Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 C 533/22 (12)
Übersicht
- ✔ Kurz und knapp
- Obliegenheitsverletzung führt zum Verlust des Versicherungsschutzes
- ✔ Der Fall vor dem Gericht
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Obliegenheitsverletzung bei Zahnzusatzversicherung
- Was ist eine Obliegenheitsverletzung bei einer Zahnzusatzversicherung?
- Welche Folgen kann eine Obliegenheitsverletzung bei Vertragsabschluss für den Versicherungsnehmer haben?
- Welche Angaben müssen bei Abschluss einer Zahnzusatzversicherung wahrheitsgemäß gemacht werden?
- Wann liegt eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vor und was bedeutet das?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Gericht
✔ Kurz und knapp
- Vorsätzliche Obliegenheitsverletzung der Kläger begründet Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 VVG.
- Kläger verletzten Obliegenheit, indem sie bei Vertragsabschluss falsche Angaben zu ihrer Krankenversicherung machten.
- Die Hinweispflicht nach § 28 Abs. 4 VVG bezieht sich nur auf Obliegenheitsverletzungen nach Vertragsabschluss.
- Beklagte darf daher erbrachte Leistungen nach § 812 Abs. 1 BGB kondizieren.
- Anspruch auf Versicherungsleistung aufgrund vorsätzlicher Falschangaben bei Vertragsabschluss ausgeschlossen.
- Rückforderungsanspruch des Versicherers auf bereits gezahlte Leistungen wegen Fehlens eines Rechtsgrundes besteht.
Obliegenheitsverletzung führt zum Verlust des Versicherungsschutzes
Eine Zahnzusatzversicherung bietet einen wertvollen Schutz für die Gesundheit der Zähne und kann Patienten vor hohen Kosten bewahren. Allerdings müssen Versicherungsnehmer bestimmte Regeln und Pflichten einhalten, um Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Leistungen zu haben. Eine besonders wichtige Obliegenheit ist die wahrheitsgemäße Angabe des Versicherungsstatus zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Werden hier falsche Angaben gemacht, kann dies schwerwiegende Folgen haben und den Versicherungsschutz gefährden. In einem aktuellen Gerichtsurteil hat sich ein Gericht mit genau dieser Thematik auseinandergesetzt und wegweisende Entscheidungen getroffen, die für Versicherungsnehmer und Versicherer von großer Relevanz sind. Der nachfolgende Beitrag analysiert dieses Urteil und zeigt auf, worauf Zahnzusatzversicherte besonders achten müssen.
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✔ Der Fall vor dem Gericht
Obliegenheitsverletzung bei Zahnzusatzversicherung: Ein komplizierter Fall

Im vorliegenden Fall geht es um die rechtliche Auseinandersetzung zwischen den Klägern und der Beklagten, einer Versicherungsgesellschaft, bezüglich einer Zahnzusatzversicherung. Die Kläger hatten am 18.01.2016 einen Antrag auf eine Zahnzusatzversicherung gestellt, welcher am 22.01.2016 von der Beklagten bestätigt wurde. Dabei gaben die Kläger an, Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zu sein. Dies war jedoch nicht der Fall, da beide Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und danach beihilfeberechtigt und privatversichert waren.
Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Beklagten schlossen eine Versicherung für Personen, die nicht gesetzlich versichert sind, explizit aus. Im Jahr 2021 forderte die Klägerin zu 2. von der Beklagten die Zahlung eines Differenzbetrages in Höhe von 405,51 €, was von der Beklagten abgelehnt wurde. Die Beklagte kündigte daraufhin den Versicherungsvertrag wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung und forderte die Rückzahlung bereits erbrachter Leistungen in Höhe von 201,95 €.
