Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 144/12 – 21 – Urteil vom 19.12.2012
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 06.03.2012 – Az: 14 O 96/11 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.088,74 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Versicherungsleistung aus einer Wohngebäudeversicherung.
Der Kläger schloss mit der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung (Versicherungs-Nr. 04… F 001) entsprechend dem Versicherungsschein vom 04.11.2010 (Bl. 6 d.A.), der die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2000) in der Fassung 2008 (Bl. 13 d.A.) einbezieht. Darin heißt es:
„§ 4 Versicherungsfall; versicherte und nicht versicherte Gefahren und Schäden
1. Entschädigt werden versicherte Sachen (siehe § 1), die durch
a) Brand, …
b) Leitungswasser (siehe § 6),
c) Sturm, …
2. Entschädigt werden auch Bruchschäden an Rohren der Wasserversorgung und Frostschäden an sonstigen Leitungswasser führenden Einrichtungen (siehe § 7).
…
§ 6 Leitungswasser
1. Leitungswasser ist das Wasser, das bestimmungswidrig ausgetreten ist aus
a) Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung,
b) mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung verbundenen sonstigen Einrichtungen,
c) Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung sowie …
§ 7 Rohrbruch, Frost
1. Innerhalb versicherter Gebäude sind versichert frostbedingte und sonstige Bruchschäden an Rohren
a) der Wasserversorgung (Zu- oder Ableitungen),
b) der Warmwasser- oder Dampfheizung,
c) von Sprinkler- oder Berieselungsanlagen,
…
2. Darüber hinaus sind innerhalb versicherter Gebäude auch versichert Frostschäden an
a) Badeeinrichtungen, Waschbecken, Spülklosetts, Armaturen, Geruchsverschlüssen, Wassermessern oder ähnlichen Installationen,
b) Heizkörper, Heizkesseln, Boilern oder vergleichbaren Teilen von Warmwasser- oder Dampfheizungs-, Klima-, Wärmepumpen oder Solarheizungsanlagen,
…“
Am 12.12.2010 stellte der Kläger eine Funktionsstörung an seinem Heizkessel fest. Er legte ein Angebot über 7.788,74 EUR für den Austausch des Heizkessels vor (Bl. 24 d.A.). Die Beklagte ließ den Schaden durch den Sachverständigen L. feststellen, der einen Bericht vom 20.01.2011 verfasste (Bl. 27 d.A.), in dem er keinen Schaden feststellte, der durch das ausgetretene Wasser entstanden war. Einen solchen hat der Kläger auch nicht dargelegt und beziffert. Den Schaden am Heizkessel selbst beschrieb der Sachverständige als „Materialausbruch in der Feuerungskammer“.
Der Kläger hat Zahlung von 8.088,74 EUR (7.788,74 EUR Reparaturkosten und 350,00 EUR Kostenpauschale) sowie Zinsen und außergerichtliche Anwaltsgebühren verlangt.
Das Landgericht Saarbrücken hat ein Sachverständigengutachten bei Dr.-Ing. W. vom 21.12.2011 (Bl. 88 d.A.) eingeholt und die Klage durch Urteil vom 06.03.2012 – Az: 14 O 96/11 – abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.088,74 EUR nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 12.12.2010 und 878,70 EUR nebst 5% Zinsen hieraus seit dem 21.03.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
II.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch in Höhe von 8.088,74 EUR nebst Zinsen wegen des Schadens an seinem Heizkessel nach den §§ 4, 7 VGB 2000 zu.
(1.)
Die Beklagte hat dem Kläger keinen Versicherungsschutz für Bruchschäden an Teilen innerhalb seines Heizungskessels versprochen, die nicht auf eine Frosteinwirkung zurückgehen.
(a)
Nach den wirksam einbezogenen Versicherungsbedingungen (Bl. 13 d.A.) sind Bruchschäden innerhalb eines Heizungskessels nicht als „Bruchschäden an Rohren … der Warmwasser- … Heizung“ (§ 7 Nr. 1b 2000) versichert, sondern nur als Frostschaden am Heizkessel (§ 7 Nr. 2b VGB 2000).
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse wird den Begriff „Bruchschäden an Rohren der Heizung“ bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges (siehe dazu: BGH, Urt. v. 19.02.2003 – IV ZR 318/02 – VersR 2003, 454) nicht so verstehen, dass damit alle wasserführenden Teile innerhalb eines Heizkessels gegen jeglichen Bruch versichert sind.
