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Wohngebäudeversicherung – Überschwemmung des versicherten Grundstücks

LG Freiburg (Breisgau), Az.: 14 O 275/16, Urteil vom 24.02.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 8.829,20 €, ab dem 30.12.2016 auf 7.829,20 €.

Tatbestand

Gegenstand der Klage sind Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung.

Wohngebäudeversicherung - Überschwemmung des versicherten Grundstücks
Symbolfoto: Mbruxelle/Bigstock

Der Kläger ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer des Anwesens Im … in … im Ortsteil … Ausweislich des Versicherungsscheins in der Anlage K 1 unterhält er bei der Beklagten seit dem 01.09.2012 eine Wohngebäudeversicherung. Es gelten die Versicherungsbedingungen für die Wohngebäudeversicherung VGB 2008. Unter anderem besteht bei einer Selbstbeteiligung von 1.000 € ein Versicherungsschutz bei „Überschwemmung und Rückstau“. In der Ziffer 3.1 der besonderen Bedingungen WG 0157 ist der Begriff der Überschwemmung definiert als Überflutung des Versicherungsgrundstücks durch Ausuferung von oberirdischen Gewässern oder Witterungsniederschlägen.

In der Nacht vom 24. auf den 25.06.2016 kam es zu einem Gewitter mit Starkregen. In und um Teningen waren zahlreiche Überschwemmungen die Folge (Mitteilung der Gemeindeverwaltung Teningen vom 03.08.2016 ‒ Anlage K 2). Auch an der Einliegerwohnung des Anwesens des Klägers kam es zu Schäden.

Noch am 25.06.2016 setzte sich der Kläger telefonisch mit dem zuständigen Versicherungsagenten der Beklagten, dem Zeugen … er, in Verbindung, der nach einer Ortsbesichtigung am 27.06.2016 den Schadensfall bei der Beklagten mit Schreiben vom 29.06.2016 mit der Begründung „Starkregen, Hagel, Gewitter, Wasser in Einliegerwohnung“ anmeldete (Anlage B 2).

Die Beklagte beauftragte daraufhin den Schadensregulierer … mit einer Begutachtung, der am 07.07.2016 einen Ortstermin absolvierte und am 10.07.2016 einen Abschlussbericht vorlegte (Anlagen B 3 und 4). In diesem kam er zu dem Ergebnis, dass ein versichertes Schadensereignis nicht vorliege.

Die Beklagte lehnte deshalb mit Schreiben vom 15.07.2016 eine Regulierung ab (Anlage K 9). Dem widersprachen der Kläger und seien Ehefrau mit Schreiben vom 22.07.2016. Ein Versicherungsfall läge vor, weil durch den sehr starken Regenniederfall sämtliche Kanäle und Abwasserrohre überlastet gewesen seien und das Wasser deshalb nicht habe abfließen können (Anlage B 5). Mit weiterem Schreiben vom 09.08.2016 forderte der jetzt anwaltlich vertretene Kläger unter Fristsetzung, dass die Beklagte das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestätige (Anlage K 10). Diese blieb jedoch bei ihrer ablehnenden Haltung (Anlage K 11).

Der Kläger behauptet, auch sein Anwesen sei von den Überschwemmungsschäden betroffen gewesen. Von der überfluteten Straße sei das Wasser auf sein Grundstück gelaufen, habe dieses überschwemmt und sei in die vermietete Einliegerwohnung gedrungen. Diese sei hierdurch unbewohnbar geworden, da das Wasser die Böden zerstört habe. Nach einer Austrocknung müssten neue Böden eingebaut werden. Das Wasser sei auch die Wände hochgezogen und habe zu Schimmelbildung geführt.

Unter Berufung auf Angebote von Handwerkern macht der Kläger Versicherungsleistungen in Höhe von 7.329,20 € netto geltend, nämlich Trocknungskosten von 3.147,35 € (undatiertes Angebot der Firma … in der Anlage K 7), Malerkosten von 1.008,70 € (Angebot der Firma … vom 15.08.2016 ‒ Anlage K 6), Bodenarbeiten von 1.196,02 € (Angebot der Firma … vom 23.08.2016 in der Anlage K 4). Für die Zeit vom 27.09. bis zum 11.10.2016 durchgeführte Trocknungsmaßnahmen hätten 915 kW an Strom verbraucht (Schreiben der Firma … vom 22.12.2016 ‒ Anlagen K 16, 18 und 19).

Den Mietausfallschaden gibt der Kläger mit 640,00 € an. Die Mieterin …, die die Wohnung am 07.08.2015 für eine monatliche Miete von 320,00 € angemietet hatte (Mietvertrag vom 07.08.2015 ‒ Anlage K 8), sei ‒ so der Kläger ‒ aufgrund der Wasserschäden ausgezogen. Seit dem 01.08.2016 stünde die Wohnung schadensbedingt leer, nachdem die Mieterin zum 30.09.2016 den Mietvertrag gekündigt hatte (Anlage K 13) und die Vertragsparteien am 22.07.2016 vereinbart hatten, dass für die Monate August und September keine Miete zu zahlen sei.