Gerichtliche Entscheidung: Abweisung der Klage
Das Gericht wies die Klage der Kläger ab. Die Entscheidung basierte auf der Feststellung, dass die Kläger bei Vertragsabschluss eine Obliegenheitsverletzung begangen hatten, indem sie falsche Angaben zu ihrem Versicherungsstatus gemacht hatten. Dies begründete gemäß § 28 Abs. 2 VVG die Leistungsfreiheit der Beklagten.
Die AVB der Beklagten bestimmten klar, dass Versicherte, die eine der Obliegenheiten vorsätzlich verletzen, keine Leistungen aus dem Versicherungsvertrag beanspruchen können. Die Kläger hatten im Antrag auf Abschluss der Zahnzusatzversicherung angegeben, gesetzlich versichert zu sein, obwohl sie tatsächlich privatversichert waren. Diese falsche Angabe wurde als vorsätzliche Obliegenheitsverletzung gewertet.
Rechtliche Abwägungen und Konsequenzen
Das Gericht hatte bei seiner Entscheidung verschiedene Aspekte abzuwägen. Zunächst musste geklärt werden, ob die Beklagte die Kläger gemäß § 28 Abs. 4 VVG vorab schriftlich auf die Folgen einer Obliegenheitsverletzung hätte hinweisen müssen. Das Gericht stellte fest, dass diese Hinweispflicht nur bei Obliegenheitsverletzungen nach Vertragsschluss gilt, nicht jedoch bei solchen vor Vertragsschluss. Da die Obliegenheitsverletzung bereits bei Antragstellung erfolgte, war die Beklagte von dieser Hinweispflicht befreit.
Weiterhin entschied das Gericht, dass die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 BGB berechtigt war, die bereits erbrachten Leistungen in Höhe von 201,95 € zurückzufordern, da die Leistungen ohne Rechtsgrund erfolgt waren. Die Kläger waren aufgrund der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung nicht berechtigt, diese Leistungen zu behalten.
Kostenentscheidung und Vollstreckbarkeit
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei die Kläger die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden können. Diese Entscheidung beruht auf § 91 ZPO bezüglich der Kostenentscheidung sowie den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO in Bezug auf die vorläufige Vollstreckbarkeit.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Die Entscheidung verdeutlicht, dass vorsätzlich falsche Angaben beim Abschluss einer Versicherung als Obliegenheitsverletzung gewertet werden und zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Daraus folgt, dass Versicherungsnehmer wahrheitsgemäße Angaben machen müssen, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Zudem kann der Versicherer zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern. Das Urteil zeigt die Wichtigkeit von Transparenz und Aufrichtigkeit im Versicherungsverhältnis.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Obliegenheitsverletzung bei Zahnzusatzversicherung
Was ist eine Obliegenheitsverletzung bei einer Zahnzusatzversicherung?
Eine Obliegenheitsverletzung bei einer Zahnzusatzversicherung tritt auf, wenn der Versicherungsnehmer seine vertraglich festgelegten Pflichten nicht erfüllt. Diese Pflichten, auch Obliegenheiten genannt, sind in den Versicherungsbedingungen festgeschrieben und müssen beachtet werden, um den vollen Versicherungsschutz zu erhalten.
Ein typisches Beispiel für eine Obliegenheitsverletzung in der Zahnzusatzversicherung ist die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Dies bedeutet, dass der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrags alle relevanten Informationen, wie etwa bestehende Vorerkrankungen oder laufende Behandlungen, vollständig und wahrheitsgemäß angeben muss. Werden solche Informationen verschwiegen oder falsch angegeben, kann dies als Obliegenheitsverletzung gewertet werden.
Ein weiteres Beispiel ist die Verletzung der Mitwirkungspflicht während der Vertragslaufzeit. Dies umfasst die Pflicht, bei der Klärung von Sachverhalten mitzuwirken, etwa durch das Einreichen von Belegen oder das Ausfüllen von Schadensfragebögen. Werden diese Pflichten nicht erfüllt, kann der Versicherer die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen.
