Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Rente hier, Rente da: Ein Gerichtsurteil zur Aufteilung bei Scheidung
- Was genau war passiert? Die Geschichte von Herrn A. und Frau B.
- Der erste Richterspruch: BU-Rente bleibt komplett beim Mann
- Frau B. gibt nicht auf: Der Fall geht in die nächste Runde
- Die Kernfrage für das höhere Gericht: Muss die BU-Rente doch geteilt werden?
- Das Urteil des Oberlandesgerichts: Die BU-Rente wird nicht geteilt
- Warum entschied das Gericht so? Ein Blick in die juristische Argumentation
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was ist eine Private Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) und wird sie bei einer Scheidung immer im Versorgungsausgleich berücksichtigt?
- Welche verschiedenen Arten von Invaliditäts- oder Erwerbsminderungsrenten gibt es, und werden sie im Versorgungsausgleich unterschiedlich behandelt?
- Wann kann der Versorgungsausgleich einer privaten Berufsunfähigkeitsrente als grob unbillig angesehen werden und deshalb unterbleiben?
- Welche Rolle spielen das Einkommen und andere Versorgungsansprüche beider Ehegatten bei der Entscheidung über den Versorgungsausgleich einer BU-Rente?
- Welche Bedeutung hat der Stichtag des Ehezeitendes für die Feststellung von Rentenansprüchen im Versorgungsausgleich?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 3 UF 108/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
- Datum: 24.03.2025
- Aktenzeichen: 3 UF 108/23
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren im Rahmen eines Scheidungsverfahrens (Versorgungsausgleich)
- Rechtsbereiche: Familienrecht, insbesondere Versorgungsausgleich
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Ehemann, der eine private Berufsunfähigkeitsrente bezieht und die Nichtteilung dieser Rente im Versorgungsausgleich beantragte.
- Beklagte: Die Ehefrau, die ebenfalls eine Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhält und die Teilung der privaten Berufsunfähigkeitsrente des Ehemanns im Versorgungsausgleich begehrte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Ehepaar trennte sich nach 18 Jahren Ehe und reichte den Scheidungsantrag ein. Der Ehemann bezog eine private Berufsunfähigkeitsrente, während die Ehefrau eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhielt. Das Amtsgericht schied die Ehe, teilte die private Rente des Ehemanns jedoch nicht im Versorgungsausgleich, wogegen die Ehefrau Beschwerde einlegte.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die private Berufsunfähigkeitsrente des Ehemanns im Rahmen des Versorgungsausgleichs geteilt werden muss. Dies war strittig, da die Ehefrau selbst eine Erwerbsminderungsrente aus einer gesetzlichen Unfallversicherung erhält, die nicht dem Versorgungsausgleich unterliegt.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beschwerde der Ehefrau wurde zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz, die private Berufsunfähigkeitsrente des Ehemanns nicht im Versorgungsausgleich zu teilen.
- Begründung: Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass eine Teilung der privaten Berufsunfähigkeitsrente des Ehemanns grob unbillig wäre. Obwohl beide Ehepartner invaliditätsbedingt Versorgungen erhalten, würde die Ehefrau ihre gesetzliche Unfallversicherungsrente, die nicht dem Versorgungsausgleich unterliegt, vollständig behalten können. Dies würde zu einem ungerechten Ungleichgewicht in den Versorgungen der Ehepartner führen.
- Folgen: Die Folge der Entscheidung ist, dass die private Berufsunfähigkeitsrente des Ehemanns nicht im Versorgungsausgleich berücksichtigt wird. Damit bleibt diese Rente vollständig beim Ehemann, während die Ehefrau ihre Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ungekürzt behält.
Der Fall vor Gericht
Rente hier, Rente da: Ein Gerichtsurteil zur Aufteilung bei Scheidung
Viele Paare, die sich scheiden lassen, stehen vor der Frage: Was passiert eigentlich mit unseren Rentenansprüchen? Während der Ehe haben oft beide Partner für das Alter vorgesorgt. Besonders knifflig wird es, wenn ein Partner aufgrund einer Krankheit eine private Berufsunfähigkeitsrente bezieht, also eine monatliche Zahlung von einer privaten Versicherung, weil er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Was aber, wenn der andere Partner ebenfalls eine Art Invaliditätsrente erhält, zum Beispiel eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einem Arbeitsunfall? Muss der eine seine private Rente bei der Scheidung teilen, während der andere seine staatliche Rente vielleicht komplett für sich behalten darf? Genau mit dieser verzwickten Situation musste sich das Oberlandesgericht Oldenburg beschäftigen (Aktenzeichen: 3 UF 108/23, Beschluss vom 24.03.2025).
Was genau war passiert? Die Geschichte von Herrn A. und Frau B.

Herr A. und Frau B. hatten im November 2002 geheiratet. Doch die Ehe hielt nicht ewig, und seit September 2020 lebten sie getrennt. Der offizielle Antrag auf Ehescheidung wurde Frau B. am 11. März 2022 zugestellt. Dieses Datum ist wichtig, denn es legt das sogenannte Ehezeitende auf den 28. Februar 2022 fest. Das Ehezeitende markiert den Stichtag, bis zu dem erworbene Rentenansprüche in den Versorgungsausgleich einfließen. Der Versorgungsausgleich ist das Verfahren, bei dem die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften beider Ehegatten hälftig geteilt werden, damit keiner benachteiligt wird.
