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Wohngebäudeversicherung – Reparaturkosten bei optischen Beeinträchtigungen Wohnhausdach

OLG München – Az.: 8 U 3746/19 – Beschluss vom 29.11.2019

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 11.09.2019, Az. 3 O 618/18 Ver, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

I. Der Kläger nimmt die Beklagte nach einem Hagelschaden auf weitere Leistungen aus einer Wohngebäudeversicherung in Anspruch.

I. Der Kläger hielt jedenfalls seit dem Jahr 2013 für sein Wohnanwesen mit Garagengebäude bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung, die auch das Risiko von Hagel und Sturmschäden erfasste (vgl. Versicherungsschein vom 21.11.2013, Anlage K1). Vereinbart war die Geltung von AVB nach dem Muster der VGB 2008 (in Anlage K1) sowie insbesondere folgende „Klausel 0011“:

Gartenhäuser und Geräteschuppen (Kleingebäude)

1. Mitversichert sind allseitig umschlossene Gartenhäuser und Geräteschuppen auf dem Versicherungsgrundstück, die zu privaten Zwecken genutzt werden und deren Neuwert maximal 5 000 Euro beträgt. …

Auf dem Versicherungsgrundstück befinden sich neben dem Wohnhaus und dem Garagengebäude weitere Nebengebäude, insbesondere ein Hühnerstall, ein Werkstattgebäude und ein Holzunterstand (vgl. den Lageplan auf Seite 5 und die Lichtbilder auf Seite 6 ff. des Gutachtens des Sachverständigen K. vom 29.05.2019, Bl. 71 ff. d.A.).

Am 18.08.2017 wurden die Dächer an mehreren Gebäuden auf dem Versicherungsgrundstück durch Hagelschlag beschädigt.

Nach Vorlage eines Kostenvoranschlags vom 26.08.2017 (Anlage K2) und Erstellung einer „Schadenschlusserklärung/Ablauferklärung“ der von der Beklagten beauftragten Firma f. GmbH vom 07.09.2017 (Anlage K3) bezahlte die Beklagte an den Kläger zur Regulierung des Schadensereignisses vom 18.08.2017 einen Betrag in Höhe von 8.984,18 € (vgl. Schreiben der Beklagten vom 24.10.2017, Anlage K4).

Mit Schreiben vom 08.01.2018 (Anlage K5) ließ der Kläger der Beklagten mitteilen, dass sich der Schaden auf einen Betrag von 21.719,17 € belaufe und er Kürzungen nicht hinnehmen werde. Sollte die Beklagte bis 18.01.2018 „nicht einlenken“, werde der Kläger Klage erheben.

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, dass ihm bei dem Schadensereignis vom 18.08.2017 ein Schaden entstanden sei, für dessen Behebung die im Kostenvoranschlag Anlage K2 ausgewiesenen Netto-Reparaturkosten in Höhe von 18.251,40 € erforderlich und angemessen seien. Der Hühnerstall, das Werkstattgebäude und der Holzunterstand seien als nach der Klausel 0011 versicherte Nebengebäude anzusehen. Der Zeitwert der Gebäude sei wesentlich höher als die Reparaturkosten.

Der Kläger hat daher erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines Betrags in Höhe von (18.251,40 € – 8.984,18 € =) 9.267,22 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu insbesondere ausgeführt:

Der Hühnerstall, das Werkstattgebäude und der Holzunterstand seien nicht vom Versicherungsschutz erfasst. Die im Kostenvoranschlag Anlage K2 ausgewiesenen Arbeiten und Kosten seien für die Behebung der am 18.08.2017 entstandenen Hagelschäden nicht erforderlich. Soweit bei diesem Ereignis Beschädigungen an versicherten Gebäuden entstanden seien, handele es sich rein um geringfügige optische Beschädigungen, die eine Reparatur nicht i.S. des § 14 Nr. 1b notwendig machten. Zudem habe der Kläger im Hinblick auf die in § 14 Nr. 7 VGB 2008 vereinbarte strenge Wiederherstellungsklausel weder zum Zeitwert der Gebäude noch zu einer Wiederherstellungsabsicht vorgetragen.

I. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt:

Nach den Feststellungen des Sachverständigen K. stehe fest, dass insbesondere das Dach des versicherten Wohnhauses durch Hagelschlag beschädigt worden sei, die Beschädigungen jedoch weder die Funktion noch die Restnutzungsdauer beeinträchtigten. Eine Neueindeckung sei aus technischen Gründen nicht erforderlich. Es handele sich vielmehr um rein optische Beeinträchtigungen, die aus einem üblichen Betrachtungswinkel nicht einsehbar seien. Ein nicht versicherter Gebäudeeigentümer würde bei dieser Sachlage unter verständiger Würdigung aller Umstände von einer Reparatur absehen, weshalb eine Reparatur nicht als notwendig i.S. von § 14 Nr. 1b VGB 2008, sondern als Luxusaufwand anzusehen sei. Soweit dem Kläger deswegen ein Anspruch auf Ersatz der verbleibenden Wertminderung zustehen könnte, sei ein solcher nicht geltend gemacht und durch die vorgerichtlich geleistete Zahlung jedenfalls bereits abgegolten.