Die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung hängen vom Grad des Verschuldens ab. Bei einfacher Fahrlässigkeit leistet der Versicherer in der Regel weiterhin, kann jedoch den Vertrag kündigen. Bei grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlicher Verletzung der Obliegenheiten kann der Versicherer die Leistung verweigern und den Vertrag anfechten. Dies kann dazu führen, dass der Versicherungsnehmer bereits erhaltene Leistungen zurückzahlen muss und keinen weiteren Anspruch auf Versicherungsleistungen hat.
Welche Folgen kann eine Obliegenheitsverletzung bei Vertragsabschluss für den Versicherungsnehmer haben?
Eine Obliegenheitsverletzung bei Vertragsabschluss einer Zahnzusatzversicherung kann für den Versicherungsnehmer erhebliche Folgen haben. Diese Obliegenheiten umfassen insbesondere die vorvertragliche Anzeigepflicht, bei der der Versicherungsnehmer alle relevanten Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß beantworten muss. Werden diese Obliegenheiten verletzt, kann dies verschiedene rechtliche und finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen.
- Leistungsfreiheit des Versicherers: Wenn der Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss wesentliche Informationen verschweigt oder falsche Angaben macht, kann der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit sein. Dies bedeutet, dass der Versicherer im Schadensfall keine Leistungen erbringen muss. Dies gilt insbesondere, wenn die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen wurde.
- Rückforderung bereits erbrachter Leistungen: Hat der Versicherer bereits Leistungen erbracht und stellt sich später heraus, dass der Versicherungsnehmer seine vorvertraglichen Obliegenheiten verletzt hat, kann der Versicherer die bereits gezahlten Beträge zurückfordern. Dies ist besonders relevant, wenn die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich oder arglistig begangen wurde.
- Kündigung des Vertrags: Der Versicherer hat das Recht, den Vertrag zu kündigen, wenn der Versicherungsnehmer seine vorvertraglichen Obliegenheiten verletzt hat. Dies kann auch rückwirkend geschehen, wenn die Obliegenheitsverletzung grob fahrlässig oder vorsätzlich war. Eine Kündigung kann innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme der Obliegenheitsverletzung erfolgen.
- Anfechtung des Vertrags: Bei arglistiger Täuschung, also wenn der Versicherungsnehmer bewusst falsche Angaben gemacht hat, kann der Versicherer den Vertrag anfechten. Dies bedeutet, dass der Vertrag von Anfang an als nichtig betrachtet wird, und der Versicherungsnehmer muss möglicherweise alle erhaltenen Leistungen zurückzahlen.
- Erhöhte Prämien oder Risikozuschläge: In einigen Fällen kann der Versicherer anstelle einer Kündigung oder Anfechtung auch erhöhte Prämien oder Risikozuschläge verlangen, um das erhöhte Risiko abzudecken, das durch die Obliegenheitsverletzung entstanden ist.
Diese Konsequenzen verdeutlichen, wie wichtig es ist, bei Vertragsabschluss einer Zahnzusatzversicherung alle relevanten Informationen vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden und finanzielle Nachteile zu vermeiden.
Welche Angaben müssen bei Abschluss einer Zahnzusatzversicherung wahrheitsgemäß gemacht werden?
Bei Abschluss einer Zahnzusatzversicherung müssen bestimmte Angaben wahrheitsgemäß gemacht werden, um eine Obliegenheitsverletzung zu vermeiden. Diese Angaben sind entscheidend für die Risikobewertung durch den Versicherer und umfassen insbesondere den Gesundheitszustand und den bestehenden Versicherungsstatus des Antragstellers.
Der Versicherungsnehmer muss alle Fragen zu seinem aktuellen Zahnstatus und zu früheren Zahnbehandlungen vollständig und korrekt beantworten. Dazu gehören Informationen über fehlende Zähne, laufende oder angeratene Behandlungen sowie frühere Zahnerkrankungen. Diese Angaben sind notwendig, damit der Versicherer das Risiko einschätzen kann, das mit der Versicherung übernommen wird.
