeutel nicht zurechtkommen. Es geschehe dann, dass trotz aller Vorsicht die Kleidung feucht werde, weil sich der Beutel gelockert habe, und es komme in nicht steuerbarer Weise zu Darmgeräuschen und -gerüchen. Bei dem Kläger müsse man auch berücksichtigen, dass es zu Verklebungen im Darm gekommen sei, die zu Lähmungsepisoden führten. Natürlich könne sich der Kläger mit einer Selbstirrigation kurzfristig helfen oder vor einem bestimmten Termin wenig essen, den Beutel vorher entleeren und ein motilitätshemmendes Mittel einnehmen. Das gehe aber nicht ständig. Man müsse auch berücksichtigen, dass die meisten Patienten im Alter des Klägers erwerbsunfähig geschrieben werden und überhaupt nur noch ein kleiner Teil zur Arbeit gehe. Auch durch eine Diät könne der Kläger seine Probleme nicht in den Griff bekommen.

Diese Erklärungen und Begründungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. überzeugen den Senat. Nach der Anhörung von Dr. Z., der den Kläger zur Erstellung des Privatsachverständigengutachtens durch Prof. Dr. L. untersucht hat, besteht außerdem kein Widerspruch mehr zwischen den Feststellungen des Privatsachverständigen und des gerichtlich bestellten Sachverständigen.

Zwar war im Gutachten von Prof. Dr. L. vom 13.03.2008 (Bl. 37 d.A.) aufgrund von Untersuchungen im Jahr 2007 nur eine Berufsunfähigkeit von 40% angenommen worden. Die behaupteten immer wieder auftretenden Schmerzzustände waren noch als nachrangig gewertet worden, weil keine Hospitalisierung deswegen erfolgt sei. Für erklärbar wurden diese aber durch die Operation und die Bestrahlung gehalten. Der Schwerpunkt der Problematik wurde auch in den psychischen und sozialen Folgen der Stomatherapie gesehen. Die vom Kläger geschilderten Probleme wurden ebenfalls als nachvollziehbar bezeichnet, weil die psychosoziale Rehabilitation bekanntermaßen bei einem nicht unerheblichen Teil von Stomapatienten schwierig sei (Bl. 59 d.A.). Es wurde auch ausgeführt, dass Einigkeit bestehe, dass Tätigkeiten, die einem geregelten Tagesablauf und einer individuellen Pausengestaltung im Wege ständen, vermieden werden sollten (Bl. 60 d.A.). Durch eine Selbstirrigation, die zwar zeitaufwändig sei (etwa 45 Minuten), könnte aber für mindestens 24 Stunden auf einen Auffangbeutel verzichtet werden und die störenden Darmgeräusche könnten deutlich reduziert werden. Auch motilitätshemmende Medikamente könnten eingesetzt werden, um zeitlich ungünstige Beutelwechsel zu vermeiden.

Im Unterschied zu den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. wurde also eine zumindest eingeschränkte Kontrollierbarkeit der Darmtätigkeit für nicht ausgeschlossen gehalten. Ob dies entscheidungserheblich gewesen wäre, erscheint zweifelhaft, weil auch in dem Gutachten von Prof. Dr. L. ausgeführt wurde, dass Stomapatienten Tätigkeiten, die einem geregelten Tagesablauf und einer individuellen Pausengestaltung im Wege stehen, vermeiden sollten. Dies trifft nach dem oben Gesagten auf die klägerische Außentätigkeit zu. Denn der Kläger kann die Kundenkontakte nur beschränkt beeinflussen und muss sich nach Kundenwünschen richten. Eine geregelte Pausengestaltung ist im Außendienst während eines Kundenkontaktes nicht möglich. Außerdem war die Formulierung näher erläuterungsbedürftig, der Kläger könne durch Selbstirrigation für mindestens 24 Stunden auf einen Auffangbeutel verzichten und störende Darmgeräusche vermindern. Auch wenn dies möglich ist, so ist es nachvollziehbar, dass eine solche Vorbereitung im Hinblick auf einen besonders wichtigen Termin erfolgen kann. Für die tägliche Tätigkeit erscheint damit aber wenig gewonnen. Anders wäre dies nur, wenn solche Intervalle beliebig aneinandergereiht werden könnten. Dies ist nicht vorstellbar. Außerdem wäre dem Kläger – wie oben ausgeführt – auch eine nur verminderte Geräuschentstehung nicht zumutbar, wenn sie trotz dieser Maßnahmen überraschend und in nennenswertem Umfang aufträte.

