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Gebäudeversicherung – Schadensersatzansprüche bei fehlerhafter Beratung zum Versicherungsumfang

LG Münster, Az.: 115 O 239/14

Urteil vom 07.03.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aufgrund einer vom Kläger behaupteten fehlerhaften Beratung zum Umfang des Versicherungsschutzes zu bereits bestehenden Versicherungsverträgen, die der Kläger im Jahr 2008 auf sich hat umschreiben lassen. Anlass des Rechtsstreits ist ein im Jahr 2010 eingetretener Schaden.

Gebäudeversicherung - Schadensersatzansprüche bei fehlerhafter Beratung zum Versicherungsumfang
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Der Kläger ist Landwirt und betreibt seit Oktober 2008 in Generationenfolge nach seinem Vater, Herrn …, einen landwirtschaftlichen Betrieb im … in D.. Der Beklagte zu 1.) ist Versicherungsvertreter der Beklagten zu 2).

Im November 2004 fand ein Beratungsgespräch zwischen dem Vater des Klägers und dem Beklagten zu 1) statt, in dessen Folge der Vater des Klägers Versicherungsverträge bei der Beklagten zu 2) abschloss.

Am 26.03.2008 beantragte der Vater des Klägers bei der Beklagten zu 2) über den Beklagten zu 1) den Abschluss einer Gebäudeversicherung für den Hof (Anl. K1, Bl. 23 f. d. A.). Die Beklagte zu 2) policierte das Vertragsverhältnis mit Versicherungsschein vom 17.04.2008 unter der Versicherungsnummer … (Bl. 37 d. A.) zum gleitenden Neuwert. Versicherte Gefahren waren Feuerschäden einschließlich Überspannungsschäden durch Blitz und Sturm einschließlich Hagelschäden. Schneedruck und sonstige Elementarschäden waren nicht mitversichert.

In zeitlicher Nähe zu der Übertragung des Hofs auf den Kläger im Oktober 2008 gab es mehrere Kontakte zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) deren Zeitpunkte und Inhalte zwischen den Parteien streitig sind.

Der Gebäudeversicherungsvertrag des Vaters wurde jedenfalls ohne Änderung vom Kläger übernommen. Die Beklagte zu 2) policierte unter derselben Versicherungsnummer (…) mit Versicherungsschein vom 23.10.2008 (Bl. 38 d. A.) den Versicherungsvertrag mit demselben Inhalt wie zuvor unter dem 17.04.2008 für den Vater des Klägers.

Am 10.05.2010 fand ein weiteres Gespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) statt. Hier ging es um eine Erweiterung der Leistungen der Beklagten zu 2) durch einen von dieser angebotenen Tarifwechsel. Danach stellte die Beklagte zu 2) einen Versicherungsschein vom 26.05.2010 (Anl. K4, Bl. 41 d. A.) unter Geltung der ABL 2010 (Anl. K5, Bl. 43-71 d. A.) aus.

Am 24.12.2010 schneite es in D.. Das Dach des auf dem Hofgelände befindlichen Schweinemaststalls stürzte zu Zweidritteln ein.

Am selben Tag meldete der Kläger der Beklagten zu 2) den Schaden telefonisch über ihre Hotline. Am folgenden Tag erschien der Beklagte zu 1) auf dem Hof des Klägers und sah sich den Schaden an.

Am 29.12.2010 kam der Beklagte in Begleitung des Schadenregulierers der Beklagten zu 2), Herrn K., erneut auf den Hof des Klägers. Ihm wurde mitgeteilt, dass der Schaden nicht versichert sei.

Mit Schreiben vom 30.12.2010 (Anl. K 6, Bl. 87 d. A.) zeigte der Kläger der Beklagten zu 2) den eingetretenen Schaden erneut schriftlich an.

Nach mehrmaligen Nachfragen (Anl. K 6, 7, Bl. 87 f. d. A.) des Klägers lehnte die Beklagte zu 2) unter dem 18.03.2011 (Anl. K8, Bl. 89 d. A.) die Schadenregulierung schriftlich ab. Eine Elementarversicherung bestehe nicht und ein Beratungsverschulden sei nicht erkennbar.