Es muss angegeben werden, ob der Versicherungsnehmer gesetzlich oder privat versichert ist. Diese Information ist wichtig, da sie die Art und den Umfang der Leistungen beeinflussen kann, die von der Zahnzusatzversicherung übernommen werden.
Alle bekannten Vorerkrankungen und bereits durchgeführte oder geplante Behandlungen müssen offengelegt werden. Dies schließt auch Informationen über abgelehnte Versicherungsanträge bei anderen Gesellschaften ein, da diese für die Risikobewertung relevant sein können.
Es ist von größter Bedeutung, dass alle Angaben vollständig und wahrheitsgemäß gemacht werden. Eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht kann schwerwiegende Folgen haben, wie die Kündigung des Vertrags, die Leistungsverweigerung oder die Rückforderung bereits erbrachter Leistungen. Der Versicherer kann den Vertrag anfechten, wenn sich herausstellt, dass der Versicherungsnehmer bewusst falsche Angaben gemacht hat.
Diese Angaben sind notwendig, um sicherzustellen, dass der Versicherer eine fundierte Entscheidung über die Annahme des Versicherungsantrags treffen kann und der Versicherungsnehmer im Schadensfall den vollen Versicherungsschutz erhält.
Wann liegt eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vor und was bedeutet das?
Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer bewusst und willentlich gegen die vertraglich festgelegten Pflichten verstößt. Dies bedeutet, dass der Versicherungsnehmer wissentlich falsche Angaben macht oder wichtige Informationen verschweigt, die für den Versicherer entscheidend sind. Ein Beispiel hierfür ist das absichtliche Verschweigen von Vorerkrankungen oder laufenden Behandlungen bei Abschluss einer Zahnzusatzversicherung.
Die Rechtsfolgen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung sind gravierend. Der Versicherer ist in der Regel vollständig von seiner Leistungspflicht befreit, selbst wenn die Obliegenheitsverletzung keinen direkten Einfluss auf den Schadensfall hatte. Dies bedeutet, dass der Versicherer im Schadensfall keine Leistungen erbringen muss. Darüber hinaus hat der Versicherer das Recht, den Vertrag fristlos zu kündigen. In einigen Fällen kann der Versicherer auch bereits erbrachte Leistungen zurückfordern, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Versicherungsnehmer vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat.
Diese strengen Konsequenzen unterstreichen die Bedeutung der wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben bei Vertragsabschluss, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden und finanzielle Nachteile zu vermeiden.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 28 VVG: Dieser Paragraph regelt die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers und die Konsequenzen bei deren Verletzung. Im konkreten Fall ist die Obliegenheitsverletzung durch falsche Angaben zum Versicherungsstatus relevant, die zur Leistungsfreiheit der Versicherung führen kann.
- § 812 BGB: Dieser Paragraph behandelt die Herausgabeansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung. Da die Kläger keine Ansprüche auf die erhaltenen Leistungen hatten, kann die Beklagte diese gemäß § 812 BGB zurückfordern.
- AVB (Allgemeine Versicherungsbedingungen): Die Bedingungen legen fest, dass nur gesetzlich Versicherte Anspruch auf die Zahnzusatzversicherung haben. Eine Verletzung dieser Bedingungen durch falsche Angaben führte zur Kündigung und Leistungsverweigerung.
- § 91 ZPO: Dieser Paragraph regelt die Kostenentscheidung im Zivilprozess. Da die Klage abgewiesen wurde, tragen die Kläger die Kosten des Rechtsstreits.
- §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO: Diese Paragraphen betreffen die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils. Das Gericht legte fest, dass die Kläger die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden können.
- § 28 Abs. 4 VVG: Bezieht sich auf die Hinweispflicht der Versicherung bei Obliegenheitsverletzungen nach Vertragsschluss. Im Fall war diese Hinweispflicht nicht relevant, da die Verletzung bereits bei Vertragsabschluss erfolgte.
