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Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Anforderungen an Leistungseinstellung

LG Waldshut-Tiengen, Az.: 1 O 203/15

Urteil vom 11.05.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 13.270,95 Euro zu bezahlen nebst Zinsen für das Jahr in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 1.537,95 Euro seit dem 1. Mai 2015,

aus 1.537,95 Euro seit dem 1. Juni 2015,

aus 1.537,95 Euro seit dem 1. Juli 2015,

aus 1.537,95 Euro seit dem 1. August 2015,

aus 1.537,95 Euro seit dem 1. September 2015,

aus 1.537,95 Euro seit dem 1. Oktober 2015,

aus 1.537,95 Euro seit dem 1. November 2015 sowie

aus 2.505,30 Euro seit dem 25. November 2015.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zwischen dem 1. November 2015 und dem 1. Dezember 2022 die bedingungsgemäßen monatlichen Versicherungsleistungen aufgrund seiner dauerhaften Berufsunfähigkeit aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu dem Versicherungsvertrag mit der Nummer 03 729 167-0 vom 9. Dezember 1998 zu erbringen.

Ferner wird festgestellt, dass der Kläger seit dem 1. Mai 2015 von seiner Beitragspflicht aus dem Versicherungsvertrag vom 9. Dezember 1998 mit der Nummer 03 729 167-0 befreit ist.

Außerdem wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger 1.954,46 Euro an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen nebst Zinsen für das Jahr in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. November 2015.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege der Zahlungs- und Feststellungsklage bedingungsgemäße Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Anforderungen an Leistungseinstellung
Symbolfoto: starfotograf/bigstock

Der Kläger unterhält bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. bei der Beklagten seit 1. Dezember 1998 eine Rentenversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Anl. K 1, AS 19 ff.). Am 26. März 2001 erlitt der Kläger, der damals wie heute als Maurermeister selbständig tätig ist, einen Arbeitsunfall, bei der an der linken Schulter schwer verletzt wurde (Schulterfraktur mit Gelenkbeteiligung).

Zunächst erkannte die Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. die Beklagte mit Schreiben vom 11. März 2003 ihre Leistungspflicht für die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 1. April 2003 an. Mit weiterem Schreiben vom 28. März 2003 erklärte sie ein unbefristetes Anerkenntnis ihrer Leistungspflicht über den 1. April 2003 hinaus, das sie mit weiterem Schreiben vom 6. September 2006 bestätigte (s. 3 f. des Schreibens vom 26. Januar 2015, Anl. K 3, AS 43 ff., 279 = Anl. B 1, Anl.heft).

Mit Schreiben vom 26. Januar 2015 hat die Beklagte dem Kläger erklärt, ihre Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zum 1. Mai 2015 einzustellen. Fortan sei der monatliche Beitrag von 357,90 Euro zu zahlen, um den Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten (Anl. K 3, AS 43 ff., 279 = Anl. B 1, Anl.heft). Der Kläger hat daraufhin die Beitragszahlungen wieder aufgenommen, jedoch zugleich der Beklagten angezeigt, sie weiterhin als leistungspflichtig und sich selbst als beitragsfrei anzusehen (Anl. K 4, AS 59 ff.).

Der Kläger behauptet, weiterhin unfallbedingt zu mehr als 50% berufsunfähig zu sein. Auch habe er seinen Handwerksbetrieb nicht so umorganisiert, dass er daraus auch nur annähernd das erlöse, was er vor dem Unfall daraus erwirtschaftet habe. In den Jahren 1997 bis 2000 habe er jährlich durchschnittlich knapp 76.000 Euro an Einkünften erzielt. Seine jetzigen Einkünfte fielen deutlich niedriger aus. So hätten seine Einkünfte in den verhältnismäßig erfolgreichen Jahren 2010 bis 2013 durchschnittlich nur etwa 20.000 Euro betragen, im Jahr 2014 nur rund 17.000 Euro. Er selbst habe in dem Jahr durchschnittlich nur knapp zwei Facharbeiterstunden pro Tag leisten und abrechnen können, seine beiden Mitarbeitern sogar noch weniger Stunden. Außerdem habe er – anders als in der Zeit vor dem Unfall – von teuren Investitionen abgesehen. Ansonsten hätte er noch geringere Einkünfte erzielt.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.270,95 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus einem Betrag von 1.537,95 Euro seit dem 01.05.2015, aus einem Betrag von 1.537,95 Euro seit dem 01.06.2015, aus einem Betrag von 1.537,95 Euro seit dem 01.07.2015, aus einem Betrag von 1.537,95 Euro seit dem 01.08.2015, aus einem Betrag von 1.537,95 Euro seit dem 01.09.2015, aus einem Betrag von 1.537,95 Euro seit dem 01.10.2015, aus einem Betrag von 1.537,95 Euro seit dem 01.11.2015 sowie aus einem Betrag von 2.505,30 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zwischen dem 01.11.2015 und dem 01.12.2022 die bedingungsgemäßen, monatlichen Versicherungsleistungen aufgrund der dauerhaften Berufsunfähigkeit des Klägers aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu dem Versicherungsvertrag mit der Nummer 03 729 167-0 vom 09.12.1998 zu erbringen;