Dagegen spricht, dass ein Heizkessel nach allgemeinem Verständnis und Sprachgebrauch als selbständige technische und wirtschaftliche Einheit und damit auch als technisch selbständiger Teil einer Heizungsanlage begriffen wird. Ein Heizkessel ist kein „Rohr“ der Warmwasserheizung, sondern ein komplexes technisches Gebilde. Dass sich in seinem Inneren auch Rohre befinden, rechtfertigt keine andere Auslegung (OLG Hamm, r+s 1989, 157; OLG Schleswig, VersR 1993, 1396; OLG Frankfurt, VersR 2010, 69; OLG Köln, r+s 1992, 382; OLG Celle, r+s 1994, 107). Selbst wenn hierüber bei der Lektüre von § 7 Nr. 1b VGB 2000 Zweifel bestehen, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer anhand der sonstigen Versicherungsbedingungen diesen Zweifeln auf den Grund gehen. Entweder beschäftigt sich der Versicherungsnehmer dann sogleich mit § 7 VGB 2000 insgesamt oder er stößt auf § 4 Nr. 2 VGB 2000, der von „Bruchschäden an Rohren der Wasserversorgung und Frostschäden an sonstigen Leistungswasser führenden Einrichtungen (siehe § 7)“ spricht. Damit wird eine Differenzierung zwischen Schäden an Rohren und Schäden an sonstigen Einrichtungen betont. In diesem Sinne wird der Versicherungsnehmer überlegen, ob der gebrochene Gegenstand dem Erscheinungsbild nach ein „Rohr“ ist oder nicht (so OLG Köln, r+s 1992, 382), bzw. ob der Schaden „dem Rohrleitungssystem“ oder dem Heizkessel zuzuordnen ist (so OLG Celle, r+s 1994, 107). Dabei wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall bereits erhebliche Zweifel daran hegen, einen Materialausbruch zwischen Brennkammer und wasserführenden Teilen im Inneren des Heizkessels als Rohrbruch anzusehen, zumal der Defekt den Heizkessel insgesamt betrifft und nicht ein isoliert zu betrachtendes und auszutauschendes Einzelteil des Kessels, welches man als Rohr bezeichnen würde. Jedenfalls wird der Versicherungsnehmer bemerken, dass er sich § 7 VGB 2000, auf den § 4 Nr. 2 VGB 2000 verweist, insgesamt und sorgfältig durchlesen und überlegen muss, was sich nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und Systematik der Regelungen in § 7 VGB 2000 ergibt. Vom Versicherungsnehmer ist eine sorgfältige und vollständige Durchsicht der Versicherungsbedingungen zu erwarten (BGH, Urt. v. 30.09.2009 – IV ZR 47/09 – VersR 2009, 1622).
Der Versicherungsnehmer erkennt dann, dass § 7 Nr. 1 VGB 2000 Bruchschäden an Rohren, gleich aus welchem Grund, erfasst, während § 7 Nr. 2 VGB 2000 nur Frostschäden erfasst, dies aber nach seinem Wortlaut nicht auf Rohre beschränkt, sondern auf die Anlagen als solche erstreckt. Während § 7 Nr. 1 VGB 2000 z.B. von Rohren der Warmwasserheizung bzw. von Rohren einer Solaranlage spricht, betrifft §7 Nr. 2 VGB 2000 den Heizkessel und die Solaranlage als solche. Dies versteht der durchschnittliche Versicherungsnehmer nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zwanglos als strikte Trennung zwischen Rohren und den sonstigen Einrichtungen, wie z.B. Heizkessel oder Solaranlage als technische Einheit. Der Gedanke, dass Rohre innerhalb der technischen Einheit bereits unter § 7 Nr. 1 VGB 2000 fallen, während § 7 Nr. 2 VGB 2000 darüber hinaus Frostschäden an Bauteilen betrifft, die keine Rohre sind, setzt dagegen eine komplizierte Abstufungsüberlegung voraus, die nicht dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers entspricht (OLG Köln, r+s 1992, 383). Nach Sinn und Zweck der Regelung ist dies auch fernliegend, denn Frostschäden betreffen regelmäßig die wasserführenden Bauteile. Wenn diese Bauteile bereits als Rohre im Sinne von § 7 Nr. 1 VGB 2000 begriffen würden, gäbe es für § 7 Nr. 2 VGB 2000 keinen wirklichen Anwendungsraum (OLG Hamm, r+s 1989, 157; OLG Schleswig, VersR 1993, 1396). In aller Deutlichkeit gilt dies für die in § 7 Nr. 2 VGB 2000 u.a. aufgeführten Heizkörper und Armaturen. Anders als z.B. bei einem Heizkessel gibt es bei diesen Einrichtungen praktisch keine nicht wasserführenden Teile. Wenn diese bereits unter § 7 Nr. 1 VGB 2000 fielen, bliebe für § 7 Nr. 2 VGB 2000 kein Anwendungsbereich mehr.
