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Wohngebäudeversicherung – Wasserschaden – Beweislast für Vorschädigungen

OLG Celle, Az.: 8 U 94/16, Beschluss vom 10.10.2016

Die Berufung der Klägerin gegen das am 3. Mai 2016 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das landgerichtliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 35.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Leistungen aus einem Gebäudeversicherungsvertrag.

Die Parteien verbindet mit Wirkung ab dem … Juli 2003 eine Geschäfts-Gebäudeversicherung betreffend ein unter der postalischen Anschrift L. Straße … in W. belegenes und von der Klägerin betriebenes Restaurant. Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Leitungswasserversicherung (AWB) zugrunde. Hinsichtlich des Inhalts der AWB wird auf Bl. 73 – 78 d. A. und hinsichtlich des Inhalts des Versicherungsscheins wird auf Bl. 37 – 46 d. A. Bezug genommen.

Wohngebäudeversicherung – Wasserschaden – Beweislast für Vorschädigungen
Symbolfoto: AndreyPopov/Bigstock

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 (Bl. 79 d. A.) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass es am 15. Dezember 2011 gegen 9:00 Uhr zu einem Wasserschaden gekommen sei. Verursacher dieses Schadens sei die Fa. A. L. gewesen. Diese habe mit einem Absaugwagen den außerhalb des Gebäudes stehenden Fettabscheider entleeren wollen. Aufgrund eines defekten Rückschlagventils seien dabei Fett und Abwasser aus dem Absaugwagen zum Fettabscheider und von dort in die Abwasserleitungen gedrückt worden. Das stark verunreinigte Wasser sei dann aus den Waschbecken und den Toiletten im Kellergeschoss ausgetreten und habe sich in einer Höhe von 10 cm verbreitet.

Die Beklagte lehnte Leistungen mit Schreiben vom 6. Juli 2012 (Bl. 23 d. A.) ab. Was aus dem Tankwagen zurückgeflossen sei, seien Schlamm, Fette, Sedimente, Essensreste pp. gewesen. Um Leitungswasser habe es sich hingegen nicht gehandelt. Dementsprechend sei es auch nicht zu einem Leitungswasserschaden gekommen.

Die Klägerin hat gemeint, dass der Versicherungsfall eingetreten sei. Auch aus den Abflussrohren dringendes Wasser sei Leitungswasser im Sinne der Versicherungsbedingungen. Seinen Charakter verliere Wasser auch dann nicht, wenn es stark verunreinigt sei. Sie hat behauptet, dass sich der Neuwertschaden auf 98.103,48 € belaufe. Darüber hinaus begehrt sie Erstattung der Kosten für ein vorgerichtlich eingeholtes Schadensgutachten sowie Erstattung der vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr.

Die Klägerin hatte zunächst beantragt, die Beklagte in der Hauptsache zur Zahlung von 102.350,15 € zu verurteilen (Bl. 35 d. A.). Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2013 hat sie die Klage teilweise um 13.494,98 € zurückgenommen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 98.103,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2012 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.761,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.246,67 € nebst Zinsen „in Basiszinssatz“ ab Rechtshängigkeit zu zahlen, abzüglich der im Schriftsatz vom 6. Juni 2013 erklärten Klagrücknahme in Höhe von 13.494,98 €.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es fehle bereits am Eintritt eines Versicherungsfalls. Im Tankwagen habe sich kein Wasser befunden, sodass es nicht zu einem Leitungswasserschaden gekommen sei.

Darüber hinaus habe die Klägerin vorsätzlich gegen § 86 Abs. 2 VVG verstoßen, weil sie bestehende Ersatzansprüche gegen den Haftpflichtversicherer der Fa. A. L. nicht für die Beklagte erhalten, sondern durchgesetzt habe. Die Höhe des Zeitwertschadens werde bestritten. Der Neuwert stehe der Klägerin mangels Nachweises der Verwendung der Versicherungssumme für die Reparaturmaßnahmen nicht zu. Erstattung der Sachverständigenkosten könne die Klägerin nicht verlangen.

