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Wohngebäudeversicherung – Regressanspruch gegen Eigentümer Nachbargrundstück

LG Osnabrück – Az.: 6 O 337/19 – Urteil vom 02.08.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird auf 5.042,02 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht wegen Beschädigungen eines Gebäudes in Folge einer Bombenexplosion in Anspruch.

Die Klägerin ist Gebäudeversicherer des Wohngebäudes in der … . Die Beklagte erschließt und entwickelt im benachbarten Gebiet dieses Grundstücks ein Baugebiet. Am 19.02.2018 sprengte der Kampfmittelräumdienst eine auf dem Nachbargrundstück des versicherten Gebäudes aufgefundene Fliegerbombe kontrolliert. Die Klägerin leistete wegen aufgetretener Gebäudeschäden eine Zahlung in Höhe von 6.000,- € an ihre Versicherungsnehmerin.

Die Klägerin behauptet, durch die Druckwelle und die Bodenerschütterung der Explosion sei das versicherte Gebäude beschädigt worden. Es sei ein Zeitwertschaden in Höhe von 6.000,- € brutto eingetreten. Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Erstattung des Nettobetrages in Höhe von 5.042,02 € verpflichtet. Ihr stehe ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu, die Beklagte sei als Grundstückseigentümerin Zustandsstörerin. Darüber hinaus sei sie mittelbare Handlungsstörerin, weil sie das das ehemalige Kasernengelände in ein Wohngebiet umwandele bzw. entwickle.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.042,02 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2018 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägervertreter in Höhe von 571,44 € freizuhalten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, Entschädigungsansprüche der Gebäudeeigentümerin seien nicht auf die Klägerin übergegangen. Die behaupteten Schäden stellten einen Kriegsfolgenschaden dar, der unter den Risikoausschluss falle. Die Klägerin sei daher nicht zur Erbringung von Versicherungsleistungen verpflichtet gewesen.

Die Beklagte ist weiter der Ansicht, allein ihre Eigentümerstellung begründe keine Störereigenschaft. Hierfür sei vielmehr Voraussetzung, dass die Beeinträchtigungen wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückzuführen seien. Dies sei hier nicht der Fall. Die Bombe sei nicht aufgrund eines (auch nur mittelbaren) Willensentschlusses auf das Grundstück der Beklagten gelangt. Auch die Benachrichtigung und Beauftragung des Kampfmittelräumdienstes sei nicht auf eine Entscheidung der Beklagten zurückzuführen, vielmehr sei sie öffentlich-rechtlich zur Duldung verpflichtet gewesen. Darüber hinaus ende die tatsächliche Sachherrschaft des Grundstückseigentümers spätestens mit der öffentlich-rechtlichen Sicherstellung des Grundstücks durch den Kampfmittelräumdienst.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog, § 86 Abs. 1 VVG zu.

1.

Wohngebäudeversicherung - Regressanspruch gegen Eigentümer Nachbargrundstück
(Symbolfoto: Von SewCream/Shutterstock.com)

Zwar ist die Klägerin aktivlegitimiert. Die Klägerin hat Versicherungsleistungen in Höhe von 6.000,- €. brutto an ihre Versicherungsnehmerin erbracht. Ob sie zur Erbringung dieser Versicherungsleistungen verpflichtet war oder ob im Deckungsverhältnis zur Versicherungsnehmerin der Ausschlussgrund „Krieg“ gegriffen hätte, ist unerheblich. Voraussetzung für den Übergang ist allein die tatsächliche Leistung des Versicherers, auf das Bestehen einer Leistungspflicht kommt es nicht an (BGH, Urt. v. 23.11.1988, Az. IVa ZR 143/87; OLG Koblenz, VersR 2014, 1365).

2.

Die Voraussetzungen für die Bejahung eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs liegen nicht vor.

a)

Der in Analogie zu § 906 Abs. 2 S. 2 BGB richterrechtlich entwickelte nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht nach § 1004 BGB unterbinden kann. In diesem Fall steht dem Eigentümer ein Ausgleichsanspruch zu, wenn er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (st. Rspr., BGHZ 48, 98; BGHZ 155, 99; BGHZ 185, 371). Der verschuldensunabhängige Anspruch setzt voraus, dass der Anspruchsgegner als Störer zu qualifizieren ist und ihm das Geschehen zuzurechnen ist. Dies ist der Fall, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgeht (BGH NJW 1995, 2633; OLG Köln, Urt. v. 22.12.2015; Az. I-25 U 16/15, juris). Darüber hinaus kommt eine Zurechnung in Betracht, wenn es Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen und sich insbesondere aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Störung ausgeht, eine „Sicherungspflicht“, also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen ergibt. Hierfür ist u.a. entscheidend, ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält (BGH, Urt. v. 14.11.2003, V ZR 102/03, juris).

Gemessen an diesen Maßstäben und im Rahmen einer wertenden Betrachtung ergibt sich, dass die Beklagte vorliegend nicht als Störerin zu qualifizieren ist.

Die Beeinträchtigungen durch die Sprengung der Fliegerbombe gehen nicht – auch nicht mittelbar – auf die Beklagte zurück. Anders als in der vom OLG Köln getroffenen Entscheidung ist die Explosion der Bombe nicht im Rahmen von Baggerarbeiten o.ä. verursacht worden (OLG Köln, a.a.O., wobei auch in der dortigen Entscheidung im Ergebnis eine Haftung abgelehnt wurde). Vielmehr beruhte die kontrollierte Sprengung im vorliegenden Fall allein auf Anweisungen und Handlungen des Kampfmittelräumdienstes. Hierauf hatte die Beklagte keinerlei Einfluss, sie war zur Duldung der Durchführung der Sprengung verpflichtet.

Auch eine Sicherungspflicht der Beklagten gegenüber Explosionen durch auf ihrem Grundstück befindlichen Kampfmitteln ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hätte durch keinerlei Vorkehrungen die eingetretenen Schäden verhindern können. Damit unterscheidet sich dieser Fall von einer defekten technischen Leitung, bei der ein Brand durch vorherige Wartung verhindert werden könnte (vgl. BGH NJW 1999, 2896). Hier ist dagegen keine Sicherungspflicht der Beklagten erkennbar. Vielmehr war die Beklagte verpflichtet, die kontrollierte Sprengung zu dulden, um größere Schäden im Falle einer unkontrollierten Explosion abzuwenden. Diese Sicherungspflicht war vorrangig und lag letztlich auch im Interesse der Klägerin, weil im Falle einer unkontrollierten Explosion weitaus höhere Schäden – ggfls. auch Personenschäden – gedroht hätten.

Die von der Klägerin vorgelegten Entscheidungen des LG Erfurt (3 O 946/17) und – zweitinstanzlich – des OLG Thüringen (Beschl. v. 24.01.2019) führen zu keinem anderen Ergebnis. In diesen Entscheidungen wurde zwar eine Haftung aufgrund von Sprengstoffexplosionen bejaht. Diese Sprengungen wurden aber von der dortigen Beklagten selbst herbeigeführt, so dass die Störereigenschaft in den Entscheidungen auch nicht weiter problematisiert wurde. Ob ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch auch für den Fall einer kontrollierten Sprengung durch den Kampfmittelräumdienst in Betracht kommt, lässt sich diesen Entscheidungen daher nicht entnehmen.

3.

Mangels Hauptanspruchs scheidet sowohl ein Zinsanspruch als auch ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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