Auch erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass der Versicherer durch die Differenzierung in § 7 VGB 2000 die sonstigen Einrichtungen, die in erheblichem Maße Alterungs- und Verschleißprozessen ausgesetzt sind, lediglich gegen frostbedingte Beschädigungen absichert, nicht aber gegen die zwangsläufigen Alterungs- und Verschleißschäden (OLG Köln, r+s 1992, 383; OLG Schleswig, VersR 1993, 1396). Der Unterschied zwischen der Bruchgefahr für unbelastete Rohre außerhalb der technischen Einrichtungen und Bauteilen der Einrichtungen selbst, liegt auf der Hand. Mit einem Ersatz der verschlissenen Einrichtungen, wie z.B. Heizkessel oder Solaranlage, auch bei Defekten von wasserführenden Bauteilen rechnet der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht, wenn Bruchschäden an Rohren der Wasserversorgung (§ 4 Nr. 2 VGB 2000) entschädigt werden sollen. Im Gegenteil wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht einmal sämtliche wasserführenden Bauteile, wie Kammern, Wärmetauscherplatten und sonstige Hohlräume in Heizkesseln als „Rohre“ ansehen.
Aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 16.06.1993 – IV ZR 226/92 – VersR 1993, 1102) und des OLG Oldenburg (VersR 1993, 474) folgt nichts Gegenteiliges. Dort ging es um Leitungswasserschäden, die nach § 4 Abs. 1 der dort maßgeblichen VGB 62 zu entschädigen waren. In § 4 Abs. 1 VGB 62 heißt es aber – ähnlich wie in § 6 Nr. 1 VGB 2000 – dass Versicherungsschutz für Leitungswasser besteht, welches u.a. aus „Anlagen der Warmwasser- oder der Dampfheizung bestimmungswidrig ausgetreten ist“. Das ist auf die Bruchversicherung, die gerade zwischen Rohren und Anlagen bzw. Einrichtungen unterscheidet, nicht zu übertragen.
Aus den genannten Gründen liegt keine Unklarheit vor, die nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Versicherers geht (a.A. Rüffer in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 32 Rn. 338).
(b)
Aus den genannten Gründen liegt auch kein Verstoß gegen § 305c Abs. 1 BGB vor. Ob eine Klausel in Versicherungsbedingungen überraschend ist, entscheidet sich danach, ob zwischen den Erwartungen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers und dem Inhalt einer Klausel eine deutliche Diskrepanz besteht, mit der der Versicherungsnehmer nicht zu rechnen brauchte. Die berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers werden von allgemeinen Umständen (wie z.B. dem Grad der Abweichung vom dispositiven Recht) und den besonderen Umständen, unter denen der Vertrag geschlossen wurde (Gang und Inhalt der Verhandlungen, äußerer Zuschnitt des Vertrags) bestimmt (BGH, Urteil vom 21.11.1991 – IX ZR 60/91 – NJW 1992, 1234; Senat, Urteil vom 27.10.1993 – 5 U 197/93-15 – VersR 1994, 720).
Der Regelung, dass Defekte an wasserführenden Bauteilen in Anlagen und Einrichtungen der Warmwasserheizung nur im Frostfalle und nicht aus jedem Grund, also in erster Linie aus Abnutzungs- und Verschleißgründen vom Versicherungsschutz erfasst werden, kommt kein Überrumpelungseffekt zu. Gegenteilige Erwartungen des Versicherungsnehmers sind nicht erkennbar. Auch gefährdet diese Regelung nicht den Vertragszweck, den der Versicherungsnehmer durch Abschluss einer Gebäudeversicherung erwarten kann, die ihn vor „Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel“ schützen soll.
Schließlich hat der Kläger nichts dazu vorgetragen hat, dass ihm Gegenteiliges durch die Beklagte vor oder bei Vertragsschluss versprochen wurde.
(2.)
Spätestens nach dem Sachverständigengutachten steht fest, dass dem Kläger kein Schaden durch auslaufendes Wasser entstanden ist, sondern der Schaden der Defekt des Heizkessels durch das Loch in der Brennkammer hin zu den wasserführenden Umgebungskammern ist, der nicht durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser hervorgerufen worden ist. Deshalb kommt es lediglich auf § 7 VGB 2000 an.
