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Betriebsunterbrechungsversicherung: Kündigungsrecht im Schadensfall

LG München I, Az.: 26 O 7564/07

Urteil vom 14.11.2007

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten um das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses.

Betriebsunterbrechungsversicherung: Kündigungsrecht im Schadensfall
Symbolfoto: Jakub Jirsak/bigstock

Der Kläger ist freiberuflich tätiger Arzt. Die Beklagte ist eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz in Österreich. Im Jahr 2003 schloss der Kläger bei der Beklagten eine Betriebsunterbrechungsversicherung unter der Policennummer … ab. Versichert war der, in Folge einer Betriebsunterbrechung entgangene Gewinn. Vertragsbestandteil waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Klägerin … und … geworden. Für die Kündigung des Versicherungsvertrages verweist Artikel 14 Nr. 1 ABFT 1997 auf Artikel 14 der ABS 1996. Artikel 14 Abs. 1 ABS 1996 enthält folgende Fassung:

„(1) Sofern in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der betreffenden Sachversicherungssparte oder einer sonstigen vertraglichen Vereinbarung keine abweichende Regelung getroffen ist, können nach dem Eintritt des Schadensfalls sowohl der Versicherer als auch der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag kündigen.“

Im Einzelnen wird auf die Anlagen B 1 und B 4 verwiesen.

Im Zeitraum vom 28.11.2006 bis 11.03.2007 war der Kläger arbeitsunfähig. Seine Praxis war geschlossen. Mit E-Mail vom 31.01.2007 erklärte die Beklagte die Kündigung des Versicherungsverhältnisses zum 01.03.2007.

Der Kläger trägt vor, die Kündigungsbestimmungen in Artikel 14 der Versicherungsbedingungen seien unwirksam. Eine Kündigung im Schadensfall sei nur bei Sachversicherungen möglich. Schwerpunkt der streitgegenständlichen Police liege jedoch im Personenversicherungsbereich, so dass die Klausel aus Artikel 14 wegen unangemessener Benachteilung des Versicherungsnehmers unwirksam sei.

Der Kläger beantragt: Es wird festgestellt, dass die Betriebs-Unterbrechungsversicherung, Policen Nr. … bei der Beklagten nicht durch Kündigung vom 31.01.2007 beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht.

Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Auffassung, bei der vorliegenden Praxisunterbrechungsversicherung handle es sich um eine so genannte Großbetriebsunterbrechungsversicherung. Zu ersetzen sei der Gewinnausfall als Folge eines definierten Sach- oder Personenschadens. Daher handle es sich um eine Sachversicherung mit der Folge, dass eine Kündigung im Schadensfall, wie Art. 14 ABS 1996 diese vorsehe, möglich sei.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2007.

Mit Beschluss vom 24.04.2007 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Landgericht München I ist in Folge rügeloser Einlassung der Beklagten örtlich und sachlich zuständig.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Die Kündigung vom 31.01.2007 zum 01.03.2007 ist wirksam. In Folge der Erkrankung des Klägers zwischen November 2006 und März 2007 war der Schadensfall eingetreten. Die Kündigung wurde zwischen Eintreten des Schadensfalles und Abschluss der Verhandlungen über die Entschädigung erklärt. Die Kündigungsvoraussetzungen des Art. 14 ABS 1996, der gem. Art. 14 ABFT 1997 Anwendung findet, wurden eingehalten.

Die Klausel des Art. 14 ABS 1996 ist nicht unwirksam.

Art. 14 ABS 1996 entspricht der Regelung des § 96 VVG. Dieser ermöglicht den Vertragspartnern des Versicherungsvertrages im Schadensfall ein Kündigungsrecht. Seiner systematischen Stellung nach gilt er lediglich für Sachversicherungen.

Bei der streitgegenständlichen Betriebsunterbrechungsversicherung handelt es sich um eine Sachversicherung. Eine Sachversicherung liegt vor, wenn der Versicherer verpflichtet ist, dem Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalls den dadurch verursachten Vermögensschaden zu ersetzen (vgl. BGHZ, 52, 350). Die streitgegenständliche Betriebsunterbrechungsversicherung sieht bei Eintritt des Versicherungsfalles gerade den Ersatz des dadurch verursachten Vermögensschadens in Form entgangenen Gewinns vor. Versichert ist nicht die Person des Betriebsinhabers, sondern der Betrieb. Damit ist die Betriebsunterbrechungsversicherung gerade keine Berufsunfähigkeitsversicherung, bei der die Person selbst versichert ist.

Eine Unwirksamkeit der Klausel des Art. 14 ABS 1996 ergibt sich auch nicht aus dem Rechtsgedanken der Vorschrift des § 178 i VVG. § 178 i VVG schränkt das Kündigungsrecht des Versicherers für die Krankenversicherung ein und ermöglicht ein Kündigungsrecht im Schadensfall entsprechend der Regelung des Art. 96 VVG nicht. Eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 178 i VVG auf die streitgegenständliche Betriebsunterbrechungsversicherung ist nicht möglich. Bei der Vorschrift des § 178 i VVG handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die auf die soziale Funktion der Krankenversicherung zurückzuführen ist (vgl. Römer/Langheid, VVG, § 178 i, Rdnr. 1). Als Sondervorschrift ist diese Vorschrift eng auszulegen. Eine analoge Anwendung auf den hiesigen Fall gebietet der Normzweck nicht.

Dass eine maximale Haftungszeit vereinbart wurde, führt entgegen der Auffassung des Klägers nicht dazu, dass es einer Kündigungsmöglichkeit entsprechend Art. 14 ABS 1996 nicht bedarf. Normzweck einer derartigen Vorschrift ist weniger die Risikobegrenzung auf Seiten des Versicherers. Vielmehr eröffnet der Schadensfall und die damit verbundene Interessenwahrnehmung beiden Parteien die Möglichkeit weiterer Beobachtungen und Feststellungen hinsichtlich des anderen Vertragspartners. Nachdem diese Wahrnehmungen für beide Parteien den Wunsch hervorrufen können, sich vom Vertrag zu lösen, enthält Art. 14 ABS 1996 (entsprechend § 96 VVG) ein beidseitiges Kündigungsrecht für den Schadensfall.

Da die Regelung des Art. 14 ABS der Regelung des § 96 VVG entspricht, stellt diese auch keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar sondern entspricht vielmehr dem Leitbild der gesetzlichen Regelung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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