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Wohngebäudeversicherung – Rückforderung einer Neuwertspitzenentschädigung

LG München I – Az.: 26 O 26320/13 – Urteil vom 12.01.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 114.248,62 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.01.2017 zu zahlen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 157.852,69 € bis 20.08.2014, sodann 142.912,82 € bis 30.12.2016, sodann 257.161,44 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Versicherungsleistungen aus einer Gebäudeversicherung.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Gebäudeversicherung als gleitende Neuwertversicherung, bei der auch die Feuergefahr versichert ist (Versicherungsschein Anlage K1). Versicherungsort ist … , Fl.Nr. … .

§ 38 Abs. 3 ABB Stand 2011 (Anlage K2) bestimmt:

„Der Versicherer leistet bei einem Schadensereignis nach Absatz 1 zudem Entschädigung

a) bis zur Höhe von 5 % der Versicherungssumme (§§ 23 Nr. 2, 24 Absatz 1) für das Aufräumen und den Abbruch von versicherten Sachen […]

b) bis zu 5 % der Versicherungssumme, höchstens jedoch bis zu 5 000 Mark „Versicherungssumme 1914“ oder im Fall des § 24 bis zu 51 130 „Versicherungssumme 1990″ zuzüglich Anpassungszuschläge, für die zur Wiederherstellung notwendigen Mehrkosten infolge behördlicher Auflagen auf der Grundlage bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles erlassener Gesetze und Verordnungen […]“

§ 59 Abs. 2 ABB Stand 2011 bestimmt zur Neuwertspitze:

„Bei der Neuwertversicherung erwirbt der Versicherungsnehmer auf den Teil der Entschädigung, der die Zeitwertentschädigung übersteigt (Neuwertspitze), einen Anspruch nur, soweit er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um a) Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen. […]“

Am 27.09.2011 brannte das versicherte Objekt unter der laufenden Nr. (01) „Lagergebäude“ ab. Das Lagergebäude war zum Zeitpunkt des Brandes nicht mit haustechnischen Anlagen (Strom, Heizung, Wasser) versehen.

Wohngebäudeversicherung - Rückforderung einer Neuwertspitzenentschädigung
(Symbolfoto: Indypendenz/Shutterstock.com)

Die Beklagte beauftragte Dipl.-Ing. (FH) … mit der Berechnung des Wiederherstellungsaufwandes. Dieser ermittelte einen ersatzfähigen Wiederherstellungsaufwand von 303.164,00 € (Anlage K3; aktualisierte Berechnung Anlage BLD6). Der Betrag setzt sich zusammen aus 278.655,17 € Bauleistungen, 21.344,83 € Abbruchkosten und einer Nachtragsposition von 3.164 € für Hörmann-Stahltüren. Der Zeitwert wurde mit 164.406,55 € ermittelt, die Neuwertspitze mit 114.248,62 €. Der von der Klägerin beauftragte Dipl.-Ing. … ermittelte einen Neuwertschaden von 457.852,69 €, wobei hiervon 72.441,63 € auf Aufräum- und Entsorgungskosten entfielen, 323.667,06 € auf die eigentlichen Wiederherstellungskosten und 61.744,00 € auf Zusatzkosten, davon 8.785 € für behördliche Auflagen (Anlage K4). Als Zeitwert der eigentlichen Wiederherstellungskosten ermittelte der Privatsachverständige … 220.093,60 €. Hinsichtlich der Ansätze der beiden Parteigutachter im Einzelnen wird auf die Anlagen K3 und K4 Bezug genommen. Der Sachverständige der Beklagten … nahm mit Schreiben vom 12.02.2013 (Anlage BLD3) zur Berechnung des Sachverständigen der Klägerin … Stellung, dieser wiederum mit Schreiben vom 02.04.2013 (Anlage BLD4) zu den Einwendungen des Sachverständigen … .

Die Klägerin schloss am 01.08.2013 einen VOB-Bauvertrag für die Neuerrichtung einer Halle mit der Fa. … (Anlage K9). § 2 Nr. 4 des Bauvertrags bestimmt, dass die Pflichten aus dem Vertrag entfallen, wenn „eine evtl. Klage des Auftraggebers gegen die … rechtskräftig abgewiesen wird oder der Auftraggeber aus sonstigen Gründen die Entschädigungszahlung von der … nicht erhält (auflösende Bedingung).“ Nach der Bestimmung war weiter bei nur anteiligem Erhalt der Entschädigungszahlung eine Vertragsanpassung vereinbart. § 7 des Bauvertrags bestimmt, dass mit den Arbeiten zum 01.12.2013 zu beginnen ist und diese bis zum 29.08.2014 fertigzustellen sind. Die Klägerin übersandte der Beklagten mit Schreiben der von ihr mit der Versicherungsabwicklung beauftragten Fa. … vom 26.08.2013 (Anlage K8) diesen VOB-Bauvertrag mit der Fa. … . Die Klägerin stellte zudem bei der Stadt … am 16.09.2014 einen Bauantrag für den „Wiederaufbau einer Lager- und Verkaufshalle“ (Eingangsbestätigung Stadt … vom 17.09.2014 Anlage K11). Mit Bescheid des Landratsamts … vom 09.01.2015 wurde der Klägerin eine Baugenehmigung erteilt (Anlage K14, ohne Pläne). Am 01./09.02.2017 unterzeichneten die Parteien des VOB-Bauvertrags eine Erklärung zu einem späteren Baubeginn (Anlage K16).

Die Beklagte bezahlte 300.000 € als Versicherungsleistung an die Klägerin aus. Die von der Beklagten errechnete Neuwertspitze wurde hierbei im September 2013 ausbezahlt (Schreiben der Beklagten vom 27.09.2013 Anlage K10).