Nach Rücknahme der Klage in Höhe von 1.000,00 € aufgrund des vereinbarten Selbstbehaltes beantragt der Kläger nunmehr:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.329,20 € sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 808,13 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Mehrwertsteuer (derzeit 19 %) auf folgende Beträge zu zahlen: 1.196,02 €, 1.337,13 €, 1.008,70 € und 3.147,35 € sobald die Steuer angefallen ist.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weitergehende Schäden an seinem Anwesen …, … Teningen zu erstatten, die infolge der Überschwemmung in der Nacht vom 24. auf den 25.06.2016 zukünftig noch auftreten.

Die Beklagte beantragt, Klagabweisung.

Sie bestreitet das Vorliegen eines Versicherungsfalles. Es fehle an den bedingungsgemäßen Voraussetzungen einer Überschwemmung. Der Kläger könne den Nachweis nicht dafür erbringen, dass sich erhebliche Wassermengen auf seinem Grundstück befunden hätten. Vielmehr sei es so, dass sich lediglich vor dem Fenster Wasser angesammelt habe, das durch dieses und die Kellereingangstür in die Einliegerwohnung eingedrungen sei, die deutlich tiefer läge als das restliche Grundstück. Der Kläger selbst hätte in seinem Schreiben vom 22.07.2016 nicht von einer Ansammlung von Regenwasser auf dem Grundstück gesprochen.

Es stelle ‒ so die weitere Ansicht der Beklagten ‒ eine Obliegenheitsverletzung dar, dass der Kläger nicht unverzüglich Trocknungsmaßnahmen getroffen habe, so dass sich der Schaden habe vergrößern können.

Die Beklagte bestreitet, dass die in den vorgelegten Angeboten beschriebenen Maßnahmen zur Schadensbehebung erforderlich seien und dass die Mieterin wegen des Wasserschadens ausgezogen sei. Da Reparaturmaßnahmen nicht erfolgt seien, bestünde allenfalls ein Anspruch auf Ersatz des Zeitwertschadens abzgl. den Kosten, die wegen der Untätigkeit des Klägers entstanden seien.

Ein Rückstau im Sinn der Versicherungsbedingungen liege ebenfalls nicht vor, da es nicht zu einem bestimmungswidrigen Austritt von Wasser aus dem Rohrsystem des versicherten Gebäudes gekommen sei. Abgesehen davon, dass diese Voraussetzungen nicht vorlägen, wenn Wasser aus dem allgemeinen Kanalisationssystem in der Straße in die Wohnung dringe, stelle dies lediglich eine nicht beweisbare Vermutung des Klägers dar.

Da im übrigen nur Schäden versichert seien, die durch die unmittelbare Einwirkung einer Überschwemmung auf versicherte Sachen entstünden, sei der Feststellungsantrag viel zu weit gefasst. Völlig offen sei auch, welche Schäden künftig noch entstehen könnten.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Feststellungsantrag in Ziffer 3.

Ein Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO besteht nämlich grundsätzlich schon dann, wenn die Möglichkeit des Eintritts künftiger Schäden gegeben ist. Dabei schadet es nicht, dass Art, Umfang oder der Eintritt selbst noch ungewiss sind. Ein solches Interesse ist erst dann zu verneinen, wenn aus Sicht eines Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines künftigen Schadens wenigstens zu rechnen (LG Dortmund, Urt. v. 17.12.2015 ‒ 2 O 263/14 ‒, Rn 40, zit. nach Juris; BGH, Urt. v. 11.07.1989 ‒ VI ZR 234/88 ‒, zit nach Juris). Vorliegend wurden die Reparaturkosten zum größten Teil noch nicht ausgeführt, so dass schon deshalb unklar ist, welche wirklichen Kosten zur Schadensbeseitigung erforderlich werden.

II.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger hat nicht den Nachweis dafür erbracht, dass die Schäden in der Einliegerwohnung durch eine Überschwemmung oder einen Rückstau im Sinn der Versicherungsbedingungen eingetreten wäre. Nach dem in § 286 Abs. 1 ZPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht nach seiner aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung derart überzeugt ist, dass vernünftigen Zweifeln Schweigen geboten ist. Die danach erforderliche Überzeugung erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, sondern nur ein für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit (vgl. BGH, NJW 2008, 2845).

