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Wohngebäudeversicherung – Haftung für Erdsenkung

LG Köln – Az.: 24 O 473/20 – Urteil vom 02.12.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger unterhält bei der Beklagten u.a. eine Wohngebäudeversicherung zum Neuwert in unbegrenzter Höhe für die unter der Anschrift Xstraße 0 in Weilerswist gelegene Immobilie, ein Zweifamilienhaus aus dem Baujahr 1939. Die Wohngebäudeversicherung bestand zunächst im Rahmen einer „N Police“, die später in eine „N1“ Police geändert wurde.

Auf den Versicherungsschein vom 22.10.2001 (Anlage K1, AH) und die Nachträge vom 15.11.2012 (Anlage K2, AH) und 02.11.2016 (Anlage K3, AH) wird Bezug genommen. Seit dem Nachtrag vom 02.11.2016 ist das „Top- Deckungskonzept“ für die Wohngebäudeversicherung vereinbart.

Dem Wohngebäudeversicherungsvertrag lagen zunächst die „Versicherungsbedingungen Besonderer Teil – Gebäude – Auflage 01/01“, später die N AWG-MPM 2009 in der Fassung 04.2011 und liegen nunmehr (jedenfalls seit dem Nachtrag vom 02.11.2016) die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Wohngebäude-Versicherung N1 (AWG-MPM 2009)“ in der Fassung 10.2014 (Anlage K5, AH, im Folgenden: VGB/neu) zugrunde.

Gemäß VG4 der vom Kläger vorgelegten „Versicherungsbedingungen Besonderer Teil – Wohngebäude „Komfort“ “ (Anlage K4, AH, im Folgenden: VGB/alt) und Ziff. 1.1.4 der VGB/neu waren bzw. sind – wie auch in sämtlichen früher zwischen den Parteien geltenden Versicherungsbedingungen – u.a. Beschädigung oder Zerstörung versicherter Sachen durch Erdfall (VGB/alt) bzw. Erdsenkung (VGB/neu) und durch Erdrutsch versichert.

In VG5 Ziff. 11 VGB/alt ist der Erdfall wie folgt definiert:

Erdfall ist ein naturbedingter Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen.

In Ziff. 2.7.4 der VGB/neu ist die Erdsenkung wie folgt definiert:

Erdsenkung ist eine naturbedingte Absenkung des Erdbodens über naturbedingten Hohlräumen.

In VG5 Ziff. 12 VGB/alt ist der Erdrutsch wie folgt definiert:

Erdrutsch ist ein naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen.

In Ziff. 2.7.5 der VGB/neu ist der Erdrutsch wie folgt definiert:

Erdrutsch ist ein naturbedingtes Abrutschen oder Abstürzen von Erd- oder Gesteinsmassen.

Für Elementarschäden ist ein Selbstbehalt von 1.500,00 EUR je Versicherungsfall vereinbart.

In den „Klauseln für die Wohngebäude-Versicherung MultiPlus maximo (VG-MPM 2009)“, Fassung 04/2011, (Anlage K 5) ist in VG030 geregelt:

1. Übersteigt der entschädigungspflichtige Schaden einen Betrag von 25.000 EUR, so ersetzen wir von den durch Sie zu tragenden Kosten des Sachverständigenverfahrens einen Anteil von 80 %, höchstens jedoch 50.000 EUR.

2. Die durch Sie zu tragenden Kosten bestimmen sich nach Ziff. 10.6 AWG-MPM 2009.

Am 01.06.2004 zeigte der Kläger der Beklagten einen Gebäudeschaden an, weil Risse an und in dem Gebäude entstanden seien.

Der Kläger beauftragte die Professor Dr. Ing. E + Partner GmbH, die Standsicherheit der Gründung seines Hauses im Hinblick auf eingetretene Setzungsschäden und ihre mögliche Ursache zu untersuchen. Diese legte unter dem 27.02.2008 einen schriftlichen Geotechnischen Bericht vor (Anlage 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.05.2021, Bl. 71 ff. GA) vor. Als Fazit wurde darin niedergelegt, dass alle denkbaren geotechnischen Ursachen für die eingetretenen Schäden nicht vorliegen könnten.

Unter dem 13.06.2016 erfolgte eine weitere Meldung eines Gebäudeschadens durch den Kläger bei der Beklagten; als vermutete Ursache wurde in der Schadenanzeige Erdsenkung angegeben (Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.05.2021, Bl. 67 ff. GA).