Die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin forderten mit Schreiben vom 30.10.2013 von der Beklagten Regulierung auf der Basis der Berechnungen des Privatsachverständigen … (Anlage K5). Die Beklagte wies dies mit Schreiben vom 06.11.2013 zurück (Anlage K6).

Die Klägerin bringt vor, dem Vertrag lägen die Versicherungsbedingungen Gebäudebrandversicherung (ABB) Stand 01.08.2011 zu Grunde (Anlage K2). Die Bodenplatte der abgebrannten Halle sei durch den Brand so beschädigt worden, dass sie abgebrochen und ersetzt werden müsse. Eine Baugenehmigung werde für die Neuerrichtung einer Teppichlagerhalle ohne Elektroinstallationen nicht mehr erteilt. Entsprechende Auflagen ergeben sich aus § 7 Abs. 3 ASR (Anlage dazu vorgelegt als Anlage K18). Für den weiteren Abbruch der Halle seien über die bereits angefallenen 21.344,83 € hinaus weitere 41.618 € erforderlich. Die bisher vorgelegten Rechnungen deckten den Abbruch nicht vollständig; neben dem Abbruch der Bodenplatte seien auch noch Aushub und Bodenaustausch durchzuführen.

Die Klägerin ist der Auffassung, nach § 51 ABB Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen entsprechend dem Gutachten … zu haben. Die Beklagte habe zudem als Verzugsschaden die Kosten der vorgerichtlichen rechtsanwaltlichen Vertretung zu erstatten. Die Beschränkung von Aufräum- und Abbruchkosten sei unwirksam, da angesichts des Abschlusses einer gleitenden Neuwertversicherung die Klägerin damit nicht habe rechnen müssen und zudem die Klausel intransparent sei sowie sie unangemessen benachteilige. Die Verwendung des Wortes „zudem“ signalisiere dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, dass es sich um eine Erweiterung, nicht eine Einschränkung des Versicherungsschutzes handele. Die Intransparenz ergebe sich um so mehr, als der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Versicherungssumme nicht kenne. Kosten für die Baustelleneinrichtung und Gerüstkosten gehörten nicht zu den Aufräum- und Abbruchkosten nach § 38 ABB.

Mit Schriftsatz vom 20.08.2014 (Bl. 60/61 d.A.) hat die Klägerin die Klage in Höhe von 14.939,87 € zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 142.912,82 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.449,36 € als Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung zu zahlen.

Hilfsweise (Bl. 272/273 d.A.) beantragt die Klägerin,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 135.158,62 € zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin wegen des Brandschadens vom 27.09.2011 an dem Versicherungsort … , Fl. Nr. … aus dem Versicherungsvertrag zur Versicherungsscheinnr. … auch hinsichtlich des verbleibenden Neuwertanteils an der Entschädigungsleistung i.H.v. 7.754,20 € in bedingungsgemäßem Umfang zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Mit Schriftsatz vom 30.12.2016 (Bl. 251/258 d.A.), eingegangen beim Landgericht München I per Fax am selben Tag, hat die Beklagte Widerklage gegen die Klägerin erhoben mit dem Antrag,

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte EUR 114.248,62 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Klägerin beantragt Abweisung der Widerklage.

Die Beklagte trägt vor, dem Versicherungsvertrag lägen die Versicherungsbedingungen ABB Anlage 890 12/11 (Anlage BLD1) zu Grunde. Die Bodenplatte der abgebrannten Lagerhalle könne wiederverwendet werden und sei daher nicht abzubrechen. Berücksichtigungsfähige behördliche Auflagen für den Wiederaufbau bestünden nicht.

Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, die Aufräumungs- und Abbruchkosten seien nach § 38 Abs. 3 a ABB wirksam auf 25.536 € begrenzt. 5 % der Versicherungssumme zuzüglich der im Versicherungsschein vorgesehenen Vorsorge von 20 % ergeben den Betrag in Höhe von 25.536,00 € (angesetzter Faktor 15,2; Anmerkung des Gerichts: nach Versicherungsschein Anlage K1 ist der Faktor allerdings 15,5, so dass sich rechnerisch 26.040,00 € ergeben).

Die Beklagte meint weiter, aus § 93 VVG Anspruch auf Rückzahlung der von ihr bereits geleisteten Neuwertspitze zu haben. Die angemessene Frist zur Wiederherstellung sei bereits längst abgelaufen, zudem beabsichtigte die Klägerin, abweichend zur früheren Nutzung eine Lager- und Verkaufshalle zu errichten, was nicht der strengen Wiederherstellungsklausel entspreche.

Die Beklagte ist zuletzt der Ansicht, sie sei aus § 43 ABB leistungsfrei, weil die Klägerin sie hinsichtlich der Wiederherstellungsabsicht arglistig getäuscht habe. Die Klägerin habe nie vorgehabt, den von ihr vorgelegten VOB-Bauvertrag tatsächlich zu vollziehen.

Die Klägerin repliziert im Hinblick auf die Widerklage, sie habe mit dem Bauunternehmen Bunzel in Anbetracht der Klageerhebung einvernehmlich die Umsetzung des Bauvertrages suspendiert. Es könne der Klägerin zudem nicht entgegen gehalten werden, dass sie bisher keinen Wiederaufbau vorgenommen habe, da die Beklagte vertragswidrig eine bestimmungsgemäße Entschädigung verweigere. Die Bestimmung des § 59 Abs. 3 ABB sei wegen unangemessener Benachteiligung und Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Für einen Rückzahlungsanspruch nach § 93 VVG bedürfe es zudem einer ausdrücklichen Fristsetzung des Versicherers, ferner liege kein Verschulden der Klägerin vor.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 17.10.2014 ein schriftliches Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. … erholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Begutachtung wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten … vom 30.11.2015 (Bl. 100/167 d.A.) verwiesen. Durch Beschluss vom 23.02.2016 hat das Gericht ein ergänzendes schriftliches Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. … erholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Ergänzungsbegutachtung wird auf das Ergänzungsgutachten vom 12.10.2016 verwiesen. In den Terminen zur mündlichen Verhandlung vom 15.03.2017 und 10.11.2017 hat das Gericht den Sachverständigen … mündlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörungen wird auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen vom 15.03.2017 und 10.11.2017 verwiesen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen vom 22.08.2014, 15.03.2017 und 10.11.2017.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Widerklage ist zulässig und begründet.