Herr A. bezog bereits seit Februar 2019 eine private Berufsunfähigkeitsrente von seiner Versicherung, der Beteiligten zu 1) (einer privaten Versicherungsgesellschaft). Diese Rente betrug monatlich etwa 580 Euro und war befristet bis Ende Februar 2029. Nach seinen Angaben zahlte er auf diese Rente keine Sozialversicherungsbeiträge. Zum Zeitpunkt des Ehezeitendes hatte Herr A. ein monatliches Nettoeinkommen von rund 2.000 Euro, das sich aus Arbeitslosengeld I und seiner privaten Berufsunfähigkeitsrente zusammensetzte.
Frau B. gab an, zum Ehezeitende ebenfalls nicht mehr arbeitsfähig gewesen zu sein. Sie hatte einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente – das ist eine Rente für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können – beim Gemeinde-Unfallversicherungsverband Hannover (GUVH), einer Art gesetzlicher Unfallversicherung, gestellt. Erst nach dem Ehezeitende, nämlich mit einem Bescheid vom 20. Januar 2025, sprach ihr der GUVH diese Rente rückwirkend ab dem 5. März 2020 zu. Je nachdem, wie stark ihre Erwerbsminderung eingeschätzt wurde (zwischen 30% und 100%), lag ihre monatliche Rente zwischen 382,20 Euro und 1.342,16 Euro. Dieser Bescheid war zwar noch nicht bestandskräftig, also noch nicht endgültig und unanfechtbar, da Frau B. Widerspruch gegen die Höhe der Rente angekündigt hatte. Der Anspruch auf die Rente an sich stand aber nicht in Frage. Zum Ehezeitende verdiente Frau B. in einem Midi-Job und erhielt Unterhaltszahlungen, sodass ihr etwa 1.500 Euro monatlich zur Verfügung standen, zu denen später noch die Leistungen aus der Unfallversicherung hinzukamen.
Der erste Richterspruch: BU-Rente bleibt komplett beim Mann
Das Amtsgericht Leer, das als Familiengericht in erster Instanz zuständig war, schied die Ehe am 4. Juli 2023 und führte auch den Versorgungsausgleich durch. Allerdings entschied das Amtsgericht, den Rentenanspruch von Herrn A. aus seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zu teilen. Die Begründung des Gerichts stützte sich im Wesentlichen auf eine spezielle Regelung im Versorgungsausgleichsgesetz, den § 28 VersAusglG. Dieser Paragraph besagt vereinfacht, dass private Invaliditätsversorgungen nur dann geteilt werden, wenn auch der andere Ehegatte zum Ehezeitende bereits eine solche Versorgung bezieht oder die gesundheitlichen Voraussetzungen dafür erfüllt. Das Amtsgericht war damals der Ansicht, dass dies bei Frau B. nicht der Fall sei.
Frau B. gibt nicht auf: Der Fall geht in die nächste Runde
Mit dieser Entscheidung wollte sich Frau B. nicht zufriedengeben. Sie legte Beschwerde beim Oberlandesgericht Oldenburg ein. Ihre Beschwerde richtete sich aber ausschließlich gegen den Punkt, dass die Berufsunfähigkeitsrente von Herrn A. nicht geteilt wurde. Sie wollte erreichen, dass auch dieser Rentenanspruch in den Versorgungsausgleich einbezogen und somit hälftig geteilt wird.
Die Kernfrage für das höhere Gericht: Muss die BU-Rente doch geteilt werden?
Das Oberlandesgericht musste nun also eine entscheidende Frage klären: Ist es fair und rechtens, die private Berufsunfähigkeitsrente von Herrn A. vom Versorgungsausgleich auszunehmen, oder muss sie doch geteilt werden, obwohl Frau B. ihrerseits eine Unfallrente erhält, die möglicherweise anders behandelt wird? Es ging also um die Auslegung der Regeln des Versorgungsausgleichs und darum, ob eine schematische Anwendung zu einem ungerechten Ergebnis führen würde.
Das Urteil des Oberlandesgerichts: Die BU-Rente wird nicht geteilt
Das Oberlandesgericht Oldenburg wies die Beschwerde von Frau B. zurück. Das bedeutet, es blieb bei der Entscheidung des Amtsgerichts: Die private Berufsunfähigkeitsrente von Herrn A. wird nicht geteilt. Frau B. muss zudem die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der anderen Beteiligten, wie zum Beispiel der privaten Versicherung von Herrn A.
Warum entschied das Gericht so? Ein Blick in die juristische Argumentation
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts mag auf den ersten Blick überraschen. Warum sollte eine während der Ehe entstandene Rente nicht geteilt werden? Um das zu verstehen, muss man sich die Begründung des Gerichts genauer ansehen, die auf einem früheren Hinweisbeschluss vom 26. Februar 2025 beruhte.
Teilbar? Ja, eigentlich schon! Der Grundsatz des § 28 VersAusglG
Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Voraussetzungen für einen Ausgleich der Berufsunfähigkeitsrente von Herrn A. nach dem bereits erwähnten § 28 VersAusglG grundsätzlich gegeben wären. Dieser Paragraph regelt, wann ein privater Rentenanspruch wegen Invalidität, also wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen ist.
Herr A. hatte seine private Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Beteiligten zu 1) (seiner privaten Versicherung), und der Versicherungsfall – also seine Berufsunfähigkeit – trat im Februar 2019 ein. Das war eindeutig während der Ehezeit. Seine Rente lief auch noch. Diese Art von Versicherung fällt klar unter die Regelung des § 28 VersAusglG.