1. Nach Ziffer 3.1.1 und 3.1.2 WG 0157 der besonderen Bedingungen zur Wohngebäudeversicherung wird bei einer Überschwemmung des versicherten Grundstücks Entschädigung dann geleistet, wenn es zu einer Überflutung des Grundstücks kommt durch eine Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern oder durch Witterungsniederschläge.

a) Hier kommt von vornherein nur die letztgenannte Alternative in Betracht. In der Nähe des klägerischen Grundstücks befinden sich weder stehende noch fließende Gewässer. Soweit zum Nachweis von Überschwemmungsschäden auf die Lichtbilder in den Anlagen K 12 und K 14 und das Bild in dem Zeitungsbericht vom 25.06.2016 (Anlage K 3) verwiesen wird, vermag der Kläger hiermit der ihm obliegenden Beweislast nicht genügen.

Zwar zeigen diese Bilder einen übergelaufenen Bach, der zu einer Überschwemmung der daneben gelegenen Straße geführt hatte. Diese befindet sich aber in dem Ortsteil Köndringen und ist mehrere Kilometer von dem Ortsteil Nimburg entfernt.

b) Eine Überflutung des Grundstücks des Klägers durch Witterungsniederschläge ist ebenfalls nicht nachgewiesen.

Für das Verständnis einer Regelung in Versicherungsbedingungen ist auf den durchschnittlichen Versicherungsnehmer abzustellen, der sich bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbar verfolgten Zwecks und Sinnzusammenhangs darum bemüht, dass Bedingungswerk zu erfassen (BGH, Urt. v. 20.04.2005 in VersR 2005, 828; OLG Bamberg, Urt. v. 30.04.2015 in VersR 2016, 1247 f). Dieser wird erkennen, dass der Versicherungsvertrag ihn nicht gegen jegliche durch Wasser verursachte Schäden an seinem Wohngebäude absichert, sondern ihn nur vor den nachteiligen Auswirkungen elementarer Schadensereignisse schützen soll. Danach setzt eine Überflutung des Versicherungsgrundstücks voraus, dass sich erhebliche Wassermengen durch Witterungsniederschläge auf der Oberfläche des Geländes, auf dem das versicherte Gebäude liegt, ansammeln (BGH VersR 2005, 828, OLG Köln, Urt. v. 09.04.2013 in VersR 2013, 1174). Ein Versicherungsfall ist damit nur dann eingetreten, wenn das Grundstück, auf dem sich das Gebäude befindet, überflutet ist, wobei nicht ausreichend ist, wenn lediglich tiefer liegende Teile des Grundstücks vom Wasser überflutet sind (BGH Urt. v. 25.04.2006 in VersR 2006, 966; OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.10.2011 in VersR 2012, 437; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.09.2011 in VersR 2012, 231).

Der Kläger selbst hat bei seiner Anhörung angegeben, dass er aufgrund der herrschenden Dunkelheit in der Nacht des Geschehens gar nicht habe erkennen können, wie sich die Wassersituation auf seinem Grundstück darstellte. Er habe lediglich gesehen, dass Wasser durch die beiden Fenster in die Einliegerwohnung eingedrungen und dort einen einen halben Meter hoch gestanden sei.

Die von der Beklagten vorgelegten Lichtbilder in der Anlage B 4 belegen jedoch, dass das Gelände vor der Eingangstür und den Fenstern abschüssig verläuft. Ein solches ausschließliches Ansammeln von Wasser in diesen Bereichen ist aber gerade nicht von dem Versicherungsfall „Überschwemmung“ umfasst und entspricht nicht der Anforderung, dass sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche des Grundstücks angesammelt haben (LG Kiel, B. v. 24.04.2008 ‒ 10 S 40/04, zit. nach juris; Wussow in VersR 2008, 1292, 1294).

2. Der Nachweis, dass die Schäden in der Einliegerwohnung durch einen Rückstau (Ziffer 2.1 WG 0157) entstanden wäre, ist ebenfalls nicht geführt. Nach Ziffer 4 WGO 157 handelt es sich bei einem Rückstau um einen bestimmungswidrigen Austritt von Wasser aus dem Rohrsystem des versicherten Gebäudes oder dessen zugehörigen Einrichtungen durch Ausuferung von oberirdischen Gewässern oder durch Witterungsniederschläge. Dies setzt voraus, dass sich das angesammelte Wasser zunächst im Rohrsystem befand und anschließend bestimmungswidrig austrat. Nicht ausreichend ist gerade, dass das Wasser aufgrund einer Überlastung des Kanal- und Abwassersystems nicht abfließen kann. Solches behauptet der Kläger aber nicht. Nach seiner Schilderung drang das Wasser vermutlich über die Fenster der Einliegerwohnung ein, weil das Kanalisationsnetz der Gemeinde in der Ortsstraße überlastet war.

Ein Versicherungsfall liegt nach alledem nicht vor. Die Klage war als unbegründet abzuweisen.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 ZPO, diejenige bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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