3. festzustellen, dass der Kläger seit dem 01.05.2015 von seiner Beitragspflicht aus dem Versicherungsvertrag mit der Nummer 03 729 167-0 vom 09.12.1998 befreit ist;

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 1.954,46 Euro an nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, der klägerische Handwerksbetrieb habe seit dem Jahr 2006 steigende Umsatzerlöse erwirtschaftet. Es könne nicht richtig sein, dass der Kläger, wie von ihm behauptet, nur stundenweise arbeite. Seit dem Unfall habe sich das Restleistungsvermögen des Klägers deutlich verbessert. Seiner gesundheitlichen Disposition entsprechend habe er das eigene Unternehmen erfolgreich umorganisiert und die Umsätze in den Jahren 2009 bis 2014 im Vergleich zu den Vorjahren 2006 bis 2008 deutlich gesteigert und stabilisiert.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2016 verwiesen (AS 275).

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

II.

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen die zeitliche Reichweite des Feststellungsbegehrens. Sie hindert die Beklagte als Versicherer zukünftig nicht, die eigene Leistungspflicht nachzuprüfen und ihre Leistungen einzustellen. So ist im Zusammenhang mit der Verurteilung von Versicherern zur zukünftigen Leistung (Zahlung) anerkannt, dass sie auf der Grundlage eines Nachprüfungsverfahrens und einer wirksamen Einstellungsmitteilung Vollstreckungsabwehrklage erheben können (vgl. Rixecker, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 46 Rn. 185).

III.

Die Klage ist auch begründet.

1.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten weiterhin Anspruch auf die Leistungen aus der Berufungsunfähigkeitszusatzversicherung, zum einen auf Zahlung rückständiger Berufsunfähigkeitsrenten in Höhe von 10.765,65 Euro für die Monate Mai bis November 2015 (7 x 1.537,95 Euro), zum anderen auf Zahlung weiterer Berufsunfähigkeitsrenten für die Zeit von Dezember 2015 bis zum Ende der Vertragslaufzeit.

Der Anspruch auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente ergibt sich aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (§ 1 Abs. 1 lit. b B-BUZ). Die Höhe der geschuldeten Zahlung entspricht dem, was die Beklagte bis zuletzt an Leistungen gewährt hatte.

Die Beklagte ist unverändert an die Erklärung im Schreiben vom 28. März 2003 gebunden, in dem sie die Berufsunfähigkeit des Klägers gemäß § 5 Abs. 1 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (B-BUZ) unbefristet anerkannt hat. Insoweit gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allgemein: § 5 B-BUZ verlangt vom Versicherer eine Erklärung darüber, ob, in welchem Umfang und von welchem Zeitpunkt ab er seine Leistungspflicht anerkennt. An ein solches – allein an den Vorgaben des § 2 B-BUZ zu orientierendes – Anerkenntnis bleibt der Versicherer grundsätzlich gebunden; gerade in dieser Bindung erschließt sich der Sinn der Regelung in § 7 B-BUZ. Ein Abrücken des Versicherers von einem solchen Anerkenntnis auf dem Wege des § 7 B-BUZ verlangt deshalb, dass sich in seinen Voraussetzungen nachträgliche Veränderungen ergeben haben. Da diese Voraussetzungen aber ihrerseits durch § 2 B-BUZ definiert werden, ergibt sich auch der im Rahmen des § 7 B-BUZ anzuwendende Maßstab für den Fortbestand der Berufsunfähigkeit unmittelbar und unverrückbar aus § 2 Abs. 1 B-BUZ (vgl. BGH, NVersZ 2000, 127, 128).

