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Wohngebäudeversicherung – Deckungsschutz bei Gebäudeschaden durch fortlaufende Erdsenkung

Rechtsstreit im Versicherungsrecht: Kläger fordern Leistungen wegen Gebäudeschaden

Das vorliegende Urteil behandelt einen Rechtsstreit im Versicherungsrecht, genauer gesagt im Bereich der Wohngebäudeversicherung. Die Kläger sind Eigentümer eines Wohngebäudes und hatten bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen. In den Jahren 2010 und 2014 traten auf dem Grundstück der Kläger Absenkungen auf, die auf eine unterhalb des Grundstücks befindliche Doline zurückzuführen waren. Die Kläger meldeten den Schaden der Versicherung und forderten Leistungen gemäß den Versicherungsbedingungen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 O 318/18 >>>

Versicherungsbedingungen und Absenkungen aufgrund einer Doline

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Versicherungsschutz ab und zahlte lediglich einen geringen Betrag aus, da sie der Ansicht war, dass der Schaden nicht durch einen versicherten Ereignisgrund verursacht wurde. Die Kläger argumentierten hingegen, dass die Absenkungen auf die Doline zurückzuführen seien und somit ein Versicherungsfall vorliege.

Das Gericht befasste sich mit den Versicherungsbedingungen und stellte fest, dass sowohl in den Allgemeinen-Versicherungsbedingungen als auch in den Besonderen Bedingungen für die Versicherung weiterer Elementarschäden in der Wohngebäudeversicherung der Begriff „Erdsenkung“ verwendet wird, ohne dass ein plötzliches Ereignis vorausgesetzt wird. Daraus ergab sich, dass auch eine über einen längeren Zeitraum entwickelnde Absenkung des Erdbodens als Versicherungsfall anzusehen ist.

Sachverständigengutachten und Anspruch auf Versicherungsleistungen

Das Gericht zog Sachverständigengutachten heran, um festzustellen, dass die Absenkungen tatsächlich auf die Doline zurückzuführen waren. Es stellte fest, dass die Kläger erst durch später eingeholte Gutachten Kenntnis von dieser Ursache erlangt hatten.

Das Gericht entschied, dass die Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf Erbringung der Versicherungsleistungen haben. Es stellte fest, dass ein Versicherungsfall nach den Versicherungsbedingungen gegeben ist, da die Absenkungen auf eine naturbedingte Erdsenkung über natürlichen Hohlräumen zurückzuführen waren.

Offene Fragen zur Höhe des Anspruchs

Da hinsichtlich der Höhe des Anspruchs noch Streitpunkte bestanden, konnte das Gericht keine abschließende Entscheidung über die Klage treffen. Es ordnete jedoch an, dass die Beklagte alle weiteren Kosten zu erstatten habe, die im Zusammenhang mit der Reparatur und Sanierung des Wohngebäudes stehen.

Verjährungsfrist und Anspruchsgrundlagen

Das Urteil befasste sich auch mit der Verjährungsfrage. Das Gericht stellte fest, dass die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren erst mit Kenntnis der Kläger von den Anspruch begründenden Umständen zu laufen begann. Da die Kläger erst durch die Gutachten Kenntnis von der Ursache der Absenkungen erlangten, war der Anspruch nicht verjährt.

Abschließend wurde festgestellt, dass die Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Versicherungsleistungen haben, und weitere Entscheidungen hinsichtlich der Höhe des Anspruchs und der prozessualen Nebenentscheidungen dem Schlussurteil vorbehalten bleiben.

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung einer genauen Prüfung der Versicherungsbedingungen und der Ursachen für den Schaden im Versicherungsrecht. Es wurde festgestellt, dass eine über einen längeren Zeitraum entwickelnde Erdsenkung als Versicherungsfall anzusehen ist. Die Kläger haben dem Grunde nach einen Anspruch auf Versicherungsleistungen, und die konkrete Höhe des Anspruchs wird in einem späteren Urteil geklärt.