Mit Urteil vom 22. Oktober 2013 (Bl. 152 – 153 R d. A.) hat das Landgericht – in anderer Besetzung – die Klage abgewiesen und sich zur Begründung die Einwände der Beklagten zu eigen gemacht. Mit Urteil vom 6. März 2014 (Bl. 205 – 213 d. A.) hat der Senat das landgerichtliche Urteil aufgehoben, den Anspruch der Klägerin für dem Grunde nach gerechtfertigt befunden und im Übrigen den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

Daraufhin hat das Landgericht Beweis erhoben durch Verwertung eines in einem anderen Rechtsstreit eingeholten Sachverständigengutachtens sowie durch Anhörung des Sachverständigen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen C. B. vom 26. August 2015 (Bl. 221 – 255 d. A.), seine ergänzende Stellungnahme vom 8. Januar 2016 (Bl. 314 – 316 d. A.) und seine ergänzenden Ausführungen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. April 2016 (Bl. 435 – 438 R d. A.) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 3. Mai 2016 (Bl. 439 – 442 d. A.) hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 38.517,00 € (originärer Schaden), von 4.246,67 € (Sachverständigenkosten) sowie von 1.761,08 € (vorgerichtliche Anwaltskosten) verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Dem Sachverständigen zufolge belaufe sich der Schaden auf 88.628,38 €. Hiervon seien vorhandene Vorschäden mit einem Betrag von 35.911,21 €, die Neuwertspitze hinsichtlich der Heizung in Höhe von 703,19 € und die vom Haftpflichtversicherer der Fa. A. L. erbrachten Zahlungen abzuziehen. Hinzu kämen die vorgerichtlichen Anwaltskosten und die Sachverständigenkosten.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Das Landgericht habe zu Unrecht einen Betrag von 35.911,21 € in Abzug gebracht. Die von der Beklagten auf die Vorschäden erbrachten Zahlungen seien für die Sanierung verwendet worden. Hierfür habe die Klägerin auch Beweis angeboten. Dieses Beweisangebot hätte das Landgericht nicht übergehen dürfen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 3. Mai 2016 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über die erstinstanzlich zuerkannten Beträge hinaus weitere 32.596,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist offensichtlich unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler im Sinne von §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

1. Der Senat hat mit mittlerweile rechtskräftigem Grundurteil entschieden, dass der Klägerin gegen die Beklagte aufgrund des streitgegenständlichen Schadensfalls ein Anspruch gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit § 1 AWB zusteht. Weitergehender Ausführungen hierzu bedarf es nicht mehr.

2. Im Hinblick auf die Höhe des Anspruchs kommen folgende Erwägungen zum Tragen:

Gemäß § 11 Nr. 1 b) AWB schuldet die Beklagte im Versicherungsfall bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls zuzüglich einer etwaigen, nicht auszugleichenden Wertminderung.

a) Im Ausgangspunkt kann die Klägerin lediglich Erstattung des Zeitwerts der Reparaturkosten in Höhe von 75.508,20 € verlangen.

Gemäß § 11 Nr. 6 AWB kann der Versicherungsnehmer den Neuwertschaden (nur) verlangen, wenn er die Wiederherstellung des Gebäudes in gleicher Art und Zweckbestimmung innerhalb von drei Jahren sicherstellt. Die Sicherstellung setzt einen ernsthaften Willen zur Wiederherstellung etwa durch Vergabe von Bauleistungen voraus. Es muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine bestimmungsgemäße Verwendung der Entschädigung zu erwarten sein (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2011, Az. IV ZR 148/10).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zur Auftragserteilung nicht schlüssig vorgetragen. Sie hat zwar entsprechende Angebote diverser Firmen und auch entsprechende Annahmeerklärungen ihrerseits vorgelegt (Bl. 131 – 143 d. A.). Die Klägerin hat aber in jeder ihrer Annahmeerklärung die Erteilung des Auftrags zusätzlich von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht. Diese Bedingung findet sich in den ursprünglichen Angeboten der Sanierungsunternehmen nicht wieder. Dementsprechend stellt die Annahmeerklärung der Beklagten tatsächlich gemäß § 150 Abs. 2 BGB eine Ablehnung der ursprünglichen Angebote und die Unterbreitung neuer Angebote dar. Dass die angeschriebenen Firmen in der Folgezeit das Angebot der Klägerin angenommen hätten, hat die Klägerin nicht vorgetragen und kann auch im Übrigen den eingereichten Unterlagen nicht entnommen werden.