- § 28 Abs. 1 VVG: Ermöglicht der Versicherung die Kündigung des Vertrags bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung. Dies war im vorliegenden Fall gegeben.
- Beihilfeberechtigung: Die Kläger waren beihilfeberechtigt und privatversichert, was im Widerspruch zu den Voraussetzungen für den Abschluss der Zahnzusatzversicherung stand und zur rechtlichen Auseinandersetzung führte.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Gericht
AG Fritzlar – Az.: 8 C 533/22 (12) – Urteil vom 27.06.2023
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar;
die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger begehren von der Beklagten Zahlung aus einer Zahnzusatzversicherung sowie Feststellung, dass die Beklagte keinen Rückforderungsanspruch aus erbrachten Versicherungsleistungen gegen die Kläger hat.
Mit Antrag der Kläger vom 18.01.2016 (Bl. 17 d.A.) und Bestätigung der Beklagten vom 22.01.2016 schlossen die Kläger mit der Beklagten einen Zahnzusatz-Versicherungsvertrag, wobei beide Kläger im Antrag durch Unterzeichnung bestätigten, Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zu sein. Laut Ziffer 2.1 der AVB der abgeschlossenen Zusatzversicherung „…“ (hierzu Bl. 101 ff. d.A.) waren unter diesem Tarif nur gesetzlich versicherte Personen versicherungsfähig. Beide Kläger war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und in der Folge beihilfeberechtigt und privatversichert bei der „…“. Ziffer 2.2 nennt die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers sowie Ziffer 2.3 der AVB (Bl. 103 d.A.) die Folgen der Obliegenheitsverletzung entsprechend des § 28 VVG. Nachdem die Beklagte an die Kläger Versicherungsleistungen in Höhe von 201,95 € bereits erbracht hatte, begehrte die Klägerin zu 2. aus zahnärztlicher Behandlung mit Schreiben vom 01.08.2021 Zahlung eines Differenzbetrages aus den Gesamtkosten abzgl. Beihilfeleistungen und Zahlung der „…“, also Zahlung in Höhe von noch 405,51 €. Mit Schriftsatz vom 08.09.2021 lehnte die Beklagte den Ersatz dieser Kosten unter Hinweis auf § 28 Abs. 2 VVG ab und kündigte gleichzeitig das Versicherungsvertragsverhältnis der Parteien wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung der Kläger im Sinne des § 28 Abs. 1 VVG. Gleichzeitig forderte die Beklagte von den Klägern Rückzahlung der bisher erbrachten Leistung in Höhe von 201,95 €.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.11.2021 mahnten die Kläger die Zahlung der 405,51 € bei der Beklagten an und forderten diese gleichzeitig auf, auf die Rückforderung in Höhe von 201,95 € zu verzichten. Mit Schreiben vom 22.12.2021 lehnte die Beklagte entsprechende Leistungen ab.
Am 14.11.2022 haben die Kläger daraufhin Klage erhoben.
Sie sind der Ansicht, trotz Kündigungsrecht der Beklagten nach § 28 Abs. 1 VVG bestehe keine Leistungsfreiheit aus § 28 Abs. 2 VVG, da die Beklagte die Kläger nicht mit gesondertem Schreiben gemäß § 28 Abs. 4 VVG auf entsprechende Folgen der Obliegenheitsverletzung hingewiesen habe und die erbrachte und eingeklagte Leistung ihren Ursprung aus einer Zeit vor der Kündigung habe.
