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PKV: Kostenerstattung für Hilfsmittel

Private Krankenversicherung: Kostenerstattung für Hilfsmittel die im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht enthalten sind

AG Meldorf, Az.: 84 C 675/13

Urteil vom 20.08.2013

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf bis zu 600,00 €.

Gründe

(unter Auslassung des Tatbestandes gemäß § 313a ZPO)

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Private Krankenversicherung: Kostenerstattung für Hilfsmittel die im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht enthalten sind
Symbolfoto: zimmytws/Bigstock

1. Das Zahlungsbegehren der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg, denn die Versicherungsbedingungen des Beklagten sehen eine Kostenerstattung für die von der Klägerin benötigten Hilfsmittel in Höhe von insgesamt 215,56 € und der Taxifahrten in Höhe von insgesamt 168,00 € nicht vor.

a) Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Erstattung der Kosten für ein Paar Unterarmgehstützen, eine Toilettensitzerhöhung, eine Greifzange und eine Strumpfanziehhilfe, die ärztlich verordnet und medizinisch notwendig waren, damit sie nach einem Klinikaufenthalt kurzfristig in die eigene Häuslichkeit und zur ambulanten statt stationären Weiterbehandlung zurückkehren konnte. Die streitgegenständlichen Hilfsmittel sind von dem vom Beklagten gewährten Versicherungsschutz jedoch nicht umfasst. Art und Umfang des Versicherungsschutzes ergeben sich aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag und den diesem Vertrag zugrundeliegenden Versicherungs- und Tarifbedingungen. Die Klägerin, die bei dem Beklagten seit fast 50 Jahren privat krankenversichert ist, hat im Jahre 2010 ihren ursprünglichen Versicherungstarif auf den „Standardtarif für ältere Versicherte (STB)“ umgestellt. In der Leistungsbeschreibung zu diesem Standardtarif heißt es unter Punkt A7 der Tarifbedingungen des Beklagten: „80 v. H. der erstattungsfähigen Aufwendungen für folgende Hilfsmittel in Standardausführung (s. Nr. 3c Abs. 4 TB/ST): Bandagen, Bruchbänder, Einlagen zur Fußkorrektur, orthopädische Schuhe, Kompressionsstrümpfe, Korrekturschienen, Kunstglieder, Liegeschalen, orthopädische Rumpf-, Arm- und Beinstützapparate, Sprechgeräte (elektronischer Kehlkopf), […]“. Die von der Klägerin erworbenen Hilfsmittel sind in dieser Liste nicht genannt. Die Unterarmgehstützen sind auch nicht unter den Begriff der orthopädischen Rumpf-, Arm- und Beinstützapparate zu subsumieren. Bei Gehhilfen/-stützen handelt es sich nicht um Stützapparate. Stützapparate sind vielmehr Schellen, Schienen, Korsetts oder Orthesen.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Erstattung der Taxifahrkosten zu der medizinisch notwendigen ambulanten Physiotherapie. Die erstattungsfähigen Fahrtkosten sind ebenfalls abschließend unter dem Punkt A3 der Tarifbedingungen des Standardtarifs geregelt und die geltend gemachten Taxikosten sind nicht unter die dort genannten Rettungsfahrten zu subsumieren.

b) Bei dem Ausschluss der Kostenerstattung für die von der Klägerin benötigten Hilfsmittel handelt es sich auch nicht um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB. Vorliegend fehlt es an dem einer „überraschenden“ Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB innewohnenden Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt; § 305c Abs. 1 BGB ist insbesondere nicht anwendbar, wenn der Vertragspartner von dem Verwender der Bedingungen ausdrücklich auf den Inhalt der Klausel hingewiesen worden ist und die Klausel klar und deutlich gefasst ist (MünchenerKommentar/Basedow, BGB, 6. Auflage 2012, § 305c, Rn 8, 10). Die Leistungsbestimmung unter Punkt A7 ist klar und deutlich gefasst. Vor der Beantragung des Tarifwechsels ist die Klägerin mit dem Schreiben vom 04.03.2010 auch nachdrücklich und eindringlich auf die bestehenden Einschränkungen und die aus einem Wechsel folgenden Konsequenzen hingewiesen worden. Sie ist insbesondere ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der günstige Beitrag nur durch einen stark eingegrenzten Leistungsumfang geboten werden kann und der Standardtarif in einigen Bereichen sogar weniger als die gesetzliche Krankenkasse erstattet. Ausdrücklich hat der Beklagte ebenfalls darauf hingewiesen, dass nur die Kosten für die in der Leistungsbeschreibung unter Punkt A6 bis A7 aufgeführten Heil- und Hilfsmittel erstattet werden. Die Klägerin konnte sich von dem Inhalt der Klausel auch hinreichend Kenntnis verschaffen, denn die Beschreibungen zum Tarif ST lagen ihr ausweislich der „Anlage zur Empfangsbestätigung im Antrag“ bei der Beantragung des Tarifwechsels vor.