(3.)
Dem Kläger steht aus diesen Gründen auch kein Verzugsschaden in Höhe der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
(4.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen.
10. für erbrechtsiegen.de
Ersatzerbenberufung im Fall des Vorversterbens eines eingesetzten Alleinerben
OLG München
Az.: 31 Wx 372/12
Beschluss vom 19.12.2012
I. Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 6.9.2012 wird aufgehoben.
II. Der Antrag des Beteiligten zu 1 vom 18.5.2012 auf Erteilung eines Alleinerbscheins wird zurückgewiesen.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 165.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Erblasserin verstarb am 21.9.2009 im Alter von 88 Jahren. Sie war verheiratet mit A. O. S., der am 18.8.1988 vorverstorben ist. Aus der Ehe ging V. S. hervor, der am 23.4.1970 ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vorverstarb.
Es liegen folgende eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügungen der Erblasserin vor:
1.
„München, 10.12.2004
Mein letzter Wille
Sollte ich einmal krank werden ist Frau S. (= Ehefrau des Beteiligten zu 1) berechtigt, sich um alles zu kümmern, nach meinem Tod setze alles als meine Erben. Frau S.
Unterschrift
Die Haushaltsgegenstände und mein Bankguthaben vermache ich ebenfalls Frau S.
Unterschrift.“
2.
„München 10.2.2009
Mein letzter Wille
Sollte ich einmal krank werden, ist Frau S. (Adresse) berechtig sich um alles zu kümmern.
Nach meinem Tod setzte ich als meinen Erben Frau F. S. ein.
Die Haushalt(…) Gegenstände und mein Bankguthaben vermache ich ebenfalls Frau S..
Unterschrift“
Am 14.1.2010 beantragte die Beteiligte zu 2 unter Berufung auf die beiden Testamente der Erblasserin einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Sie war dabei der Auffassung, dass sie als Ersatzerbin nach ihrer am 15.5.2009 vorverstorbenen Mutter (F. S.) in Anwendung des Rechtsgedanken des § 2069 BGB berufen sei. Ihre Mutter habe der Erblasserin seit vielen Jahren als Betreuerin in jeglichen Angelegenheiten und Freundin sehr nahe gestanden. Ihre Mutter sei für die Erblasserin wie eine Familienangehörige gewesen. Ihre Mutter habe auch schon den Ehemann der Erblasserin gepflegt und ihm versprochen, seiner Frau – der Erblasserin – immer zur Seite zu stehen, wodurch sich eine enge Verbundenheit entwickelt habe. Ihr Vater habe sich seit Jahren schon um die finanziellen Angelegenheiten der Erblasserin gekümmert. Mit Schreiben vom 18.5.2012 nahm die Beteiligte zu 2 ihren Erbscheinsantrag zurück.
Am 18.5.2012 stellte der Beteiligte zu 1 unter Berufung auf die beiden Testamente einen Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins. Er ist dabei der Meinung, dass er als testamentarischer Ersatzerbe in Betracht komme, da er sich zusammen mit seiner Frau zu deren Lebzeiten um die Erblasserin, insbesondere die finanziellen Angelegenheiten, bzw. nach dem Tod seiner Frau um alle Angelegenheiten der Erblasserin gekümmert habe.
Der Beteiligte zu 3 ist demgegenüber der Meinung, dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Die Erblasserin sei wohl im Februar 2009 nicht mehr testierfähig gewesen, gegebenenfalls sei die Testierfähigkeit der Erblasserin auch für Dezember 2004 zu überprüfen. Im Testament der Erblasserin finde sich weder eine Ersatzerbenregelung zugunsten des Beteiligten zu 1 noch ein Anhaltspunkt für eine Ersatzbegünstigung des Beteiligten zu 1.
Mit Beschluss vom 6.9.2012 bewilligte das Nachlassgericht den von dem Beteiligten zu 1 beantragten Alleinerbschein. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 3.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Zu Unrecht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beteiligte zu 1 im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung Ersatzerbe seiner vorverstorbenen Ehefrau sei.