Der Hühnerstall, das Werkstattgebäude und der Holzunterstand hätten nach den Feststellungen des Sachverständigen K. Netto-Neuwerte von 9.250,00 €, 15.960,00 € bzw. 6.870,00 € und seien deswegen nicht vom Versicherungsschutz erfasst.

Weder im Schreiben der Beklagten vom 24.10.2017 (Anlage K4) noch in der vorgerichtlichen Zahlung liege ein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis der Beklagten.

I. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageziele vollumfänglich weiter. Zur Begründung wiederholt er nahezu wortgleich und vollständig seinen erstinstanzlichen Vortrag und führt im Übrigen insbesondere aus:

Die Auffassung des Landgerichts zur Beschädigung des Wohnhausdachs sei wenig realistisch. Der vom Sachverständigen festgestellte Hagelschaden könne nur durch eine Reparatur des Daches behoben werden. Niemand käme auf die Idee, einem Fahrzeugeigentümer, dessen Fahrzeug durch Hagelschlag geschädigt worden sei, zuzumuten, mit dem beschädigten Fahrzeug weiterzufahren. Der Verkaufswert des Gebäudes des Klägers sei beeinträchtigt, da kein Käufer das Anwesen kaufen würde, wenn der Schaden nicht behoben sei. Um eine Wertminderung gehe es nicht, sondern um die dem Kläger „nach dem Gesetz zustehende Naturalrestitution“.

In dem Verhalten der Beklagten, die durch den von ihr eingesetzten Sachverständigen beraten worden sei, liege zudem „ein Anerkenntnis im Rechtssinne“, weshalb die Beklagte den bezahlten Betrag weder zurückfordern (§ 814 BGB) noch anrechnen könne.

Hinsichtlich des Hühnerstalls, des Werkstattgebäudes und des Holzunterstands stünden Schadensersatzansprüche im Raum, nachdem der Sachverständige festgestellt habe, dass deren Neuwert jeweils mehr als 5.000,00 € betrage.

I. Die Beklagte verteidigt das Ersturteil.

II. Die – zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte – Berufung kann keinen Erfolg haben.

Die Berufung hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Umstände aufgezeigt, welche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen landgerichtlichen Feststellungen begründen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem in dem angefochtenen Urteil dargelegten Tatbestand auszugehen.

Die Berufung trägt auch keine Umstände dafür vor, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1, § 546 ZPO). Das angefochtene Urteil stellt sich vielmehr als zutreffend dar.

Auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil wird zunächst verwiesen. Ergänzend ist auszuführen:

II. Beanstandungsfrei ist das Landgericht auf Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen K. zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Reparatur des Wohnhausdachs keine nach § 14 Nr. 1b VGB 2008 notwendige Maßnahme darstellt und der Kläger deswegen die hierfür notwendigen Kosten nicht auf Grundlage des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags von der Beklagten verlangen kann.

a) Wie die Beklagte zu Recht ausführt, richten sich die Ansprüche des Klägers nicht nach dem Schadensrecht (§§ 249 ff. BGB), sondern nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen. Aus § 14 Nr. 1b VGB ergibt sich, dass die Beschädigung der versicherten Sache nicht in jedem Fall zu einem Anspruch auf Ersatz der für eine Reparatur erforderlichen Kosten führt, sondern nur, dann, wenn die Reparatur notwendig ist. Verbleibt eine Wertminderung, so ist diese durch den Versicherer auszugleichen.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis bei der Auslegung von AVB abzustellen ist, wird dieser Bestimmung entnehmen, dass seine Leistungsansprüche auf einen Ausgleich für eine verbleibende Wertminderung beschränkt sein sollen, wenn ausnahmsweise die Kosten der Beseitigung einer Substanzbeeinträchtigung der versicherten Sache so außer jedem Verhältnis zur Schwere der Beeinträchtigung stehen, dass ein nicht versicherter Gebäudeeigentümer vernünftigerweise keine Schadensbeseitigung vornehmen würde (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 4. November 2015 – 20 U 51/15 – r+s 2016, 184, juris Tz. 22 ff.; LG Düsseldorf, Urteil vom 28. September 2010 – 11 O 614/03 – juris).

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht im Streitfall zutreffend eine Ersatzpflicht hinsichtlich der Reparaturkosten verneint.

