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Falschauskünfte des Versicherungsvertreters – Haftung der Versicherung

LG Flensburg, Az.: 4 O 373/03, Urteil vom 23.12.2004

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Falschauskünfte des Versicherungsvertreters - Haftung der Versicherung
Symbolfoto: Rido81/Bigstock

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Lebensversicherung geltend.

Die Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen, zu dessen Produktpalette u. a. Lebensversicherungen gehören.

Der Kläger unterzeichnete am 13.06.1986 einen „Antrag auf Lebensversicherung mit dynamischer Anpassung“. Der Antrag richtete sich an die Beklagte. Der Kläger war bei Unterzeichnung 46 Jahre alt.

Im Antragsfeld „Tarif“ wurde der Tarif „WA II UZV“ eingetragen. Es wurde eine Unfallzusatzversicherung mit beantragt. Unter „Versicherungsbeginn“ wurde der 01.07.1986, im Feld „Zielaltervereinbarung“ das Datum 01.07.2004 eingetragen. Als Versicherungssumme wurden 50.000,00 DM eingetragen. Bezugsberechtigt im Erlebensfall sollte der Kläger sein, im Todesfall seine Ehefrau, Frau S. K.. Im Feld „Unterschrift des Vermittlers“ findet sich die Unterschrift der Frau N. Ko., der Adoptivtochter des Klägers. Wegen der Einzelheiten wird auf den „Antrag auf Lebensversicherung“ verwiesen (Anlage K 4, Bl. 19, 20 d. A. und Anlage B 1, Bl. 58 d.A. = Rückseite des Antrags).

Der Kläger erhielt im weiteren Verlauf den Versicherungsschein, datierend vom 26.06.1986. Dort heißt es im Feld „Versicherungsleistungen“:

„Versicherungssumme

50.000,00 DM

Unfall-Zusatzversicherungssumme

50.000,00 DM“.

Als monatlich zu zahlender Betrag sind im Versicherungsschein 158,00 DM angegeben, die der Kläger im weiteren Verlauf auch fortwährend erbrachte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein verwiesen (Bl. 7 d. A.)

Zu den dem Kläger übersandten Vertragsunterlagen, auf die verwiesen wird, gehören eine „Leistungsbeschreibung“ (Bl. 8, 9 d. A.), die „Vertragsgrundlagen und wichtige Hinweise“ (Bl. 10 d. A.), die „Allgemeine Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung“ (Bl. 11 – 13 d. A), die „Besondere Bedingungen für Abkürzungsversicherungen“ (Bl. 13 d. A., rechte Spalte) und die „Bedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung“, (Bl. 15, 16 d. A.).

Bei dem vertragsgegenständlichen Tarif WA II, der hier kombiniert wurde mit einer Unfallzusatzversicherung (Abkürzung: UZV), steht eine hohe Absicherung der Hinterbliebenen im Todesfall im Vordergrund. Nur sekundär wird eine Ablaufleistung gewährleistet. Die zu zahlenden Beiträge werden bei diesem Vertragstypus zum größten Teil für die Todesfallleistung verwendet, um den Versicherungsschutz für den Todesfall möglichst preiswert anbieten zu können; der Ansparvorgang steht bei diesem Tarif im Hintergrund. Die Überschussbeteiligungen werden im Hinblick auf die Zielaltersvereinbarung u. a. für die Abkürzung der Versicherungs- und Beitragszahlungsdauer verwendet.

Im Jahre 1995 wurde die Bezugsberechtigung dahin gehend ergänzt, dass bei Ableben der Frau S. K. bezugsberechtigt sein sollte Herr R. K. K. (vergl. Anlage K 2, Bl. 17 d. A.).

Die Beklagte übersandte dem Kläger ab dem Jahre 1993 fortlaufend Mitteilungen über die erwirtschafteten Überschussanteile. Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechenden Schreiben verwiesen (Anlagen B 2 – B 12, Bl. 59 – 68 d. A.).