Der Kläger erhob sodann im Dezember 2011 Klage auf Schadensersatzleistungen gegen die Beklagte zu 2), die er auf eine vom ihm behauptete Falschberatung durch den Beklagten zu 1) in einem Gespräch am 10.05.2010 stützte. Das Verfahren wurde vor dem Landgericht Münster unter dem Aktenzeichen 115 O 246/11 geführt. Die damalige Klage wurde abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde vom Oberlandesgericht Hamm zurückgewiesen. Seine Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesgerichtshof zurück.

In dem Berichterstattervermerk zu dem Senatstermin vom 30.01.2013 hielt das Oberlandesgerichts Hamm die im Rahmen der persönlich Anhörung getätigte Aussage des Klägers, in dem Termin im Mai 2010 sei nicht über die einzelnen Risiken gesprochen worden; er habe gar nicht gewusst, dass die Versicherung da Unterschiede mache.

Die Beklagte zu 2) erklärte auf Nachfrage des Klägers unter dem 17.03.2014 (Bl. 40 d. A.), dass Unterlagen aus dem Jahr 2008, die Erklärungen des Klägers dokumentieren, nicht vorhanden seien.

Die Beklagten erhoben die Einrede der Verjährung.

Der Kläger behauptet, er habe sich aus Anlass der Übertragung des Hofes telefonisch an den Beklagten zu 1) gewandt und diesen um ein Beratungsgespräch gebeten. Bei dem Beratungsgespräch, das ‒ wie der Kläger zunächst schriftsätzlich vortragen ließ ‒ im September 2008 in Anwesenheit seiner Mutter und seines Bruders stattgefunden habe, habe er den Beklagten zu 1) insbesondere darauf hingewiesen, dass es ihm darum gehe, den landwirtschaftlichen Betrieb und die dazugehörigen Einrichtungen vollumfänglich gegen alle wesentlichen Gefahren zu versichern. Es sei über Schäden wie bei den Hochwasserkatastrophen im Oktober 1998 und Mai 2004 und D. sowie Schäden und Folgeschäden durch das Münsterländer Schneechaos aus der ersten Adventswoche 2005 und den Sturm Kyrill im Januar 2007 gesprochen worden. Thematisiert worden sei unter anderem auch, ob der unterirdische Heizöltank, der unterirdische Frischwassertank und die tiefen Bohrlöcher zur Eigenwasserversorgung gegen Schäden durch Hochwasser abgesichert wären. Dies sie von dem Beklagten zu 1) bejaht worden. Er, der Kläger, habe sich ausdrücklich danach erkundigt, ob für derartige Fälle Versicherungsschutz bestünde. Der Beklagte zu 1) habe ihm erläutert, dass eine entsprechende Absicherung gegen diese ausdrücklich angesprochenen Gefahren über die vom Vater des Klägers abgeschlossene Gebäudeversicherung bestehe. Diese Beratung sei aber nicht richtig gewesen, da ‒ unstreitig ‒ eine Gebäudeelementarversicherung nicht abgeschlossen worden sei. Der Beratungsbedarf des Klägers sei ohne weiteres erkennbar gewesen.

Ein Termin am 11.08.2008, wie es der Beklagte zu 1) behaupte, werde ‒ wie der Kläger zunächst schriftsätzlich erklären ließ ‒ an diesem Tag nicht stattgefunden haben, da sein mittlerweile verstorbener Vater an diesem Tag gerade erst aus der Kur zurückgekommen sei und die Familie an diesem Tag andere Interessen gehabt habe.

Der Kläger behauptete, dass nach seiner Erinnerung schon bei dem Beratungsgespräch im März 2008 über das Münsterländer Schneechaos und die Hochwasserschäden in B. gesprochen worden sei, unter anderem wegen der Gefahr der Überflutung der vorhandenen unterirdischen Heizöltanks. Eine konkrete Reaktion des Beklagten zu 1) in Form einer Beratung über eine Absicherung gegen Elementarschäden sei dabei aber nicht erfolgt.

