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Betriebshaftpflichtversicherung: Zeitpunkt des Eintritt des Versicherungsfalls

LG Hannover, Az.: 6 O 205/14

Urteil vom 18.03.2015

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Die Kosten der Streithilfe sind der Streithelferin zu tragen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist selbständiger Fliesenleger. Er führte im April 2005 Fliesenarbeiten in der Duschanlage für Mitarbeiter der … (im Folgenden …) in der … Straße 2 in … als Subunternehmer des … aus. Die Arbeiten, nämlich Erneuerung von 10 qm Wandfliesen und 3 qm Bodenfliesen, wurden durch Rechnung vom 02.05.2005 gegenüber … in Höhe von 1.531,09 € abgerechnet.

In dem Zeitraum vom 01.01.2005 bis 01.01.2006 bestand für den Kläger bei … und vom 01.01.2006 bis 01.01.2011 bei … eine Berufshaftversicherung.

Seit dem 01.01.2011 besteht eine Berufshaftpflichtversicherung mit dem Tarif „Handwerkerpolice plus“ bei der Beklagten. Gegenstand dieses Versicherungsvertrages sind auch die Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen (AHB) Stand Januar 2008, die Risikobeschreibung zur Betriebshaftpflichtversicherung: HANDWERKERPOLICE PLUS Juli 2009 (Anlage K 21) und die BVR 006- Ausgabe Juli 2001.

In den Versicherungsbedingungen der Beklagten heißt es:

§ 1 Nr. 1 AHB:

„Der Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen (Personenschaden) oder die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Sachschaden) oder (…) zur Folge hatte, für diese Folgen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.“

(…)

§ 5 Nr. 1 AHB:

„Versicherungsfall im Sinne dieses Vertrages ist das Schadenereignis, das Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte.“

Betriebshaftpflichtversicherung: Zeitpunkt des Eintritt des Versicherungsfalls
Symbolfoto: Pixabay

Mit Schreiben vom 08.09.2011 teilte … dem Kläger mit, das … ihm gegenüber einen Wasserschaden angezeigt habe, der mit den im Jahre 2005 durch den Kläger ausgeführten Arbeiten im Zusammenhang stehen könnte. Danach soll der Kläger die Wandflächen vor dem Verfliesen nicht wasserdicht isoliert haben. Hierfür wäre ein Sanierungsaufwand in Höhe von 23.000,- € erforderlich.

Am 26.09.2011 meldete der Kläger seiner zum Zeitpunkt der Ausführung der Arbeiten bestehenden Betriebshaftpflichtversicherung, …, den möglichen Versicherungsfall.

Am 28.12.2011 übersandte der Prozessbevollmächtigte des … dem Kläger ein Schreiben der … vom 05.12.2011, in dem diese ausführt, dass sich im August 2011 die Fliesen vom Boden und unteren Wandbereich gelockert hätten und beim Abnehmen der Fliesen festgestellt worden sei, dass die Gipskartonplatten hinter den Fliesen durchfeuchtet gewesen seien und sich auf der Metallkonstruktion bis zu einer Höhe von 2 Metern Rost gebildet hätte. Dieser Befund spreche für eine mangelhafte Ausführung der Fliesenlegerarbeiten. Über den Wasserschaden wurde ein von der … beauftragtes Gutachten des Dr. Ing … eingeholt, der darin unter anderem fehlerhafte Fliesenlegerarbeiten, aber auch z.B. eine undichte Lötnaht einer Wasserleitung im Estrich feststellte (Anl. K 9).

Mit Schreiben vom 05.11.2012 bat der Kläger die Beklagte um Übernahme der Regulierung. Diese lehnte mit Schreiben vom 04.06.2013 ihre Eintrittspflicht im Hinblick auf den Ausführungszeitraum der Arbeiten ab. Am 01.07.2013 lehnte die Beklagte nochmals unter Hinweis auf § 4 I Nr. 5 AHB den Versicherungsschutz ab.