Mit Schreiben vom 30.04.2003 teilte die Beklagte dem Kläger die Leistungen im Erlebensfall mit. Danach ergaben sich ein voraussichtliches „Deckungskapital“ von 17.201,00 € sowie voraussichtliche „Schlussüberschussanteile“ von 831,93 €, insgesamt also 18.032,93 €. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 30.04.2003 verwiesen (Anlage K 3, Bl. 18 d. A.).

Der Kläger behauptet, die im Versicherungsantrag als Vermittlerin angegebene Frau N. Ko., seine Adoptivtochter, habe keinerlei Beratungsleistung durchgeführt, sondern lediglich später den Antrag als Vermittlerin unterzeichnet, und zwar nur aus Provisionsgründen. Frau Ko. habe von Herrn Ke. die Abschlussprovision für Versicherungsverträge (in geringerem Umfang) erhalten, weil Herr Ke. selbst solche Provisionen als festangestellter Vertreter nicht habe verdienen dürfen. Annehmbar sei dann jedoch ein Teil der Provision an Herrn Ke. gegangen; Frau Ko. sei von Herrn Ke. nur vorgeschoben worden. Herr Ke. habe die Lebensversicherung zum Abschluss gebracht und das Gespräch geführt. Herr Ke. habe dem Kläger bei Vertragsschluss dargelegt, dass er aus seinem Versicherungsvertrag im Todesfalle die jeweilige Versicherungssumme (50.000,00 DM), im Erlebensfall die doppelte Versicherungssumme (100.000,00 DM) erhalten würde, und zwar letztere mit dem 65. Lebensjahr (27.12.2004). Von irgendeiner Zielaltersvereinbarung habe der Zeuge Ke. dem Kläger ebenso wenig etwas erläutert/berichtet, wie von der Tatsache, dass im Erlebensfall möglicherweise nicht einmal die Versicherungssumme erreicht werde. Der Kläger und seine Ehefrau hätten Herrn Ke. im Rahmen der Vertragsanbahnung vor Vertragsschluss mitgeteilt, dass sie mit den Lebensversicherungen (die Ehefrau schloss ebenfalls einen Lebensversicherungsvertrag bei der Beklagten ab – Verfahren LG Flensburg, Aktenzeichen 4 O 374/03) bei Fälligkeit die etwaig dann noch auf dem damals von ihnen zu Eigentum bewohnten Objekt in Geltorf ruhenden Lasten ablösen wollten, die 1986 zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages mit ca. 150.000,00 DM bis 160.000,00 DM valutiert hätten. Der Zeuge Ke. habe dem Kläger sowie seiner Ehefrau mitgeteilt, dass dies kein Problem sei, da ja die doppelten Versicherungssummen im Erlebensfall per 2004 und 2008 (Ehefrau des Klägers) gezahlt würden, was mithin insgesamt 140.000,00 DM (Kläger 100.000,00 DM, Ehefrau 40.000,00 DM) ausmache und damit zu einer vollständigen Tilgung der Restverbindlichkeit unter Berücksichtigung der weiter ab 1986 geleisteten Annuitäten geführt hätte.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte nach Maßgabe der Erklärungen ihres Versicherungsagenten, Herrn Ke., zu leisten habe. Anspruchsgrundlage sei die gewohnheitsrechtlich anerkannte Erfüllungshaftung des Versicherers für falsche Angaben des Versicherungsagenten bei Anbahnung/Abschluss des Versicherungsvertrages. Die Beklagte habe das positive Interesse zu leisten, also auf Basis der Erklärungen des Agenten Herrn Ke., nämlich Zahlung der doppelten Versicherungssumme im Erlebensfall an seinem 65. Geburtstag (100.000,00 DM = 51.129,18 €). Dieses positive Interesse könne ergänzend auch unter dem Gesichtspunkt der Beratungspflichtverletzung und des Verstoßes der Versicherungsbedingungen der Beklagten gegen das Transparenzgebot begründet werden. Verletzt sei die Pflicht zur umfassenden Beratung, weil der Kläger Herrn Ke. mitgeteilt hätte, mit den Geldern die Hausverbindlichkeiten ablösen zu wollen, was mit dem tatsächlich vereinbarten Tarif nicht zu leisten gewesen sei. Bei hinreichender Intensität des Beratungsgespräches komme ein Beratungsvertrag konkludent zu Stande. Der Kläger habe den Nachteil, dass die für den Erlebensfall prognostizierten Leistungen kaum das erreichten, was der Kläger an Beiträgen eingezahlt habe, was ihm jedoch nicht deutlich und zweifelsfrei vor Augen geführt worden sei, und zwar weder durch Herr Ke. noch durch die Beklagte im Rahmen ihrer Versicherungsbedingungen. Wegen der weiteren Ausführungen des Klägers zur Intransparenz der Versicherungsbedingungen der Beklagten wird auf die entsprechenden Ausführungen in der Klageschrift vom 23.09.2003 (Klageschrift Seite 4 = Bl. 4 d. A.), den Schriftsatz vom 12.02.2004 (Schriftsatz Seiten 3 ff.= Bl. 78 ff. d. A.) Bezug genommen. Hilfsweise könne die Forderung des Klägers als negatives Interesse beansprucht werden. Im Hinblick auf eine fehlerhafte Beratung könne auch das negative Interesse als Schadensersatz aus Falschberatung vor Abschluss des Versicherungsvertrages geltend gemacht werden. Der Versicherungsnehmer sei bei diesem Negativinteresse vom Versicherer so zu stellen, wie er ohne das Beratungsverschulden des Außendienstes stehen würde. Bei richtiger Belehrung hätte der Kläger dann jedenfalls von dem Abschluss einer Kapitallebensversicherung abgesehen und stattdessen eine langfristige Anlage bei der Bank gewählt und die monatlichen Beträge auf ein langfristiges Sparkonto eingezahlt, was dann eine Verzinsung unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Jahre 1986 bis zu dem Erlebensfallzeitpunkt von mindestens 7 % erbracht hätte. Der Kläger hätte dann bei monatlicher Zahlung von 158,00 DM über eine Dauer von 20 Jahren ein Kapital von 19.633,09 € angespart. Bei der Anlage bei der Bank wären die Zinsen jeweils jährlich fällig geworden und dem Konto am Jahresende gutgeschrieben worden, sodass dann im Folgejahr Zinsen auf das bis dahin angesparte Kapital, die im Vorjahr gutgeschriebenen Zinsen und die im laufenden Jahr weiter gezahlten Beträge angefallen wären. Eine entsprechende Zinsstaffelung hätte dann zu Zinsen von 16.197,21 € geführt. Mithin hätte der Kläger bei dieser Anlage insgesamt eine Ablaufleistung von 35.830,21 € erwirtschaftet.