Das Verbot der reformatio in peius im Sinne von § 528 ZPO steht einer Aberkennung der (vom Landgericht überwiegend zuerkannten) Neuwertspitze im vorliegenden Fall nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat unter anderem mit Urteil vom 24. Juli 2003 (Az. VII ZR 99/01) entschieden, dass auch im Berufungsverfahren einzelne Positionen eines aus mehreren Posten zusammengesetzten Gesamtanspruchs herabgesetzt oder gestrichen werden können. Entscheidend ist in solchen Fällen lediglich, dass die erstinstanzlich ausgeurteilte Hauptsacheforderung nicht unterschritten wird.

b) Der verbleibende Betrag in Höhe von 75.508,20 € ist um die bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden Vorschäden zu kürzen. Dass der Klägerin dabei ein Anspruch von mehr als 52.011,98 € (vom Landgericht zuerkannter Anspruch: 38.517,00 € + bereits erfolgte Zahlung durch den Haftpflichtversicherer: 13.494,98 €) verbleibt, kann nicht positiv festgestellt werden.

Gemäß § 11 Nr. 1 b) AWB schuldet die Beklagte Zahlung der notwendigen Reparaturkosten. Notwendig sind solche Maßnahmen, die der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes dienen (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., R III, Rn. 13). Bei einer vorgeschädigten Sache gilt somit, dass nur solche Reparaturkosten notwendig sind, die nicht bereits vor dem Eintritt des Versicherungsfalls notwendig waren (vgl. Martin, aaO, Rn. 21).

Diese Rechtsauffassung findet sich auch in einem Urteil des OLG Saarbrücken vom 19. September 2012 (Az. 5 U 68/12) wieder:

„Ist ein Gebäude bei Eintritt des Versicherungsfalls schon erheblich vorgeschädigt, so ist der Versicherungsnehmer insoweit an den Schadenbeseitigungskosten zu beteiligen, als es an einem in das versicherte Risiko fallenden Schadensbild fehlt (vgl. OLG Koblenz, ZfSch 2010, 390; OLG Jena, ZfSch 2009, 28). Dies beruht auf der Erwägung, dass die vor Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden Vorschäden der Sache als Eigenschaft anhaften und deren Wert mindern (vgl. BGH, Urt. v. 06.06.1984 – IVa ZR 149/82 –, VersR 1984, 843; OLG Dresden, aaO.; Kollhosser in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 49 Rdn. 29). Die notwendigen Reparaturkosten wären deshalb um den auf Vorschäden und konstruktionsbedingte Mängel zurückzuführenden Anteil zu verringern, welcher gemäß § 287 ZPO zu schätzen ist (vgl. OLG Dresden, aaO.).“

Die Beweislast für das Fehlen von Vorschäden trägt der Versicherte. Dieser muss im Einzelnen jedenfalls bei entsprechendem Vortrag der Gegenseite oder sonstigen Anhaltspunkten für Vorschäden ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits vorhanden waren. Hierfür muss er zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen. Kann er dies nicht oder unterlässt er die Darlegung, so geht dies im Streitfall zu seinen Lasten (vgl. OLG Düsseldorf, RuS 2016, 96; KG Berlin, NZV 2010, 350; OLG Brandenburg, Schaden-Praxis 2005, 413; OLG Koblenz, VersR 2010, 246; OLG Köln, Schaden-Praxis 2011, 187).