Die Beklagte stellte sich in ihrem Schreiben an den Beklagten vom 03.04.2017 (Anlage K7, AH) auf den Standpunkt, ein versichertes Ereignis in Form einer Erdsenkung liege nicht vor.

Der Kläger beauftragte bei der L Geoconsulting GmbH ein geotechnisches Gutachten. Diese erstattete unter dem 26.02.2020 eine schriftliche „Geotechnische Stellungnahme zum Schaden und Darstellung einer möglichen Sanierung“ (Anlage K8, AH). Sie stellte dem Kläger hierfür einen Betrag in Höhe von 6.651,97 EUR in Rechnung (Anlage K9, AH).

Dieses Gutachten reichte der Kläger bei der Beklagten ein und stützte darauf seine Auffassung, es liege ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall vor.

Mit Schreiben vom 04.09.2020 (Anlage K10, AH) blieb die Beklagte bei ihrer Auffassung, ein versichertes Ereignis liege nicht vor, weil ausweislich des vom Kläger vorgelegten Gutachtens der L Geoconsulting GmbH ursächlich für die Risse Schrumpfungsprozesse in verschiedenen Erdschichten durch Austrocknung und Eingriffe durch Menschenhand seien.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.12.2020 (Anlage K11, AH) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 21.12.2020 erfolglos auf, eine dem Anerkenntnis gleichkommende urkundliche Erklärung abzugeben, dass die Beklagte für sämtliche versicherten Kosten und Aufwendungen aus dem Versicherungsfall aufkomme.

Der Kläger behauptet, ein Versicherungsfall liege vor. Seitdem er am 01.06.2004 den Versicherungsfall gemeldet habe, befinde sich der Boden auf dem versicherten Grundstück in ständiger (Kriech-)Bewegung. Diese Erdbewegungen seien nicht abgeschlossen, sondern dauerten an. Das Gebäude kippe dadurch nach Südosten in Richtung Straße.

Es liege ein Erdrutsch im Sinne der Versicherungsbedingungen, hilfsweise ein Erdfall bzw. eine Erdsenkung vor. Es könne insoweit dahinstehen, ob die Gebäudeschäden auf unterschiedliche Baugrundverhältnisse mit jeweils stark abweichenden Tragfähigkeiten bzw. Verformungsempfindlichkeiten oder auf Austrocknungsvorgänge innerhalb des Bodens zurückzuführen seien. Es handele sich jedenfalls um natürliche Ursachen. Auch ein allmähliches Lösen und Verlagern von Bodenbestandteilen stelle einen Erdrutsch dar.

Einwirkungen von Menschenhand seien als Schadenursache ausgeschlossen. Zwar habe es im Bereich des klägerischen Grundstücks in der Vergangenheit – dies ist für sich genommen unstreitig – Straßen- und Kanalbauarbeiten sowie Grundwassersümpfungsmaßnahmen der RWE Power gegeben. Diese lägen jedoch über 13 Jahre zurück. Da nach erfolgter Verfüllung der Leitungsgräben und Arbeitsräume die durch Bauarbeiten hervorgerufenen Erdbewegungen abklingen würden, sprächen die weiterhin anhaltenden Erdbewegungen und Setzungen dagegen, dass dies die Ursache für die Gebäudeschäden sei. Ob das Abrutschen oder die Absenkung mittelbare Folge menschlichen Handelns sei, sei unerheblich, wenn Baumaßnahmen – wie nach seiner Behauptung hier – seit längerer Zeit abgeschlossen seien.

Die Beklagte sei verpflichtet, die notwendigen Reparaturkosten zu regulieren. Für eine Wiederherstellung des Gebäudes seien auch Nachgründungen bzw. Gründungsertüchtigungen mithilfe von Mikro- oder Kleinpfählen erforderlich, wozu der Kläger näher ausführt. Da sich der Boden weiter in Bewegung befinde, seien die notwendigen Reparatur-, Aufräum-und Abbruchkosten noch nicht abschließend bezifferbar.

Nach dem Top-Deckungskonzept für die Wohngebäudeversicherung sei die Beklagte verpflichtet, 80% der vom Kläger aufgewandten Sachverständigenkosten zu ersetzen. Unter Schadensersatz- und Verzugsgesichtspunkten könne er, der Kläger, die Sachverständigenkosten vorliegend ungeachtet der vertraglichen Regelung indes vollständig ersetzt verlangen.