Aber was war mit Frau B.? Erfüllte sie ebenfalls die Bedingungen? Ja, sagte das Gericht. Denn zum Ehezeitende am 28. Februar 2022 bezog sie zwar noch nicht faktisch ihre Erwerbsminderungsrente vom GUVH, aber ihr wurde später rückwirkend ab März 2020 eine solche Rente zugesprochen. Damit erfüllte sie die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Versorgung wegen Invalidität. Dabei ist es unwichtig, ob Frau B. genau die gleichen Bedingungen für eine Berufsunfähigkeitsrente erfüllen würde, wie sie in Herrn A.s Vertrag standen. Entscheidend ist, so das Gericht unter Verweis auf frühere Urteile des Bundesgerichtshofs und anderer Oberlandesgerichte, dass sie wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht mehr voll arbeiten konnte und Ansprüche aus einem für sie zuständigen Versorgungssystem – hier dem GUVH – hatte.
Dass der Rentenbescheid für Frau B. erst nach dem Ehezeitende kam, spielte keine Rolle, da er ja bestätigte, dass sie schon vorher, also während der Ehezeit, erwerbsgemindert war und einen Rentenanspruch hatte. Auch dass der Bescheid noch nicht endgültig (bestandskräftig) war, änderte nichts an dieser Einschätzung. Ihr angekündigter Widerspruch bezog sich ja nur auf die Höhe der Rente, nicht auf den Anspruch an sich. Ein kompletter Wegfall der Rente war wegen des sogenannten Verschlechterungsverbots im Widerspruchsverfahren (die Behörde darf die Entscheidung in der Regel nicht zum Nachteil des Bürgers ändern) ausgeschlossen.
Wenn man also nur diese Regelung betrachtet, hätte die Berufsunfähigkeitsrente von Herrn A. im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs geteilt werden müssen. Das bedeutet, Herr A. hätte Frau B. monatlich einen Geldbetrag zahlen müssen. Die gesamte Rente von Herrn A. würde als während der Ehezeit erworben gelten. Frau B. hätte dann ab Rechtskraft der Scheidung (September 2023) bis zum Ende der Laufzeit von Herrn A.s Rente (Februar 2029) Anspruch auf die Hälfte der tatsächlich gezahlten Rente gehabt, also etwa 290 Euro monatlich, da Herr A. keine Sozialversicherungsbeiträge darauf zahlte.
Aber es gibt eine Ausnahme: Die „grobe Unbilligkeit“ nach § 27 VersAusglG
Doch das Gesetz kennt Ausnahmen. Der Versorgungsausgleich soll zwar grundsätzlich zur Hälfte erfolgen (das nennt man den Halbteilungsgrundsatz), aber er darf nicht zu einem Ergebnis führen, das extrem unfair ist. Genau hier kommt eine andere wichtige Vorschrift ins Spiel: der § 27 VersAusglG. Diese Regelung ist eine Art Notbremse oder Härtefallklausel. Sie besagt, dass der Versorgungsausgleich ganz oder teilweise unterbleiben kann, wenn seine Durchführung grob unbillig wäre. Aber was bedeutet „grob unbillig“? Es meint eine Situation, in der eine rein schematische, also starre Anwendung der Teilungsregeln dem eigentlichen Sinn des Gesetzes, nämlich Gerechtigkeit zwischen den Ex-Partnern zu schaffen, in unerträglicher Weise widersprechen würde.
Der entscheidende Unterschied: Nicht jede Rente ist gleich im Versorgungsausgleich
Um zu beurteilen, ob eine grobe Unbilligkeit vorliegt, muss das Gericht eine umfassende Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten vornehmen. Und hier kommt ein entscheidender Punkt: In diese Abwägung müssen auch solche Rentenansprüche einbezogen werden, die eigentlich gar nicht dem normalen Versorgungsausgleich unterfallen. Das betrifft zum Beispiel Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wie sie Frau B. erhielt. Warum ist das so? Solche Renten gelten als nicht durch Arbeit oder gemeinsames Vermögen während der Ehe geschaffen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG) und bleiben deshalb bei der Scheidung normalerweise komplett bei demjenigen, der sie bekommt. Sie werden also nicht geteilt.
Im Fall von Herrn A. und Frau B. waren beide Ehegatten also in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt, und diese Einschränkungen traten jeweils während der Ehezeit ein. Beide bezogen deshalb eine Rente: Herr A. aus seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung und Frau B. aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Der große Unterschied war: Die Rente von Herrn A. würde normalerweise geteilt, die von Frau B. aber nicht.
Das Rechenbeispiel der Ungerechtigkeit: Wenn nur einer teilen muss
Das Gericht rechnete nun vor, was passieren würde, wenn man nur die Rente von Herrn A. teilt: Er bezog monatlich etwa 580 Euro und müsste davon rund 290 Euro an Frau B. abgeben. Frau B. hingegen würde ihre Unfallrente, die ja zwischen 382 Euro und über 1.300 Euro monatlich lag, komplett für sich behalten.
Das Gericht blickte auch auf die Summen, die seit der Scheidung aufgelaufen wären: Herr A. hätte von rund 14.000 Euro an erhaltener Berufsunfähigkeitsrente die Hälfte abgeben müssen. Frau B. hätte im gleichen Zeitraum etwa 23.500 Euro aus ihrer Unfallversicherung erhalten und dürfte diese komplett behalten. Dies, so das Gericht, würde zu einem unbilligen Ungleichgewicht in der Versorgung der beiden geschiedenen Eheleute führen. Ein solches Ungleichgewicht rechtfertigt es, vom Grundsatz der Halbteilung abzuweichen.