c) Die Leistungsbestimmung des Beklagten unter dem Punkt A7 hält auch einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB stand. Die bereits nach ihrem Wortlaut abschließende Aufzählung der erstattungsfähigen Hilfsmittel unterliegt der Inhaltskontrolle des § 307 BGB (BGH in NJW-RR 2004, 1379). Die Tarifbedingungen des Beklagten benachteiligen die Klägerin nach den Geboten von Treu und Glauben jedoch nicht unangemessen. Die Begrenzung der Erstattung auf bestimmte Hilfsmittel gefährdet nicht die Erreichung des Vertragszwecks, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Eine Leistungsbegrenzung ist grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche Vorstellungen erweckt. Eine Gefährdung ist erst dann anzunehmen, wenn mit der Einschränkung der Leistung der Vertrag ausgehöhlt werden kann und damit der Versicherungsvertrag in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wird (BGH in NJW-RR 2004, 1379). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Das primäre Leistungsversprechen der Kostenübernahme für medizinisch notwendige ärztliche Leistungen/Heilbehandlungen, die durch Krankheit verursacht worden sind und die auf Heilung, Besserung oder auch nur Linderung der Krankheit abzielen, bleibt unangetastet. Die vorliegende Beschränkung umfasst nur nicht ärztliche Leistungen, deren Abdeckung unter dem Vorbehalt der vereinbarten Tarifbedingungen steht. Für die Annahme einer Vertragszweckgefährdung im Sinne einer Aushöhlung des Krankenversicherungsvertrages bei einer abschließenden Hilfsmittelregelung ist daher regelmäßig kein Raum (ausführlich BGH in NJW-RR 2004, 1379).

Die abschließende Aufzählung erstattungsfähiger Hilfsmittel ist auch nicht mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen unvereinbar, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Wie der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 04.03.2010 mitgeteilt hat, bietet der Standardtarif für ältere Versicherte keinen mit einer gesetzlichen Krankenkasse identischen Versicherungsschutz, sondern lediglich einen Versicherungsschutz etwa auf der Basis der Leistungen einer gesetzlichen Krankenkasse. Der Leistungsumfang des Standardtarifs orientiert sich lediglich am Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, wobei es einen wirklichen „Katalog“ im Sinne einer Liste nicht gibt, sondern der „Leistungskatalog“ im fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) nur als Rahmenrecht vorgegeben ist. Eine Orientierung an diesem Rahmenrecht ist – auch aus Sicht eines durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmers – aber nicht gleichbedeutend mit einer identischen Übernahme sämtlicher Regelungen oder der aufgrund dieser Regelungen erlassenen Verzeichnisse, wie dem gemäß § 139 SGB V vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen aufgestellten Hilfsmittelverzeichnis. Im Übrigen hat das Hilfsmittelverzeichnis lediglich den Charakter einer Rechtsgrundlage für die Verordnungsfähigkeit solcher Hilfsmittel überhaupt (Beck’scherOnline-Kommentar/Joussen, Sozialrecht, SGB V, Stand 01.06.2011, Ed. 30, § 139). Ein Versorgungsanspruch Versicherter auf Hilfsmittel besteht aber weder allein aufgrund einer vertragsärztlichen Verordnung noch aufgrund der Auflistung des Hilfsmittels im Hilfsmittelverzeichnis. Den gesetzlichen Krankenkassen steht vielmehr ein eigenes Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel im Einzelfall erforderlich ist (Plagemann, Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht/Hauck, 4. Auflage 2013, § 18, Rn 20). Darüber hinaus liegt es auch im Ermessen der gesetzlichen Krankenkassen, Hilfsmittel nur leihweise zur Verfügung zu stellen, wobei diesbezügliche Einzelheiten regelmäßig in einem Vertrag zwischen dem Versicherten und dem Vertragspartner geregelt werden (Plagemann, Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht/Hauck, 4. Auflage 2013, § 18, Rn 28). Selbst wenn das Hilfsmittelverzeichnis daher unmittelbar und vollständig auf den von der Klägerin abgeschlossenen Standardtarif anzuwenden wäre, so würde dies nicht automatisch bedeuten, dass die Klägerin die Hilfsmittel ohne vorherige Absprache mit dem Beklagten selbst käuflich erwerben und sodann die Erstattung des Kaufpreises ersetzt verlangen könnte. Zu einer vorherigen Absprache mit dem Beklagten über den Erwerb und eine zugesicherte Kostenerstattung bezüglich der erworbenen Hilfsmittel hat die Klägerin nicht vorgetragen.

2. Die Hilfsanträge der Klägerin zu Ziffer 3) und 4) sind zulässig aber ebenfalls unbegründet.

Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob der Klägerin ein Anspruch auf Herausgabe der Originale der von ihr begehrten Unterlagen zusteht. Der Beklagte hat insoweit unbestritten vorgetragen, dass eine Rücksendung der Originale nicht mehr erfolgen kann, da diese wie üblich bei ihrem Eingang bei ihm maschinell erfasst und dann vernichtet worden sind. Die Herausgabe der Originalunterlagen ist dem Beklagten demnach gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich und ein möglicher Anspruch der Klägerin auf Herausgabe ausgeschlossen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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