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Beratungspflichten Versicherungsvermittlers bei Versicherungswechsel

AG Frankfurt – Az.: 32 C 525/18 (90) – Urteil vom 19.07.2018

Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger

a) einen Betrag i.H.v. 718,30 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2017 zu zahlen,

b) ab August 2017 jeweils zum Monatsersten bis zum Tode des Klägers – längstens jedoch bis 1. August 2045 – einen Betrag in Höhe von 17,82 € zu zahlen.

Die Beklagte zu 3) wird zusätzlich verurteilt, an den Kläger weitere Zinsen aus 718,30 € i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2017 bis 17.08.2017 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) verpflichtet sind, dem Kläger jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Ausschluss von Minderbelastbarkeiten, Bewegungsstörungen und Schmerzsyndromen der Wirbelsäule einschließlich zugehöriger Bänder, Bandscheiben, Muskeln und Nerven (z.B. Lähmungen, Gefühlsstörungen) aus der Berufs- und Dienstunfähigkeit bei der XXX (VS-Nr. …550) entsteht.

Die Beklagten zu 2) und 3) werden weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten i.H.v. 492,54 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2017 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 42 %, die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner 58 %.

Die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner tragen 58 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) in voller Höhe und 13 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3).

Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten zu 2) und 3) können die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche mit der Begründung geltend, er sei im Zuge des Abschlusses von Versicherungsverträgen, unter anderem einer Berufsunfähigkeitsversicherung, falsch beraten worden.

Der Kläger, geboren am 8.7.1990, ist als Brandmeister bei der Berufsfeuerwehr tätig. Er hatte gemäß Versicherungsschein vom 8.7.2014 (Anl. K1 zur Klageschrift, Bl. 8 ff. der Akte) zunächst eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der XXX Versicherung abgeschlossen. Auf Seite 3 des Versicherungsscheins der XXX wird unter der Überschrift „sonstige Vertragsinhalte“ unter anderem auf eine „zusätzliche Vereinbarung Dienstunfähigkeitsklausel“ mit der Z. 253625 Bezug genommen. Eine schriftliche Klausel mit dieser Nummer und Bezeichnung hat der Kläger als Anl. K7 zum Schriftsatz vom 25. April 2018, Bl. 245 der Akte, überreicht. Im Versicherungsantrag, der dieser Versicherung bei der XXX zugrunde lag (Anl. K4 zum Schriftsatz vom 3. November 2017, Bl. 188 ff. der Akte), ist auf Seite 2 unter „Sonstige Vereinbarungen“ festgehalten: „Dienstunfähigkeitsklausel gilt als vereinbart“. Einen Ausschluss von Leistungen, die auf bestimmte körperliche Gebrechen zurückgehen, enthielt die Berufsunfähigkeitsversicherung bei der XXX nicht.

Im Jahr 2016 kam der Kläger mit dem Beklagten zu 1) in Kontakt, der für die Beklagte zu 2) tätig war und bei dem es sich um einen entfernten Verwandten (den Cousin eines Cousins) des Klägers handelt. Der Beklagte zu 1) beriet den Kläger sowohl im Hinblick auf eine Immobilienfinanzierung als auch im Hinblick auf dessen Versicherungsschutz. Im März 2016 fanden zwischen Kläger und Beklagtem zu 1) insgesamt 3 Treffen statt. Der Beklagte zu 1) erhielt vom Kläger dessen Unterlagen bezüglich bereits vorhandener Versicherungen, nahm diese mit, um sie zu analysieren, und bereitete diejenigen Versicherungsverträge vor, deren Abschluss er dem Kläger vorschlug. Ferner formulierte der Beklagte zu 1) auch ein an die XXX Versicherung gerichtetes Kündigungsschreiben vor. Über die Beratung des Klägers fertigte der Beklagte zu 1) ein Beratungsprotokoll vom 11.3.2016 an; für dessen Inhalt wird Bezug genommen auf die Anl. 3 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters zu 1) und 2) vom 19. September 2017 (Bl. 84 d.A.).