Auch die Einkommen spielen eine Rolle: Frau B. ist nicht mittellos
Zusätzlich berücksichtigte das Gericht die allgemeinen Einkommensverhältnisse. Zum Ehezeitende hatte Herr A. zwar mit ca. 2.000 Euro netto mehr Einkommen als Frau B. (ca. 1.500 Euro aus Midi-Job und Unterhalt). Aber zu Frau B.s Einkommen kamen ja noch die später festgesetzten Leistungen aus der Unfallversicherung hinzu. Im Ergebnis hätte Frau B. auch ohne die Teilung der Berufsunfähigkeitsrente von Herrn A. vergleichbare und teilweise sogar höhere monatliche Einkünfte. Sie war also wirtschaftlich nicht zwingend auf die Teilung dieses speziellen Rentenanspruchs angewiesen. Dass sie selbst eine eigene Unfallrente in nicht unerheblicher Höhe bezog, zeigte dem Gericht, dass sie nicht dringend auf das Geld aus Herrn A.s Versicherung angewiesen war. Zudem war nicht ausgeschlossen, dass ihre Unfallrente durch ihren Widerspruch sogar noch steigen könnte.
In der Gesamtschau all dieser Umstände kam das Oberlandesgericht Oldenburg zu dem Schluss, dass der Ausgleich der privaten Berufsunfähigkeitsrente von Herrn A. grob unbillig wäre. Deshalb wurde ihre Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung und die Festsetzung des Wertes für das Beschwerdeverfahren (Beschwerdewert) erfolgten nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften (§§ 84, 150 Abs. 3 FamFG und §§ 40, 50 Abs. 1 FamGKG).
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Gericht entschied, dass eine private Berufsunfähigkeitsrente bei der Scheidung nicht geteilt werden muss, wenn der andere Partner selbst eine nicht-teilbare Rente erhält. Obwohl normalerweise alle während der Ehe erworbenen Rentenansprüche hälftig zwischen den Ex-Partnern aufgeteilt werden, kann dies unfair sein, wenn nur einer seine Rente abgeben muss, während der andere seine komplett behält. Das Urteil zeigt, dass Gerichte flexible Lösungen finden können, um extreme Ungerechtigkeiten zu vermeiden – besonders wenn beide Partner ähnlich hohe Renten aus verschiedenen Quellen beziehen und wirtschaftlich vergleichbar dastehen. Für Betroffene bedeutet dies: Eine starre Teilung aller Renten ist nicht immer zwingend, wenn dadurch ein krasses Ungleichgewicht entstehen würde.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist eine Private Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) und wird sie bei einer Scheidung immer im Versorgungsausgleich berücksichtigt?
Was ist eine private Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente)?
Eine private Berufsunfähigkeitsrente, kurz BU-Rente, ist eine private Versicherung, die Sie abschließen können, um sich finanziell abzusichern. Stellen Sie sich vor, Sie können Ihren Beruf aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr wie zuvor ausüben. Genau dann springt die BU-Rente ein: Sie zahlt Ihnen eine monatliche Rente, wenn Sie berufsunfähig werden. Ziel dieser Versicherung ist es, Ihren Lebensunterhalt zu sichern und Ihren Einkommensverlust auszugleichen. Es handelt sich dabei um eine Risikoversicherung, die nur leistet, wenn der Versicherungsfall (also die Berufsunfähigkeit) eintritt. Sie unterscheidet sich damit von Rentenversicherungen, die primär für das Alter ansparen.
Berücksichtigung der BU-Rente im Versorgungsausgleich bei Scheidung
Der Versorgungsausgleich ist ein wichtiger Teil einer Scheidung in Deutschland. Er sorgt dafür, dass alle Rentenansprüche und Anwartschaften auf Altersversorgung, die während der Ehezeit von den Ehepartnern erworben wurden, gleichmäßig geteilt werden. Das bedeutet, wenn Sie oder Ihr Partner während der Ehe Rentenpunkte gesammelt oder Anrechte auf eine Betriebsrente erworben haben, werden diese im Scheidungsfall hälftig zwischen Ihnen aufgeteilt. Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, dass beide Ehepartner nach der Scheidung finanziell für das Alter abgesichert sind und derjenige, der beispielsweise wegen Kindererziehung weniger gearbeitet hat, nicht benachteiligt wird.
Eine reine private Berufsunfähigkeitsrente wird grundsätzlich nicht im Versorgungsausgleich berücksichtigt. Für Sie ist wichtig zu wissen, dass der Versorgungsausgleich speziell für solche Ansprüche geschaffen wurde, die der Altersvorsorge oder der Hinterbliebenenversorgung dienen. Eine private BU-Rente ist aber, wie oben erklärt, eine Risikoversicherung. Sie dient dazu, ein aktuell bestehendes Risiko (die Berufsunfähigkeit) abzusichern und nicht dazu, Kapital für das Alter aufzubauen.
Das bedeutet:
- Die BU-Rente soll einen möglichen Einkommensverlust während des Erwerbslebens abfangen, nicht aber eine Rente im Alter ersetzen oder ergänzen.
- Ihr Leistungsanspruch entsteht nur, wenn Sie tatsächlich berufsunfähig werden – das ist anders als bei einer Rentenversicherung, die im Alter unabhängig vom Gesundheitszustand zahlt.
Wichtige Ausnahme: Es gibt allerdings sogenannte Mischprodukte oder Hybridversicherungen. Dies sind Verträge, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit einer Komponente zur Altersvorsorge (z.B. einer privaten Rentenversicherung) verbinden. In solchen Fällen wird der Anteil, der tatsächlich der Altersvorsorge dient und während der Ehe angespart wurde, im Versorgungsausgleich berücksichtigt. Der reine Risikoanteil für die Berufsunfähigkeit bleibt jedoch weiterhin außen vor. Es kommt also entscheidend darauf an, wie der Versicherungsvertrag genau gestaltet ist und ob er neben der Absicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos auch einen Sparanteil für die Altersvorsorge enthält.
Welche verschiedenen Arten von Invaliditäts- oder Erwerbsminderungsrenten gibt es, und werden sie im Versorgungsausgleich unterschiedlich behandelt?
