Anspruch und Wirklichkeit: Warum die Kläger im Fall der Gebäudeversicherung leer ausgingen
In einem komplexen Rechtsstreit hat das Landgericht Ingolstadt entschieden, dass die Kläger, die Sondereigentümer einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus sind, keinen Anspruch auf Schadensersatz aus einer Gebäudeversicherung haben. Der Fall drehte sich um Wasserschäden, die durch einen Leitungswasseraustritt in einer darüberliegenden Wohnung entstanden waren. Die Kläger wollten die Kosten für die Schadensbeseitigung von der Versicherung erstattet bekommen. Das Hauptproblem lag jedoch in der Frage der Prozessführungsbefugnis: Wer ist berechtigt, Ansprüche aus der Versicherung geltend zu machen?
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Übersicht
Wer hat die Prozessführungsbefugnis?

Das Gericht stellte klar, dass nur die Hausverwaltung als Versicherungsnehmerin prozessführungsbefugt ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und damit auch die Kläger sind nicht berechtigt, Ansprüche aus der Versicherung geltend zu machen. Dies wurde durch den Versicherungsschein und die Allgemeinen Vertragsbestimmungen untermauert, die besagen, dass nur der Versicherungsnehmer Ansprüche geltend machen kann.
Die Rolle der Wohnungseigentümergemeinschaft
Die Kläger argumentierten, dass sie trotz der Regelungen im Versicherungsvertrag berechtigt seien, ihre Ansprüche selbst geltend zu machen, da weder die WEG noch die Hausverwaltung bereit waren, dies zu tun. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass die Kläger in diesem Fall möglicherweise Schadensersatzansprüche gegen die WEG oder die Hausverwaltung haben könnten, aber dies war nicht Gegenstand des Verfahrens.
Treuwidriges Verhalten der Versicherung?
Das Gericht lehnte die Annahme ab, dass die Versicherung sich treuwidrig verhalten habe, indem sie die Klagebefugnis der Kläger bestritt. Es wurde argumentiert, dass die Versicherung ein berechtigtes Interesse daran hat, nur mit dem Versicherungsnehmer zu verhandeln, um Komplikationen zu vermeiden.
Unzulässigkeit der Klage
Letztlich wurde die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Kläger nicht prozessführungsbefugt sind. Selbst wenn die Kläger Sondereigentümer sind, wie sie durch einen Grundbuchauszug nachgewiesen haben, ändert dies nichts an ihrer fehlenden Befugnis, Ansprüche aus der Versicherung geltend zu machen.
Dieser Fall zeigt die Komplexität und die potenziellen Fallstricke im Bereich der Gebäudeversicherung und der Prozessführungsbefugnis. Es unterstreicht die Notwendigkeit für Sondereigentümer und Wohnungseigentümergemeinschaften, sich im Vorfeld genau über ihre Rechte und Pflichten im Klaren zu sein, um spätere rechtliche Enttäuschungen zu vermeiden.
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Das vorliegende Urteil
LG Ingolstadt – Az.: 21 O 3045/21 Ver – Endurteil vom 14.02.2023
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 18.793,82 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger machen gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung geltend. Es geht um eine Wohnung im Erdgeschoss links im Anwesen …, einem Mehrfamilienhaus mit insgesamt 36 Wohnungen. Für dieses Gebäude besteht eine Wohngebäudeversicherung, die unter anderem das Risiko austretenden Leitungswassers abdeckt. Die Versicherungsnummer bei der Beklagten lautet ….
Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein, Anlage K1, Bezug genommen.
Im Jahre 2018 kam es in der über der hier streitgegenständlichen Wohnung liegenden Wohnung zu einem Austritt von Leitungswasser, durch das Wasser wurde auch die hier streitgegenständliche Wohnung in Mitleidenschaft gezogen und es entstanden Schäden.
Auf der 1. Seite des Versicherungsscheins heißt es unter dem Wort Versicherungsschein:
„Wohngebäudeversicherung VGB 2008 Hausverwalter optimal“. Als Versicherungsnehmer ist ausgewiesen: Hausverwaltung ….
Seinerzeit war die Hausverwaltung … der Verwalter für das streitgegenständliche Anwesen.