1) So hat der Kläger nicht in Zweifel gezogen, dass die Dellen im Dach des Wohnhauses nicht zu einer Beeinträchtigung der Funktion oder der Restnutzungsdauer des Dachs führen. Er hat auch den vom Sachverständigen K. festgestellten Umfang des Schadens nicht bestritten.

2) Es ist daher einerseits von lediglich optischen Beeinträchtigungen des Erscheinungsbildes des Daches auszugehen, die zudem vom Boden aus betrachtet in der Regel nicht wahrzunehmen sind, sondern nur bei einer Betrachtung aus einem speziellen Winkel und bei besonderen Lichtverhältnissen erkennbar sind. Andererseits soll die Neudeckung Reparaturkosten im Umfang von brutto 21.719,17 € (vgl. Anlage K2) erfordern, von denen – nach Abzug der gesondert ausgewiesenen Kosten für den Hühnerstall von netto 1.210,60 € (brutto 1.440,61 €) – gemäß den Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 06.09.2018 (Seite 2, Bl. 43 d.A.) auf das Wohngebäude ein Anteil von (117,07 m² + 90,85 m² =) 207,92 m² aus einer Gesamtfläche von 347,19 m², mithin rund 60 % oder (21.719,17 € – 1.440,61 € = 20.278,56 €; x 60 % =) 12.167,14 € brutto entfallen soll.

3) Es ist daher auch aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden, dass das Landgericht insofern ein so grobes Missverhältnis zwischen den Beeinträchtigungen und den zu deren Beseitigung erforderlichen Kosten gesehen hat, dass ein nicht versicherter Gebäudeeigentümer von einer Beseitigung Abstand genommen hätte.

4) Die vom Kläger hiergegen geführten Einwendungen greifen nicht durch.

Insbesondere ist der Fall gerade nicht mit der Beschädigung eines Fahrzeugs vergleichbar, in dem die Verdellung des Dachs gerade auch unter normalen Bedingungen sichtbar und störend ist. Soweit die Beschädigungen den Verkaufswert des Anwesens mindern sollen, wird dies durch einen Anspruch auf Ersatz der verbleibenden Wertminderung ausgeglichen (dazu unten unter 2).

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte die Notwendigkeit einer Reparatur oder eine Ersatzpflicht in einer gewissen Höhe anerkannt hätte. Zutreffend hat das Landgericht das Vorliegen eines Anerkenntnisses verneint.

1) So hat die Beklagte insbesondere im Schreiben vom 24.10.2017 (Anlage K4) bereits ausdrücklich ausgeführt, dass sie nur vom Bestehen eines Anspruchs auf Wertminderung ausgehe, da die Beschädigungen im zumutbaren Bereich lägen. Bei der gebotenen Auslegung aus dem objektiven Empfängerhorizont des Klägers kann diesem Schreiben keinerlei Wille der Beklagte entnommen werden, die Notwendigkeit der Reparatur oder eine Leistungsforderung in einer gewissen Höhe, geschweige denn über den bezahlten Betrag hinaus, anzuerkennen.

2) Ungeachtet dessen weist das Landgericht zu Recht darauf hin, dass das Abrechnungsschreiben eines Versicherers und die darauf basierende Zahlung eines Geldbetrags ohne Vorliegen besonderer Anhaltspunkte kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis darstellt (vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 15. Juni 2015 – 20 U 79/15 – r+s 2016, 358 m.w.N.)

II. Soweit dem Kläger demnach Ansprüche wegen einer verbleibenden Wertminderung zustehen könnten, sind diese – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt und der Kläger in der Berufungsbegründung bestätigt hat, nicht Streitgegenstand. Dessen ungeachtet wäre der bereits ausdrücklich wegen einer etwaigen Wertminderung bezahlte Betrag selbstverständlich auf einen entsprechenden Anspruch anzurechnen.

II. Zutreffend hat das Landgericht den Hühnerstall, das Werkstattgebäude und den Holzunterstand nicht als versicherte Gebäude angesehen.

Gemäß der Bestimmung in der Klausel 0011 sind Nebengebäude nur dann versichert, wenn deren Wert maximal 5.000,00 € beträgt. Das Landgericht hat auf Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen K., denen der Kläger auch in der Berufungsbegründung nicht entgegengetreten ist, unangreifbar festgestellt, dass jedes einzelne dieser Gebäude einen Netto-Neuwert von (teilweise deutlich) mehr als 5.000,00 € aufweist. Weitere Feststellungen zu Schäden an diesen Gebäuden waren daher nicht erforderlich.

Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises. Der Senat legt aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe, denn in diesem Fall ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 (KV 1220) auf 2,0 (KV 1222).

 

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