Der Kläger kündigte seine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der XXX und schloss bei der Beklagten zu 3) neue Versicherungsverträge ab. Diese umfassten nicht nur die Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern daneben auch einen Vermögensaufbauplan; insofern wird auf die Police der Beklagten zu 3) (Anl. 1 zum Schriftsatz vom 19. September 2017, Bl. 61 ff. der Akte) Bezug genommen. Die Dienstunfähigkeit war bei der Beklagten zu 3) nicht versichert.

Zum 30.9.2016 kündigte der Kläger die Versicherung bei der Beklagten zu 3) und schloss bei der XXX eine neue Berufsunfähigkeitsversicherung ab, die eine Dienstunfähigkeitsversicherung einschließt. Im Vertrag mit der XXX sind Ansprüche wegen Minderbelastbarkeiten sowie aller Bewegungsstörungen und Schmerzsyndrome der Wirbelsäule einschließlich zugehöriger Bänder, Bandscheiben, Muskeln und Nerven (z.B. Lähmungen, Gefühlsstörungen) ausgeschlossen; insofern wird auf Bl. 4 des Versicherungsscheins der XXX vom 1.8.2016 (Anl. K2, Bl. 15 der Akte) Bezug genommen.

Der Kläger behauptet, für ihn sei der Einschluss der Dienstunfähigkeit in den Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag von entscheidender Bedeutung gewesen; dies habe er gegenüber dem Beklagten zu 1) auch zum Ausdruck gebracht. Dieser habe ihm zugesichert, dass der Vertrag bei der Beklagten zu 3) denselben Leistungsumfang habe wie der ursprünglich bestehende bei der XXX Versicherung. Der Kläger behauptet weiter, er habe im September 2014 erstmals Rückenbeschwerden gehabt, die sich bis 2015 oder 2016 weiter hingezogen hätten. Auf Anraten seines neuen Versicherungsmaklers habe er diese Rückenbeschwerden bei Abschluss des Vertrages mit der XXX angegeben, was zu dem (unstreitigen) teilweisen Leistungsausschluss bei der XXX geführt habe. Der Kläger macht für die Vergangenheit und Zukunft den Ersatz der Differenz zwischen den Beiträgen für seine neue Berufsunfähigkeitsversicherung bei der XXX und denjenigen für die ursprüngliche Versicherung bei der XXX geltend; dazu behauptet er, dass er eine günstigere Berufsunfähigkeitsversicherung unter Einschluss der Dienstunfähigkeit als bei der XXX nicht habe bekommen können. Daneben verlangt der Kläger Rückzahlung der an die Beklagte zu 3) geleisteten Beiträge und die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für diejenigen Schäden, die ihm aus dem Ausschluss der Rückenleiden aus der neuen Berufsunfähigkeitsversicherung bei der XXX entstehen können.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn

a) einen Betrag i.H.v. 718,30 € nebst 8 % Zinsen über Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2017

b) ab August 2017 jeweils zum Monatsersten bis zum Tode – längstens jedoch bis 1.8.2045 – einen Betrag i.H.v. 31,83 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Ausschluss von Minderbelastbarkeiten, Bewegungsstörungen und Schmerzsyndromen der Wirbelsäule einschließlich zugehöriger Bänder, Bandscheiben, Muskeln und Nerven (z.B. Lähmungen, Gefühlsstörungen) aus der Berufs- und Dienstunfähigkeit bei der XXX (VS-Nr. …550) entsteht,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Kosten i.H.v. 1100,51 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 4. Januar 2017 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) die Frage der Dienstunfähigkeitsversicherung erörtert worden sei. Dies sei aus Sicht des Beklagten zu 1) nicht erforderlich gewesen, da auch die ursprüngliche Berufsunfähigkeitsversicherung bei der XXX den Einschluss einer Dienstunfähigkeit nicht vorgesehen habe. Die Beklagten bestreiten ferner die Höhe der Beitragsdifferenz und verweisen dazu auf den (unstreitigen) Umstand, dass sowohl die ursprüngliche XXX Versicherung als auch die XXX monatlich nicht den vereinbarten Tarifbetrag verlangt haben bzw. verlangen, sondern davon – ohne Garantie für die Zukunft – eine Überschussbeteiligung in Abzug bringen.