Das vorliegende Urteil

LG Detmold – Az.: 2 O 318/18 – Urteil vom 13.10.2020

Die Klage ist dem Grunde nach in Bezug auf die Anträge 1, 2, 3 und 5 gerechtfertigt.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, gemäß den Bedingungen der Verbundenen Wohngebäudeversicherung Nr. alle weiteren Kosten zu erstatten, die im Zusammenhang mit der Reparatur, der Sanierung und Wiederinstandsetzung des auf der Liegenschaft X stehenden Wohngebäudes nebst Rohrleitungen, Garage und Pflasterung im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall „Doline“ stehen.

Tatbestand

Die Kläger unterhielten bei der Beklagten als Eigentümergemeinschaft des Grundstücks X seit dem 20.02.2006 eine Wohngebäudeversicherung unter der Versicherungsnummer . Der Versicherungsschein vom 20.02.2006 verweist auf die Allgemeinen-Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VGB 99 EURO (Ausgabe 2004) sowie die Besonderen Bedingungen für die Versicherung weiterer Elementarschäden in der Wohngebäudeversicherung (im Folgenden: LBEV 04). Auf Antrag der Kläger wurde ein weiterer Versicherungsschein am 23.03.2015 durch die Beklagte ausgestellt. In diesem Versicherungsschein wird auf die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VGB 2008) sowie die Besonderen Bedingungen für die Versicherung weiterer Elementarschäden in der Wohngebäudeversicherung (im Folgenden: BEW 08) verwiesen. Die Versicherung umfasst unter anderem Versicherungsschutz für Elementarschäden.

Im Frühjahr 2010 kam es auf dem Grundstück der Kläger zu einer Absenkung, wodurch sich auch das Wohngebäude und ein Teil der Pflasterung absenkten. Aufgrund dessen untersuchte der Architekt Herr Dipl.-Ing. X2 den Baugrund. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass verschiedene Ursachen in Betracht kämen. Er zog unter anderem in Betracht, dass es durch eine defekte Regenwasserleitung zu einer Ausspülung und infolge dessen zu Absackungen im Untergrund gekommen sein könnte. Es fand ferner ein Ortstermin mit dem Sachbearbeiter der Beklagten, Herrn B, statt. Es erfolgte daraufhin eine Zahlung der Beklagten in Höhe von 2.000,00 EUR mit dem Hinweis, dass für Schäden an Ableitungsrohren und den daraus resultierenden Folgeschäden kein Versicherungsschutz bestünde.

Nach Anleitung des Herrn Dipl.-Ing. X2 fanden im selben Jahr noch Sanierungsmaßnahmen auf dem klägerischen Grundstück statt. Es wurde unter anderem das Gebäude angehoben und in die dadurch entstandene Absenkung wurde Beton eingebracht.

Anfang des Jahres 2014 entstanden weitere Absenkungen auf dem Grundstück. Hierauf empfahl Herr Dipl.-Ing. X2 den Klägern eine geologische Fachuntersuchung. Es wurden daraufhin drei Gutachten eingeholt: ein bodenkundliches Gutachten im Jahr 2014 von Dr. X, ein geotechnisches Gutachten mit Baugrunduntersuchung vom 25.08.2014 von Prof. Dr. T und Bau-Ing. T3 sowie ein ingenieurgeophysikalisches Gutachten vom 25.02.2016 von Dr. T und Dipl.-Geophys. H. Nach den eingeholten Gutachten ist eine unterhalb des Grundstücks befindliche Doline ursächlich für die Absackungen in den Jahren 2010 und 2014.

Mit Schreiben vom 14.03.2015 zeigten die Kläger den nun streitgegenständlichen Schaden bei der Beklagten an. Mit Schreiben vom 10.08.2015 lehnte die Beklagte die Gewährung von Versicherungsschutz ab. Nach einer weiteren Korrespondenz zwischen den Parteien ließ die Beklagte den Schaden durch Herrn Dipl.-Ing. C begutachten, welcher nach einem Ortstermin vom 24.04.2017 in seinem Gutachten vom 10.05.2017 feststellte, dass die Ursache der Absenkungen nicht sicher festgestellt werden könne. Die Beklagte bot den Klägern daraufhin als Abfindungsangebot zunächst die Zahlung von 20.000,00 EUR an und erhöhte diesen Betrag später auf 25.000,00 EUR. Die Kläger lehnten dies ab.

