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Wohngebäudeversicherung – merkantile Wertminderung nach Überschwemmung

LG München II – Az.: 10 O 5471/19 – Urteil vom 11.06.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 42.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um weitere Leistungen aus einer Wohngebäudeversicherung nach einer Überschwemmung.

Wohngebäudeversicherung - merkantile Wertminderung nach Überschwemmung
(Symbolfoto: marog – pixcells/Shutterstock.com)

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten zum streitgegenständlichen Zeitpunkt für das streitgegenständliche Wohngebäude Bir… in 8… eine Wohngebäudeversicherung, nach der u.a. die Elementargefahr Überschwemmung versichert ist. Bei dem Objekt handelt es sich um ein Holzfertighaus mit Garage, das im Jahr 2006 erbaut wurde. Hinsichtlich des Inhalts des Versicherungsvertragsverhältnisses wird Bezug genommen auf den als Anlage K1 vorgelegten Versicherungsschein sowie auf die als Anlage K2 vorgelegten Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Wohngebäudeversicherung, Stand 02/2015 (im Folgenden: VGB 2015).

§ 13 Nr. 1 VGB 2015 lautet auszugsweise:

„1. Gleitende Neuwert- und Neuwertversicherung

a) Der Versicherer ersetzt

aa) (…)

bb) bei beschädigten Gebäuden oder sonstigen beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten bei Eintritt des Versicherungsfalls zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung, höchstens jedoch den Versicherungswert bei Eintritt des Versicherungsfalls.

(…).“

Am 08.06.2015 trat der Versicherungsfall ein. Durch starke Regenfälle kam es an diesem Tag zu einer Überschwemmung im versicherten Haus des Klägers. Dabei wurde das Haus erheblich beschädigt. Die Wiederherstellungsarbeiten sind zwischenzeitlich abgeschlossen und die Reparatur wurde durchgeführt. Die Beklagte hat die diesbezüglichen Kosten (vollen Neuwert) vollumfänglich gegenüber dem Kläger reguliert.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 03.12.2019 (Anlage BLD 1) machte der Kläger unter Beifügung eines Gutachtens vom 06.08.2015, hinsichtlich dessen Inhalts auf die Anlage K3 Bezug genommen wird, eine Wertminderung in Höhe von 67.000,00 € gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte lehnte eine Zahlung hierauf mit Schreiben vom 04.12.2019 (Anlage BLD 2) ab. Dabei blieb sie auch in der weiteren vorgerichtlichen Korrespondenz der Parteien.

Der Kläger trägt vor, an dem versicherten Objekt sei aufgrund der Überschwemmung vom 08.06.2015 eine Wertminderung, die durch die bereits durchgeführte Reparatur nicht ausgeglichen sei, in Höhe von 42.000,00 € verblieben.

Der Kläger beantragt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 42.000,00 € sowie Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.12.2019 zu zahlen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.706,94 € sowie Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.12.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte bestreitet, dass nach den durchgeführten Reparaturarbeiten eine technische Wertminderung an dem streitgegenständlichen Objekt verblieben sei. Eine etwaige merkantile Wertminderung sei zudem bereits nach den Versicherungsbedingungen nicht geschuldet. Die Beklagte behauptet, dass durch die neuen Gewerke vielmehr der technische Wert des Objekts beträchtlich erhöht worden sei aufgrund der höheren technischen Lebenserwartung. Im Übrigen sei das vom Kläger vorgelegte Gutachten vom 06.08.2015 auch nicht geeignet für den Nachweis einer Wertminderung, da dieses unmittelbar nach dem Schadenfall, also vor der Reparatur erstellt worden sei und es sich dabei zudem um ein Verkehrswert-Gutachten handele, welches der Kläger im Zuge eines laufenden Scheidungs- und Zugewinnverfahrens eingeholt habe.

Der Rechtsstreit ist mit Beschluss der Kammer vom 14.05.2020 gemäß § 348a Abs. 1 ZPO auf den Einzelrichter übertragen worden (Bl. 23/24 d.A).

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 07.10.2020 (Bl. 34/35 d.A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Al…., welches dieser unter dem 15.03.2021 erstellt hat; hinsichtlich dessen Inhalts wird Bezug genommen auf Bl. 61/78 d.A.

Hinsichtlich des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 30.09.2020 (Bl. 30/32 d.A.).

Die Parteien haben sich nach Vorlage des Sachverständigengutachtens mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO einverstanden erklärt. Als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, hat das Gericht den 19.05.2021 bestimmt (Bl. 86/87 d.A.).

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie sonstige Aktenteile.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung (weiterer) 42.000,00 € infolge des streitgegenständlichen Versicherungsfalles vom 08.06.2015, da nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen ist, dass infolge der Überschwemmung vom 08.06.2015 an dem versicherten Objekt eine durch die Reparatur nicht ausgeglichene Wertminderung gemäß § 13 Nr. 1 a) bb) VGB 2015 eingetreten ist.