Ebenfalls stehe ihm ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu, für deren Berechnung auf Seite 12 der Klageschrift (Bl. 26 GA) Bezug genommen wird. Die Gebührennote sei von dem Rechtsschutzversicherer ausgeglichen worden, der Kläger aufgrund Ermächtigung und Abtretung (Anlage K12, Bl. 87 f. GA) zur Geltendmachung berechtigt.

Der Kläger beantragt,

1.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus dem Gebäudeversicherungsvertrag zu der N1 Police Nr. 00000 im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Erdrutsch in der versicherten und unter der postalischen Anschrift Xstr. 00, 53919 Weilerswist, belegenen Immobilie Leistungen im bedingungsgemäßen Umfang nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4% im Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 21.12.2020 und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2020 zu erbringen, ohne zur Vornahme von Abzügen aufgrund nicht versicherter anderer Schadensursachen berechtigt zu sein;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtlich entstandenen Sachverständigenkosten in Höhe von 6.651,97 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4% im Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 21.12.2020 und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.12.2020 zu zahlen;

3.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtlich entstandene Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 4.569,82 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 22.12.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, dass sich ein versicherten Risikos verwirklicht habe. Ein Versicherungsfall liege nicht vor, wenn sich Bodenbestandteilen allmählich lösten und verlagerten. Die Senkung des Bodens infolge einer Austrocknung falle mangels Hohlraums nicht unter den Begriff der versicherten Erdsenkung.

Gegen Beschädigung des Gebäudes durch ein versichertes Ereignis spreche auch, dass der Kläger – unstreitig – , bevor er 2004 bei der Beklagten einen Elementarschaden angezeigt habe, zunächst versucht habe, seine Wohngemeinde wegen Rissbildung in Anspruch zu nehmen mit der Begründung, dass es aufgrund des Straßenbaus bzw. Änderungen im Straßenverlauf zu den Beschädigungen an seinem Haus gekommen sei. Als Schadenszeitpunkt habe der Kläger seinerzeit – ebenfalls unstreitig – das Jahr 2000 angegeben.

Es sei nicht zutreffend, dass die von der RWE Power vorgenommenen Wasserabsenkungsmaßnahmen vor über 13 Jahren abgeschlossen worden seien. Die Absenkungsmaßnahmen würden auch derzeit noch von RWE Power vorgenommen, wie die L Geoconsulting GmbH in ihrem von dem Kläger eingeholten Gutachten vom 26.02.2020 ausgeführt habe. Diese Maßnahmen könnten als Schadensursache damit nicht ausgeschlossen werden.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass eine Wiederinstandsetzung des Gebäudes nur durch Nachgründungen bzw. Gründungsertüchtigungen mithilfe von Mikro- bzw. Kleinpfählen möglich sei.

Sachverständigenkosten habe die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu ersetzen. Ein vertraglicher Anspruch auf Ersatz von 80% dieser Kosten stehe dem Kläger bereits deshalb nicht zu, weil das Top-Deckungskonzept zum Zeitpunkt der Entstehung des angeblichen Schadens noch nicht vereinbart gewesen sei.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in geltend gemachter Höhe bezahlt worden seien. Der in Ansatz gebrachte Gebührensatz sei zudem überhöht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage bleibt mangels Begründetheit ohne Erfolg.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit dem Klageantrag zu 1) begehrte Feststellung, weil ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 1 Satz 1 VVG i.V.m. dem streitgegenständlichen Wohngebäudeversicherungsvertrag nicht besteht. Der Kläger hat keine Umstände schlüssig dargelegt, unter Zugrundelegung derer ein Versicherungsfall vorliegt.

Dabei kann es dahinstehen, ob für die Definitionen der vorliegend allein in Betracht kommenden gedeckten Risiken Erdrutsch oder Erdfall bzw. Erdsenkung auf die vom Kläger vorgelegten „Versicherungsbedingungen Besonderer Teil – Wohngebäude „Komfort“ “ (VGB/alt) oder auf die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Wohngebäude-Versicherung N1 (AWG-MPM 2009)“ in der Fassung 10.2014 (VGB/neu) abzustellen ist. Denn nach keiner der darin vertraglich geregelten Risikobeschreibungen, die jeweils klar und eindeutig gefasst sind und einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle standhalten, liegt ein versicherter Erdrutsch oder – worauf der Kläger hilfsweise abstellt – ein versicherter Erdfall bzw. eine versicherte Erdsenkung vor.

1.

Dass ein Erdrutsch im Sinne der Versicherungsbedingungen gegeben ist, hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt.

Nach VG5 Ziff. 12 VGB/alt ist ein Erdrutsch ein naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen.