Die Kläger sind der Ansicht, dass ein Versicherungsfall in Form eines Elementarschadens gegeben sei. Hierzu behaupten sie, die entstandenen Erdsenkungen in den Jahren 2010 sowie 2014 seien ausschließlich auf eine unterhalb des Grundstücks befindliche Doline zurückzuführen und somit auf nach den Versicherungsbedingungen erforderliche natürliche Hohlräume. Hiervon hätten sie jedoch erst durch die später eingeholten Gutachten Kenntnis erlangt. Es sei ferner durch die Absenkungen zu Beschädigungen des Gebäudes sowie der Pflasterung der sogenannten Küchen-Terrasse und der gepflasterten Zuwegung zum Haus gekommen.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 8.646,78 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2017 zu zahlen; die Beklagte weiter zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 56.152,95 EUR zu zahlen; die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 10.250,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2017; festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, gemäß den Bedingungen der Verbundenen Wohngebäudeversicherung Nr. alle den Klägern über den Betrag von 75.049,73 EUR hinaus entstehenden Kosten zu erstatten, die im Zusammenhang mit der Reparatur, der Sanierung und Wiederinstandsetzung des auf der Liegenschaft X stehenden Wohngebäudes nebst Rohrleitungen, Garage und Pflasterung im Zusammenhang mit der Versicherungsfall „Doline“ entstehen; die Beklagte ferner zu verurteilen, an die A-Rechtsschutzversicherungs-AG einen Betrag zu zahlen in Höhe von 2.561,83 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2017.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie wegen der streitgegenständlichen Beschädigungen nicht verpflichten sei, den Klägern entstandene bzw. entstehende Kosten zu erstatten. Es liege bereits kein Versicherungsfall vor. Hierzu behauptet die Beklagte, dass der nach den Versicherungsbedingungen vorausgesetzte natürliche Hohlraum nicht gegeben sei. Vor vielen Jahrhunderten habe es allenfalls natürliche Hohlräume im Bereich des Grundstücks gegeben, diese seien jedoch künstlich aufgefüllt worden. Abgesehen hiervon sei ein Sickerungsschacht auf dem Grundstück der Kläger ursächlich für die Absenkungen. Ferner hätten die Arbeiten durch den Architekten Herrn Dipl.-Ing. X2 im Jahr 2010 die Absenkungen weiter verursacht und die Schäden daher vergrößert. Die Arbeiten seien daher kontraproduktiv gewesen. Die Beklagten erheben ferner die Einrede der Verjährung. Die Kläger müssten sich die Sachkenntnisse des Dipl.-Ing. X2 zurechnen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Prof. Dr.-Ing. L. Auf den Beweisbeschluss der Kammer vom 21.05.2019 (Bl. 463 f. d.A.) sowie vom 12.07.2019 (Bl. 543 f. d.A) wird verwiesen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 07.03.2020 (Bl. 646 ff. d.A.) sowie auf das Protokoll der Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. L in der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2020 (Bl. 813 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist insgesamt zulässig. Es besteht insbesondere das für den Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Der Feststellungsantrag ist ferner auch hinreichend bestimmt formuliert, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Versicherungsfall ist mit dem Begriff „Doline“ hinreichend konkretisiert worden. Bezüglich der Anträge kann durch Grundurteil entschieden werden.

I.

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teil-Grundurteils hinsichtlich der mit den Anträgen 1, 2, 3 und 5 geltend gemachten Zahlungsanträge nach § 304 ZPO liegen vor.

Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner rechnerischen Höhe besteht (vgl. BGH Grundurteil vom 07.03.2005 – II ZR 144/03).

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Es steht bereits fest, dass die Ansprüche des Klägers jedenfalls in gewisser Höhe bestehen. Eine Entscheidung über die Höhe des Anspruchs des Klägers konnte dagegen noch nicht erfolgen, weil hinsichtlich der einzelnen Schäden vieles streitig ist und deshalb eine Entscheidung über die Klage insgesamt gegenwärtig nicht möglich ist.