1. Die ergänzende Testamentsauslegung setzt voraus, dass eine planwidrige Regelungslücke im Testament vorliegt, die durch den festgestellten Willen des Erblassers zu schließen ist. Dabei muss aus dem Gesamtbild des Testaments selbst eine Willensrichtung des Erblassers erkennbar sein, die tatsächlich in Richtung der vorgesehenen Ergänzung geht. Durch sie darf also kein Wille in das Testament hineingetragen werden, der darin nicht andeutungsweise ausgedrückt ist (vgl. Palandt/Weidlich BGB 72. Auflage <2013> § 2084 Rn. 9).
a) Zutreffend hat das Nachlassgericht erkannt, dass nicht feststeht, ob die Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an die Möglichkeit eines vorzeitigen Wegfalls des eingesetzten Erben tatsächlich gedacht hat und was sie für diesen Fall tatsächlich gewollt hätte.
b) Unabhängig von der Ermittlung des Erblasserwillens ist die Beschwerde aber bereits deswegen im Ergebnis begründet, weil der vom Nachlassgericht angenommene Wille der Erblasserin zur Ersatzerbenberufung jedenfalls nicht den erforderlichen Niederschlag im Testament gefunden hat.
Während in den von § 2069 BGB unmittelbar erfassten Fällen nach dem Willen des Gesetzgebers im Zweifel schon die bloße Einsetzung des Bedachten zugleich als Ausdruck der Ersatzberufung seiner Abkömmlinge zu werten ist und dies nach der Rechtsprechung auch dann gilt, wenn es sich bei dem Bedachten um eine mit dem Erblasser nahe verwandte oder verschwägerte Person handelt (OLG Hamm NJW-RR 1987, 648 <649> unter Bezugnahme auf OLG Hamm, FamRZ 1976, 552 <554> m.w. N.), kann die bloße Einsetzung des Bedachten in allen anderen Fällen noch nicht zugleich als hinreichender Ausdruck der Ersatzberufung seiner Abkömmlinge oder des Ehegatten gewürdigt werden. Denn nur in den zuerst genannten Fällen liegt die Möglichkeit nahe, dass der Erblasser die Zuwendung nicht nur der von ihm bezeichneten Person hat machen, sondern diese Person lediglich als die erste ihres Stammes hat einsetzen wollen. Davon unterscheidet sich die Sachlage erheblich, wenn der im Testament Bedachte weder ein Abkömmling, noch sonst durch enge Verwandtschaft, Schwägerschaft oder die Ehe mit dem Erblasser verbunden ist. Dann liegt die Annahme nahe, dass der Erblasser den Bedachten nicht lediglich als den ersten seines Stammes, sondern um der engen persönlichen Beziehungen willen als Erben eingesetzt hat.
Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Der Ehefrau des Beteiligten zu 1 war weder ein Abkömmling noch sonst ein naher Angehöriger der Erblasserin. Verbunden war sie mit ihr durch enge persönliche Beziehungen, weil sie sich seit vielen Jahren um die Erblasserin gekümmert hatte. Da die Erbeinsetzung sich mithin auch als eine Belohnung für eine langandauernde persönliche Betreuungstätigkeit darstellt, lässt sich in dieser allein noch kein Hinweis auf die Ersatzberufung von Angehörigen des Bedachten erkennen. Eine dahingehende Andeutung findet sich im Testament nicht. Deshalb kann nicht angenommen werden, die Erblasserin habe ihren ganzen, der Ehefrau des Beteiligten zu 1 zugedachten Nachlass im Falle ihres Vorversterbens in gleicher Weise derjenigen Person oder denjenigen Personen zuwenden wollen, die ihr ebenfalls eine gewisse Betreuung, sei es auch nur in geringerem Umfange hatten zuteil werden lassen. Für diese Erwägung spricht auch die Tatsache, dass die Erblasserin den Beteiligten zu 1 in ihrem Testament mit keiner Zuwendung bedacht hat, obwohl er sich nach eigenen Angaben viele Jahre lang um ihre finanziellen Angelegenheiten gekümmert hat. Dem Testament lässt sich auch kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die Tätigkeit einer anderen Person als der Bedachten die Berufung zum Ersatzerben begründen sollte.
c) Fehlt es – wie hier – in dem Testament an der erforderlichen hinreichenden Andeutung für eine Ersatzerbenberufung des Beteiligten zu 1, sind außerhalb des Testaments liegende Umstände, die einen Rückschluss auf die Willensrichtung der Erblasserin zuließen (z.B. die Erwägungen des Beteiligten zu 1 in seinem Schriftsatz vom 30.11.2012), nicht mehr von Bedeutung (vgl. auch OLG Hamm a.a.O.).
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten. Das Verfahren der Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 3 KostO). Von der Anordnung der Kostenerstattung hat der Senat abgesehen (§ 81 FamFG).
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 4, § 30 KostO. Hierauf wurde in der Verfügung vom 27.9.2012 hingewiesen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.