Für den weiteren Vortrag der Parteien wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 25.4. und am 20.6.2018.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig; insbesondere ist das Amtsgericht Frankfurt am Main aufgrund der gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindenden Entscheidung des Landgerichts vom 13.2.2018 sachlich und aufgrund der Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 12.12.2017 auch örtlich zuständig.

Die Klage ist teilweise begründet.

Gegen die Beklagte zu 2) steht dem Kläger dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 63, 61 VVG zu. Die Beklagte zu 2), vertreten durch den Beklagten zu 1), war als Versicherungsvermittler gemäß § 59 VVG für den Kläger tätig. Gem. § 61 VVG hatte sie den Kläger nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben, da sowohl wegen der Schwierigkeit, den Umfang und die Konditionen einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu beurteilen, als auch wegen deren erheblicher Bedeutung für die Existenzsicherung des Klägers im Fall der Berufsunfähigkeit ein Anlass für eine derartige Beratung bestand.

Die Beratungspflichten eines Versicherungsvermittlers, der einem Versicherungsnehmer nicht nur den Neuabschluss einer Personenversicherung, sondern zugleich die Kündigung eines bereits vorher bestehenden Versicherungsvertrages empfiehlt, dem Versicherungsnehmer also einen Versicherungswechsel nahelegt, sind weitgehend. In einem solchen Fall muss ein Versicherungsmakler über sämtliche Folgen des Wechsels aufklären. Er muss seinem Kunden einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung verschaffen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. September 2011, Az. 12 U 56/11; OLG Köln, Urteil vom 10. Mai 2005, Az. 9 U 123/04). Für einen Versicherungsvertreter, der gemäß § 59 VVG ebenso ein Versicherungsvermittler ist wie der Versicherungsmakler und den daher dieselben Beratungspflichten nach § 61 VVG treffen wie den Versicherungsmakler, kann nichts anderes gelten.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Beklagte zu 1) als Vertreter der Beklagten zu 2), dessen Verhalten diese sich gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss, dem Kläger nicht nur den Neuabschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Beklagten zu 3), sondern einen Versicherungswechsel von der XXX Versicherung zur Beklagten zu 3) empfahl. Dies ergibt sich schon aus dem unstreitigen Umstand, dass der Beklagte zu 1) dem Kläger im Rahmen der Beratung nicht nur von ihm vorbereitete neue Versicherungsanträge vorlegte, sondern dass der Beklagte zu 1) auch ein an die XXX Versicherung, bei der zuvor die Berufsunfähigkeitsversicherung bestand, gerichtetes Kündigungsschreiben mitbrachte und dem Kläger übergab. Zwar mag es Sache des Klägers selbst gewesen sein zu entscheiden, ob er dieses Kündigungsschreiben abschicken wollte oder nicht; aus diesem Verhalten des Beklagten zu 1) ist jedoch eindeutig abzulesen, dass er dem Kläger die Kündigung der bisherigen Berufsunfähigkeitsversicherung bei der XXX Versicherung damit nahelegen wollte.

Den Eindruck, dass der Beklagte zu 1) dem Kläger nicht den Abschluss einer zusätzlichen Berufsunfähigkeitsversicherung empfohlen hat, sondern dass der Kläger und der Beklagte zu 1) wie selbstverständlich von einem Versicherungswechsel ausgingen, hat das Gericht auch aus der persönlichen Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1) gewonnen. So hat der Kläger geschildert, es sei nicht darüber gesprochen worden, dass er den ursprünglichen Versicherungsvertrag bei der XXX Versicherung behalten sollte. Der Beklagte zu 1) hat auf die Fragen des Gerichts, was entsprechend seiner Beratung mit dem bisherigen Berufsunfähigkeitsvertrag denn hätte passieren sollen, zunächst ausweichend geantwortet. Erst, nachdem der Kläger das vom Beklagten zu 1) vorbereitete Kündigungsschreiben an die vorherige Versicherung erwähnt hatte, hat der Beklagte zu 1) diesen Umstand eingeräumt.