Hinsichtlich des Feststellungsantrags war durch Teil-Endurteil zu entscheiden. Hat der Kläger – wir vorliegend – mit der Leistungsklage (Anträge zu 1, 2, 3 und 5) zugleich den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz eines weiteren Schadens verbunden (Antrag zu 4), kann kein umfassendes Grundurteil ergehen; in diesem Fall ist durch Teil-Grundurteil hinsichtlich der Leistungsklage und Teil-Endurteil hinsichtlich der Feststellungsklage zu entscheiden (vgl. Feskorn in: Zöller, ZPO 33. Aufl. 2020, § 304 Rn. 3).

II.

Die Kläger haben dem Grunde nach einen Anspruch auf Erbringung der Versicherungsleistungen wegen etwaiger Beschädigungen verursacht durch die in den Jahren 2010 sowie 2014 durch Absenkungen auf dem klägerischen Grundstück zutage getretenen Doline.

Vorliegend ist ein Versicherungsfall nach § 5 Ziff. 1 und Ziff. 4 lit. a) dd) VGB 2008, Ziff. 2 lit b) i.V.m. Ziff. 4 BEW 08 und auch nach § 1 Ziff. 1 und Ziff. 3 VGB 99 EURO i.V.m. § 4 LBEW 04 gegeben. Es kann daher bereits dahinstehen, ob die Musterbedingungen aus dem Jahr 2004 oder 2008 Anwendung finden.

1.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass ein Versicherungsfall gegeben ist, da ein Erdfall bzw. eine Erdsenkung i.S.d. Versicherungsbedingungen gegeben ist.

Nach § 2 Ziff. lit b), 4 LBEV 04 leistet die Beklagte Entschädigung für die versicherte Sache, wenn Schäden durch eine Erdsenkung entstehen. Eine Erdsenkung ist hiernach eine naturbedingte Absenkung des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen. Nach Ziff. 2 lit b), 4 BEW 08 liegt demgegenüber ein Versicherungsfall vor, wenn die versicherte Sache durch Erdfall oder Erdrutsch zerstört oder beschädigt wurde. Ein Erdfall ist hiernach ein naturbedingter Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen.

Nach beiden Versicherungsbedingungen ist demnach zunächst das Vorliegen von natürlichen Hohlräume notwendig. Unter natürlichen Hohlräumen sind solche Räume zu verstehen, die vom Erdreich völlig umschlossen sind und nach oben mit einer natürlichen Decke aus einer Erdschicht enden (vgl. LG Nürnberg-Fürth, 15.11.2006 – 8 O #####/####). In den Musterbedingungen aus dem Jahr 2008 wird zwar statt der noch im Jahr 2004 versicherten Erdsenkung der Erdfall, mithin ein naturbedingter Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlraum, versichert. Eine Änderung des Umfangs des Versicherungsschutzes im Verhältnis zur Versicherung der Erdsenkung als naturbedingte Absenkung des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen tritt jedoch nach Auffassung der Kammer nicht ein. Aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers ist nach beiden Musterbedingungen entscheidende Voraussetzung, dass der Erdboden über natürliche Hohlräume in Bewegung gerät. Dies vorausgesetzt, ist eine sinnvolle Abgrenzung zwischen den Begriffen „Erdsenkung“ und „Erdfall“ nicht möglich bzw. hat der Versicherer nicht hinreichend deutlich gemacht, wie eine solche erfolgen kann. Eine Differenzierung zwischen den beiden Begriffen ist demnach nicht erforderlich (vgl. Wussow, VersR 2008, 1292, 1296). Ferner kann eine Erdsenkung oder ein Erdfall i.S.d. Versicherungsbedingungen auch vorliegen, wenn der Absenkungsprozess über mehrere Jahre hinweg andauert. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer darf bei den Begriffen „Erdsenkung“ bzw. „Erdfall“ mangels Einschränkung auf ein „plötzliches Ereignis“ annehmen, dass auch eine sich über einen längeren Zeitraum entwickelnde Absenkung des Erdbodens einen Versicherungsfall darstellt (vgl. Thüringer OLG, Urteil vom 11.03.2009 – 4 U 107/07).