Mit Schreiben vom 30.05.2013 forderte die Eigentümerin des Grundstücks … Straße 2, die … GbR (im Folgenden …), den Kläger auf, wegen des Wasserschadens 106.544,13 € zu zahlen (Anl K 22, Bl. 96)

Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm sei Versicherungsschutz zu gewähren, da es gemäß § 1 Ziffer 1 der AVB auf den Eintritt des Schadensereignisses und zwar darauf ankomme, wann der Geschädigte erstmalig den Eintritt des Schadensereignisses festgestellt habe. Nur so könnten die Versicherungsbedingungen von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer verstanden werden. Schadensereignis könne nur ein Ereignis sein, das zur Auslösung des gegen den Versicherungsnehmer gerichteten Haftpflichtanspruchs geeignet sei. Auf den Ausschluss nach § 4 Abs. 1 Ziffer 5 AHB könne sich die Beklagte wegen der Regelungen der Handwerker-Police – Plus nicht berufen. Dem Kläger sei keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Die Arbeiten habe sein Mitarbeiter … ausgeführt, dem das erforderliche Material zur Verfügung gestanden habe und der zuverlässig arbeite.

Die auf Seiten des Klägers beigetretene Streitverkündete bestreitet, dass bereits im Jahre 2005 Wasser durch die Fugen getreten sei. Die im Gutachten festgestellten Mängel, nämlich Feuchtigkeit und Verrostung der Metallkonstruktion, seien nicht auf die Arbeiten des Klägers zurückzuführen. Darüber hinaus greife der Ausschluss nach § 4 AHB. Im Übrigen habe der Kläger eine vorsätzliche Pflichtverletzung begangen.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger aus der Haftpflichtversicherung Nr. … bedingungsgemäßen Versicherungsschutz für den durch die Arbeiten des Klägers im Bereich der Duschanlage im Objekt … Straße 2 in … im April/Mai 2005 ausgeführten Arbeiten eingetretenen Schadensfall zu gewähren hat.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, das Schadensereignis sei in nicht versicherter Zeit eingetreten. In dem hier gegebenen vorweggenommenen Deckungsprozess sei auf die Behauptung des Geschädigten abzustellen. Dieser habe vorgetragen, es sei von Beginn an durch die Mörtelfugen zwischen den Fliesen in den Boden und im Wandbereich Wasser eingetreten. Danach sei sowohl nach der Kausalereignistheorie, als auch nach der Folgeereignistheorie Vorvertraglichkeit gegeben. Auf den Zeitpunkt der Anspruchserhebung komme es nicht an. Darüber hinaus seien Mangelfolgeschäden, die das Erfüllungsinteresse des Auftraggebers beträfen, in der Betriebshaftpflichtversicherung, die nur Schadensersatzansprüche erfasse, nicht versichert. Die Beklagte macht sich das Vorbringen des Klägers zu eigen, dass er ordnungsgemäß gearbeitet habe. Dann müsse er aber beweisen, dass die gegen ihn erhobenen Ansprüche auch bestünden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Denn der Versicherungsfall lag in vorvertraglicher Zeit.

1. Der Versicherungsfall im Sinne des § 1 Ziffer 1 AHB ist gegeben. Für den hier zu entscheidenden vorweggenommenen Deckungsprozess ist auf den Vortrag des Geschädigten zum geltend gemachten Schaden abzustellen. Die Geschädigte, …, behauptet, ihr sei aufgrund unzulänglicher Abdichtarbeiten des Klägers im Bereich der Mitarbeiterduschen im Jahre 2005 ein Schaden entstanden. Danach soll der Kläger entgegen den Regeln des Bauhandwerks den Bereich hinter den Fliesen nicht ausreichend abgedichtet und nicht imprägnierte Trockenbauplatten eingebaut haben, Bodenabläufe nicht fachgerecht eingebaut und abgedichtet haben und eine Primärdichtung zwischen Wand- und Bodenfliese nicht angebracht haben.

2. Die Haftpflichtangelegenheit fällt jedoch nicht in den zeitlichen Deckungsumfang der bei der Beklagten angeschlossenen Haftpflichtversicherung.

Gemäß § 1 Nr. 1 AHB gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das einen Personen oder Sachschaden zur Folge hatte, auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten in Anspruch genommen wird. Danach kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, was unter dem Begriff „Schadenereignis“ im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen zu verstehen ist.

Grundsätzlich sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und in Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs sie verstehen muss. Es kommt auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Dabei ist neben dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang der mit der Klausel für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbare Zweck für die Auslegung maßgebend (BGH VersR 1993, 957; VersR 2002, 1503). Demgegenüber kommt der dem Versicherungsnehmer regelmäßig unbekannten Entstehungsgeschichte einer Klausel keine maßgebende Bedeutung zu (BGH NJW 2003, 139). Dementsprechend vermögen die in der juristischen Auseinandersetzung verwendeten Begriffe wie „Kausalereignis“ oder „Folgeereignis“, die sich in den Bedingungen nicht finden, das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ebenso wenig zu prägen wie die daran anknüpfenden Theorien, die er ebenfalls nicht kennen wird.