In der Folge änderte die Hausverwaltung … ihre Firma und firmierte schließlich unter …. GmbH.
Zum 01.04.2022 wurde eine neue Hausverwaltung bestimmt. Hausverwalter für die WEG ist nunmehr:
…
Die Kläger tragen vor, sie seien Sondereigentümer der streitgegenständlichen Wohnung.
Die Kläger tragen weiter vor, für die Beseitigung der durch austretendes Leitungswasser verursachten Schäden seien 18.793,82 € aufzuwenden.
Die Kläger meinen, sie seien trotz der Regelung des § 44 VVG berechtigt, ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten selbst geltend zu machen, nachdem die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht bereit gewesen sei, die Ansprüche für die Kläger gegenüber der Beklagten geltend zu machen oder die Kläger ermächtigt haben, ihre Ansprüche selbst geltend zu machen. Auch die Hausverwaltung sei in dieser Richtung nicht tätig geworden.
Bereits mit der Klage haben die Kläger der Wohnungseigentümergemeinschaft … vertreten durch die Hausverwaltung und der damaligen Hausverwaltung … den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten der Kläger beizutreten.
Mit Schriftsatz vom 25.01.2022 haben die Streitverkündeten den Beitritt erklärt, allerdings nicht auf Seiten der Kläger, sondern auf Seiten der Beklagten.
Die Kläger beantragen, es wird festgestellt, dass die Beklagte aufgrund des mit der Wohnungseigentümergemeinschaft …, bestehenden Gebäudeversicherungsvertrages, verpflichtet ist, den Klägern die zur Beseitigung des an der Wohnung der Kläger im Gebäude … im Erdgeschoss hinten links entstandenen Schadens infolge im Jahr 2018 ausgetretenen Leitungswassers aus der darüberliegenden Wohnung erforderlichen Kosten zu erstatten, sobald die zur Schadensbeseitigung erforderlichen Sanierungsmaßnahmen durchgeführt sind.
Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.
Die Streithelfer beantragen ebenfalls Klageabweisung und Auferlegung der Kosten auf die Kläger.
Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Kläger Sondereigentümer in der WEG sind und dass die geltend gemachten Kosten den kausal auf den Versicherungsfall zurückgehenden objektiv erforderlichen Wiederherstellungskosten entsprechen.
Die Beklagte ist der Meinung, die Kläger seien gar nicht klagebefugt, die Klage demnach unzulässig. Nicht die WEG, sondern die Hausverwaltung sei Versicherungsnehmerin.
Es sei eine Versicherung für fremde Rechnung abgeschlossen worden.
Gemäß Teil I. B § 12 Nummer 1 Satz 2 VGB 2008 stehe die Ausübung der Rechte aus diesem Vertrag nur dem Versicherungsnehmer und nicht nach dem Versicherten zu. Der fehlenden Prozessführungsbefugnis könnte auch nicht durch eine etwaige Bevollmächtigung abgeholfen werden.
Der Beklagten sei es auch nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die fehlende Klagebefugnis zu berufen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.02.2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Das Landgericht Ingolstadt ist zur Entscheidung aufgrund des Streitwerts sachlich und nach § 215 VVG analog örtlich zuständig.
2. Die Klage ist aber gleichwohl unzulässig.
Die Kläger sind nicht prozessführungsbefugt.
Prozessführungsbefugt wäre alleine die Hausverwaltung. Nur die Hausverwaltung ist Versicherungsnehmerin. Auch die WEG wäre mangels Versicherungsnehmereigenschaft nicht prozessführungsbefugt.
Ausweislich des eindeutigen Wortlauts im Versicherungsschein ist Versicherungsnehmer des streitgegenständlichen Vertrages alleine die Hausverwaltung.
Dies wird auch erkennbar an der Bezeichnung der Versicherung im Versicherungsschein. Dort heißt es: „Wohngebäudeversicherung VGB 2008 Hausverwalter optimal“.