Von dieser einmal anerkannten Leistungspflicht ist die Beklagte nicht frei geworden. Leistungsfreiheit hätte sie nur unter den Voraussetzungen des § 7 B-BUZ erlangen können. Demzufolge hätte sie dem Kläger in der Mitteilung vom 26. Januar 2015 eine nachvollziehbare Begründung dafür geben müssen, warum ihre Leistungspflicht enden sollte. Dies hat folgenden Grund: Der Versicherer muss Sorge dafür tragen, dass auch der Versicherte seine Rechte aus dem Versicherungsverhältnis sachgerecht wahren kann. Dazu zählt, dass der Versicherer dem Versicherten die Informationen gibt, die er benötigt, um sein Prozessrisiko abschätzen zu können. Voraussetzung dafür ist die Nachvollziehbarkeit der Versichererentscheidung. Nachvollziehbarkeit ist für den Versicherten deshalb so bedeutsam, weil er es ist, der sich – wie in diesem Fall – mit einer Klage gegen die durch eine Mitteilung ausgelösten Rechtsfolgen zur Wehr setzen muss (vgl. BGH, r+s 1993, 197 unter 2). Zur Begründung der Nachprüfungsmitteilung muss der Versicherer seine Vergleichsbetrachtung und die aus ihr gezogenen Folgerungen aufzeigen. Nur anhand einer nachvollziehbaren Entscheidung kann der Versicherte erkennen und beurteilen, ob der Versicherer in Betrachtung seiner mit § 7 B-BUZ eingegangenen Selbstbindung vorgegangen ist oder nicht (vgl. BGH, r+s 1993, 315 unter 3 c; s.a. Lücke, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 174 Rn. 23 ff.; § 13 BU Rn. 19 f.; Rixecker, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, § 46 Rn. 183 ff.; ders., in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 174 Rn. 8; Gramse, in: Staudinger u.a., Fachanwalts- Kommentar Versicherungsrecht, 1. Aufl. 2013, § 13 BUV 2008 Rn. 38 ff.; Benkel/Hirschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl. 2011, § 6 BUZ 2008 Rn. 28). An einer in dieser Hinsicht inhaltlich ausreichenden Nachprüfungsmitteilung fehlt es hier.

Die Mitteilung vom 26. Januar 2015 ist schon viel zu umfangreich geraten. Trotz kleiner Schrift (Schriftgröße 10 pt) und trotz engen Zeilenabstandes (1,0) umfasst das Schreiben acht volle Textseiten. Bei üblichem Druckbild (Schriftgröße 11 pt bis 12 pt, Zeilenabstand von 1,3 Zeilen bis 1,5 Zeilen bzw. von 15 pt bis 18 pt) hätte das Schreiben einen geschätzten Umfang von zwölf oder mehr Textseiten. Die Lektüre eines solch langen ungegliederten Textes zur Begründung einer Leistungseinstellung ist einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht zuzumuten.

Ungeachtet dessen leidet die Einstellungsmitteilung an gravierenden inhaltlichen Fehlern. So konzentriert sie sich nicht auf einen Vergleich der Umstände einerseits, die dem Leistungsanerkenntnis zugrundelagen, und der Umstände andererseits, die die Leistungseinstellung rechtfertigen sollen. Vielmehr wird in großer Ausführlichkeit und ohne Hervorhebung von Schwerpunkten auf Folgendes eingegangen:

– auf den Begriff der Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 B-BUZ (S. 1),

– auf die Angaben des Klägers im Zusammenhang mit der Erstprüfung durch die Beklagte im Jahr 2001 (S. 1 f.),

– auf die Erkenntnisse aus dem im Auftrag der Beklagten eingeholten ärztlichen Bericht von Prof. W. vom 10. Januar 2002 (S. 2 f.),

– auf die weiteren Erkenntnisse aus dem im Auftrag der Beklagten eingeholten ärztlichen Bericht von Prof. R. vom 10. Januar 2002 (S. 3 f.),

– auf die Leistungsanerkenntnisse der Beklagten aus dem Jahr 2003 (S. 3),

– auf die weiteren Angaben des Klägers im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme seines Handwerksbetriebs im Laufe des Jahres 2004 und dessen ergänzende Angaben im Jahr 2006 (S. 3 f.),

– auf die weiteren Erkenntnisse aus dem im Auftrag der Beklagten eingeholten ärztlichen Bericht des Berufsförderwerkes B. W. vom Dezember 2005 (S. 4),

– auf das Leistungsanerkenntnis der Beklagten aus dem Jahr 2006 (S. 4),

– auf die Angaben des Klägers im Zusammenhang mit der aktuellen Nachprüfung im November 2013 (S. 4 f.),

– auf die der Beklagten durch den Kläger überlassenen Umsatz-, Einkommens- , Mitarbeiter- und Facharbeiterstundenzahlen (S. 5 f.),

– auf die Zweifel der Beklagten an der Richtigkeit der klägerischen Angaben und den Inhalt eines ihr von ihm auf Anforderung überlassenen Tätigkeitsplans für die Monate August bis Oktober (S. 6),

– auf die weiteren Erkenntnisse aus dem im Auftrag der Beklagten eingeholten ärztlichen Bericht von Herrn Dr. R. vom Januar 2015 (S. 6 f.),