Der Kläger hat ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen; hilfsweise: festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger im Erlebensfall zu dessen 65. Geburtstag am 27.12.2004 mindestens 51.129,18 € (= 100.000,00 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit diesem Tag und im Falle des Todes des Klägers vor dem 27.12.2004 an dessen Ehefrau S. K., bei deren Vorversterben an Herrn R. K. K., 25.564,59 € (= 50.000,00 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem Todestag des Klägers zu zahlen.

Nachdem die Beklagte im April 2004 die avisierte Ablaufleistung in Höhe von 18.032.93 € an den Kläger ausgezahlt hat, erklärte dieser den Rechtsstreit teilweise in der Hauptsache in Höhe von 18.032,93 € für erledigt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage in ihrer ursprünglichen Form sei unzulässig gewesen. Die Voraussetzungen für eine Geltendmachung der künftigen Leistungen gemäß § 259 ZPO hätten nicht vorgelegen. Auch das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO sei nicht gegeben. Wegen der diesbezüglichen weiteren Ausführungen der Beklagten wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 19.01.2004 (Seiten 4 ff., Bl. 50 ff. d. A.) verwiesen. Die Beklagte ist des Weiteren der Ansicht, dass die Teilerledigungserklärung nichts mit dem Ziel zu tun habe, welches der Kläger mit dem Klageantrag verfolge.