Der Kläger ist der Ansicht, ein Beratungsanlass ergebe sich auch schon daraus, dass es zu Überschwemmungen in B. gekommen sei. Das zeige sich auch darin, dass der Beklagte ‒ was der Kläger bestreitet ‒ 2004 ein Rundschreiben mit der Empfehlung für eine Elementarschädenversicherung unter anderen an den Vater des Kläger geschickt haben will.

Wäre der Kläger ordnungsgemäß beraten worden, hätte er eine entsprechende Elementarversicherung abgeschlossen, wie er dies nunmehr im Jahr 2014 bei der A. getan habe (Versicherungsunterlagen Bl. 132 ‒ 140 d. A.).

Der Kläger behauptet, dass das Dach des Schweinemaststalls aufgrund einer Überbelastung durch Schneemassen eingestürzt sei.

Er habe bereits 2011 Angebote zur Schadensbehebung eingeholt. Er behauptet, der Zweitwert des betroffenen Stalls als Gebäude inklusive Dachkonstruktion nebst Unterdecke betrage 80.000,00 Euro, weil sich die Kosten für die Lieferung und Montage der Dachkonstruktion sowie Einziehung der Unterdecke und die Abrisskosten auf insgesamt 230.000,00 Euro (Angebot der G. GmbH vom 14.02.3011 in Höhe von 118.304,75 Euro, Bl. 90 ‒ 92 d. A. und Angebot der R. GmbH vom 15.02.2011 in Höhe von 109.867,98 Euro, Bl. 93 ‒ 95 d. A.) belaufen würden. Weiter betrage der Zeitwertschaden für die Fütterungsanlage 30.000,00 Euro aufgrund der entsprechenden Reparaturkosten zum Neuwert von 98.320,91 Euro (Angebot der Forma W. vom 29.05.2011, Bl. 97 ‒ 106 d. A.) und für die Lüftungstechnik 10.000,00 Euro aufgrund der Wiederherstellungskosten zum Neuwert von 31.433,68 Euro (Angebote der Firma I. vom 28.07.2011, Bl. 107 ‒ 110 d. A.).

Der Kläger ist der Ansicht, das bereits durchgeführte Klageverfahren sei vom jetzigen Verfahren abzugrenzen, da es in diesem um eine unterlassene Beratung am 10.05.2010 gegangen sei und nunmehr eine Falschberatung aus September 2008 streitgegenständlich sei. Die Klage in dem vorherigen Verfahren sei abgewiesen worden, weil für den Termin am 10.05.2010 kein Fehlverhalten des Beklagten zu 1) habe festgestellt werden können. Eine Entscheidung über ein Beratungsverschulden im hier streitgegenständlichen Beratungstermin beinhalte das Urteil aus dem vorherigen Verfahren daher nicht.

Der Kläger ist der zudem der Ansicht, dadurch, dass der Beklagte zu 1) keine ausreichende Protokollierung der Beratung gefertigt habe, komme es hinsichtlich der Falschberatung zu einer Beweislastumkehr zulasten der Beklagten.

Die Verjährungseinrede der Beklagten könne zudem nicht greifen. Hierzu behauptet der Kläger, der Beklagte zu 1) habe am 25.12.2010 am Schadensort hervorgehoben, dass die Beklagte zu 2) den Schaden regulieren werde. Der Kläger ist der Ansicht, die mündliche Mitteilung des Schadenregulierers K. sei gemäß § 15 VVG unerheblich.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 120.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, dass der Beklagte zu 1) im Jahr 2004 dem Vater des Klägers eine Elementarversicherung angeboten habe, dieser habe das Angebot aber mit der Begründung abgelehnt, dass er derartige Risiken auf seinem Hof nicht zu erkennen vermöge. Mit Überschwemmungen sei aufgrund der weiten Entfernung zum nächstgelegenen Gewässer auch nicht zu rechnen.

Der Kläger habe einen bereits vor der Hofübernahme einen Überblick über den Versicherungsumfang gehabt, da er auch bei den Verhandlungen im Jahr 2004 involviert gewesen sei.

Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt den Abschluss einer Elementarversicherung angesprochen. Über die von dem Kläger angeführten Naturereignisse, wie das Hochwasser und das Schneechaos sie nie gesprochen worden; einen Beratungstermin im Herbst 2008, bei dem der Kläger eine umfassende Beratung gefordert haben will, habe es nicht gegeben. Es habe am 11.08.2010 einen Termin gegeben, indem die Umschreibung der Versicherungsverträge vorbesprochen worden sei. Die Umschreibung an sich, sei dann nach einem Telefonanruf des Klägers bei dem Beklagten zu 1) am 22.10.2010 formlos ohne eine weitere Begutachtung des Hofs vorgenommen worden. In dem Termin am 11.08.2008 sei die inhaltliche Neuordnung nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen, weshalb für diesen Termin auch kein Beratungsprotokoll erstellt worden sei.

Eine Beratung zur Elementarschädenversicherung sei im Jahr 2008 mangels Gefährdungslage nicht angezeigt gewesen. Ein Beratungsbedarf habe nicht bestanden und sei auch nicht erkennbar gewesen.

Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass Schneedruck zu dem eingetretenen Schaden geführt habe. Zwar sei Heiligabend 2010 viel Schnee gefallen, allerdings habe kein weiteres Dach im Versicherungsbestand des Beklagten zu 1) einen Schneedruckschaden aufgewiesen. Die am Schadentag aufgetretene Schneelast habe nicht ausgereicht, um bei einem halbwegs intakten Dach einen Einsturz zu bewirken. Der Allgemeinzustand und keine besondere Schneelast habe zum Schaden geführt, da das Dach des Schweinemaststalls aus Nadelholzbindern bestanden habe, welche durch Ammoniakausdünstungen der Schweine erheblich geschädigt und daher nur noch eingeschränkt tragfähig gewesen sei.

Die Beklagten bestreiten die Kausalität der von ihnen bestrittenen Falschberatung, da die vom Kläger zu zahlenden Mehrkosten für die Elementarschutz mit rund 2.750,00 Euro sehr hoch gewesen wäre. 2010 habe der Kläger sogar darauf bestanden seine Berufsunfähigkeitsversicherung trotz bestehender erheblicher Knieprobleme zu beenden. Bis zur Kündigung des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags im Jahr 2014 habe der Kläger keine Elementarversicherung bei der Beklagten zu 2) abgeschlossen. Das habe auch nicht ‒ wie der Kläger meint ‒ daran gelegen, dass sein Antrag von der Beklagten nicht angenommen worden sei, vielmehr habe der Kläger gar keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der Beklagten zu 2) stehe dem hiesigen Verfahren die Rechtskraft des in dem vorherigen Verfahren ergangenen Urteils vom 24.05.2012 entgegen, da weder die Klageanträge noch die Klageabweisung auf einen zeitlich begrenzten Vorwurf beschränkt gewesen seien. Die vorherige Klage des Klägers habe sich auf ein Unterlassen, also einen Dauerverstoß, gestützt. Hierüber sei abschließend entschieden worden. Nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs komme daher auch allenfalls eine hälftige Haftung des Beklagten zu 1) in Betracht.

Einem Anspruch gegen den Beklagten zu 1) stehe entgegen, dass der Kläger allenfalls die Herstellung des Zustands verlangen könne, der eingetreten wäre, wenn er die Versicherung abgeschlossen hätte. Neben dem Versicherungsschutz hätte ihm in diesem jedoch nicht zusätzlich noch ein Anspruch gegen den Beklagten zu 1) zugestanden. Insoweit sei deshalb hinsichtlich eines Anspruchs gegen den Beklagten zu 1) schon kein Schaden ersichtlich.

Zudem sind die Beklagten der Ansicht, die geltend gemachte Klageforderung sei jedenfalls verjährt. Selbst wenn der Beklagte zu 1) bei dem Ortstermin am 29.12.2010 mitgeteilt habe, dass er einen Kulanzantrag stellen werde, könne dies allenfalls vertragliche Ansprüche hemmen. Der behauptete Schadensersatzanspruch werde dadurch nicht tangiert.

Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1) mehrfach persönlich angehört und Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen F. und M. . Hinsichtlich des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 10.08.2015 und 01.02.2016 verwiesen. Die Akte 115 O 246/11 (20 U 164/12; IV ZR 123/13) hat das Gericht beigezogen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere scheitert sie nicht schon daran, dass ihr die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Münster vom 24.05.2012 entgegensteht. Denn dem vorliegenden Rechtsstreit liegt ein anderer Streitgegenstand als dem vorherigen Verfahren zugrunde.

Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, sowie durch den Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Das entspricht der prozessrechtlichen Auffassung vom zweigliedrigen Gegenstand im Zivilprozess, der der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung folgt (vgl. BGH, NJW 2001, 157, 158).

Den beiden Klageverfahren liegt nicht derselbe Lebenssachverhalt zugrunde. Zwar war Anlass sowohl für das vorherige Verfahren, wie auch für dieses Verfahren, der Schadenfall am 24.12.2010. Jedoch stellte die Klage in dem bereits abgeschlossenen Rechtsstreit auf ein Beratungsverschulden in Form der unterlassenen Beratung bei einem Termin im Jahr 2010 ab. In dem hiesigen Verfahren stützt sich der Kläger auf ein Beratungsverschulden in Form der Zusicherung von tatsächlich nicht bestehendem Versicherungsschutz durch den Beklagten zu 1) bei einem Termin im Jahr 2008.

Das rechtskräftige Urteil vom 24.05.2015 erfasst den hier vorgebrachten Lebenssachverhalt auch nicht deshalb, weil in dem vorherigen Verfahren über ein Unterlassen ‒ und damit, wie die Beklagten meinen, über einen Dauerzustand ‒ entschieden worden ist. Denn streitgegenständlich war allein das Unterlassen in dem Beratungstermin im Mai 2010, für den, nach der Auffassung des Klägers, Beratungspflichten bestanden haben sollen.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Ersatzanspruch im Hinblick auf die von der Gebäudeversicherung nicht abgedeckten Schäden aus dem Schadensereignis vom 24.12.2010. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus einem Beratungsverschulden des Beklagten zu 1), das sich die Beklagte zu 2) gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müsste.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheitert allerdings nicht schon daran, dass ‒ sein Bestehen vorausgesetzt ‒ er verjährt wäre. Denn die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB hat erst mit dem 01.01.2012 zu laufen begonnen, da dem Kläger erst im Jahr 2011 mit der endgültigen, schriftlichen Versagung der Versicherungsleistung alle den Anspruch begründenden Tatsachen bekannt waren.

Die Kenntnis davon, dass ihn tatsächlich ein Schaden, der nicht reguliert wird, verbleibt, konnte der Kläger erst nach der abschließenden Leistungsentscheidung der Beklagten zu 2) vom 18.03.2011 haben. Denn der Beklagte zu 1) hat in seiner persönlich Anhörung angegeben, dass der Schadenregulierer K., der zusammen mit dem Beklagten zu 1) den Ortstermin auf dem Hof des Klägers am 29.12.2010 wahrnahm, zwar die Regulierung mündlich abgelehnt habe, er, der Beklagte zu 1), dem Kläger jedoch im selben Termin mitgeteilt habe, dass er alles dafür tun werde, dass der Schaden doch noch reguliert werde und er hierzu nochmal mit der Fachabteilung sprechen werde. Dem Kläger musste deshalb zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar sein, dass die Beklagte zu 2) tatsächlich nicht in die Regulierung eintreten würde bzw. dass die Entscheidung hierüber schon endgültig gefallen ist. Dass er hiervon auch noch nicht ausging, zeigen seine Schreiben vom 30.12.2010 und 28.01.2011 an die Beklagte zu 2), in denen er schriftlich um eine Entscheidung bat.

Ansprüche gemäß § 63 VVG gegen den Beklagten zu 1) und gemäß § 6 Abs. 5 VVG gegen die Beklagte zu 2) scheitern jedoch daran, dass das Gericht nicht feststellen konnte, dass der Beklagte zu 1) die ihm obliegenden Beratungspflichten gemäß § 6 Abs. 1 und Abs. 4 VVG in der zum Zeitpunkt des behaupteten Beratungstermins geltenden Fassung vom 23.11.2007 verletzt hat.