– auf die Folgerung der Beklagten, der Kläger könne die heutigen Tätigkeiten mehr als halbschichtig ausüben, er habe innerhalb seines Betriebes die Aufgaben erfolgreich umverteilt und den Betrieb umorganisiert, er könne im Ergebnis vollschichtig in seinem Beruf als selbständiger Maurermeister tätig sein (S. 7 f.),

– darauf, dass es am Kläger sei, vorzutragen und zu beweisen, dass ihm eine Umorganisation des Betriebes unzumutbar sei (S 7),

– darauf, dass der Beklagten nicht nachgewiesen worden sei, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers noch eine fünfzigprozentige Berufsunfähigkeit ausmachten (S. 7), und sie dergleichen bestreite (S. 8),

– auf die bevorstehende Leistungseinstellung und deren weiteren Konsequenzen für den Kläger (S. 8).

Schon diese Inhaltsangabe zeigt, wie unübersichtlich und thematisch überfrachtet die Einstellungsmitteilung geraten ist. In der Zusammenschau handelt sich um eine nur zeitlich geordnete Darstellung des Versicherungsfalls aus Sicht der Beklagten, an deren Ende ein Durcheinander von Versatzstücken aus tatsächlichen Feststellungen und Mutmaßungen, aus rechtlichen Prämissen und gerichtlichen Obersätzen steht, die teilweise – mit Anführungszeichen versehen – wörtlich zitiert werden. Eine strukturierte Begründung der Einstellungsentscheidung fehlt.

Das Gericht hat diesen Punkt in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angesprochen. Daraufhin hat der Klägervertreter eingeräumt, auch ihm sei schwer gefallen, erst einmal einen Ansatz für die rechtliche Auseinandersetzung mit der Einstellungsmitteilung der Beklagten zu finden. Auch die Klageerwiderung tut sich damit schwer, die Gründe der Einstellungsentscheidung nachzuvollziehen. Genau darin aber spiegelt sich die Schwäche der Einstellungsmitteilung. Woran die Entscheidung der Beklagten als Versicherer ganz konkret anknüpfe und auf welcher aktuellen Tatsachenbasis im Vergleich zu welcher früheren Tatsachenbasis sie beruhe, wird nur angedeutet und angerissen, bleibt aber im Großen und Ganzen ungefähr, unscharf, diffus.

Überdies wird durch die Beklagte – sei es aus Unwissenheit, sei es gezielt – der Eindruck bei dem Versicherten hervorgehoben, er müsse darlegen und beweisen, weiterhin die Leistungsvoraussetzungen zu erfüllen (S. 7 f.: “Es ist auch Sache des bislang mitarbeitenden Betriebsinhabers, vorzutragen und zu beweisen“, “wurde uns nicht nicht nachgewiesen und wir bestreiten dies“). Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall (vgl. nur Rixecker, in: Römer/Langheid, § 174 VVG Rn. 8).

Dem Versicherten wird auch nicht verständlich erläutert, aus welchem rechtlichen Grund unter bestimmten Umständen eine Umorganisation des Betriebes dem Wegfall der Berufsunfähigkeit gleichstehen kann. In dem zu Beginn des Schreibens wörtlich zitierten § 2 Abs. 1 B-BUZ ist von einer solchen Umorganisation keine Rede.

Da die Einstellungsmitteilung schon keine inhaltlich ausreichende Begründung hat, kann dahinstehen, ob sich die maßgeblichen Umstände derart geändert haben, dass sie die Beklagte als Versicherer zur Leistungseinstellung berechtigt hätten (vgl. BGH, r+s 1993, 197 unter 1 a).

2.

Die fortbestehende Bindung der Beklagten an ihr Leistungsanerkenntnis führt dazu, dass der Kläger von der Beitragszahlungspflicht über den 1. Mai 2015 hinaus befreit geblieben ist und weiterhin befreit ist (vgl. § 1 Abs. 1 lit. a B-BUZ). Die von ihm für die Monate Mai bis November 2015 unter Vorbehalt geleisteten Beitragszahlungen in Höhe von insgesamt 2.505,30 Euro (7 x 357,90 Euro) kann er gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB von der Beklagten zurückverlangen. Jedenfalls wegen des vom Kläger erklärten Vorbehalts steht der Rückforderung § 814 BGB nicht entgegen.

3.

Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Da die Beklagte an ihr Leistungsanerkenntnis gebunden geblieben ist, ist sie mit der Zahlung der monatlich fällig werdenden Berufsunfähigkeitsrente jeweils in Verzug geraten.

Unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadensersatzes (§§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und der Vertragspflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) hat der Kläger darüber hinaus Anspruch auf Ersatz der Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 1.954,46 Euro. Die Vertragspflichtverletzung liegt in der Einstellung der Leistungen aufgrund der unwirksamen Einstellungsmitteilung.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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