Der Wortlaut des § 1 Ziff. 1 AHB lässt den Versicherungsnehmer erkennen, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem versicherten Zeitraum und einem „Schadenereignis“ besteht. Ohne nähere Erläuterung könnte er unter diesem Begriff das Ereignis verstehen, das den Schaden verursacht, aber auch ein solches, das den Schaden eintreten lässt, oder das den Schaden offenbar werden lässt. Er könnte auch daran denken, dass das Schadenereignis darin zu sehen ist, dass jemand gegen ihn Schadensersatzforderungen geltend macht, denn erst dann sind seine Interessen tatsächlich berührt und ist Deckungsschutz erforderlich. Den Versicherungsbedingungen ist jedoch dann zu entnehmen, dass das Schadenereignis ein Vorkommnis ist, das Folgen zeitigt. Es soll ersichtlich den in § 1 Nr. 1 AHB genannten Schädigungen bzw. Schäden vorausgehen. Ohne weitere Erläuterung wird der Versicherungsnehmer daher davon ausgehen, dass der Schaden, auf dessen Ersatz er in Anspruch genommen wird, im Zeitpunkt des Schadenereignisses regelmäßig noch nicht eingetreten sein soll, das „Schadenereignis“ somit eng mit der Schadensverursachung zusammenhängt (vgl. OLG Karlsruhe, 12 U 117/04)

Der Versicherungsnehmer, der eine Betriebshaftpflicht abschließt, geht nach dem Wortlaut von § 1 Ziff. 1 AHB davon aus, dass es sich bei dem Schadenereignis nur um ein solches handeln kann, das auf sein Verhalten zurückzuführen und geeignet ist, den geltend gemachten Anspruch auszulösen. Unter dem Schadenereignis wird er daher ein Ereignis verstehen, das die zeitlich spätere Schädigung herbeigeführt hat und geeignet war, den erhobenen Haftpflichtanspruch auszulösen (vgl. auch BGHZ 153, 182). Ein solches Ereignis wird er in einer Handlung oder einem Unterlassen im Verhältnis zum Geschädigten sehen. Im zu entscheidenden Fall ist das Schadenereignis in der Vornahme der unzulänglichen Fliesenlegearbeiten zu sehen.

Die vorstehende Interpretation der Versicherungsbedingungen entspricht auch der berechtigten Leistungserwartung des Versicherungsnehmers und dem erkennbaren Interesse des Versicherers.

Der Versicherungsnehmer einer Betriebshaftpflichtversicherung hat ein berechtigtes Interesse, dass in den Fällen, in denen das haftungsbegründende Ereignis in den versicherten Zeitraum fällt, der Versicherer vollen Versicherungsschutz gewährt und zwar auch dann, wenn die schädigenden Folgen erst nach Vertragsablauf hervortreten. Ansonsten müsste der jeweilige Versicherungsnehmer allein schon in Anbetracht der einschlägigen Verjährungsbestimmungen nach der Einstellung seines Betriebes die Haftpflichtversicherung entsprechend weiterführen (gegebenenfalls bis 30 Jahre nach Betriebsende). Von einer derartigen Notwendigkeit wird er aber bei verständiger Würdigung der Bedingungen nicht ausgehen.

Aus der Sicht eines Versicherungsnehmers besteht ein erkennbares Interesse des Versicherers daran, im Rahmen der Risikoprüfung bei Eingehung des Versicherungsvertrages den Betrieb vor Augen zu haben, mit dem er den Vertrag abschließt. Ohne anderslautenden Hinweis wird sich ihm nicht aufdrängen, der Versicherer wolle das Risiko für zu Tage tretende Schäden übernehmen, die ein Betrieb von möglicherweise noch ganz anderem Zuschnitt hinsichtlich Personalbestand, Ausbildungsstand, Qualitätssicherung und Sorgfaltsstandard in nicht überschauter Vergangenheit verursacht hat.

Nach dem Sinnzusammenhang der mit der Klausel für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbare Zweck ist auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung durch Vornahme der unzulänglichen Fliesenarbeiten abzustellen, so dass das Schadenereignis eintrat, als bei der Beklagten noch kein Versicherungsvertragsverhältnis bestand.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 101, 709 ZPO.

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