Die Beklagte behauptet, der Vertrag sei abgeschlossen worden durch die Agentur, deren Inhaberin N. Ko., die Adoptivtochter des Klägers, gewesen sei. Nicht vermittelt worden sei der Vertrag durch Herrn Ke.. Dieser habe lediglich als Inspektor der Beklagten die damalige Agenturinhaberin Ko. betreut. Vertragliche Absprachen außerhalb des schriftlich fixierten, namentlich zum Erlebensfalldatum 27.12.2004, der Erlebensfallleistung von 100.000,00 DM und Versicherungsschutz bis zum 27.12.2004, habe es nicht gegeben. Spätester Ablauftermin sei nicht der 27.12.2004, sondern der 01.07.2004, wie sich aus dem Versicherungsschein sowie auch aus den Hinweisen auf der Rückseite des Antrages ergebe.

Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, die Versicherungssumme sei sowohl im Versicherungsvertrag als auch im Versicherungsschein mit 50.000.00 DM vereinbart. Nirgendwo sei für den Erlebensfall am 01.07.2004 die Verdoppelung der Versicherungssumme niedergelegt. Vielmehr sei bei Erreichen des Zielalters das volle Deckungskapital als Auszahlungssumme vereinbart und auch ausgezahlt worden, wie sich aus der Rückseite des Versicherungsantrages ergebe. Keinesfalls entspreche das volle Deckungskapital der doppelten Versicherungssumme. Der Anspruch des Klägers werde ungeachtet dessen nicht von der Erfüllungshaftung des Versicherers getragen. Denn angesichts der eindeutigen und von dem Kläger unterschriebenen Antragsangaben sei abweichender Vortrag zur Zahlung der doppelten Versicherungssumme schon nicht substantiiert dargelegt, jedenfalls aber so ersichtlich falsch, dass er hierauf schlechterdings nicht habe vertrauen dürfen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S. K. und K. J. Ke.. Beide Parteivertreter haben übereinstimmend erklärt, dass die Aussage des Zeugen Ke. in dem Verfahren 4 O 374/03 auch in dem jetzigen Verfahren als erhobener Beweis gelten soll. Es wird auf das Protokoll des Termins vom 21.09.2004 (Bl. 133 f. d. A), das Protokoll des Termins vom 07.12.2004 (Bl. 139 ff. d. A.) und das Protokoll des Termins vom 21.09.2004 in der Sache 4 O 374/03 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist insgesamt unbegründet.

Die in der teilweisen Erledigungserklärung des Klägers zu sehende Feststellungsklage ist unbegründet.

Die ursprüngliche Klage war unzulässig, soweit es den Betrag von 18.032,93 € betrifft.

Die Zulässigkeit der ursprünglichen Klage war nur insoweit gegeben, als mit der Klage zukünftige Zahlung eines Betrages geltend gemacht wurde, der den ohnehin von der Beklagten aufgrund des Lebensversicherungsvertrages im Erlebensfall zu zahlenden Betrag (Deckungskapital zuzüglich Überschussanteile) übersteigt. Im Übrigen war die Klage unzulässig.

Die Besorgnis der rechtzeitigen Leistungen im Sinne von § 259 ZPO bestand nicht, soweit die Beklagte ohnehin aufgrund des Vertrages verpflichtet war, zum Ablaufzeitpunkt eine Leistung zu erbringen. In diesem Umfang hat sie ihre Leistungspflicht nie bestritten.

Der verbleibende Teil der Klage ist zulässig. Einer Befassung mit dem Hilfsantrag (Feststellungsantrag) bedarf es nicht.

Die Klage ist auch im übrigen unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 51.129,18 € im Erlebensfall nach Maßgabe seiner Behauptungen.