Es kann dahinstehen, ob sich die Beratungspflichten des Beklagten zu 1) im Rahmen der Übernahme der Verträge des Vater des Klägers durch den Kläger lediglich aus § 6 Abs. 4 VVG oder aus § 6 Abs. 1 VVG ergeben, da eine Verletzung von keiner der denkbaren Pflichten festgestellt werden konnte.

Beratungspflichten bestehen auch nach § 6 Abs. 1 VVG für den Versicherer nur, soweit dafür Anlass besteht, und zwar nach der „Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen“, nach der „Person des Versicherungsnehmers“ oder nach dessen „Situation“. Ohne einen solchen Anlass schuldet der Versicherer nicht stets und in allen Fällen Aufklärung und Beratung. Vielmehr ist es grundsätzlich Aufgabe des Versicherungsnehmers, sich in eigener Verantwortung über die zu versichernden Risiken klar zu werden und über den hierfür in Betracht kommenden Versicherungsschutz zu informieren. Abgesehen von dem Fall, dass ein Versicherungsnehmer seinen Wunsch nach weitergehender Beratung konkret zum Ausdruck bringt, kann von einem Versicherer aber dann Aufklärung und Beratung erwartet werden, wenn sich ein konkretes Bedürfnis hierfür offenbart. Ein solches Bedürfnis besteht immer dann, wenn wenn der Versicherungsnehmer erkennbar falsche Vorstellungen über den abzuschließenden Vertrag oder den Umfang des Versicherungsschutzes macht oder wegen der Komplexität der Materie jedenfalls mit Missverständnissen und Irrtümern des Versicherungsnehmers zu rechnen ist oder das erkennbar zu versichernde Risiko von dem ins Auge gefassten Versicherungsschutz nicht vollständig umfasst wird. (OLG Hamm, Urt. v. 27.02.2013, Az.: 20 U 164/12)

Ein solches Beratungsbedürfnis bzw. ein solcher Beratungsanlass konnte der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen. Dem Beklagten zu 1) kann deshalb weder ein Beratungsverschulden durch aktives Tun, in Form einer von ihm getätigten Aussage, noch durch Unterlassen einer Beratung vorgeworfen werden.

Eine etwaig anzunehmende Beweislastumkehr bei fehlender Dokumentation eines Beratungstermins, greift hier nicht, da unstreitig ist, dass der Kläger nicht über eine Elementarversicherung durch den Beklagten zu 1) beraten worden ist.

Das Gericht ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger sich im Rahmen eines im August oder September 2008 stattgefundenen Beratungstermins ausdrücklich nach dem Versicherungsschutz für Elementarrisiken erkundigt hat (1.). Auch konnte das Gericht keine Überzeugung davon erlangen, dass der Kläger den Beklagten zu 1) um einen umfassenden Versicherungsschutz bat, was aber selbst wenn man dies unterstellt, nicht zu einem Beratungsanlass hinsichtlich etwaiger Elementarrisiken geführt hätte (2.). Erkennbare Risiken aus denen sich ein Beratungsanlass für den Beklagten zu 1) hätte ergeben müssen, hat der Kläger schon nicht vorgetragen (3.).

1.

Ein Beratungsanlass wegen der konkreten Nachfrage des Klägers zum Versicherungsschutz für Risiken wie Hochwasser und Schnee kann nicht festgestellt werden, da der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen konnte, dass er in einem Gespräch im Herbst 2008 mit dem Beklagten zu 1) die Elementarrisiken angesprochen hat.

Zwar hat der Kläger in seiner persönlichen Anhörung durch das Gericht behauptet, er habe den Beklagten zu 1) gezielt danach gefragt, ob Versicherungsschutz für Naturereignisse wie Hochwasser und Schnee bestehe. Auch wurde sein Vortrag in diesem Punkt durch die Zeugen M. und M. bestätigt. Jedoch ergeben sich insgesamt erhebliche Widersprüche in dem Vortrag des Klägers selber als auch zwischen seinem Vortrag und den Aussagen der Zeugen, sodass das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) eine Überzeugung von der Richtigkeit des klägerischen Vortrags hinsichtlich des Gesprächs über die Naturereignisse insgesamt nicht gewinnen konnte.

Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen bzw. der Erinnerung des Klägers und der beiden Zeugen ergeben sich insbesondere daraus, dass sich sowohl der Kläger als auch die beiden Zeugen hinsichtlich ihrer Kernbehauptungen, dem Nachfragen nach dem Versicherungsschutz für Elementarrisiken und der Bitte um umfassenden Versicherungsschutz für alles wesentlichen Gefahren, an den genauen Wortlaut erinnern wollen, hinsichtlich anderer besprochener Themen, Zeitpunkte und der chronologischen Reihenfolge der Ereignisse rund um das behauptete Gespräch allerdings keine genauen Erinnerungen haben bzw. sich widersprechende Aussagen getätigt haben.

Zweifel ergeben sich schon daraus, dass der Kläger zunächst behauptete, der Beratungstermin im Herbst 2008 habe im September stattgefunden. Im Rahmen der zweiten mündlichen Anhörung erklärte der Kläger sodann, sicher zu sein, dass der Termin im August stattgefunden habe. Darüber hinaus behauptet der Kläger schriftsätzlich, dass nach seiner Erinnerung auch in dem Beratungstermin im März 2008 bereits über die von ihm aufgezählten Naturereignisse gesprochen worden sei, der Beklagte zu 1) darauf aber nicht in Form einer Beratung reagiert habe. Gleichzeitig behauptet der Kläger aber zuvor keinen Überblick über die Versicherungen seines Vater gehabt zu haben und an dem Gespräch im März 2008 auch nicht teilgenommen zu haben.

Auch zwischen der Aussage des Klägers und der der Zeugin M. ergeben sich zahlreiche Widersprüche.

Die Zeugin erklärte, der Beratungstermin habe stattgefunden bevor ein Gutachter auf den Hof gekommen sei. Sie meint sich sogar daran erinnern zu können, dass der Beklagte zu 1) in dem Gesprächstermin gesagt habe, dass zunächst der Gutachter kommen müsse bevor „das Ganze“, gemeint ist die Umschreibung der Verträge, erfolgen könne. Der Kläger behauptet jedoch, der behauptete Gutachtertermin habe vor dem streitgegenständlichen Beratungstermin stattgefunden.

Die Zeugin sagte zudem aus, dass der Kläger den Termin mit dem Beklagten zu 1) telefonisch vereinbart habe. Sie habe dieses Gespräch mitgehört, da ein Telefon in der Küche stehe. Die Zeugin will sich sogar an Details des Telefonats, etwa daran, dass der Kläger mehrfach betont habe, eine vollumfängliche Beratung zu wünschen, erinnern. Der Kläger jedoch erklärt, seine Mutter habe den Termin telefonisch vereinbart.

Hinsichtlich der Kernbehauptungen gleichen sich die Angaben des Klägers und die Aussagen der beiden Zeugen jedoch so eklatant, dass das Gericht davon ausgeht, dass diese Übereinstimmungen durch Gespräche über die hier relevanten Punkte innerhalb des Familienkreises beruhen.

Der Aussage der Zeugin M. kann auch deshalb nicht gefolgt werden, da sie erhebliche Tendenzen übermäßiger Verdeutlichung beinhaltet, die lebensfremd und deshalb nicht glaubhaft erscheinen. Hier sind insbesondere ihre Angaben dazu, dass der Kläger am Telefon gegenüber Herrn … (= Bekl. zu 1)) „bestimmt drei-, vier- fünfmal“ gesagt habe, dass er vollumfänglich beraten werden wolle, aufzuführen. Auch zeigt sich ihr Interesse, günstig für ihren Sohn auszusagen, daran, dass sie ungefragt betonte, dass es schon dem Vater des Klägers wichtig war, gut versichert zu sein und er hierfür sogar eine Hagelversicherung abgeschlossen habe, obwohl das Münsterland nicht für Hagelfälle bekannt sei. Ebenfalls ungefragt wollte sich die Zeugin zum Thema „Gutachter“ äußern und musste im Anschluss an die Schilderung, was der Gutachter sich angesehen habe, einräumen, dies nicht selbst wahrgenommen sondern von ihrem Sohn berichtet bekommen zu haben.