Der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. L hat in seinem nachvollziehbaren, in sich schlüssigen und überzeugendem Gutachten vom 07.03.2020 ausgeführt, dass auf dem Grundstück der Kläger eine Doline vorhanden sei. Als Doline würde man einen natürlich entstandenen schlot-, trichter- oder schüsselförmige Senke im Erdboden bezeichnen. Im Laufe von Jahrhunderten sei vorliegend die Doline mit eingeschwemmten Lockerboden aufgefüllt worden. Dieses auf natürlichem Weg eingeschwemmte Material sei jedoch nur locker gelagert gewesen und sei daher mit der Zeit nachgesackt. Auf Grund dieser natürlich entstandenen Hohlräume sei es dann zu den Absenkungen auf dem klägerischen Grundstück gekommen. Vorliegend stimme die Größe der Doline auch mit dem Bereich über, in dem sich die Absenkungen auf dem Grundstück der Kläger sowie auf der Zufahrt zum Grundstück eingestellt haben.

Der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. L hat dies im Rahmen seiner Anhörung durch die Kammer überzeugend dahin präzisiert, dass nur vereinzelt kleine Ziegelstücke oder Glasscherben im Boden gefunden worden seien. Hieraus könne man schließen, dass die Doline nicht künstlich aufgefüllt worden sei, sondern dies lediglich natürlich eingeschwemmter Boden mit eingesickertem Kleinmaterial darstelle.

Demgegenüber kann nicht zur Überzeugung der Kammer festgestellt werden, dass die Absenkung der Geländeoberfläche durch Versickern des Wassers aus dem Versickerungsschacht der Kläger verursacht bzw. mitverursacht worden sei. Der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. L hat hierzu in seinem Gutachten sowie in seiner Anhörung durch die Kammer nachvollziehbar ausgeführt, dass dies zwar grundsätzlich zu Absenkungen führen könne. Solche Absenkungen wären aber bereichsmäßig auf die Fläche des Sickerschachtes beschränkt. Vorliegend sei der Bereich jedoch erheblich größer. Der Absenkungsbereich umfasse genau die Dolinenfläche. Wenn vorliegend versickerndes Wasser im Sickerschacht einen Einfluss auf die Absenkung des Geländes gehabt haben sollte, dann wäre dieser Einfluss sehr gering und nur auf den Bereich des Sickerschachtes begrenzt.

Ferner kann nicht zur Überzeugung der Kammer festgestellt werden, dass die Absenkung des Erdbodens durch die Sanierungsarbeiten, die im Jahr 2010 von dem Architekten Herrn Dipl.-Ing. X2 veranlasst wurden, hervorgerufen wurden. Der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. L hat in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt sowie in seiner Anhörung durch die Kammer präzisiert, dass die durchgeführte Hebung des Gebäudes und das danach erfolgte Einbringen von Beton die Absenkung des Gebäudes nicht negativ beeinflusst habe. Die zusätzliche Belastung des Erdreichs durch die Einfügung des Betons sei so gering gewesen, dass dadurch keine zusätzlichen Setzungen hätten verursacht werden können.

2.

Durch einen natürlichen Hohlraum in Form der Doline wurde das klägerische Gebäude sowie die Pflasterung auf dem streitgegenständlichen Grundstück wegen der verursachten Absenkungen beschädigt.

Nach § 5 Ziff. 1 und 4 lit. a) dd) VGB 2008 sowie § 1 Ziff. 1 und 3 LBEV 04 sind die in dem Versicherungsschein benannten Gebäude mit ihren Gebäudebestandteilen und Gebäudezubehör einschließlich unmittelbar an das Gebäude anschließender Terrassen versichert. Als Grundstücksbestandteile gelten hiernach unter anderem auch Hof- und Gehwegbefestigungen.