In Ziff. 2.7.5 der VGB/neu ist der Erdrutsch definiert als ein naturbedingtes Abrutschen oder Abstürzen von Erd- oder Gesteinsmassen.

Es ist allgemein anerkannt, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen sind (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 31. Auflage 2021, Einleitung Rn. 258 ff. mit zahlreichen Nachw. aus der Rspr.). Maßgeblich ist die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufmerksam liest und verständig – unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs – würdigt. Maßgeblich ist in erster Linie der Klauselwortlaut. Vom Versicherer verfolgte Zwecke sind nur insoweit maßgeblich, sofern sie in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen Ausdruck gefunden haben, so dass sie dem aufmerksamen und verständigen Versicherungsnehmer erkennbar sind oder ihm zumindest Anlass zu einer Nachfrage geben. Risikoausschlüsse dürfen nicht weiter ausgelegt werden, als ihr Zweck es erfordert. Der Versicherungsnehmer muss nicht mit Deckungslücken rechnen, die ihm die Klausel nicht hinreichend verdeutlicht. Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

Der Versicherungsnehmer wird in erster Linie vom Wortlaut der Klausel ausgehen (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2009, IV ZR 11/07, zitiert nach: juris, Rn. 12). Danach ergibt sich hier, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer der Definition sowohl in VG5 Ziff. 12 VGB/alt als auch der Definition in Ziff. 2.7.5 der VGB/neu ohne weiteres entnehmen kann, dass mit dem Abgleiten, Abrutschen und Abstürzen von Erd- oder Gesteinsmassen gemeint ist, dass sich ein zusammenhängender Teil der Erdoberfläche insgesamt aus seinem natürlichen Zusammenhang gelöst hat und in Bewegung übergeht (vgl. Armbrüster in: Prölss/Martin, 31. Auflage 2021, VGB A. § 4 Rn. 14). Dass gleichzeitig eine Teilfläche des Erdbodens sich aus seinem natürlichen Zusammenhang gelöst haben und in Bewegung übergangen sein muss, der zumindest ein Ausmaß hat, dass die Bodenbewegung sinnlich wahrnehmbar ist, verdeutlichen die Worte Erd- oder Gesteinsmassen und Abgleiten, Abrutschen oder Abstürzen. Die die erforderliche Bewegung beschreibenden Worte verdeutlichen insbesondere, dass sich die Erd- oder Gesteinsmassen von etwas wegbewegen und einen vorher gegebenen Halt verlieren müssen.

Eine nach diesem Verständnis erforderliche Lösung eines zusammenhängenden Teils des Erdbodens aus seinem natürlichen Zusammenhang mit Übergang in eine – abrutschende, abgleitende oder abstürzende – Bewegung legt der Kläger nicht dar.

Soweit der Kläger in Erwägung zieht, die Gebäudeschäden könnten auf unterschiedlichen Baugrundverhältnissen mit jeweils stark abweichenden Tragfähigkeiten bzw. Verformungsempfindlichkeiten beruhen, kann diese Ursache bereits deshalb ausgeschlossen werden, weil das Haus im Jahr 1939 errichtet worden ist und der Kläger Schädigungen der Beklagten erst im Jahr 2004 angezeigt hat. Dass durch unterschiedliche Baugrundverhältnisse ausgelöste Prozesse (erst) nach mehr als 60 Jahren zu Veränderungen führen würden, hat der Kläger selbst nicht konkret geltend gemacht und das kann aufgrund des langen Zeitraums ausgeschlossen werden. Ungeachtet dessen legt der Kläger mit seiner Behauptung, die Gebäudeschäden könnten auf unterschiedlichen Baugrundverhältnissen mit jeweils stark abweichenden Tragfähigkeiten bzw. Verformungsempfindlichkeiten beruhen, aber vor allem nicht dar, dass dadurch eine wahrnehmbare Lageveränderung eines zusammenhängenden Teils der Erdfläche aus seinem natürlichen Verbund heraus ausgelöst worden ist.