Im Kontext des Versorgungsausgleichs ist es entscheidend zu verstehen, dass nicht jede Rente oder jeder Rentenanspruch gleich behandelt wird, auch wenn sie ähnliche Namen tragen oder auf den ersten Blick gleich wirken. Der zentrale Unterschied liegt darin, ob ein Anspruch vorrangig der Altersvorsorge dient oder der Absicherung eines Risikos. Nur Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen und in der Ehezeit erworben wurden, werden grundsätzlich im Versorgungsausgleich berücksichtigt.
Arten von Renten und ihre Behandlung im Versorgungsausgleich
Man unterscheidet hauptsächlich zwischen Rentenansprüchen aus der gesetzlichen Sozialversicherung und privaten Versicherungen.
- Gesetzliche Erwerbsminderungsrente (aus der Deutschen Rentenversicherung): Diese Rente erhalten Sie, wenn Sie aufgrund von Krankheit oder Behinderung dauerhaft nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können. Sie basiert auf den Beiträgen, die Sie während Ihres Arbeitslebens in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Da diese Rente als Ersatz für die Altersrente dient und die Lücke bis zum regulären Renteneintritt schließen soll, wird sie im Versorgungsausgleich grundsätzlich ausgeglichen. Die Beiträge, die in der Ehezeit dafür erworben wurden, werden wie normale Rentenanwartschaften behandelt und geteilt.
- Gesetzliche Unfallrente (aus der Gesetzlichen Unfallversicherung, z.B. Berufsgenossenschaft): Diese Rente wird gezahlt, wenn Sie infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit gesundheitlich beeinträchtigt sind. Ihr Hauptzweck ist der Ausgleich eines erlittenen Schadens und des daraus resultierenden Einkommensverlusts. Sie ist keine klassische Altersvorsorge. Daher wird eine gesetzliche Unfallrente im Versorgungsausgleich in der Regel nicht direkt ausgeglichen. Sie gilt als reine Risikoabsicherung und Entschädigungsleistung.
- Private Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente): Eine private Berufsunfähigkeitsrente ist eine Leistung aus einem privaten Versicherungsvertrag. Sie wird gezahlt, wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen Ihren zuletzt ausgeübten Beruf zu einem bestimmten Grad nicht mehr ausüben können. Auch hier steht die Absicherung eines Risikos (Berufsunfähigkeit) im Vordergrund, nicht die Altersvorsorge. Deshalb wird eine private Berufsunfähigkeitsrente im Versorgungsausgleich nicht direkt ausgeglichen. Sie zählt nicht zu den sogenannten Anrechten auf Altersversorgung im Sinne des Versorgungsausgleichsgesetzes.
Relevanz nicht ausgleichbarer Renten bei der „groben Unbilligkeit“
Obwohl bestimmte Renten wie die private Berufsunfähigkeitsrente oder die gesetzliche Unfallrente nicht direkt im Versorgungsausgleich geteilt werden, spielen sie dennoch eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Prüfung der sogenannten „groben Unbilligkeit“.
Der Versorgungsausgleich soll grundsätzlich fair sein. Wenn die strikte Anwendung der gesetzlichen Regeln zu einem grob unbilligen Ergebnis führen würde, kann das Familiengericht von den Standardregeln abweichen. Eine Situation ist grob unbillig, wenn das Ergebnis angesichts aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar wäre.
Hier kommen die nicht ausgleichbaren Renten ins Spiel: Auch wenn sie nicht geteilt werden, beeinflussen sie die wirtschaftliche Gesamtsituation der Ehepartner erheblich. Stellen Sie sich vor, ein Partner erhält eine hohe private Berufsunfähigkeitsrente, die ihn finanziell absichert, während der andere Partner nach dem Versorgungsausgleich nur noch geringe Altersversorgungsansprüche hätte. In solchen Fällen kann das Gericht prüfen, ob die Aufteilung der anderen Rentenansprüche, die dem Versorgungsausgleich unterliegen, angepasst werden muss, um ein insgesamt faires Ergebnis zu erzielen. Es geht also nicht darum, die nicht ausgleichbaren Renten zu teilen, sondern darum, zu beurteilen, ob der Ausgleich der anderen Renten in Anbetracht der vorhandenen, nicht ausgleichbaren Einkünfte immer noch fair ist.
Kurz gesagt: Bestimmte Rentenarten werden nicht geteilt, weil sie keine Altersvorsorge sind. Ihre Existenz kann aber trotzdem die Gesamtbetrachtung beeinflussen, ob die Teilung der anderen Renten im Einzelfall fair ist.
Wann kann der Versorgungsausgleich einer privaten Berufsunfähigkeitsrente als grob unbillig angesehen werden und deshalb unterbleiben?
Der Versorgungsausgleich zielt darauf ab, Rentenanwartschaften, die beide Ehepartner während der Ehezeit erworben haben, gerecht zu teilen. Dies gilt grundsätzlich auch für private Berufsunfähigkeitsrenten. Es gibt jedoch eine zentrale Ausnahmeregelung im Gesetz (§ 27 Versorgungsausgleichsgesetz – VersAusglG), die als „Härtefallklausel“ bekannt ist. Sie ermöglicht es, den Versorgungsausgleich auszusetzen, wenn er im Einzelfall grob unbillig wäre.
Was bedeutet „grob unbillig“?
„Grob unbillig“ ist ein sehr strenger Maßstab. Es bedeutet nicht nur, dass eine Teilung als ungerecht empfunden wird, sondern dass sie ganz offensichtlich und extrem unfair wäre. Es muss ein deutliches Ungleichgewicht entstehen, das den Grundgedanken des Versorgungsausgleichs – die gerechte Teilhabe an den erworbenen Rentenanwartschaften – grundlegend widerspricht. Der Gesetzgeber wollte damit krasse Fehlentwicklungen verhindern, die zu einer völlig inakzeptablen Situation für einen der Ehepartner führen würden.