A.

I. Die Kläger hat aus dem Versicherungsvertrag zur Beklagten keinen weiteren Zahlungsanspruch mehr (Hauptantrag und Hilfsantrag zu Ziff. 1). Hierbei kann offenbleiben, ob die von der Klägerin vorgelegten ABB Stand 2011 oder die von der Beklagten vorgelegten ABB Anlage 890 12/11 die zutreffenden Versicherungsbedingungen sind. In den für die Entscheidung des Rechtsstreits insbesondere maßgeblichen Bestimmungen der §§ 38, 51 und 59 ABB hat das Gericht keine Unterschiede feststellen können. Es ist unklar, ob es sich bei den beiden vorgelegten Versicherungsbedingungen nicht nur um unterschiedlich formatierte, sprachlich aber identische Bedingungswerke handelt. Allerdings würde sich aus der von der Beklagten vorgelegten Anlage BLD2 (reproduzierter Versicherungsschein) für das Gericht auch nicht ergeben, dass die Anlage 890 Vertragsbestandteil im Zeitpunkt des Versicherungsfalles gewesen ist, da dieser reproduzierte Versicherungsschein den Versicherungsbeginn mit 07.02.2012 angibt, der streitige Schadensfall aber schon am 27.09.2011 gewesen ist.

1. Die Klägerin hätte grundsätzlich Anspruch auf Zahlung eines Zeitwertes in Höhe von 142.591,66 € netto hinsichtlich der eigentlichen Bauleistungen. Entgegen der im Sachverständigengutachten … vom 30.11.2015 auf S. 35 angestellten Berechnung sind nur Nettobeträge anzusetzen, da die Klägerin unstreitig vorsteuerabzugsberechtigt ist.

Das Gericht ist von der Richtigkeit des durch den Sachverständigen … ermittelten Wiederherstellungsaufwandes (S. 35 des Gutachtens vom 11.01.2018) ebenso überzeugt wie von dem zutreffenden Ansatz einer Zeitwertminderung von 50 %. Die von der Klägerin erhobenen umfangreichen Einwendungen gegen die Richtigkeit der Berechnung des Sachverständigen sind nach Auffassung des Gerichts nicht durchgreifend.

Der Sachverständige … ist ein äußerst erfahrener Gerichtsachverständiger, von dessen Sachkunde das Gericht überzeugt ist. Die schriftlichen wie mündlichen Darlegungen des Sachverständigen sind überzeugend und nach eigener Prüfung des Gerichts zutreffend.

Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnet das methodische Vorgehen des Sachverständigen … keinen Bedenken. Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 15.03.2017 dargelegt, hat der Sachverständige in der mündlichen Anhörung vom 15.03.2017 nochmals klargestellt, dass seine Beurteilung der Baukosten auf drei Grundlagen basieren, nämlich a) der von ihm vorgenommenen Ausschreibung, b) der Ermittlung der Baukosten nach der berücksichtigten Literatur (insbesondere SIRADOS-Baupreise) und c) seiner eigenen Erfahrung als langjähriger Sachverständiger und Bauunternehmer. Die drei Methoden hätten zu keiner wesentlichen Diskrepanz geführt, sondern für ihn plausible Ergebnisse geliefert. Gegen diese Methodik des Gerichtssachverständigen bestehen aus Sicht des Gerichts keine durchgreifenden Bedenken. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass wenn die Kostenermittlung sowohl über die Literatur als auch über die Ausschreibung in etwa ähnliche Ergebnisse zeigt, dies für die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses spricht und einer reinen Baukostenermittlung über Literatur sogar überlegen ist.

Das Gericht teilt insbesondere nicht die Auffassung der Klägerin, der Sachverständige habe nur eine (fehlerhafte) Ausschreibung getätigt und versuche nun im Nachhinein, sein (aus Sicht der Klägerin falsches) gefundenes Ergebnis zu rechtfertigen. Der Sachverständige hat im Zuge seiner Befangenheitsablehnung sowie zur Vorbereitung des Termins vom 10.11.2017 sowohl die Unterlagen zu der Ausschreibung vorgelegt als auch eine Berechnung nach Sirados (vgl. Schreiben des Sachverständigen vom 02.06.2017, Anlage zu Bl. 419 d.A.). Diese Berechnungen zeigen in der Tat nur geringe Abweichungen, was für die Richtigkeit des durch die Ausschreibung gefundenen Ergebnisses spricht.

Hinsichtlich des methodischen Vorgehens des Sachverständigen bei der Ausschreibung bestehen aus Sicht des Gerichts ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken. Grundsätzlich richtig ist sicherlich, dass die Ergebnisse einer Ausschreibung um so exakter sein werden, je detaillierter die Ausschreibung und die darin enthaltenen Anforderungen und Vorgaben an die Bauunternehmen sind. Allerdings ist weiter zu berücksichtigen, dass der ganz genaue Aufbau der abgebrannten Lagerhalle weitgehend unbekannt ist und es sich zudem um ein Standardgebäude ohne besondere Anforderungen handelt, so dass bereits eine relativ allgemeine Ausschreibung voraussichtlich gute Ergebnisse zeigt. Zudem diente die Ausschreibung hier nur als ein Ermittlungsweg der Baukosten und nicht als Grundlage für den unmittelbar folgenden Abschluss eines Bauvertrags, bei dem es in der Tat angezeigt sein kann, mit dem Bauunternehmen sehr genaue Vorgaben zu vereinbaren – wie die am Landgericht zahlreich laufenden Bauprozesse, wo um die genauen vertraglichen Vereinbarungen zur Beschaffenheit gestritten wird, zeigen.