Eine allgemeine Schrumpfung des Erdbodens und eine darauf beruhende „kriechende“ Veränderung des Erdbodens, die der Kläger alternativ behauptet, erfüllt nach dem zugrunde zu legenden Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht die nach der Definition des Risikos Erdrutsch erforderlichen Voraussetzungen. Soweit der Kläger sich abweichend hiervon auf den Standpunkt stellt, auch ein allmähliches Lösen und Verlagern von Bodenbestandteilen stelle einen Erdrutsch dar, blendet er aus, dass sich dies mit dem allgemeinen Wortlautverständnis eines Abgleitens, Abrutschens oder Abstürzens von Erd- oder Gesteinsmassen, das als sinnlich wahrnehmbare Ablösung eines zusammenhängenden Teils des Erdbodens begriffen wird, nicht vereinbaren lässt. Mit dem Erfordernis der Bewegung eines zusammenhängenden Teils der Erdfläche und der Ablösung aus einem natürlichen Verbund setzt der Kläger sich nicht auseinander. Er führt lediglich aus, dass die Begriffsdefinition kein Zeitmoment enthalte, eine langsame Veränderung also ausreiche. Darauf kommt es aber nicht an, weil er bereits nicht schlüssig darlegt, dass ein zusammenhängender Teil des Erdbodens sich aus seinem natürlichen Zusammenhang gelöst hat und in eine der vorausgesetzten Bewegungen übergegangen ist. Mit seinem Vortrag, nach dem eine allmähliche Veränderung von Bodenbestandteilen dazu führe, dass sein Haus zur Straße hin „kippe“, legt er diese Voraussetzung erfüllende Umstände nicht dar, weil es sich bei der sukzessiven Veränderung der Bodenstruktur nicht um die Ablösung und Bewegung einer als solchen sinnlich wahrnehmbaren zusammenhängenden Menge Erdboden handelt.

Der Wortlaut der Definition Erdrutsch sowohl in den vom Kläger vorgelegten „Versicherungsbedingungen Besonderer Teil – Wohngebäude „Komfort“ “ als auch in den „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Wohngebäude-Versicherung N1 (AWG-MPM 2009)“ in der Fassung 10.2014 verdeutlicht jeweils für sich genommen und auch in der Zusammenschau mit den anderen Definitionen der gedeckten Risiken dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch ohne weiteres, dass der Versicherungsvertrag ihn nicht gegen jegliche durch Bodenveränderungen verursachte Schäden an seinem Wohngebäude absichert, sondern ihn nur schützen soll vor den nachteiligen Auswirkungen, die durch bestimmte, konkret definierte Bodenbewegungen eintreten.

Da die Klausel eindeutig ist, ist für die Anwendung der AGB-rechtlichen Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) ebenso wenig Raum wie für die Annahme eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).

2.

Dass ein Erdfall oder eine Erdsenkung im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt, auf die er sich hilfsweise stützt, hat der Kläger ebenfalls nicht schlüssig dargelegt.

Nach der Definition in VG 5 Ziff. 11 VGB/alt ist Erdfall ein naturbedingter Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen.

In Ziff. 2.7.4 der VGB/neu ist das versicherte Risiko Erdsenkung definiert als eine naturbedingte Absenkung des Erdbodens über naturbedingten Hohlräumen.

Unabhängig davon, ob ein Einsturz des Erdbodens oder ein Absenken des Erdbodens vorausgesetzt ist, muss diese Bodenveränderung jeweils über – natürlichen bzw. naturbedingten – Hohlräumen erfolgen.

Aus der maßgeblichen Sicht eines Versicherungsnehmers ist der Begriff Hohlraum dahingehend zu verstehen, dass ein umschlossener Leerraum in einer Größe vorhanden sein muss, die dessen sinnliche Wahrnehmung ermöglicht, ohne dass hierfür technische Hilfsmittel zur Erkennbarkeit (wie beispielsweise ein Mikroskop) erforderlich sind.

Dass Hohlräume im vorgenannten Verständnis bestanden und deshalb eine Senkung erfolgt, hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt.

Soweit der Kläger als mögliche Ursache benennt, die Gebäudeschäden könnten auf unterschiedlichen Baugrundverhältnissen mit jeweils stark abweichenden Tragfähigkeiten bzw. Verformungsempfindlichkeiten beruhen, ist bereits ausgeführt worden, dass diese Ursache mit Blick auf die zeitlichen Verhältnisse ausgeschlossen ist, weil das Haus bereits im Jahr 1939 errichtet worden ist. Ungeachtet dessen behauptet der Kläger nicht, dass dadurch Hohlräume entstanden seien, über denen Erdreich eingestürzt oder in die Erdreich eingesunken sei.