Der Umfang der von der Beklagten zu 2), vertreten durch den Beklagten zu 1), durchgeführten Beratung ergibt sich aus dem Beratungsprotokoll vom 11.3.2016 (Bl. 84 d.A.). Die dort enthaltenen Angaben genügen nicht ansatzweise den aus der zitierten Rechtsprechung des OLG Köln und OLG Karlsruhe zu entnehmenden Anforderungen. So ist unter Punkt 4. „Beratung / Information“ das Kästchen „Kündigung/Umstellung einer Vorversicherung“ nicht einmal angekreuzt; geschweige denn, dass dem Beratungsprotokoll zu entnehmen wäre, dass der Beklagte zu 1) dem Kläger einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung verschafft hätte.

Insbesondere ist dem Beratungsprotokoll nicht zu entnehmen, dass der Beklagte zu 1) den Kläger darüber aufklärte, dass die empfohlene Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Beklagten zu 3) – anders als die bei der XXX Versicherung bestehende – den Fall der Dienstunfähigkeit nicht einschloss.

Wie aus den vorgelegten Versicherungsunterlagen der XXX Versicherung zu entnehmen ist, hätte der Kläger aus dieser ursprünglich abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung auch für den Fall der Dienstunfähigkeit Leistungen beziehen können.

Dies ist zum einen daraus zu entnehmen, dass bereits im Versicherungsantrag an die XXX Versicherung der Zusatz „Dienstunfähigkeitsklausel gilt als vereinbart“ enthalten ist und der entsprechende Versicherungsschein der XXX auf seiner ersten Seite auf diesen Antrag Bezug nimmt. Zudem enthält der Versicherungsschein der XXX auf Seite 3 unter der Überschrift „sonstige Vertragsinhalte“ einen Hinweis auf eine „zusätzliche Vereinbarung Dienstunfähigkeitsklausel“ mit der Nr. 253625. Diese Vertragsbedingung (Anl. K7, Bl. 245 der Akte) sieht vor, dass alternativ zu der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit bereits die Dienstunfähigkeit ausreicht, um den Versicherungsfall eintreten zu lassen.

Demgegenüber ist der Einschluss der Dienstunfähigkeit den Bedingungen der bei der Beklagten zu 3) abgeschlossenen Versicherung nicht zu entnehmen und wird von Beklagtenseite auch nicht vorgetragen.

Ein weiteres, über dasjenige vom 11.3.2016 hinausgehendes Beratungsprotokoll existiert nach Angaben des persönlich angehörten Beklagten zu 1) nicht. Die unterlassene Dokumentation einer weitergehenden Beratung begründet eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine weitergehende Beratung auch tatsächlich nicht erfolgt ist (OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 51 m.w.N.). Die Beklagten haben zur Erschütterung dieses Anscheins nichts vorgetragen.

Durch diese Beratungspflichtverletzung ist dem Kläger ein Schaden entstanden. Es ist zu vermuten, dass er sich „aufklärungsrichtig“ verhalten und den Versicherungswechsel von der XXX Versicherung zur Beklagten zu 3) nicht vollzogen hätte, wenn die Beklagte zu 2) ihn pflichtgemäß darüber aufgeklärt hätte, dass der neue Vertrag bei der Beklagten zu 3) für den Fall der bloßen Dienstunfähigkeit keinen Versicherungsschutz bot.

Der Schaden umfasst die an die Beklagte zu 3) gezahlten Versicherungsbeiträge in Höhe von 718,30 €.