Die Kläger beantragen,
1. die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 405,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 24.11.2021 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Kläger nicht verpflichtet sind, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 201,95 € zurückzuzahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 191,35 € wegen entstandener vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Hinweispflicht nach § 28 Abs. 4 VVG beziehe sich nur auf Verletzungen einer Obliegenheit des Versicherungsnehmers nach Vertragsschluss aus Auskunfts- und Aufklärungspflichten, die Obliegenheitsverletzung der Kläger folge demgegenüber jedoch daraus, dass diese zum Zeitpunkt des Abschlusses des Zahnzusatz-Versicherungsvertrages entsprechend Ziffer 2.2 der AVB eine Versicherung für die gleichen oder vergleichbaren Leistungen bei einem anderen privaten Krankenversicherer gehabt hätten.
In der Sitzung vom 27.06.2023 hat das Gericht mit den Parteien die Sach- und Rechtslage erörtert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, da die Beklagte aufgrund einer Obliegenheitsverletzung der Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Sinne der Ziffer 2.3 der AVB (Bl. 103 d.A.) gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 VVG von ihrer Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertragsverhältnis frei ist. Gemäß § 812 Abs. 1 BGB ist die Beklagte daher auch berechtigt, von den Klägern die bisher erbrachten Leistungen in Form gezahlter 201,95 € zurückzufordern.
Im Rahmen des Abschlusses des Zahnzusatz-Versicherungsvertrages verletzten die Kläger vorsätzlich ihre Obliegenheit aus Ziffer 2.2 der AVB „…“, in dem sie in Kenntnis ihrer Privatversicherung bei der „…“, und damit bestehender Versicherung für gleiche oder vergleichbare Leistungen der streitgegenständlichen Zahnzusatz-Versicherung bei der Beklagten, den Abschluss dieses Zahnzusatz-Versicherungsvertrages beantragten. Bereits die Überschrift des vorgedruckten Antrages auf Abschluss der Zahnzusatz-Versicherung lautet „Antrag auf eine Zahnersatz-Versicherung für gesetzlich Krankenversicherte“. Weiterhin bestätigten beide Kläger im genannten Antrag durch Unterzeichnung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung versichert zu sein.
Unabhängig von dem unstreitigen Kündigungsrecht der Beklagten aufgrund dieser Obliegenheitsverletzung gemäß § 28 Abs. 1 VVG, folgt hieraus auch die Leistungsfreiheit der Beklagten, da der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag unter Ziffer 2.3 Satz 1 genannter AVB ausdrücklich bestimmt, dass Versicherte keine Leistungen erlangen, wenn eine der genannten Obliegenheiten vorsätzlich verletzt werden. Die genannte vorsätzliche Verletzung der Obliegenheit ist in der vorstehenden Ziffer der AVB benannt.
Die aus § 28 Abs. 2 S. 1 VVG folgende Leistungsfreiheit der Beklagten ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht abhängig von einer vorherigen gesonderten Mitteilung der Beklagten gegenüber den Klägern in Textform auf entsprechende Rechtsfolgen. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass nach § 28 Abs. 4 VVG diese Hinweispflicht nur für den Fall der Verletzung einer Obliegenheit des Versicherungsnehmers nach Vertragsschluss aus Auskunfts- und Aufklärungspflichten Voraussetzung einer Leistungsbefreiung oder Leistungskürzung durch die Beklagte ist. Die vorliegende Obliegenheitsverletzung erfolgte jedoch bereits vor Vertragsschluss, d.h. mit Antrag auf Abschluss der Zahnzusatz-Versicherung und betrifft eben keine Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheiten der Kläger als Versicherungsnehmer.
Da die Beklagte von ihrer Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertragsverhältnis gegenüber den Klägern befreit ist, fehlt es an einem Rechtsgrund der von der Beklagten zugunsten der Kläger erbrachten Versicherungsleistung in Höhe von 201,95 €, sodass die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 BGB im Wege der Leistungskondiktion diese erbrachte Versicherungsleistung von den Klägern zurückfordern kann und darf.
Da das Klagebegehren bereits in der Hauptsache unbegründet ist, sind auch die hiermit im Zusammenhang stehenden Nebenforderungen in Form von Zinsen sowie Ersatz anwaltlicher Geschäftsgebühr unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.