Letztlich kann dies aber offenbleiben, denn der Sachverständige Dr. Z. hat in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat erklärt, dass nach den später vorliegenden Befunden auch ihre Einschätzung eine Berufsunfähigkeit von 50% plus in ihrem zweiten Gutachten aus dem Jahre 2011 ergeben habe, welches die Beklagte allerdings nicht in den Prozess eingeführt hat. Auf den späteren Aufnahmen habe man Verklebungen von Darmschlingen gesehen, die die vom Kläger geschilderten Beschwerden weiter objektivierten. Diese Verklebungen seien Operationsfolgen und Bestrahlungsfolgen, so dass der Zustand des Klägers seit 1997 aus ihrer Sicht unverändert sei. Die erst später aufgetretene Hernie sei ein Zusatzproblem, aber nicht entscheidend.

Damit hat der Sachverständige Dr. Z. die Einschätzung von Prof. Dr. K. bestätigt und zusammenfassend erklärt, dass der Kläger das Auftreten von Darmgeräuschen und -gerüchen nicht sicher verhindern könne.

Insgesamt steht somit aufgrund der Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. Z., der klägerischen Angaben und der Bekundungen der Zeugin B. und T. fest, dass der Kläger häufig, wenn nicht sogar täglich unter einer unkontrollierbaren Darmtätigkeit leidet, die Kundenkontakte unzumutbar macht.

Da die Darmgeräusche und -gerüche ohne Vorankündigung auftreten, kann der Kläger es auch durch eine Terminplanung nicht erreichen, dass er nicht in unzumutbare Situationen gerät. Dieser Zustand bestand jedenfalls im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum.

(d)

Entgegen dem Beklagtenvortrag wird dieses Beweisergebnis nicht dadurch in Frage gestellt, dass es dem Kläger gelungen sei, seine Erkrankung vor Dritten geheim zu halten. Dies steht nicht fest. Die Zeugin B. hat bekundet, dass im klägerischen Betrieb nur sie und ihre gemeinsame Tochter über die Krankheit Bescheid wüssten. Das zeigt, dass es dem Kläger gerade nicht gelungen ist, seine Erkrankung vor seiner Tochter geheim zu halten, wie er dies gewünscht hat. Wie dies bei den übrigen Menschen in der Umgebung des Klägers ist, ist nicht bekannt. Dass der Kläger niemandem etwas erzählt, heißt nicht, dass seine Umgebung nichts merkt. Außerdem ist das Wahrnehmen von Darmgeräuschen und -gerüchen nicht gleichbedeutend mit dem Wissen um die Erkrankung des Klägers oder seinen künstlichen Darmausgang. Wie der Sachverständige Dr. Z. geäußert hat, wird schließlich ein höflicher Mensch trotz der Wahrnehmung der Darmgeräusche und -gerüche nichts sagen.

(e)

Dem Beweisantrag der Beklagten, den Kläger stationär über längere Zeit zu begutachten, um seine Angaben zu seiner unkontrollierbaren Darmtätigkeit zu überprüfen, war nicht zu folgen. Die Situation eines stationären ruhigen Aufenthaltes ist nicht mit der Außendiensttätigkeit mit Kundenkontakt zu vergleichen. Gerade die psychische Belastungssituation während der Arbeit und vor allem beim Kundenkontakt fehlte, so dass aus einer festgestellten ruhigeren Darmtätigkeit während eines Klinikaufenthaltes keine Erkenntnisse über die Probleme des Klägers während seiner Arbeitstätigkeit zu gewinnen wären. Die konkrete Situation des Klägers im Alltag kann nur durch Zeugenbeweis und eine Glaubhaftigkeitsprüfung der klägerischen Angaben festgestellt werden.

(4.)

Dem Kläger ist auch eine sinnvolle Umorganisation seines Betriebes nicht möglich, um seine gesundheitliche Beeinträchtigung auszugleichen.