Kriterien für eine grobe Unbilligkeit
Gerichte nehmen bei der Prüfung, ob eine grobe Unbilligkeit vorliegt, stets eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls vor. Es gibt keine starren Regeln oder eine einfache Checkliste, die ein klares „Ja“ oder „Nein“ liefert. Vielmehr werden alle relevanten Aspekte des Ehepaares betrachtet. Dabei spielen insbesondere folgende Faktoren eine Rolle:
- Die wirtschaftliche Situation beider Ehegatten: Es wird geprüft, wie sich die Aufteilung auf das Einkommen und die Altersvorsorge beider Partner auswirken würde. Würde die Teilung zum Beispiel einen Partner in existenzielle Not bringen, während der andere Partner weiterhin über sehr gute Einkünfte oder andere Rentenansprüche verfügt?
- Andere Rentenansprüche und Vermögenswerte: Es ist wichtig, ob und in welcher Höhe beide Ehegatten weitere Rentenansprüche (z.B. aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Betriebsrenten oder anderen privaten Vorsorgen) oder sonstiges Vermögen haben. Wenn ein Partner ohnehin schon sehr gut versorgt ist und die Teilung der BU-Rente den anderen Partner massiv benachteiligen würde, kann dies ein Indiz sein.
- Der Entstehungsgrund der Berufsunfähigkeit: Eine private Berufsunfähigkeitsrente soll den Lebensunterhalt absichern, wenn der Empfänger aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr arbeiten kann. Wenn diese Rente die alleinige oder wesentliche Einkommensquelle des erkrankten Partners ist und die Teilung seine Existenzgrundlage massiv gefährden würde, kann dies ebenfalls für eine grobe Unbilligkeit sprechen.
- Fehlverhalten oder besondere Umstände: Extrem selten kann auch ein schwerwiegendes Fehlverhalten eines Ehegatten, das die Rentenanwartschaft des anderen extrem beeinträchtigt hat, eine Rolle spielen. Dies ist jedoch die absolute Ausnahme.
- Kurze Ehezeit: Eine sehr kurze Ehezeit, in der kaum Anwartschaften erworben wurden, kann in seltenen Fällen ebenfalls in die Abwägung einfließen, wenn der Ausgleich zu einer erheblichen Ungerechtigkeit führen würde.
Für Sie als Laie ist wichtig zu verstehen, dass die Hürde für eine grobe Unbilligkeit sehr hoch ist. Sie wird von den Gerichten nur in absoluten Ausnahmefällen angenommen, um eine wirklich unerträgliche Situation zu vermeiden. Eine bloße Unzufriedenheit mit dem Ergebnis des Versorgungsausgleichs reicht dafür nicht aus. Es muss eine umfassende Betrachtung zeigen, dass die eigentlich faire Teilung in diesem speziellen Fall zu einem objektiv unzumutbaren Ergebnis führen würde.
Welche Rolle spielen das Einkommen und andere Versorgungsansprüche beider Ehegatten bei der Entscheidung über den Versorgungsausgleich einer BU-Rente?
Bei der Scheidung werden Rentenansprüche, die während der Ehezeit erworben wurden, zwischen den Ehegatten aufgeteilt. Dies nennt man Versorgungsausgleich. Auch eine während der Ehe aufgebaute Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) kann grundsätzlich in diesen Ausgleich einbezogen werden. Gerichte haben jedoch die Möglichkeit, von einer strikten hälftigen Teilung abzuweichen, wenn diese zu einem „groben unbilligen“ Ergebnis führen würde.
Die Bedeutung der „groben Unbilligkeit“
Der Begriff der „groben Unbilligkeit“ ist eine wichtige Ausnahme im Versorgungsausgleich. Er bedeutet, dass das Gericht die Teilung von Rentenansprüchen anpassen oder sogar ganz ablehnen kann, wenn die starre Anwendung der Regeln zu einem für einen Ehegatten unerträglich ungerechten Ergebnis führen würde. Dies ist der Punkt, an dem das Einkommen und andere Versorgungsansprüche beider Ehegatten eine entscheidende Rolle spielen.
Gesamtschau der wirtschaftlichen Verhältnisse
Ein Gericht betrachtet bei der Entscheidung über die „grobe Unbilligkeit“ nicht nur den einen Rentenanspruch, der geteilt werden soll – beispielsweise die BU-Rente. Vielmehr nimmt es eine umfassende Prüfung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehegatten vor. Hierbei werden alle Einkünfte und Vermögenswerte sowie alle bestehenden und zukünftigen Versorgungsansprüche berücksichtigt.
Dazu gehören:
- Aktuelles Einkommen: Das Einkommen aus Arbeit, selbstständiger Tätigkeit oder anderen Quellen, das jeder Ehegatte zum Zeitpunkt der Entscheidung oder in absehbarer Zukunft hat.
- Andere Versorgungsansprüche: Dazu zählen Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, betriebliche Altersversorgungen, private Rentenversicherungen (z.B. Riester-Rente), Beamtenversorgungen oder auch Renten aus anderen Ländern. Es werden also auch solche Ansprüche einbezogen, die nicht direkt dem Versorgungsausgleich unterliegen, weil sie beispielsweise bereits vor der Ehe bestanden oder nach der Trennung aufgebaut wurden.
- Vermögen und weitere wirtschaftliche Vorteile: Auch größeres Vermögen oder andere dauerhafte Einnahmequellen, die nicht direkt Rentencharakter haben, können in die Abwägung einfließen.