Nicht zu beanstanden ist auch das methodische Vorgehen des Sachverständigen im Rahmen der Ausschreibung selber. Die Beschränkung auf einen bestimmten Bieterkreis entspricht praktischen Erfordernissen, sie stellt aber auch sicher, dass die Anbieter leistungsfähige Unternehmen sind, so dass grundsätzlich jedes der Angebote von der Klägerin angenommen werden könnte. Innerhalb derartig vorausgewählter Bieter den billigsten zu nehmen, ist keine unbillige Benachteiligung der Klägerin, sondern entspricht schlichtweg dem Vorgehen eines gewöhnlichen Bauinteressenten. Anders wäre dies zu beurteilen, wenn es sich um willkürlich (d.h. ohne Vorauswahl) angefragte Unternehmen gehandelt hätte, da dann ein Anbieter zwar billig sein mag, jedoch nicht zwingend auch leistungsfähig ist. Der Vorwurf der Klägerin, der Sachverständige … habe entgegen der versicherungsvertraglichen Vorgaben ihr zugemutet, den billigsten, womöglich nicht zuverlässigen Unternehmer, zu beauftragen (bzw. dessen Preise für die Begutachtung herangezogen), trifft damit nicht zu. Soweit die Klägerin dem Sachverständigen vorwirft, dieser habe deshalb keine realistische Ausschreibung vorgenommen, weil die Ausschreibung durch „sein“ Bauunternehmen erfolgte und die Interessenten möglicherweise dann aus Interesse an zukünftigen Geschäftsbeziehungen billigere Angebote einreichten als bei einer Ausschreibung durch einen Dritten (insbesondere wenn dieser nicht Bauunternehmer ist), trifft dies zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls nicht zu. Jede speziell für die Zwecke eines Gerichtsverfahrens vorgenommene Ausschreibung leidet unter dem Problem, dass bei Offenlegung der Ausschreibung als Ausschreibung für ein Gerichtsgutachten entweder gar keine Angebote zu erwarten sind oder aber keine geeigneten Angebote, da fremde Bauunternehmen kein Interesse haben an der Förderung eines sie nicht betreffenden Rechtsstreites. Da es sich bei den vom Sachverständigen angefragten Unternehmen um ihm bekannte Unternehmen handelt (teilweise mit früherer Auftragsbeziehung zu seinem Unternehmen), ist verständlich, dass der Sachverständige sein Handeln hier im Rahmen der Begutachtung gegenüber den betroffenen Unternehmen nicht offenlegen wollte und auch den Parteien zunächst nur ungern mitteilen wollte, um welche Unternehmen es sich handelt. Letztlich muss er dies den Parteien auf entsprechende Frage mitteilen, hat dies hier aber auch gemacht. Auch kann zwar abstrakt nie ausgeschlossen werden, dass die Bieter auf die Ausschreibung des Sachverständigen … gerade im Interesse zukünftiger Kundenbeziehungen zum Bauunternehmen des Sachverständigen billigere Angebote einreichten, als dies bei einer Ausschreibung durch einen Dritten der Fall wäre, aber dann wäre im vorliegenden Fall nicht zu erklären, warum die Differenz zwischen den vom Sachverständigen über Sirados ermittelten Preisen nur gering ausfiel. Für den vorliegenden Fall hält das Gericht es dafür für äußerst unwahrscheinlich, dass die angebotenen Preise keine realistischen Preise für Nichtbauunternehmer darstellten. Dies entspricht auch der Einschätzung des Sachverständigen in seiner mündlichen Anhörung, dass nach seiner Erfahrung bei den genannten Preisen mit einer Auftragserteilung zu rechnen gewesen wäre und dass diese realistisch gewesen seien.

Soweit die Klägerin den Ansatz des Sachverständigen von 6.000 € (S. 21 des Gutachtens vom 30.11.2015) angreift, so erscheint dem Gericht der Ansatz des Gerichtssachverständigen zutreffend. Die genaue Ausgestaltung der früheren Tore ist unbekannt. Auf S. 12 des Ergänzungsgutachtens vom 12.10.2016 hat der Gerichtssachverständige seinen Kostenansatz insoweit näher erläutert. Sollten tatsächlich vor dem Brand nur Schiebetore vorhanden gewesen sein, so wäre schon der Ansatz von 6.000 € zu hoch gewesen. Der Klägerin ist insoweit entgegenzuhalten, dass ihr Gutachter … in der Anlage K4 Sektionaltore der Fa. … oder vergleichbare Tore ansetzte und damit denselben Ansatz machte wie der Gerichtssachverständige. Dass die Klägerin offenbar Sektionaltore der Fa. … auch für ausreichend erachtete, ergibt sich auch daraus, dass diese nachträglich vom Sachverständigen … in seiner Kostenbewertung noch ergänzt wurden.

Auch den Ansatz des Gerichtssachverständigen … von 50 % hinsichtlich der Zeitwertminderung hält das Gericht für zutreffend. Hingegen ist der Ansatz des Privatsachverständigen der Klägerin … von 32 % nicht überzeugend. Der Privatsachverständige … geht auf S. 13 f. im Gutachten vom 20.11.2012 davon aus, dass zur Umnutzung 1995 und danach eine permanente Verbesserung / Ergänzung einzelner Bauteile und der haustechnischen Anlage vorgenommen wurde. Er setzt deswegen eine fiktive Nutzungsdauer von 70 Jahren (statt 50 Jahren wie der Gerichtssachverständige) an. Dies kann aber schon deswegen nicht zutreffen, da unstreitig haustechnische Anlagen in der abgebrannten Halle überhaupt nicht vorhanden waren. Auch bleibt völlig unklar, auf welcher Basis der Privatsachverständige ansonsten von einer laufenden Verbesserung einzelner Bauteile ausgeht. In dem Privatgutachten finden sich hierzu keine Angaben, im Verfahren wurde dies ebenfalls nicht thematisiert.