Ein Betriebsinhaber hat vorzutragen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass ihm auch eine zumutbare Betriebsumorganisation keine von ihm gesundheitlich noch zu bewältigenden Betätigungsmöglichkeiten eröffnen könnte, die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ausschließen würden (BGH, Urt. v. 03.11.1993 – IV ZR 185/92 – VersR 1994, 205). Denn der „Beruf“ des Betriebsinhabers wird wesentlich durch das ihm zukommende Direktionsrecht gegenüber seinen Mitarbeitern geprägt, das auch die Möglichkeit der Umverteilung der Arbeit einschließt. Er übt daher seinen Beruf grundsätzlich auch dann noch aus, wenn er eine bisher ihm vorbehaltene Tätigkeit gesundheitsbedingt nicht mehr ausführen kann, er statt dessen aber eine andere betriebliche Tätigkeit ohne gesundheitliche Einschränkung auszuüben und – sei es im Wege der Umorganisation der Arbeit – zu übernehmen in der Lage ist (BGH, Urt. v. 12.06.1996 – IV ZR 118/95 – VersR 1996, 1090; Senat, Urt. v. 13.04.2005 – 5 U 842/01-67 – NJW-RR 2006, 250; Senat, Urt. v. 19.11.2003 – 5 U 168/00-11 – VersR 2004, 1401).

Die Möglichkeit zur Umorganisation des Betriebs steht der Annahme bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit allerdings nur dann entgegen, wenn sie dem Betriebsinhaber im Einzelfall auch zugemutet werden kann. Hiervon kann insbesondere dann nicht ausgegangen werden, wenn er, etwa aufgrund der Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte, auf Dauer ins Gewicht fallende Einkommenseinbußen zu befürchten hätte (BGH, Urt. v. 12.06.1996 – IV ZR 118/95 – VersR 1996, 1090). Darüber hinaus muss dem mitarbeitenden Betriebsinhaber nach Durchführung der Umorganisation noch ein adäquater Arbeitsplatz im Sinne einer „vernünftigen Arbeit“ im Unternehmen verbleiben (Senat, Urt. v. 19.11.2003 – 5 U 168/00-11 – VersR 2004, 1401; OLG Karlsruhe, VersR 1995, 86; OLG Hamm, VersR 1997, 817; OLG Köln, Urt. v. 10.02.2012 – 20 U 94/11; Lücke, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28.Aufl., § 2 BU Rdn. 37). Vor allem bei Kleinbetrieben beanspruchen diese Kriterien Geltung. Bei der Verteilung der anfallenden Arbeit auf wenige Personen wird sich die Möglichkeiten zur Umverteilung der Aufgabenbereiche regelmäßig in engen Grenzen halten und es wird dem Betriebsinhaber, der die von ihm bisher übernommenen Tätigkeiten gesundheitsbedingt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausüben kann, bei einer Übertragung auf Dritte oftmals kein ausreichendes eigenes Einsatzgebiet mehr verbleiben. In diesen Fällen wird eine Umorganisation, insbesondere wenn sie die Einstellung zusätzlichen Personals erfordert, schnell die Schwelle dessen, was noch sinnvoll und zumutbar ist, erreichen (vgl. dazu etwa KG, VersR 2003, 491; OLG Koblenz, VersR 2002, 469). Auch wenn der Betriebsinhaber nur noch einer „Verlegenheitsbeschäftigung“ nachgehen könnte, muss er sich auf eine solche nicht verweisen lassen (OLG Karlsruhe, VersR 1995, 86).

Nach seinem Vortrag hat der Kläger vor der Operation 4 Mitarbeiter gehabt. Zwei der Mitarbeiter hätten Verkaufstermine wahrgenommen, die beiden anderen seien im Büro beschäftigt gewesen. Die Akquise der entscheidenden Makleralleinaufträge habe er stets selbst vorgenommen. Diese Angaben hat die Zeugin B. bestätigt. Grund an ihnen zu zweifeln, besteht deshalb nicht. Auch im Jahr 2006 hat der Kläger die maßgeblichen Kundenkontakte gehabt.