Wegen der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass bereits Beschädigungen am Gebäude sowie an der Pflasterung durch die Doline hervorgerufen wurden.

3.

Nach alledem steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das klägerische Gebäude sowie die Pflasterung auf dem Grundstück im Jahr 2010 sowie im Jahr 2014 durch einen Erdfall bzw. durch eine Erdsenkung beschädigt wurden.

III.

Der Anspruch auf Versicherungsleistungen wegen des streitgegenständliches Versicherungsfalls ist nicht verjährt, § 214 BGB.

Maßgeblich für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren ist § 199 Abs. 1 BGB. Die Verjährung beginnt danach mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder der Gläubiger in grob fahrlässiger Weise in Unkenntnis geblieben ist. Kenntnis aller Einzelheiten ist dabei nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass der Gläubiger auf Grund der ihm bekannten oder erkennbaren Tatsachen eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose Klage – zumindest eine Feststellungsklage – erheben kann (vgl. BGH, Urteil vom 03.06.2008 – XI ZR 319/06). Vorliegend kann den Klägern im Jahr 2010 eine Unkenntnis des Anspruchs gegen die Beklagte nicht vorgeworfen werden. Die Kläger haben zwar bereits im Jahr 2010 einen Erdsenkungsschaden bemerkt. Der eingeschaltete Architekt Dipl.-Ing. X2 hatte jedoch als mögliche Schadensursache eine Ausspülung wegen einer defekten Regenwasserleitung für möglich gehalten, ein solches Ereignis ist jedoch gerade nicht versichert. Dass die Erdsenkung auf eine Doline zurückzuführen ist, der Schaden mithin möglicherweise auf einem versicherten Ereignis beruht, war den Klägerin erst nach Einholung des ingenieurgeophysikalischen Gutachtens vom 25.02.2016 bekannt. Die Kläger hätten zwar bereits im Jahr 2010 eine Feststellungsklage erheben können. Da die zum damaligen Zeitpunkt vermutete Schadensursache jedoch keine Einstandspflicht begründete, wäre eine solche Feststellungsklage „ins Blaue hinein“ erfolgt und damit den Klägern nicht zumutbar gewesen. Da damit die Verjährung erst mit Schluss des Jahres 2016 zu laufen begonnen hat, war der Anspruch im Zeitpunkt der Klageerhebung Ende des Jahres 2018 noch nicht verjährt.

IV.

Dem Grunde nach stehen den Kläger auf die geltend gemachten Versicherungsleistungen auch Zinsen zu sowie dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltsgebühren, §§ 280, 286, 288 BGB. Im Übrigen gehören die Einzelheiten der Höhe des Zinssatzes und des Zinsbeginns aber zum Betragsverfahren.

V.

Im Übrigen war – wie unter Ziffer I. ausgeführt – durch Teil-Endurteil festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, gemäß den Bedingungen der Verbundenen Wohngebäudeversicherung Nr. 56-V… den Klägern alle weiteren – über die bereits mit den Klageanträgen zu 1., 2. und 3. bezifferten Kosten hinausgehenden Kosten – zu erstatten, die im Zusammenhang mit der Reparatur, der Sanierung und Wiederinstandsetzung des auf der Liegenschaft X stehenden Wohngebäudes nebst Rohrleitungen, Garage und Pflasterung im Zusammenhang mit der Versicherungsfall „Doline“ entstehen.

VI.

Prozessuale Nebenentscheidungen sind nicht veranlasst; sie bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.


Begriffserklärung: Was ist eine Doline?

Eine Doline, auch als Sinkhöhle oder Karsttrichter bekannt, ist eine schlot-, trichter- oder schüsselartige Senke, die meist eine runde oder ovale Form aufweist. Sie stellt eine Hohlform im Karst dar und zeichnet sich durch unterirdischen Wasserabfluss aus. Dolinen entstehen hauptsächlich durch Auslaugung von Kalk- und Salzgesteinen und oftmals an Gesteinsfugen oder durch Einsturz. Sie sind in fast allen Karstlandschaften anzutreffen und gehören zu den auffälligen Phänomenen in solchen Regionen.

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