Das Gericht prüft, ob die strikte Teilung der BU-Rente dazu führen würde, dass ein Ehegatte finanziell extrem benachteiligt wäre, während der andere Ehegatte – möglicherweise aufgrund anderer hoher Einkünfte oder Versorgungsansprüche – sehr gut gestellt wäre. Ziel dieser Gesamtabwägung ist es, ein gerechtes und ausgewogenes Ergebnis für beide Seiten zu erzielen und einseitige, unzumutbare Belastungen zu vermeiden. Es geht darum, dass niemand durch den Versorgungsausgleich in eine Notlage gerät, während der andere Ehegatte komfortabel versorgt ist.
Welche Bedeutung hat der Stichtag des Ehezeitendes für die Feststellung von Rentenansprüchen im Versorgungsausgleich?
Der Stichtag des Ehezeitendes ist ein entscheidender Zeitpunkt im Rahmen des Versorgungsausgleichs bei einer Scheidung. Er legt fest, welche Rentenanwartschaften und Versorgungsrechte zwischen den geschiedenen Ehepartnern ausgeglichen werden. Vereinfacht gesagt, ist dieser Tag die Grenze, bis zu der alle in der Ehe erworbenen Rentenansprüche für den Versorgungsausgleich relevant sind.
Was ist das Ehezeitende?
Die Ehezeit ist der Zeitraum, der für den Versorgungsausgleich berücksichtigt wird. Sie beginnt mit dem Monat der Eheschließung und endet am letzten Tag des Monats, der dem Monat vorausgeht, in dem der Scheidungsantrag dem anderen Ehepartner zugestellt wurde.
- Beispiel: Haben Sie im Januar 2000 geheiratet und der Scheidungsantrag wurde Ihrem Partner im März 2024 zugestellt, dann endet die Ehezeit am 29. Februar 2024. Alle bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Rentenanwartschaften werden für den Versorgungsausgleich betrachtet.
Warum ist dieser Stichtag so wichtig?
Der Stichtag des Ehezeitendes ist aus mehreren Gründen von fundamentaler Bedeutung:
- Abgrenzung: Er trennt klar, welche Rentenansprüche gemeinsam in der Ehe erarbeitet wurden und welche danach von den Partnern alleine aufgebaut wurden. Nur die während der Ehezeit erworbenen Anrechte fallen in den Versorgungsausgleich.
- Gerechtigkeit: Er sorgt für eine gerechte Verteilung der während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte. Ohne diesen klaren Stichtag wäre die Berechnung extrem kompliziert und willkürlich.
- Berechnungsgrundlage: Für die Gerichte und Versorgungsträger ist dieser Stichtag die feste Basis, um die genauen Werte der Rentenanwartschaften zu ermitteln, die ausgeglichen werden müssen.
Umgang mit rückwirkend gewährten Rentenansprüchen
Es kommt vor, dass Rentenbescheide erst nach dem Stichtag des Ehezeitendes ergehen, aber Ansprüche betreffen, die bereits innerhalb der Ehezeit entstanden sind. Dies ist beispielsweise bei rückwirkenden Rentengewährungen der Fall, wenn die Berechtigung für die Rente schon während der Ehezeit gegeben war, der Bescheid aber erst später zugestellt wurde.
Hier gilt der Grundsatz, dass es auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Rentenanspruchs ankommt, nicht auf den Zeitpunkt der Bescheiderteilung oder der tatsächlichen Rentenzahlung.
- Prinzip: Wenn der Anspruch auf eine Rente oder Versorgung dem Grunde nach bereits während der Ehezeit erworben wurde, auch wenn er erst später festgestellt oder ausgezahlt wird, dann ist dieser Anspruch Teil des Versorgungsausgleichs.
- Warum das so ist: Der Versorgungsausgleich soll alle in der Ehe erworbenen Rentenansprüche fair teilen. Würde man nur auf den Bescheiderhalt abstellen, könnten Ansprüche, die durch die gemeinsame Lebensleistung erworben wurden, einfach deshalb dem Ausgleich entzogen werden, weil die Bearbeitung des Antrags länger gedauert hat. Das wäre ungerecht.
- Praktische Relevanz: Wenn also eine Rente rückwirkend für einen Zeitraum gewährt wird, der in die Ehezeit fällt, muss dieser Anteil an der Rente im Versorgungsausgleich berücksichtigt werden. Das Gericht kann dann, falls erforderlich, den bereits ergangenen Versorgungsausgleich nachträglich anpassen, um diese neuen Informationen zu berücksichtigen.
Für Sie bedeutet das, dass nicht nur die Rentenansprüche relevant sind, die Sie zum Stichtag bereits auf dem Papier hatten, sondern auch solche, die Sie zwar erst später mitgeteilt bekommen, deren Entstehung aber in die Ehezeit fällt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Ehezeitende
Das Ehezeitende bezeichnet den letzten Tag des Monats, der dem Monat vorausgeht, in dem der Scheidungsantrag dem anderen Ehepartner zugestellt wurde (§ 3 Abs. 2 VersAusglG). Es ist der Stichtag, bis zu dem alle während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften für den Versorgungsausgleich berücksichtigt werden. Damit trennt das Ehezeitende die gemeinsam während der Ehe erworbenen Versorgungsansprüche von solchen, die danach entstehen. Beispiel: Wird der Scheidungsantrag im März zugestellt, endet die Ehezeit am 28. Februar, und nur bis dahin erworbene Ansprüche werden geteilt.