Es ist auch ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Kläger für die wichtigen Außentermine keinen neuen Mitarbeiter einstellen und sich auf eine reine Innendiensttätigkeit beschränken kann. Ein ausreichend qualifizierter Mitarbeiter, der so wie der Kläger in gesunden Tagen genug Überzeugungskraft und Erfahrung hat, um Makleralleinaufträge zu erlangen, wäre hoch zu entlohnen und würde die Gefahr bergen, dass er sich nach kurzer Zeit selbständig machen und gegebenenfalls noch Kunden mitnehmen würde. Selbst wenn der Kläger also durch Entlassungen von Bürokräften und eigener Übernahme dieser Innendiensttätigkeit Kosten sparen würde und einen Vertreter für ihn in der Kundenakquise mit zumutbaren finanziellen Einbußen finanzieren könnte, wäre ihm dies nicht zumutbar. In einem Kleinbetrieb ist es einem Betriebsinhaber nicht auf Dauer möglich, sich vollständig aus der eigentlichen Betriebstätigkeit zurückziehen. Für ihn verbleiben dann nur noch untergeordnete Tätigkeiten, und die eingestellte Ersatzkraft wird aus Kundensicht nach und nach der entscheidende Ansprechpartner, so dass der Kläger als Betriebsinhaber in eine immer stärkere Abhängigkeit geraten würde.

Dass der Kläger die Akquisetätigkeit auch nicht seiner geschiedenen Ehefrau übertragen kann, steht aufgrund ihrer Aussage fest. Sie verfügt nicht über die erforderliche Qualifikation für diese Tätigkeit. Es ist nichts ersichtlich, was gegen die Richtigkeit dieser Aussage spricht. Auch die Tochter kann der Kläger nicht oder nur eingeschränkt mit dieser Aufgabe betrauen. Wegen der Drogenproblematik und ihrem fehlenden Führerschein erscheint sie für den hier streitgegenständlichen Zeitraum ebenfalls dazu nicht in der Lage. Dass dies entgegen den widerspruchsfreien Angaben des Klägers anders ist, steht nicht fest und ist von der Beklagten nicht unter geeigneten Beweis gestellt worden. Außerdem änderte dies nicht daran, dass der Kläger nur noch einer Verlegenheitsbeschäftigung im Innendienst nachgehen würde, wenn er keinen maßgebenden Einfluss auf den entscheidenden Kundenkontakt mehr nehmen könnte.

(5.)

Die Beklagte hat den Kläger auch nicht erfolgreich auf einen anderen Beruf verwiesen.

Den Versicherer trifft zunächst bezüglich des Verweisungsberufs eine Aufzeigelast. Dieser genügt er nicht mit einer bloßen schlagwortartigen Aufzählung von Tätigkeiten. Denn geeignet ist ein Verweisungsberuf nur dann, wenn er den Einsatz von Kenntnissen, Fähigkeiten und Geschicklichkeiten erfordert, über die der Versicherungsnehmer trotz seiner körperlichen Einschränkungen verfügt, und auf der Einkommensseite eine Gleichwertigkeit mit dem zuvor ausgeübten Beruf gewährleistet ist (BGH, Urt. v. 19.05.1993 – IV ZR 80/92 – VersR 1993, 953; BGH, Urt. v. 21.04.2010 – IV ZR 8/08 – VersR 2010, 1023; Senat, Urt. v. 01.10.2003 – 5 U 134/03-14 – OLGR Saarbrücken 2004, 183).

§ 2 Abs. 1 B-BUZ beschränkt die Verweisungsmöglichkeit auf Tätigkeiten, die der Versicherte aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausüben kann. Voraussetzung ist, dass der Versicherte aufgrund seiner vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten den Aufgabenbereich des Vergleichsberufs im Wesentlichen beherrscht. Etwaige Defizite müssen nach Art und Umfang im Rahmen einer angemessenen Einarbeitung, wie sie jeder Antritt einer neuen Arbeitsstelle mit sich bringt, ausgeglichen werden können. Eine drei- bis sechsmonatige Einarbeitungszeit kann dabei verlangt werden (Senat, Urt. v. 29.10.2008 – 5 U 124/07-11). Zu einer darüber hinausgehenden Fortbildung oder Umschulung ist der Versicherte allerdings nach § 2 Abs. 1 B-BUZ nicht verpflichtet (BGH, Urt. v. 11.12.1996 – IV ZR 238/95 – VersR 1997, 436; BGH, Urt. v. 03.11.1999 – IV ZR 155/98 – VersR 2000, 171; Senat, Urt. v. 10.04.2002 – 5 U 562/01 – 38 – NJW-RR 2003, 528-530).