Unstreitig war es bereits vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall im versicherten Gebäude zu Schadensfällen gekommen (Bl. 60 d. A.). Dem Vortrag der Beklagten kann darüber hinaus entnommen werden, dass sich ein Teil der Schäden in dem Bereich ereignete, in dem auch die nunmehr streitgegenständlichen Reparaturarbeiten erforderlich geworden sind. Teilweise beruhten diese auf zeitlich vorgelagerten Versicherungsfällen, teilweise aber auch auf einer mangelhaften Abdichtung des Gebäudes gegen Grund- und Sickerwasser.

In dem von der Beklagten ergänzend vorgelegten Privatgutachten des Sachverständigen K. vom 15. Februar 2007 (Bl. 324 – 332) wird insoweit auf Durchfeuchtungsschäden im gesamten Kellergeschoss hingewiesen. Diese würden teilweise auf verschiedenen Rohrbrüchen und teilweise auf einer mangelhaften Gebäudeabdichtung beruhen. In seinem Gutachten vom 8. Januar 2009 (Bl. 281 – 285 d. A.) stellte der Sachverständige anlässlich eines neuerlichen Wasserschadens fest, dass dieser Wasserschaden zu einer Durchfeuchtung des ohnehin schon aus den vorangegangenen Schadensereignissen durchfeuchteten Estrichs im vorderen Kellerbereich geführt habe. Dies korrespondiert mit dem Ergebnis des in einem selbstständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachtens. Im Gutachten des Sachverständigen Siegel vom 19. Dezember 2007 (Bl. 380 – 411 d. A.) heißt es unter anderem:

„Die festgestellten Feuchtigkeitsschäden der oberen Außenwandbereiche der Räume 1 und 2 beruhen nicht auf bestimmungswidrig ausgetretenem Leitungswasser aus einem Rohrbruch an einer Kaltwasserleitung im Damen-WC. Vielmehr muss hier angenommen werden, dass die Außenabdichtung des Kellermauerwerks defekt oder nicht ausreichend ist, sodass Feuchtigkeit von außen eindringen kann.“

Der Umfang des zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Versicherungsfalls bestehenden Vorschadens kann anhand der vorgelegten Gutachten nicht eindeutig bestimmt werden.

Zwar nahm der von der Beklagten beauftragte Sachverständige K. anlässlich der diversen Versicherungsfälle auch entsprechende Reparaturkostenschätzungen vor. So beziffert er die Reparaturkosten in seinem Gutachten vom 30. März 2007 auf insgesamt 2.557,00 € netto (Bl. 362 d. A.), während er einen späteren Schaden in seiner Kostenermittlung vom 26. Oktober 2009 mit einem Zeitwert von 22.148,99 € bezifferte (Bl. 293 ff., 297 ff. d. A.).

Bei seiner Kostenermittlung bezog sich der Sachverständige aber stets auf die Beseitigung der auf den Versicherungsfällen beruhenden Schäden. Keine Angaben machte er demgegenüber im Hinblick auf die Kosten zur Beseitigung der insgesamt bestehenden Schäden. Demzufolge ist es auch nicht möglich, allein anhand der von der Beklagten vorgelegten Gutachten eine Abgrenzung zwischen den ursprünglich erforderlich gewesenen und den nunmehr zusätzlich erforderlich gewordenen Reparaturkosten vorzunehmen und auf dieser Grundlage den der Klägerin anlässlich des streitgegenständlichen Versicherungsfalls entstandenen Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

Zwar hat die Klägerin im Schriftsatz vom 3. März 2016 vorgetragen, dass „der Vorschaden“ beseitigt worden sei (Bl. 424 d. A.). Aus dem Sachzusammenhang ergibt sich jedoch, dass die Klägerin sich damit lediglich auf die Beseitigung der Schäden bezogen hat, die mit einem oder vielleicht auch mehreren Versicherungsfällen verbunden waren. Dass die Klägerin auch die im Übrigen bestehenden Durchfeuchtungsschäden aufgrund der undichten Gebäudehülle beseitigte und dass solche Schäden zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Versicherungsfalls nicht mehr vorhanden waren, hat sie hingegen erstinstanzlich nicht vorgetragen. Auch ihren Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. April 2016 (Bl. 435 – 436 R d. A.) können keine konkreten Anhaltspunkte entnommen werden. Dort hat die Klägerin lediglich eingeräumt, von der Beklagten hinsichtlich der vorangegangenen Leitungswasserschäden erst nach Eintritt des nunmehr streitgegenständlichen Versicherungsfalls entschädigt worden zu sein und außer Reparaturen an den Rohren mangels entsprechender Leistungen der Beklagten keine weiteren Aufträge erteilt zu haben (Bl. 435 R, 436 d. A.). Schließlich hat die Klägerin auch in der Berufungsbegründung nicht behauptet, dass vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall auch die Durchfeuchtungsschäden beseitigt wurden, die in keinem Zusammenhang mit einem der vorangegangenen Versicherungsfälle stehen.