Versorgungsausgleich
Der Versorgungsausgleich ist das gesetzliche Verfahren bei Scheidung, in dem die während der Ehezeit erworbenen Renten- und Versorgungsansprüche der Ehepartner hälftig aufgeteilt werden (§§ 1 ff. Versorgungsausgleichsgesetz – VersAusglG). Ziel ist, beiden Ex-Partnern eine faire und gerechte Altersvorsorge zu ermöglichen, insbesondere auch dem vermeintlich weniger verdienenden Ehegatten. Dabei werden hauptsächlich Rentenansprüche aus Altersvorsorgemaßnahmen ausgeglichen, nicht jedoch reine Risiko- oder Entschädigungsleistungen. Beispiel: Rentenpunkte der gesetzlichen Rentenversicherung, die während der Ehe erworben wurden, werden nach der Scheidung zwischen beiden Partnern geteilt.
Private Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente)
Eine private Berufsunfähigkeitsrente ist eine private Versicherung, die monatliche Zahlungen leistet, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Sie dient der Absicherung eines aktuellen Erwerbsverlusts, nicht der Altersvorsorge. Deshalb wird eine reine BU-Rente grundsätzlich nicht direkt im Versorgungsausgleich berücksichtigt (§ 28 VersAusglG). Nur wenn der Vertrag eine Kombination mit einer Altersvorsorgekomponente (Misch- oder Hybridvertrag) enthält, kann der Vorsorgeanteil teilbar sein. Beispiel: Wenn jemand wegen Krankheit nicht mehr arbeiten kann, zahlt die BU-Rente Einkommen, ersetzt aber keine klassische Rente für das Alter.
Grobe Unbilligkeit (§ 27 VersAusglG)
Die grobe Unbilligkeit ist eine gesetzliche Ausnahme vom Grundsatz der hälftigen Teilung im Versorgungsausgleich (§ 27 VersAusglG). Sie ermöglicht, den Ausgleich ganz oder teilweise auszusetzen, wenn seine Durchführung zu einem offensichtlich und extrem ungleichen und unfairen Ergebnis führen würde. Dabei überprüft das Gericht alle wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Umstände des Einzelfalls, etwa Einkommensverhältnisse und andere Rentenansprüche, um unzumutbare Härten zu vermeiden. Beispiel: Wenn ein Partner durch die Teilung seiner BU-Rente finanziell ruiniert würde, während der andere Partner hohe gesetzliche Unfallrenten behält, kann grobe Unbilligkeit vorliegen.
Bestandskraft
Bestandskraft bedeutet, dass ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung endgültig und unanfechtbar geworden ist – es kann keine ordentlichen Rechtsmittel (wie Widerspruch oder Klage) mehr gegen sie eingelegt werden. Für Rentenbescheide bedeutet das, dass der Anspruch rechtlich feststeht und nicht mehr geändert werden kann. Im Versorgungsausgleich ist die Bestandskraft wichtig, weil Unsicherheiten über Ansprüche die Berechnung erschweren können. Beispiel: Ein Rentenbescheid, gegen den der Rentenempfänger Widerspruch einlegt, ist noch nicht bestandskräftig, weil die Entscheidung noch überprüft wird.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 28 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG): Regelt die Teilung privatversicherter Invaliditätsversorgungen im Versorgungsausgleich, wenn beide Ehegatten zum Ehezeitende entsprechende Ansprüche innehaben. Dabei ist entscheidend, ob beide Partner gesundheitlich beeinträchtigt sind und Rentenansprüche aus vergleichbaren Systemen bestehen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht prüfte, ob die private Berufsunfähigkeitsrente von Herrn A. geteilt werden muss, da Frau B. eine vergleichbare Invaliditätsrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhielt.
- § 27 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG): Enthält die Härtefallklausel, die eine Abweichung vom Halbteilunggrundsatz des Versorgungsausgleichs bei grober Unbilligkeit erlaubt. Sie stellt sicher, dass eine Teilung nicht zu extrem ungerechten Ergebnissen führt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht entschied, dass die Teilung der BU-Rente von Herrn A. grob unbillig wäre, weil Frau B. ihre Unfallrente komplett behält und damit ein ungleiches Ergebnis entstünde.
- § 2 Abs. 2 Nr. 1 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG): Bestimmt, dass bestimmte Renten, wie Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die nicht auf gemeinsamer Ehearbeit oder Vermögen beruhen, vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Frau B.s Unfallrente fällt unter diese Ausnahme und wird somit nicht geteilt, was das wirtschaftliche Ungleichgewicht gegenüber Herrn A. verstärkt.
- Verschlechterungsverbot im Widerspruchsverfahren (Verwaltungsrecht): Verbietet eine nachteilige Änderung einer bereits ergangenen Verwaltungsentscheidung während eines laufenden Widerspruchsverfahrens, sofern der Anspruch an sich besteht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Rentenbescheid der Unfallversicherung für Frau B. war zwar noch nicht bestandskräftig, aber der Anspruch auf die Rente stand fest und war im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen.
- §§ 84, 150 Abs. 3 FamFG sowie §§ 40, 50 Abs. 1 FamGKG: Regelung der Kostenentscheidung und Beschwerdewerte in familiengerichtlichen Verfahren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kosten für das Beschwerdeverfahren wurden rechtskonform der unterliegenden Partei Frau B. auferlegt, außer der außergerichtlichen Kosten der privaten Versicherung von Herrn A.
- Grundsatz des Halbteilung im Versorgungsausgleich (allgemeines Familienrecht): Der während der Ehe erworbene Rentenanspruch ist grundsätzlich hälftig zwischen den Ehegatten aufzuteilen, um eine gerechte Versorgung nach der Scheidung sicherzustellen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Trotz des Grundsatzes kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände eine Teilung der privaten Berufsunfähigkeitsrente nicht gerecht und daher unbillig wäre.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Oldenburg – Az.: 3 UF 108/23 – Beschluss vom 24.03.2025
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.