1. Gemäß § 13 Nr. 1 a) bb) VGB 2015 schuldet die Beklagte als Wohngebäudeversicherer dabei nur eine technische Wertminderung, nicht hingegen eine etwaige merkantile Wertminderung (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.08.1993, Az. 4 U 243/92). Dies ergibt sich bereits aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Klausel („(…) zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung (…)“).

Auf die Frage, ob der Kläger bei einem etwaigen Verkauf des Hauses dem Erwerber mitteilen müsste, dass dieses erhebliche Beschädigungen erlitten hat und nicht mehr im originalen Bauzustand ist, und hieraus möglicherweise ein merkantiler Minderwert folgen könnte, kommt es also nicht entscheidungserheblich an.

Soweit der Kläger sein Klagebegehren auf das als Anlage K3 vorgelegte Gutachten … vom 06.08.2015 stützen möchte, ist festzustellen, dass es sich dabei jedoch um ein Verkehrswert-Gutachten handelt, das zudem bereits vor den am streitgegenständlichen Objekt durchgeführten Reparaturarbeiten zur Beseitigung der durch die Überschwemmung vom 08.06.2015 an diesem entstandenen Schäden, erstellt wurde. Dieses ist daher deshalb schon nicht geeignet, eine Aussage dazu zu treffen, ob an dem Objekt eine durch die Reparatur nicht ausgeglichene Wertminderung verblieben ist.

2. Dass an dem streitgegenständlichen Objekt infolge der Überschwemmung vom 08.06.2015 ein technischer Minderwert verblieben ist, wurde vom insoweit beweispflichtigen Kläger indes nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen (§ 286 ZPO).

Das Gericht stützt sich dabei entscheidend auf die fundierten, in jeder Hinsicht nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen, die der Sachverständige Au… in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.03.2021 gemacht hat (Bl. 62/78 d.A.). Fragen oder Einwendungen gegen dieses Gutachten wurden von keiner der Parteien vorgebracht. Zweifel an der Sach- und Fachkunde des Sachverständigen zur Beantwortung des ihm gestellten Beweisthemas (vgl. Beweisbeschluss vom 07.10.2020, Bl. 34/35 d.A.) hat das Gericht nicht. Der Sachverständige hat, für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbar und frei von jeglichen Widersprüchen, dargelegt, dass und warum vorliegend in Folge der an dem streitgegenständlichen Objekt durchgeführten Reparaturarbeiten zur Beseitigung des infolge der Überschwemmung vom 08.06.2015 eingetretenen Schadens, eine kürzere Lebensdauer der reparierten Holzwände nicht zu erwarten ist. Vielmehr ist demnach bei fachgerechter Verarbeitung mit entsprechender Sorgfalt die gleiche Qualität beim nachträglichen Vervollständigen der Wände im Bestand zu erwarten. Aus der vom Sachverständigen durchgeführten Temperaturdifferenz kann zudem geschlossen werden, dass die Wärmedämmung vollflächig und dicht gestoßen eingebracht wurde. Zudem war die Gipsoberfläche eben und sauber verspachtelt, so dass die Schnittstelle unter normalen Umständen nicht erkennbar ist. Zudem ist mit dem Sachverständigen davon auszugehen dass keine Einbruchstellen von Feuchtigkeit hinzugekommen sind. Eine kürzere Lebensdauer der reparierten Holzwände ist daher nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht zu erwarten.

Soweit die Beklagte behauptet hat, infolge der durchgeführten Reparaturarbeiten sei eine Wertsteigerung an dem streitgegenständlichen Objekt eingetreten, kann indes auch diese Behauptung nicht zu Überzeugung des Gerichts angenommen werden. Vielmehr geht das Gericht mit den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen davon aus, dass eine höhere technische Lebenserwartung aufgrund der neun eingefügten Gewerke nicht gegeben ist, da der Anteil der neuen Bauteile zu gering ist, um sich auf die Abnutzung des gesamten Gebäudes auszuwirken.

Zusammenfassend ist also auf Grundlage der fundierten und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Au… festzustellen, dass die Haltbarkeit der Holzwände durch die Sanierungsarbeiten nicht herabgesetzt wurde und die zu erwartende Lebensdauer durch die Sanierungsarbeiten weder erhöht noch verringert wurde. Der technische Wert des Hauses wurde also durch die Reparaturarbeiten an den Holzwänden nicht verändert.

3. Da somit ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung einer Wertminderung nach § 13 Nr. 1 a) bb) VGB 2015 bereits dem Grunde nach ausscheidet, waren Feststellungen zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs nicht zu treffen.

4. Mangels Anspruchs des Klägers auf die begehrte Hauptforderung war die Klage auch in Bezug auf die geltend gemachten Nebenforderungen (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsbegehren) abzuweisen.

II.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

III.

Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO auf 42.000,00 € festgesetzt.

 

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