Das Gericht verkennt nicht, dass die bei der Beklagten zu 3) abgeschlossene Versicherung von Gegenstand und Leistungen her über die zuvor bei der XXX bestehende reine Berufsunfähigkeitsversicherung deutlich hinausgeht, so dass nicht feststeht, ob der Kläger nicht auch im Fall pflichtgemäßer Beratung jedenfalls einen Teil der bei der Beklagten zu 3 ) abgeschlossenen Versicherungsverträge eingegangen wäre. Aufgrund der bereits erwähnten, zu Gunsten des Klägers streitenden Vermutung „aufklärungsrichtigen“ Verhaltens ist dennoch davon auszugehen, dass der Kläger die Verträge bei der Beklagten zu 3) jedenfalls in der vorliegenden Form nicht eingegangen wäre, wenn er über den Umfang des Versicherungsschutzes in der Berufsunfähigkeitsversicherung zutreffend beraten worden wäre. Es wäre daher Sache der Beklagten darzulegen, in welchem Umfang der Kläger auch bei zutreffender Beratung zusätzlich zu Berufsunfähigkeitsversicherung Versicherungsverträge abgeschlossen und welche Beiträge er dafür zu zahlen gehabt hätte; insofern fehlt es an konkretem Vortrag.

Zudem ist dem Kläger insofern ein Schaden entstanden, als er für den Abschluss einer neuen, wiederum die Dienstunfähigkeit einschließenden Versicherung bei der XXX höhere Beiträge zahlen muss, als dies bei der XXX Versicherung der Fall war.

Insofern können nicht die bei der XXX Versicherung und bei der XXX jeweils gezahlten monatlichen Beiträge ins Verhältnis gesetzt werden, da beide Versicherungen nicht die Tarifbeiträge verlangt haben, sondern diese um – für die Zukunft nicht garantierte – Anteile aus der Überschussbeteiligung reduziert haben, so dass nicht abzusehen ist, wie hoch die zusätzliche Beitragsbelastung des Klägers in Zukunft ausfallen wird.

Das Gericht kann jedoch einen Mindestschaden schätzen. Selbst wenn der vom Kläger zu zahlende Beitrag bei der XXX weiter auf monatlich 67,85 € vermindert bleiben sollte und zugleich zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass der Kläger bei der XXX Versicherung den unverminderten Tarifbeitrag von 50,03 € hätte zahlen müssen, ergibt sich mindestens eine monatliche Mehrbelastung des Klägers von 17,82 €.

Ein anspruchsmindernd zu berücksichtigendes Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 Abs. 2 BGB ist nicht festzustellen. Die insofern darlegungs- und beweisbelastete Beklagte zu 2) hat nicht vorgetragen, dass der Kläger eine günstigere, die Dienstunfähigkeit einschließende Berufsunfähigkeitsversicherung als bei der XXX hätte abschließen können oder dass er sonst – durch Auswahl einer anderen Versicherungsgesellschaft oder eines anderen Tarifs – den Schaden hätte geringer halten können.

Ferner ist ein zukünftiger Schaden des Klägers insofern jedenfalls möglich, als sein Versicherungsschutz bei der XXX Ansprüche ausschließt, die aus Rückenleiden resultieren, so dass die von ihm unter Ziff. 2.) des Klageantrages begehrte Feststellung zu treffen ist.

Auch hinsichtlich dieses Haftungsausschlusses im Vertrag bei der XXX ist die Beratungspflichtverletzung der Beklagten zu 2) ursächlich für einen zukünftig möglichen Schaden geworden. Denn wie sich aus dem Versicherungsvertrag bei der XXX Versicherung ablesen lässt, enthielt dieser keine Leistungsausschlüsse wegen bestimmter körperlicher Leiden; anders als der nunmehr bei der XXX bestehende. Zudem sind die Rückenbeschwerden des Klägers, wie dieser in seiner Anhörung glaubhaft versichert hat, erstmals während seiner Berufsausbildung im September 2014 aufgetreten, also erst nach Beginn des Versicherungsschutzes bei der XXX Versicherung (Juli 2014) und vor dem Beginn des Versicherungsschutzes bei der XXX (1.8.2016).

Dagegen bestehen keine Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 1).