2. a) Hinsichtlich der Abbruch- und Aufräumkosten hätte die Klägerin aus § 38 Abs. 3 a) ABB 2011 einen rechnerischen Anspruch in Höhe von 45.799,76 € netto. Dieser Betrag ergibt sich aus den vom Gerichtssachverständigen … ermittelten 44.623 € netto für Abbruchaufwand mit der Korrektur (Addition) in Höhe von 1.176,76 € netto gemäß Ergänzungsgutachten vom 12.10.2016 S. 18.

Das Gericht hält die Ermittlung der Abbruch- und Aufräumkosten des Gerichtssachverständigen … für zutreffend. Dieser hat sich zur Berechnung der Kosten an dem umbauten Raum orientiert und berücksichtigt, dass die Baumasse der überwiegend aus Holz aufgebauten Lagerhalle durch den Brand reduziert worden ist. Bereits zu Gunsten der Klägerin unterstellt wurde, dass höhere Entsorgungskosten für die nach dem Baujahr vermutlich asbesthaltigen Faserzement-Wollplatten der Dacheindeckung anfallen. Letztere Annahme geht zu Gunsten der Klägerin, da eine Asbestbelastung der Lagerhalle tatsächlich nicht feststeht.

Hingegen ist der Ansatz des Privatsachverständigen der Klägerin … insoweit für das Gericht nicht nachvollziehbar. Der Privatsachverständige … setzt u.a. 9.478 € netto für Gerüstkosten / Baustelleneinrichtung an. Wie die vorgelegten Lichtbilder zeigen, war die Halle aber im Wesentlichen durch den gegenständlichen Brand abgebrannt, so dass sich dem Gericht nicht erschließt, wofür für den Abbruch noch ein Baugerüst erforderlich sein sollte.

Vom Gerichtssachverständigen … entgegen der Auffassung der Beklagten hingegen zutreffend einberechnet wurde der Aufwand für den Abbruch der Bodenplatte. Diese ist nach Angabe des Gerichtssachverständigen … derart stark geschädigt worden, dass sie bei einer Wiederherstellung der Lagerhalle nicht mehr wiederverwendet werden könnte. Dies erscheint dem Gericht in Anbetracht der vorgelegten Lichtbilder, die bereits erhebliche Risse zeigen, ohne weiteres zutreffend.

b) Allerdings könnte die Klägerin von diesen rechnerischen 45.799,76 € Abbruch- und Aufräumkosten wegen der Kostenbegrenzung nach § 38 Abs. 3 a ABB 2011 nur 26.040,00 € verlangen.

aa) Die Begrenzung der Abbruch- und Aufräumkosten durch § 38 Abs. 3 a ABB 2011 ist wirksam. Diese Klausel in den Versicherungsbedingungen ist insbesondere weder überraschend, noch stellt sie eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin dar noch ist diese Kostenbegrenzung intransparent.

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dieser Klausel nicht um eine Begrenzung der Hauptversicherungsleistung, sondern um eine zusätzlich gewährte Leistung (vgl. Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2016, § 5 AFB Rn. 1). Ohne die Klause des § 38 Abs. 3 a ABB 2011 hätte die Beklagte für Abbruch- und Aufräumkosten überhaupt nicht einzustehen. Diese sind insbesondere nicht Teil der Wiederherstellungskosten. Die Verwendung des Wortes „zudem“ in § 38 Abs. 3 ABB ist damit zutreffend und nicht – wie die Klägerin meint – eine Irreführung des durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Da es sich nicht um eine Begrenzung des Versicherungsschutzes handelt, sondern um eine Erweiterung (diese dann aber nur eingeschränkt), ist die Klausel insbesondere nicht im Sinne des § 305c BGB überraschend. Sie stellt auch keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar, da es eine Grundregel der Gestalt, dass ein Versicherungsnehmer im Schadensfall alle Kosten, die in Zusammenhang mit diesem entstanden sind, erstattet erhält, nicht gibt.

Soweit sich die Klägerin auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.06.2013, Az. IV ZR 228/12, beruft, erschließt sich dem Gericht die Relevanz für den vorliegenden Fall nicht. Die im dortigen Rechtsstreit verwandte Klausel enthielt ausweislich der Entscheidungsgründe keine prozentuale Beschränkung der Abbruch- und Aufräumungskosten. Das Urteil befasst sich vielmehr mit der Frage, wann der entsprechende Anspruch auf Ersatz solcher Kosten anfällt.

Das Gericht teilt hingegen nicht die Auffassung des LG Oldenburg, Urteil vom 07.09.1991, Az. 13 O 189/93, r+s 1994, 468, dass die entsprechende Klausel unwirksam sei, weil sich aus ihr nicht die relevante Versicherungssumme ergeben würde. Zwar ist grundsätzlich zutreffend, dass allein aus der Klausel des § 38 ABB 2011 nicht die relevante Begrenzung entnommen werden kann. § 38 Abs. 3 a ABB 2011 verweisen zur Berechnung jedoch weiter auf §§ 23, 24 ABB 2011. Relevant ist hier § 23 ABB 2011, wie sich auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließen wird, da dieser bei aufmerksamer Durchsicht der Bestimmungen und Berücksichtigung des Kontextes auch den Versicherungsschein in Bezug nehmen wird. Aus dem Versicherungsschein ergibt sich aber, dass im vorliegenden Vertrag eine Berechnung nach der Versicherungssumme 1914 vorzunehmen ist. § 23 Nr. 2 ABB 2011 stößt den durchschnittlichen Versicherungsnehmer darauf, dass die sich aus dem Versicherungsschein ergebende Versicherungssumme 1914 noch mit einem Faktor vervielfacht werden muss. Welcher dies ist, ergibt sich aus dem Versicherungsschein. Dieses Vorgehen erscheint zwar zunächst kompliziert. Es ist allerdings gerade das Wesen einer sich über die Jahre wegen der Preisanpassung ändernden Leistungsbegrenzung, dass nicht schlichtweg im Versicherungsschein oder den Versicherungsbedingungen ein betragsmäßiger Begrenzungswert angegeben werden kann. Nach Auffassung des Gerichts ist die Auffassung des LG Oldenburg, dass sich aus der Klausel nicht ergeben würde, welche Versicherungssumme gemeint sei, daher jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht zutreffend.