2.

Auch aus der vom Kläger behaupteten Frage an den Beklagten zu 1), ob er, der Kläger, gegen alle wesentliche Risiken abgesichert sei, musste sich für den Beklagten zu 1) kein Beratungsanlass ergeben. Denn die Frage ‒ unterstellt der Kläger befragte den Beklagten zu 1) hiernach ‒ ist so allgemein gehalten, dass für den Beklagten zu 1) daraus keine Pflicht zur Beratung über sämtliche denkbaren Versicherungen entstehen musste. Dass sich gerade die Absicherung gegen Elementarrisiken aufdrängte, da der Hof des Klägers hiervon in besonderer Weise betroffen wäre, trägt der Kläger selber nicht vor. Gerade im Rahmen des Gesprächs über die Übernahme der Verträge des klägerischen Vaters, die Anlass der Termins gewesen sein sollen, durfte der Beklagte zu 1) eine derartige Frage auch so verstehen, dass der Kläger um eine lückenlose Übernahme aller Verträge zur Abdeckung aller vom Vater für wesentlich erachteten Risiken begehrte. Eine darüber hinausgehende Beratungspflicht über die bislang noch nicht versicherten Elementarrisiken ergab sich hieraus nicht.

3.

Schließlich ergibt sich auch aus den für den Beklagten zu 1) erkennbaren Risiken für den Betrieb des Klägers kein Anlass i. S. d. § 6 Abs. 1 VVG den Kläger über die bestehende Deckungslücke für Elementarschäden aufzuklären. Zwar können Deckungslücken, die offen zu Tage treten, Anlass zu einer Beratung sein. Das kann dazu führen, dass ein Versicherungsvertreter einen Versicherungsnehmer, dem erkennbar an einer lückenlosen Absicherung bestimmter Risiken liegt, auf die Notwendigkeit der Kombination von Produkten aufmerksam machen muss (OLG Saarbrücken, VersR 2012, 1029; OLG Köln, VersR 1994, 342; OLG Düsseldorf, VersR 1998, 224, OLG Hamm, NJW-RR 2001, 239). Allein die fehlende Absicherung gegen mögliche Risiken genügt indes für die Annahme einer Beratungspflicht nicht. Dass es im Bereich D. zu Überschwemmungen gekommen war, genügt deshalb nicht, um ein für den Versicherer erkennbares nahe liegendes Risiko anzunehmen, über das er angesichts des offenbar bestehenden Absicherungsbedürfnisses des Versicherungsnehmers aufzuklären hätte. Der Kläger hat insofern schon keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich gerade auch für seinen Betrieb angesichts seiner geografischen Lage und Bauweise etc. die Gefahr von Elementarschäden ergab. Dass der Kläger dem Beklagten zu 1) zu erkennen gegeben hat, zu dem Umfang seines Versicherungsschutzes, speziell zu der Absicherung von Elementarrisiken Aufklärung zu benötigen, konnte der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen (siehe Ziffer 1.)). Allein der für den Versicherer erkennbare Umstand, dass für ein mögliches Risiko kein Versicherungsschutz besteht, genügt nicht für die Annahme einer Beratungspflicht. Ansonsten wäre allein wegen der Frage nach umfassenden Versicherungsschutz auch im Hinblick auf eine z. B. ebenfalls nicht bestehende Einbruchsdiebstahl- und Vandalismusversicherung eine Beratung angezeigt gewesen.

Auf die zwischen den Parteien streitige Frage der Kausalität der behaupteten Falsch- oder Nichtberatung für den fehlenden Versicherungsschutz kommt es damit nicht mehr an.

III.

Ein Zinsanspruch steht dem Kläger mangels Hauptforderung ebenfalls nicht zu.

IV.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 120.000,00 EUR festgesetzt.

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