Weder liegen die Voraussetzungen für eine gewohnheitsrechtliche Haftung der Beklagten als Versicherer aufgrund der Vertrauensstellung des Agenten und einer von diesem getätigten Falschauskunft, die er im Zusammenhang mit der Anbahnung und/oder dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages in Bezug auf die Tragweite der nachgesuchten Risikoabdeckung gegeben hat, vor, noch besteht ein Schadensersatzanspruch des Versicherers durch eine fehlerhafte Beratung seitens des Versicherungsagenten.

Voraussetzung für eine entsprechende Haftung der Beklagten wäre, dass Herr Ke. als Versicherungsagent tätig gewesen wäre oder zumindest die für Versicherungsagenten geltenden Grundsätze auf ihn anwendbar wären und er entweder eine Falschauskunft in Bezug auf die Tragweite der nachgesuchten Risikoabdeckung abgegeben hätte bzw. ihm eine fehlerhafte Beratung unterlaufen wäre (vergl. zu den Voraussetzungen Römer/Langheid, VVG, 2. Auflage, § 43, Rdnr. 38 ff.).

Zur Überzeugung des Gerichts finden auf Herrn Ke. zwar die Grundsätze und Vorschriften für Versicherungsagenten Anwendung. Herr Ke. war, wie er im Rahmen seiner Zeugenvernehmung angegeben hat, im Jahre 1986 und damit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei der Beklagten angestellt. Er führte nach seinen Angaben auch das zum Vertragsschluss führende Gespräch mit dem Kläger. Er übte damit die Funktion eines angestellten Versicherungsvertreters aus, auf die die Vorschriften der §§ 43 ff. VVG entsprechend Anwendung finden (vergl. hierzu Römer/Langheid, VVG, 2. Auflage, § 43, Rdnr. 6 m. w. N.).

Die weiteren Voraussetzungen für eine Erfüllungshaftung bzw. einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten liegen jedoch nicht vor.

Beweisbelastet für ein zur Erfüllungshaftung führendes Auskunftsverhalten ist der Versicherungsnehmer (Kläger) ebenso wie für das behauptete Beratungs-verschulden. Die Beweislast bezieht sich auch auf die kausale Verknüpfung zwischen Beratungsfehler und Schaden (vergl. Römer/Langheid, VVG. 2. Auflage, § 43, Rdnr. 53 m. w. N.).

Dem beweisbelasteten Kläger ist nicht der Nachweis einer Falschauskunft des Herrn Ke. in Bezug auf die Tragweite der nachgesuchten Risikoabdeckung und des Vertragsinhalts und auch nicht einer fehlerhaften Beratung durch Herrn Ke. gelungen.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht für das Gericht hinsichtlich des Inhaltes des zum Vertragsschluss führenden Gespräches fest, dass Herr Ke. den Kläger beraten hat im Zusammenhang mit dem Abschluss des streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrages. Weiterhin steht aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass der Zeuge Ke. das Antragsformular ausgefüllt hat und dieses sodann von dem Kläger unterschrieben wurde.

Die weiteren Einzelheiten des Gespräches konnten durch die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts aufgeklärt werden. Insbesondere ergab die Beweisaufnahme nicht mit erforderlicher Sicherheit, dass Herr Ke. die doppelte Versicherungsleistung im Erlebensfalle als Versicherungsinhalt angegeben hat und auch nicht eine Falschberatung durch diesen.

Die Zeugin K. hat zwar erklärt, dass Herr Ke. angegeben habe, im Erlebensfall werde „das Doppelte“ gezahlt, für den Kläger also 100.000,00 DM (51.129,18 €). Auch hat die Zeugin K. angegeben, Herrn Ke. gegenüber angegeben zu haben, dass die Summe aus der Lebensversicherung im Rentenalter benötigt werde zur Abzahlung des Hauses bzw. was dann gegebenenfalls noch abzuzahlen ist. Es sei um eine reine Kapitalanlage gegangen und nicht um Absicherung des Risikos im Todesfalle.