bb) Als Höhe der Begrenzung ergibt sich ein Betrag in Höhe von 26.040 € (28.000 Mark x 15,5 x 0,05 zuzüglich 20 % Vorsorge). Soweit die Beklagte der Rechtsauffassung ist, die Aufräumungs- und Abbruchkosten seien nach § 38 Abs. 3 a ABB wirksam auf 25.536 € begrenzt, geht das Gericht davon aus, dass den Prozessbevollmächtigten der Beklagten bei dieser Berechnung hinsichtlich des Bewertungsfaktors (angesetzt durch die Beklagte 15,2) ein Schreib- oder Berechnungsfehler unterlaufen ist, da sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Versicherungsschein unschwer ergibt, dass der zutreffende Umrechnungsfaktor für das betreffende Jahr 15,5 ist.

3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Mehrkosten wegen behördliche Auflagen für die Wiederherstellung im Sinne des § 38 Abs. 3 b ABB 2011. Die Klägerin macht nach dieser Norm erhöhte Aufwendungen geltend für eine Elektroinstallation in der neuen Halle, wobei unstreitig ist, dass die abgebrannte Halle keinerlei elektrotechnische Einrichtungen, insbesondere Beleuchtung, enthielt.

Unstreitig ist eine explizite behördliche Auflage an die Klägerin, in die neu zu errichtende Halle eine elektrische Beleuchtung zu installieren, nicht ergangen. Insbesondere enthält die vorgelegte Baugenehmigung des Landratsamtes … hierzu nichts.

Ein Anspruch kann sich daher nur ergeben, wenn von dieser Norm auch erfasst sind gesetzliche Vorschriften, die die Klägerin einhalten muss, auch wenn sie – jedenfalls im Baugenehmigungsverfahren – nicht durch die Behörde geprüft werden. Zwar neigt das Gericht zu der Auffassung, dass die genannte Klausel auch derartige Mehraufwendungen erfassen soll, jedoch sind entsprechende Anforderungen zur Auffassung des Gerichts nicht gegeben. Die Klägerin stützt sich zur Begründung ihrer Auffassung auf die Arbeitsstättenverordnung und die hierzu ergangenen Konkretisierungen (vorgelegt als Anlage K18).

§ 3a ArbStättV lautet auszugsweise wie folgt:

„(1) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden. Beim Einrichten und Betreiben der Arbeitsstätten hat der Arbeitgeber die Maßnahmen nach § 3 Absatz 1 durchzuführen und dabei den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene, die ergonomischen Anforderungen sowie insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 7 Absatz 4 bekannt gemachten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen. Bei Einhaltung der bekannt gemachten Regeln ist davon auszugehen, dass die in dieser Verordnung gestellten Anforderungen diesbezüglich erfüllt sind. Wendet der Arbeitgeber diese Regeln nicht an, so muss er durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und den gleichen Schutz der Gesundheit der Beschäftigten erreichen.

[…]

(3) Die zuständige Behörde kann auf schriftlichen Antrag des Arbeitgebers Ausnahmen von den Vorschriften dieser Verordnung einschließlich ihres Anhanges zulassen, wenn 1. der Arbeitgeber andere, ebenso wirksame Maßnahmen trifft oder 2. die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall zu einer unverhältnismäßigen Härte führen würde und die Abweichung mit dem Schutz der Beschäftigten vereinbar ist.“

Bereits aus dieser Norm ergibt sich, dass entgegen der Auffassung der Klägerin es gerade keineswegs zwingend ist, die erforderliche Beleuchtung über eine elektrotechnische Installation herbeizuführen. Der Arbeitgeber, d.h. hier die Klägerin, kann vielmehr auch andere geeignete Maßnahmen durchführen. Hierzu besteht nach § 3a Abs. 3 ArbStättV sogar ein gesondertes Verfahren. Als alternative Maßnahme kommt hier insbesondere eine Beleuchtung durch das Tageslicht in Betracht. Diese Maßnahme ist offensichtlich auch ausreichend, wenn die neu zu errichtende Halle nur im bisherigen Umfang genutzt werden soll, denn die Klägerin hat seit Errichtung der abgebrannten Halle offensichtlich nur mit Tageslicht gearbeitet, ohne dass dies je Schwierigkeiten bereitet hätte oder gar ein Unfall passiert wäre; jedenfalls hat sie zu einem solchen nichts vorgetragen. Daher geht das Gericht davon aus, dass es keine zwingenden behördlichen Auflagen im Sinne des § 38 Abs. 3 b ABB 2011 gibt, welche es der Klägerin verunmöglichen würden, die wieder zu errichtende Halle ohne Elektroinstallation zu errichten.