Bei der Bezeichnung des Versicherungsnehmers auf der 1. Seite des Versicherungsscheins findet sich im Übrigen der Zusatz: „für WEG …“. Nach Teil B, § 12 Abs. 1 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen ist im Fall der Versicherung für fremde Rechnung alleine der Versicherungsnehmer zur Geltendmachung von Ansprüchen berechtigt. Der Versicherte ist auch dann nicht prozessführungsbefugt, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist. Wenn also schon die WEG als Versicherte nicht prozessführungsbefugt, gilt dies erst recht für die Kläger als Teil der WEG.
Es ist auch nicht treuwidrig von der Beklagten, sich gegenüber den Klägern hierauf zu berufen.
Das Gericht verkennt nicht, dass für die Kläger eine problematische Situation eintritt, wenn weder die WEG noch die zuständige Hausverwaltung geneigt ist, Ansprüche der Kläger gegenüber der Versicherung durchzusetzen und die Kläger dies selbst aufgrund der fehlenden Prozessführungsbefugnis aber nicht können.
Den Klägern bleibt aber wohl die Möglichkeit offen, entweder von der Hausverwaltung oder von der WEG zu verlangen, dass ihre Ansprüche gegenüber der Versicherung durchgesetzt werden. Gegebenenfalls haben die Kläger unter Umständen Schadensersatzansprüche gegen die WEG oder die Hausverwaltung. Ob solche Ansprüche tatsächlich bestehen, ist hier nicht streitgegenständlich.
Rechtsmissbräuchliches oder treuwidriges Verhalten der Versicherung könnte nur angenommen werden, wenn das Verhalten der Versicherung nicht von einem beachtlichen, im Zweckbereich der Vertragsklausel liegenden Interesse gedeckt wäre.
Vorliegend stellt Teil I. B § 12 Nr. 1 VGB 2008 eine zulässige teilweise Abbedingung der Vorschrift des § 44 Abs. 2 VVG dar. Dass diese Abbedingung grundsätzlich zulässig ist, wird auch von den Klägern nicht bezweifelt.
Es besteht ein erkennbares und nachvollziehbares Interesse der Versicherung daran, nur mit dem Versicherungsnehmer und nicht mit sonstigen Personen verhandeln zu müssen. Die Anwendung von § 242 BGB begegnet vorliegend schon deswegen Bedenken, weil die Kläger ja genau genommen gar nicht Vertragspartner der Beklagten sind.
Weiter ist zu sehen, dass die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft erfahrungsgemäß ja durch Veräußerung des Sondereigentums wechseln können und die Versicherung jedes Mal überprüfen müsste, ob eine Person, die mit Ansprüchen an die Versicherung herantritt, tatsächlich Sondereigentümer im Rahmen der WEG ist oder nicht.
Es besteht also ein anerkennenswertes Interesse der Versicherung daran, es im Streitfall nur mit dem Versicherungsnehmer und nicht parallel mit mehreren Beteiligten zu tun zu haben. Dies wird insbesondere an einem Fall wie dem vorliegenden deutlich, wodurch einen Wasserschaden ja ohne weiteres mehrere Wohnungen und damit mehrere Sondereigentümer betroffen sein können.
Die Klage ist daher mangels Prozessführungsbefugnis der Kläger bereits unzulässig.
Die Kläger haben zwar durch Vorlage eines entsprechenden Grundbuchauszugs (Anlage K 11) ihr Sondereigentum nachgewiesen. Dies kann aber letztlich dahinstehen, wie bereits ausgeführt.
Es kann weiter dahinstehen, ob bereits der gestellte Feststellungsantrag unzulässig ist, am Ergebnis der Unzulässigkeit der Klage ändert dies nichts. Die Klage wäre auch dann unzulässig, wenn die Kläger einen bezifferten Zahlungsantrag gestellt hätten oder stellen würden.
Auch auf die Höhe einer möglichen Entschädigung kommt es hier nicht an.
Die Klage war demgemäß abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91,100 Abs. 1 und 101 Abs. 1 ZPO.
Die Kläger haften gemäß § 100 Abs. 1 ZPO nach Kopfteilen, ohne dass dies eines ausdrücklichen Ausspruchs im Tenor bedarf. Die Haftung nach § 100 Abs. 1 ZPO tritt kraft Gesetzes ein. Die Kläger haften ausdrücklich nicht als Gesamtschuldner, vgl. MüKo ZPO/Schulz ZPO, § 100 Rn. 6 und 7.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.