Wie auch schon bei dem Kläger selbst und dessen Angaben als Zeugen in dem Verfahren 4 O 374/03 hat das Gericht Zweifel, ob das Gespräch mit Herrn Ke. tatsächlich den von der Zeugin K. angegebenen Inhalt hatte. Diese Zweifel beruhen insbesondere auf dem Zeitablauf von mittlerweile über 18 Jahren seit Führung des Gesprächs. Es haben sich Anhaltspunkte ergeben, dass die Zeugin die Angabe, im Erlebensfall sei „das Doppelte“ zu zahlen, nicht von Herrn Ke. erfahren hat, sondern diese Angabe lediglich als nachträgliche Erwartung rückwirkend auf dieses Gespräch projiziert hat. Für möglich erachtet das Gericht, dass die Zeugin die eigentliche Versicherungssumme und die Summe aus der Unfallzusatzversicherung, jeweils 50.000,00 DM, zusammen 100.000,00 DM, nachträglich irrtümlich als Leistung im Erlebensfall aufgefasst haben könnte. Aus dem Antrag auf Abschluss der Lebensversicherung sowie aus dem Versicherungsschein zu dem Lebensversicherungsvertrag ergeben sich keinerlei Hinweise für eine Erlebensfallleistung von zusammen 100.000,00 DM. Dort ist im Einzelnen differenziert zwischen der Versicherungssumme einerseits und der Unfallversicherungssumme andererseits. Die Zeugin hat zudem angegeben, dass ihr nicht bewusst gewesen sei, dass die Lebensversicherung im Falle des Ablebens ihres Mannes etwas auszahlt. Zudem konnte sie auch nicht angeben, was sie von der Versicherung erwartet hätte, wenn ihr Mann vor Ablauf der Versicherungsdauer verstorben wäre, also vor Eintritt des Erlebensfalles. Offenbar hat die Zeugin also noch nicht einmal verstanden, was eine Lebensversicherung im Prinzip bedeutet. Die Zeugin hat offenbar den Vertragsinhalt/-typ nicht verstanden und insofern ist es auch denkbar, dass sie eine etwaige Angabe des Herrn K., es werde „das Doppelte“ gezahlt, wieder auf die Kombination von Lebensversicherung und Unfallzusatzversicherung im Todesfalle bezogen hat und bezieht. Auch hat die Zeugin angegeben, dass in ihrem Bekanntenkreis darüber gesprochen worden sei, dass es im Erlebensfall „das Doppelte“ gebe. Auch hier hält das Gericht es nicht für ausgeschlossen, dass die Zeugin diese Angabe projiziert hat auf den Vertrag ihres Mannes. Im Übrigen würde diese Angabe der Zeugin doch bedeuten, dass zum damaligen Zeitpunkt offenbar Versicherungsvertreter generell mit dieser Aussage/ Zusage aufgewartet haben, was dem Gericht nicht nachvollziehbar erscheint.

Der Zeuge Ke. hat demgegenüber angegeben, eine Zusage dergestalt, dass im Erlebensfall die doppelte Versicherungssumme herauskomme, gar nicht abgeben zu dürfen, womit der Zeuge im Ergebnis gesagt hat, eine solche nicht abgegeben zu haben. Er gab an, sich dahin gehend zu erinnern, dass damals dem Kläger wie auch seiner Ehefrau gegenüber geäußert wurde, dass die Versicherungssumme herauskommen werde „plus/minus, eher positiv“. Das sei seine damalige Überzeugung gewesen, die er auch geäußert habe. An die Anlageziele könne er sich aufgrund des Zeitablaufes nicht mehr erinnern.

Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Klägers lagen nicht vor.

Insgesamt bestehen damit hinsichtlich der streitgegenständlichen Behauptungen aus den vorstehenden Gründen Zweifel, was in dem über 18 Jahre zurückliegenden Gespräch tatsächlich gesprochen wurde. Diese Zweifel gehen zu Lasten des beweispflichtigen Klägers.