4. Die Klägerin hat (hinsichtlich der Kosten der eigentlichen Bauleistung) nur Anspruch auf Ersatz des Zeitwertes, weil die Neuwertspitze nicht nach § 58 Abs. 2 ABB 2011 geschuldet ist, da die Klägerin binnen der dort gesetzten Frist von 3 Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles nicht sichergestellt hat, dass sie die Entschädigung verwenden wird, um eine Halle gleicher Art und gleicher Zweckbestimmung wiederherzustellen.

a) Unstreitig ist, dass die Klägerin bereits 300.000 € Versicherungsleistung von der Beklagten erhalten hat (Auszahlung des letzten Teils davon im September 2013), bisher aber nur ein Teilabbruch der abgebrannten Halle (ohne die nach dem Sachverständigengutachten … noch abzubrechende Bodenplatte) erfolgt ist.

b) Allerdings ist es für eine Sicherstellung der Wiederherstellung im Sinne der hier verwandten strengen Wiederherstellungsklausel nicht erforderlich, dass tatsächlich bereits ein Wiederaufbau vorgenommen wurde. Regelmäßig ist für eine Sicherstellung der Wiederherstellung im Sinne der Klausel ausreichend, wenn ein Bauvertrag geschlossen wird. Allerdings ist der hier abgeschlossene Bauvertrag (Anlage K9 mit Ergänzung Anlage K16) nicht geeignet, die Wiederherstellung der sicherzustellen.

aa) Der Bauvertrag ist bereits dadurch gekennzeichnet, dass er das genau geschuldete Werk nicht bezeichnet. § 1 des VOB-Bauvertrags nimmt nur Bezug auf das Gutachten … und enthält dann die vollkommen unklare Position „zzgl. behördliche Wiederaufbaubeschränkungen, Baunebenkosten etc.“. Es erstaunt, dass die Parteien des Bauvertrags einen Festpreis vereinbart haben, obwohl selbst mit der Bezugnahme auf das Gutachten … nicht klar ist, mit was genau der Werkunternehmer beauftragt werden soll. Darüber hinaus sieht § 2 Nr. 4 des Bauvertrags eine auflösende Bedingung vor, falls die Klägerin die Versicherungsleistung nicht erhält. Unterabsatz 2 dieser Bestimmung sieht sodann eine Vertragsanpassung vor, wenn die Klägerin nur eine anteilige Entschädigungszahlung erhalten sollte. Was genau die volle Entschädigungsleistung sein soll, lässt der Bauvertrag jedoch offen. Ebenso bleibt offen, nach welchen Kriterien eine Anpassung des Bauvertrags erfolgen soll, wenn nur eine anteilige Entschädigung geleistet wird. Aus dem Bauvertrag selber ist damit der Umfang des Auftrags nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Klägerin und das beauftragte Bauunternehmen … tatsächlich die Durchführung des Bauvertrags beabsichtigten. Nach § 7 des Bauvertrags waren Ausführungsfristen vorgesehen, die bereits längst abgelaufen sind. § 14 des Bauvertrags sehe sogar eine Vertragsstrafe für eine Bauzeitüberschreitung vor. Obwohl mithin die Parteien des Bauvertrags grundsätzlich ein strenges Fristenregime vereinbarten, haben sie jedenfalls in schriftlicher Form erst nach der Erhebung der Widerklage – fast zweieinhalb Jahre nach dem ursprünglichen Fertigstellungstermin – eine Erklärung unterzeichnet, an dem Vertrag festhalten zu wollen mit der wiederum völlig nichtssagenden Passage „im vorliegenden Fall verschieben sich somit der Beginn und das Ende der Wiederherstellungsarbeiten“. Irgendwelche einklagbaren Rechte ergeben sich aus dieser Vereinbarung nicht, weil diese derart vage formuliert ist, dass sich ihr keinerlei verbindliche Termine entnehmen lassen.

bb) Daneben ist durch den Bauvertrag Anlage K9 auch deswegen die Wiederherstellung nicht gesichert, weil durch diesen Vertrag nicht eine Wiederherstellung einer Halle in gleicher Art und Zweckbestimmung gesichert ist. Die abgebrannte Halle war eine Lagerhalle ohne jegliche haustechnische Einrichtungen, insbesondere ohne Beleuchtung. Nunmehr will die Klägerin ausweislich ihres Bauantrags eine Lager- und Verkaufshalle errichten, wobei elektrotechnische Installationen eingebaut werden sollen. Zwar schließt eine strenge Wiederherstellungsklausel gewisse Modernisierungen nicht aus, jedoch muss es sich dennoch im Wesentlichen um ein Gebäude gleicher Zweckrichtung handeln. Soll aber in dem Gebäude in Zukunft auch in nennenswertem Umfange ein Kundenbetrieb stattfinden, ist dies mit einer reinen Lagerhalle nicht zu vergleichen.

cc) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, eine Wiederherstellung sei ihr nicht möglich gewesen, weil ihr hierzu die Mittel gefehlt hätten. Anders als in Fällen, in denen der Versicherungsnehmer von der Versicherung keinerlei Entschädigung erhält, hat die Klägerin hier einen Betrag in Höhe von 300.000 € bereits erhalten. Wie die Klägerin selbst einräumt, lag ihr auch ein Angebot eines Unternehmens vor, für diese Größenordnung die Halle wiederzuerrichten.

5. Der somit rechnerisch gegebene Anspruch der Klägerin auf den Zeitwert der eigentlichen Bauleistung sowie der (betragsmäßig begrenzten) Abbruch- und Aufräumungskosten in Höhe von 168.631,66 € netto (142.591,66 € + 26.040,00 €) ist durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 300.000 € durch Erfüllung erloschen, § 362 BGB.

II. Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung der Verpflichtung der Beklagten den Neuwertanteil bedingungsgemäß zu entschädigen, hat die Klägerin nicht, da die Wiederherstellung der abgebrannten Halle nicht im Sinne der Versicherungsbedingungen gesichert ist und die Wiederherstellungsfrist auch bereits abgelaufen ist.

III. Anspruch auf Zinsen aus der geltend gemachten Hauptforderung hat die Klägerin mangels Anspruches in der Hauptsache nicht.

B.

Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin mangels Anspruches in der Hauptsache nicht.

C.