Weitergehende Feststellungen sind nicht mehr möglich. Der Sachverständige B. hat dies anlässlich seiner Anhörung ausdrücklich klargestellt und darauf verwiesen, aufgrund der mittlerweile vorgenommenen Veränderungen am Bauwerk hierzu keine Feststellungen mehr getroffen zu haben. Dementsprechend kommt auch die von der Klägerin erstinstanzlich beantragte Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens nicht mehr in Betracht.

Wenn aber der Umfang der unstreitig noch vorhandenen Vorschäden, und zwar unabhängig von ihrer Ursache, bei Eintritt des streitgegenständlichen Versicherungsfalls nicht mehr bestimmt werden kann, geht das zulasten der insoweit beweisbelasteten Klägerin. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in einer solchen Konstellation der gegen den Versicherer gerichtete Anspruch gänzlich entfällt (bejahend: OLG Düsseldorf Schaden-Praxis 2015, 338). Jedenfalls kann nicht positiv festgestellt werden, dass der Klägerin allein aufgrund des streitgegenständlichen Versicherungsfalls ein (zusätzlicher) Zeitwertschaden von mehr als 52.011,98 € entstanden ist bzw. der Anteil der Vorschäden auf weniger als 23.496,22 € zu beziffern ist. Damit ist die Berufung aber unbegründet.

III.

Die Ausführungen der Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 27. September 2016 führen zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Im Gegenteil hat die Klägerin in diesem Schriftsatz selbst eingeräumt, dass keiner der von der Klägerin angeschriebenen Unternehmer das von ihr unterbreitete Angebot „separat“ angenommen habe. Damit fehlt es aber auch auf der Grundlage des Klägervortrags an dem Zustandekommen wirksamer Werkverträge und damit an einer Sicherstellung im Sinne von § 11 Nr. 6 AWB innerhalb der Dreijahresfrist.

Nichts anderes folgt aus der von der Klägerin in ihrer Stellungnahme vertretenen Auffassung, ihre modifizierte Annahmeerklärung stelle kein neues Angebot dar. Selbst wenn das der Fall sein sollte, würde das an der Ablehnung der ihr zunächst unterbreiteten Angebote zur Wiederherstellung des beschädigten Gebäudes nichts ändern. Es würde lediglich dazu führen, dass die mit der modifizierten Annahmeerklärung verbundene Ablehnung der ursprünglichen Angebote nicht als neues Angebot zu werten wäre und dieses dementsprechend auch nicht von den angeschriebenen Unternehmern hätte angenommen werden können. Auch in dem Fall würde es aber an einer Sicherstellung im Sinne von § 11 Nr. 6 AWB fehlen.

Dass die beteiligten Unternehmer die auf § 150 Abs. 2 BGB beruhende Rechtsauffassung des Senats nicht teilen, ist für die Beurteilung der Rechtslage grundsätzlich irrelevant. Zwar ist diese Regelung nicht zwingend, sodass ihre Rechtsfolgen von den Vertragsparteien auch abbedungen werden können (vgl. Eckert in: Bamberger/Roth, BGB, Stand: 01.08.2016, § 150, Rn. 1). Dass und mit welchem Inhalt die Klägerin und die beteiligten Unternehmer innerhalb der Dreijahresfrist eine entsprechende Vereinbarung trafen, kann ihrem Vortrag aber nicht entnommen werden.