Außerdem muss die Ausübung des konkret aufgezeigten Verweisungsberufs dem Versicherten trotz seiner die Berufsunfähigkeit im Ursprungsberuf eventuell begründenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen in dem bedingungsgemäßen Umfang – hier also zu mehr als 50% – möglich sein.

Die Beklagte hat den Kläger auf die Tätigkeit als Immobilienkaufmann verwiesen (Bl. 737 d.A.). Prägende Tätigkeiten sind nach dem Beklagtenvortrag, der Kauf, der Verkauf und die Vermittlung von Immobilien, der Bau, die Modernisierung und die Sanierung von Immobilien, die Vermietung und Verwaltung von Häusern, Wohnungen und Gewerbeimmobilien, die Umsetzung von Marketingmaßnahmen, die Finanzierungsberatung, die Mitwirkung im Rechnungswesen und allgemeine Büro- und Verwaltungstätigkeiten. Die Beklagte hat drei Stellenangebote für Immobilienkaufleute vorgelegt, von denen zwei als Anforderungen erweiterte Computerkenntnisse, die dritte Buchhaltungskenntnisse in der elektronischen Datenverarbeitung als erwünscht bezeichnet und alle drei Stellenangebote Kommunikationsfähigkeit und Kunden-/Teamorientierung als Voraussetzung nennen.

Da dem Kläger jegliche Computerkenntnisse fehlen, verfügt er nicht über die notwendige Ausbildung und Erfahrung in den Vergleichsberufen. Außerdem ist dem Kläger nach dem oben Gesagten gerade der Kundenkontakt nicht zuzumuten, der die Vergleichsberufe wesentlich prägt. Soweit kein Kundenkontakt gefordert ist, geht es um eine Leitungsfunktion, die einen engen Mitarbeiterkontakt und eine Teamfähigkeit voraussetzt. Der enge Mitarbeiterkontakt ist dem Kläger aber aus denselben Gründen nicht zuzumuten wie der Kundenkontakt. Der Kläger kann nach den Ausführungen der beiden Sachverständigen nur noch eine Innendiensttätigkeit ausüben, die es ihm ermöglicht, jederzeit eine Toilette aufzusuchen, ohne Publikumsverkehr und Präsenzpflicht. Diese eingeschränkten Möglichkeiten haben mit den von der Beklagten aufgezeigten Vergleichsberufen nichts gemeinsam.

Eine reine Sachbearbeitertätigkeit, die der Kläger aus gesundheitlichen Gründen noch ausüben könnte, für die er die notwendige Ausbildung und Erfahrung besitzt und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.

(6.)

Die Leistungspflicht der Beklagten beginnt nach § 1 Abs. 2 B-BUZ mit dem Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Entgegen dem Klageantrag schuldet die Beklagte aber keine monatliche Auszahlung, sondern eine vierteljährliche Zahlung im Voraus (§ 1 Abs. 1 B-BUZ).

Nach § 3 Abs. 4 der Sonderbedingungen für Versicherungen mit automatischer Anpassung unterbleibt die Anpassung während der Dauer der Beitragsbefreiung. Dies hat zur Folge, dass die jährliche Rentenhöhe, die im Jahr 2005 in Höhe von 27.169,37 EUR erreicht war, für die Berufsunfähigkeitsrente zugrunde zu legen ist, die der Kläger wegen der von ihm geltend gemachten Berufsunfähigkeit ab Januar 2006 verlangt.

Wegen der von der Beklagte geschuldeten Beitragsbefreiung (§ 1 Abs. 1a B-BUZ) war die Beklagte zur Rückzahlung der vom Kläger geleisteten Prämien ab Januar 2006 verpflichtet. Die geltend gemachten Beträge hat die Beklagte nicht bestritten.

Aus denselben Gründen schuldet die Beklagte auch in Zukunft Beitragsfreistellung, was antragsgemäß festzustellen war.

(7.)

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert beträgt 126.440,48 EUR. Bei der Feststellungsklage war kein Abzug von 20% vorzunehmen, weil Beitragsfreistellung verlangt wird und der Antrag zu 9) einer negativen Feststellungsklage gleichsteht. Mangels näherer Angaben war der jährliche Beitrag mit 2.061,00 EUR anzunehmen, wie ihn der Kläger unstreitig im Jahr 2006 geleistet hat. Der Wert des Feststellungsantrages beträgt damit 7.213,50 EUR.

Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.

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