I. Die Beklagte hat gegen die Klägerin im Rahmen der Widerklage aus § 93 VVG Anspruch auf Zahlung von 114.248,62 € (300.000 € geleistete Versicherungsleistung – 168.631,66 € Zeitwert Bauleistung und Abbruchkosten; jedoch auszuurteilender Betrag nach § 307 ZPO beschränkt).

Die Beklagte hat der Klägerin im September 2013 nach dem Schreiben der Beauftragten der Klägerin vom 26.08.2013 (Anlage K8) den letzten Teil der nach ihrer Berechnung korrekten Versicherungsleistung ausbezahlt. Insgesamt wurden 300.000 € ausbezahlt. Der Versicherungsfall ist am 27.09.2011 eingetreten. Mithin waren im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits über 6 Jahre seit dem Schadensereignis vergangen und über 4 Jahre seit dem Zeitpunkt der Auszahlung der Versicherungsleistung nach Berechnung der Klägerin (mit Neuwertspitze). Obwohl die Klägerin mit den ihr zur Verfügung gestellten Mitteln von 300.000 € eine Lagerhalle ohne weiteres errichten hätte können (nach der Berechnung des Gerichtssachverständigen … liegt der Neubauwert netto sogar noch unter 300.000 €), hat die Klägerin bisher nicht einmal mit der Errichtung der Lagerhalle begonnen. Es wurde einzig ein Bauvertrag abgeschlossen, von dessen ernsthafter Umsetzung das Gericht aus den oben genannten Gründen nicht überzeugt ist. Zudem wurde eine Baugenehmigung beantragt, die der Klägerin auch erteilt wurde, ohne dass mit der Wiederherstellung begonnen wurde.

Die Nichtausführung des Baus ist auch durch die Klägerin verschuldet, da sie mit den ihr zur Verfügung gestellten 300.000 € eine Lagerhalle hätte errichten können (s.o.). Selbst wenn aber die Klägerin beabsichtigte, die Halle abweichend – etwa nach den Berechnungen des Sachverständigen … – zu errichten, wäre ihr angesichts der Differenz der Werte es zuzumuten gewesen, für den Differenzbetrag einen Kredit aufzunehmen. Die Auffassung der Klägerin, sie könne erst (rechtskräftig) klären lassen, welcher Betrag ihr genau als Versicherungsleistung zusteht, bevor sie über eine Wiederherstellung entscheide, steht nach Auffassung des Gerichts nicht in Einklang mit den Bestimmungen der § 59 Abs. 2 und 3 ABB. Hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Bestimmungen hat das Gericht im Übrigen anders als die Klägerin keine Bedenken. Insbesondere benachteiligen diese Bestimmungen die Klägerin nicht unangemessen, da sie nur sicherstellen sollen, dass ein Versicherungsnehmer die Neuwertspitze nur erlangt, wenn wirklich sichergestellt ist, dass er den auszuzahlenden Betrag zur Wiederherstellung eines Gebäudes gleicher Art verwendet. Damit soll auch das subjektive Risiko begrenzt werden, wobei die Zweckrichtung der Klausel unabhängig davon ist, dass im hier gegebenen Einzelfall auf Grund der Brandentstehung durch ein spielendes Kind die Gefahr von Versicherungsbetrug hinsichtlich des Brandfalles selber nicht bestand.

Entgegen der Auffassung der Klägerin setzt der Rückzahlungsanspruch nach § 93 S. 2 VVG auch nur den Ablauf einer angemessenen Frist (und eine verschuldete unterbliebene Wiederherstellung) voraus, nicht jedoch eine Fristsetzung der Beklagten (entgegen Johannsen in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2009, § 94 VVG Rn. 52, der aber nur apodiktisch ein Fristsetzungserfordernis aufstellt, ohne dies anhand der Norm zu begründen). Dem Wortlaut ist ein Fristsetzungserfordernis nicht zu entnehmen. Auch Sinn und Zweck der Bestimmung kann nicht entnommen werden, dass eine Fristsetzung vor Rückforderung erforderlich wäre. Die Norm sichert bereits über das Erfordernis eines Ablaufs einer angemessenen Frist, die nicht mit der 3-Jahres-Frist für die Sicherung der Wiederherstellung gleichgesetzt werden kann, sowie das Verschuldenserfordernis die Interessen des Versicherungsnehmers. Wird dieser trotz ausbezahlter Neuwertspitze nicht tätig, kann er sich nicht darauf berufen, dass ihm durch den Versicherer keine Frist gesetzt wurde.

Unzutreffend ist nach Auffassung des Gerichts auch, dass § 93 S. 2 VVG nur dann greifen kann, soweit in den Versicherungsbedingungen oder sonst vertraglich eine Wiederherstellungspflicht begründet worden ist. Die Norm des § 93 S. 2 VVG ist im Zuge der Reform des VVG eingeführt worden, wobei dem Gesetzgeber die frühere Rechtsprechung zu einer fehlenden Wiederherstellungspflicht bekannt gewesen ist. Wenn die amtliche Begründung dann zu dieser Norm ausführt, es handele sich um „eine Sanktion für den Fall, dass der VN schuldhaft seine vertragliche Wiederherstellungspflicht verletzt“, so ergibt eine Auslegung des Wortlauts des neuen § 93 S. 2 VVG in Zusammenhang mit dieser gesetzgeberischen Begründung, dass die Norm des § 93 S. 2 VVG so zu verstehen ist, dass der Versicherer die ausgezahlte Neuwertspitze dann zurückverlangen kann, wenn eine angemessene Frist abgelaufen ist und die Wiederherstellung schuldhaft nicht erfolgte, ohne dass es auf ein zusätzliches Erfordernis einer vertraglich begründeten Wiederherstellungspflicht ankäme.

II. Anspruch auf Zinsen aus der Widerklage hat die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB ab Rechtshängigkeit des Widerklageantrags.

D.

Die Entscheidung über die Kosten erfolgte nach § 91 ZPO. Über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nach § 709 ZPO zu entscheiden.

 

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