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) persönlich ist kein Beratungsvertrag zustande gekommen; der Beklagte zu 1) war auch nicht selbst Versicherungsvermittler gemäß §§ 59 ff. VVG, sondern lediglich als Vertreter für eine Versicherungsvermittlerin, die Beklagte zu 2), tätig.

Der Vertreter haftet nur ausnahmsweise persönlich, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen oder am Vertragsschluss ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse hat (Palandt-Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 311 Rn. 60 ff.).

Für ein derartiges eigenes wirtschaftliches Interesse ist ein nur mittelbares Interesse, wie die Aussicht auf eine Provision oder ein Entgelt, nicht ausreichend (Palandt a.a.O. Rn. 61). Ein über das Provisionsinteresse hinausreichendes eigenes wirtschaftliches Interesse des Beklagten zu 1) am Vertragsschluss ist hier aber nicht ersichtlich.

Auch ein besonderes persönliches Vertrauen hat der Beklagte zu 1) nicht in Anspruch genommen. Insbesondere kann die nur sehr entfernte verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) ein solches nicht begründen.

Die Beklagte zu 3) haftet dem Kläger ebenso auf Schadensersatz wie die Beklagte zu 2); insofern ergeben sich die Ansprüche des Klägers aus § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 5 VVG. Auf die obigen Ausführungen zum Umfang der Beratungspflichten, zur Beratungspflichtverletzung und zu den daraus resultierenden Schadenspositionen wird Bezug genommen.

Die Haftung der Beklagten zu 3) ist nicht gemäß § 6 Abs. 6 2. HS VVG ausgeschlossen, da es sich bei der Beklagten zu 2) nicht um eine Versicherungsmaklerin im Sinne des § 59 Abs. 3 VVG, sondern um eine Versicherungsvertreterin im Sinne des § 59 Abs. 2 VVG handelt. Die Beklagte zu 3), die für den Ausschlusstatbestand des § 6 Abs. 6 VVG die Darlegungs- und Beweislast trifft, hat selbst nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 2) die Voraussetzungen des § 59 Abs. 3 VVG erfülle.

Da die Beklagte zu 3) aus § 6 VVG haftet, kommt es auf die Voraussetzungen der §§ 8 und 9 VVG nicht an.

Der Schadensersatzanspruch, der gegen die Beklagten zu 2) und 3) begründet ist, umfasst auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, da diese für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendig waren. Der Ansatz einer 1,3 -fachen Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer begegnet keinen Bedenken. Diese ist jedoch zu berechnen aus einem Gegenstandswert von lediglich 4565,16 €; insofern wird auf die Ausführungen des Landgerichts im Beschluss vom 3. August 2017 Bezug genommen. Damit belaufen sich die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf 492,54 €.

Die Beklagte zu 3) schuldet Zinsen auf die bereits fällige und vorgerichtlich angemahnte Forderung gem. Ziff. 1) a) der Klageschrift gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Aufgrund des vorgerichtlichen Schreibens vom 20.12.2016 mit Fristsetzung zum 3. Januar 2017 befindet sich die Beklagte zu 3) insofern seit dem 4. Januar 2017 in Zahlungsverzug. Maßgeblich ist der gesetzliche Zinssatz i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Höhere Zinsen sind nicht geschuldet, da die Voraussetzungen des §§ 288 Abs. 2 BGB nicht erfüllt sind; insbesondere schulden die Beklagten zu 2) und 3) kein Entgelt. Im Übrigen besteht kein Anspruch auf Verzinsung erst zukünftig fälliger Forderungen.

Die Beklagte zu 2) schuldet Zinsen erst ab Rechtshängigkeit, von der – in Ermangelung einer Zustellungsurkunde – jedenfalls seit dem Datum der Verteidigungsanzeige vom 18.8.2017 auszugehen ist. Eine vorgerichtliche, den Verzug auslösende Zahlungsaufforderung an die Beklagte zu 2) ist nicht ersichtlich.

Die Nebenentscheidungen über Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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