Dass sich die beteiligten Unternehmer an die ihnen erteilten Aufträge nach wie vor gebunden fühlen, ist für die Beurteilung der Rechtslage ebenfalls ohne Bedeutung. Selbst wenn die Klägerin die von ihr angekündigten Bestätigungsschreiben noch vorlegen sollte, wäre eine solche Bestätigung außerhalb der Dreijahresfrist erfolgt. Deshalb bedarf es auch keiner näheren Erörterung, ob in einem solchen Bestätigungsschreiben ein Angebot auf Abschluss eines neuen Werkvertrags oder die verspätete Annahme des von der Klägerin ursprünglich unterbreiteten Angebots mit gleichzeitigem (stillschweigendem) Verzicht der Klägerin auf die Rechtsfolge des § 150 Abs. 1 BGB zu sehen sein sollte. Jedenfalls hätte die Klägerin die Voraussetzungen einer Sicherstellung im Sinne von § 11 Nr. 6 AWB auch im letztgenannten Fall erst nach Ablauf der Dreijahresfrist geschaffen.

Dass die Klägerin die Bauaufträge „mindestens für sich selbst“ verbindlich erteilte, vermag eine objektive Sicherstellung nicht zu ersetzen. Dabei ist bereits unklar, was die Klägerin damit meint. Sollte sie ihrerseits (irrtümlich) vom Zustandekommen von Werkverträgen mit Drittunternehmen innerhalb der Dreijahresfrist ausgegangen sein, ändert das nichts an der fehlenden Sicherstellung aufgrund tatsächlich nicht wirksam zustande gekommener Verträge. Sollte die Klägerin hingegen die Erteilung von Bauaufträgen an sich selbst behaupten wollen, wäre auch das für eine Sicherstellung nicht ausreichend. Dem steht bereits entgegen, dass sich auch eine fest entschlossene Partei insbesondere bei entsprechender Änderung der Umstände jederzeit von ihrem ursprünglichen Entschluss lösen und eine anderweitige Errichtung des Gebäudes beschließen oder hiervon gänzlich Abstand nehmen kann. Dementsprechend hat beispielsweise auch das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 12. Februar 2016 (Az. 20 U 126/15) die Sicherstellung in einem Fall verneint, bei dem ein Versicherungsnehmer im Rahmen eines Insichgeschäfts mit einem Bauunternehmen einen Werkvertrag über die Wiedererrichtung des versicherten Gebäudes geschlossen hatte. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass der Versicherungsnehmer den wirksamen Vertrag aufgrund seiner Doppelrolle auf beiden Seiten des Vertrages und der Befreiung von § 181 BGB jederzeit allein nach seinem Gutdünken wieder aufheben könnte und der Vertrag damit nicht hinreichend verbindlich sei.

Die Berufung der Klägerin hat schließlich auch keinen Erfolg, soweit sie in ihrer Stellungnahme 27. September 2016 abermals eine Beseitigung aller relevanten Vorschäden behauptet. Der Senat hat bereits in seinem Hinweisbeschluss darauf aufmerksam gemacht, dass der Versicherte das Fehlen von Vorschäden beweisen muss. Dieser muss im Einzelnen jedenfalls bei entsprechendem Vortrag der Gegenseite oder sonstigen Anhaltspunkten für etwaige Vorschäden ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits vorhanden waren. Durch Einholung eines Sachverständigengutachtens kann die Klägerin diesen Beweis aber nicht mehr führen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. April 2016 hat sich der Sachverständige B. hierzu wie folgt geäußert:

„Als ich den Ortstermin durchgeführt habe, waren bereits umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt worden, insbesondere war der Fußboden komplett aufgerissen. Soweit vorher ein Schaden entstanden sein soll, der dann repariert worden sein soll, konnte ich aufgrund des Ortstermins nicht feststellen, dass es vorher irgendwelche Maßnahmen gegeben hätte. Das war für mich nicht feststellbar.“

Weitergehenden Beweis für die Abwesenheit von Vorschäden zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Versicherungsfalls hat die Klägerin aber nicht angeboten.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Rechtsstreit besitzt keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

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