Auch soweit der Kläger seinen Anspruch – hilfsweise – auf die seiner Ansicht nach gegebene Intransparenz der Versicherungsbedingungen stützt, vermag er hiermit nicht durchzudringen.

Die Versicherungsbedingungen unterliegen zwar dem Transparenzgebot und können bei Verstoß gegen dieses Gebot unwirksam sein (vergl. Römer/Langheid, VVG, 2. Auflage, § 159 Rdnr. 5 m. w. N.).

Einen Verstoß gegen das Transparenzgebot vermag das Gericht jedoch nicht zu erkennen. So sind im Versicherungsschein zunächst die Versicherungsleistungen und die Versicherungssummen deutlich aufgeführt, nämlich die eigentliche Versicherungssumme von 50.000,00 DM und die Unfallzusatzversicherungssumme von nochmals 50.000,00 DM. Auch ist deutlich angegeben die Zielalters-vereinbarung. Deren Bedeutung ergibt sich aus der Leistungsbeschreibung sowie auch den „Besondere Bedingungen für die Abkürzungsversicherungen“. Es ist dargelegt, wie die jährlichen Überschussanteile verwendet werden und was bei Vereinbarung eines Zielaltertermins gilt (§ 3 der Besondere Bedingungen für Abkürzungsversicherungen). Insbesondere heißt es in § 3 Abs. 3 der „Besondere Bedingungen für Abkürzungsversicherungen“:

„Erlebt die versicherte Person den im Versicherungsschein genannten Ablauftermin (Zielalter-Termin), bevor sich die Versicherungsdauer durch die Verwendung der jährlichen Überschussanteile und etwa geleisteter feiwilliger Zuzahlungen bis auf diesen Zeitpunkt verkürzt hat, zahlen wir zu diesem Termin statt des nach den Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung für die vorzeitige Auflösung des Versicherungsvertrages durch Kündigung vorgesehenen Rückkaufswertes (vgl. § 4 der Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung) das volle Deckungskapital aus“.

Davon, dass die Versicherungssumme (oder die doppelte Versicherungssumme) ausgezahlt wird, ist nicht die Rede.

Dass die Überschussbeteiligung variieren kann und insbesondere der Höhe nach von Jahr zu Jahr abweichen kann und insbesondere von den Kapitalerträgen, aber auch vom Verlauf der Sterblichkeit und von der Entwicklung der Kosten abhängig ist, ergibt sich aus den „Vertragsgrundlagen und wichtige Hinweise“, Ziffer 4.

Dass nur ein Teil der Beiträge zur Kapitalansammlung verwendet wird, ergibt sich schon daraus, dass hier seitens des Klägers eine Unfallzusatzversicherung abgeschlossen wurde mit einer Versicherungssumme von 50.000,00 DM, für die entsprechend Rückstellungen zu bilden sind.

Im Übrigen vermag das Gericht auch nicht zu erkennen, welcher Schaden dem Kläger selbst bei unterstellter Intransparenz entstanden sein soll. Zwar trägt der Kläger vor, bei gehöriger Aufklärung eine Sparanlage gewählt zu haben mit einer Verzinsung von mindestens 7 %. Die Bestimmung der Kausalität zwischen Intransparenz und Schaden setzt jedoch voraus, dass feststeht, welche Ziele der Kläger damals bei Abschluss des Vertrages überhaupt verfolgt hat. Diese Ziele stehen nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht fest. Die Beweisaufnahme war hier zu Lasten des Klägers nicht ergiebig. Wie bereits ausgeführt, hat das Gericht Zweifel, ob die Zeugin K. das Gespräch richtig erinnert. Die Zeugin K. konnte die Anlageform Lebensversicherung nicht einordnen, ihr war die Bedeutung einer Lebensversicherung offenbar nicht bewusst. Diese Zweifel erstrecken sich auch auf die Frage der Anlageziele.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.

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