Die Senkung des Bodens infolge Austrocknung und dadurch verursachter Schrumpfung des Bodens stellt mangels Hohlraums grundsätzlich keine Erdsenkung dar (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 03.03.2011, 10 U 1319/10, zitiert nach: juris, Rn. 5 ff.; Armbrüster in: Prölss/Martin, 31. Auflage 2021, VGB A. § 4 Rn. 13). Etwaige kleine Poren im lockeren Boden sind aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers keine Hohlräume, über welchen der Boden einstürzt (vgl. OLG Koblenz, a.a.O., Rn. 7) oder einsinkt oder einstürzt.

Eine andere Betrachtung ist vorliegend auch nicht aufgrund des vom Kläger vorgelegten Gutachtens der L Geoconsulting GmbH veranlasst. Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten ausführt, dass mögliche Ursache Schrumpfungsprozesse im Boden sein könnten, so ergibt sich daraus nicht, dass durch die Schrumpfung Hohlräume im Boden entstehen. Im Gegenteil wird in dem Gutachten ausgeführt, es lägen sehr dichte Schichten im Untergrund vor. Selbst wenn durch die Austrocknung Volumen im Erdbereich verkleinert werden und selbst wenn dadurch kleine Risse oder Spalten entstehen sollten, so stellen diese nach dem maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers keine Hohlräume dar, in die dann ein Teil der Erdfläche einsinkt.

Eine etwaige ungleichmäßige Volumenminderung mit der Folge einer Verformung der Erdoberfläche und Destabilisierung des Untergrunds des Gebäudes ist kein versichertes Ereignis, weil es an einem Einsturz des Erdbodens bzw. einer Absenkung des Erdbodens über Hohlräumen fehlt. Wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer unschwer anhand der Versicherungsbedingungen ersehen kann, ist nicht jede Veränderung im oberirdischen oder unterirdischen Bereich des Bodens versichert, sondern versichert sind nur die in den Versicherungsbedingungen definierten Verlagerungen von Teilen des Erdbodens.

Auch diese Klauseln sind eindeutig und für die Anwendung der AGB-rechtlichen Unklarheitenregel ist ebenso wenig Raum wie für die Annahme eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot.

3.

Es kann offen bleiben, ob die Bodenveränderungen, die zur Beschädigung der Gebäudesubstanz führen, auf – wie sowohl im Falle des Erdrutschs als auch im Falle des Erdfalls/der Erdsenkung vorausgesetzt – natürlichen oder naturbedingten Prozessen beruhen oder ob auf menschliches Verhalten zurückzuführende Maßnahmen die Veränderung herbeigeführt haben. Als menschliches Verhalten kommen vorliegend insbesondere die Sümpfungsmaßnahmen von RWE Power oder die Straßenbauarbeiten, die die Gemeinde veranlasst hatte, in Betracht, die jeweils noch nicht so lange zurückliegen, dass sie als – von Menschenhand gesetzte – Ursache von vornherein auszuschließen wären. Da es jedoch bereits an einem Abgleiten, Abrutschen oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen bzw. einem Einsturz des Erdbodens oder einer Absenkung des Erdbodens über Hohlräumen fehlt, bedurfte es keiner Feststellungen dazu, ob die Bodenbewegungen natürlich bzw. naturbedingt sind.

4.

Mangels Vorliegens eines Versicherungsfalls scheidet ein Anspruch auf Feststellung eines Anspruchs auf Verzinsung aus, ohne dass es darauf ankäme, ob oder inwieweit die Voraussetzungen eines Zinsanspruchs im Übrigen vorliegen.

II.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung als Ersatz von ihm aufgewandter Kosten in Höhe von 6.651,97 EUR für die Einholung des Sachverständigengutachtens der L Geoconsulting GmbH zu.

1.

Ein vertraglicher Anspruch besteht nicht, auch nicht in Höhe von 80%.

In den „Klauseln für die Wohngebäude-Versicherung N1 (VG-MPM 2009)“ (Anlage K 5) ist in Ziffer 1 der Klausel VG030 zwar eine Regelung über die Erstattung von 80% von Sachverständigenkosten enthalten. Dabei geht es jedoch, wie sich sowohl aus dem Wortlaut der Ziffer 1 als auch aus Ziffer 2 der Klausel ergibt, um das bedingungsgemäße Sachverständigenverfahren, das in Ziff. 10 VGB geregelt ist. Vorliegend haben die Parteien jedoch kein Sachverständigenverfahren i.S.v. Ziff. 10 VGB durchgeführt, sondern der Kläger hat außerhalb eines solchen Verfahrens das Gutachten eingeholt.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem als Anlage K6 (AH) vorgelegten Deckungskonzept. Auch darin ist nicht die uneingeschränkte Übernahme von 80% entstehender Sachverständigenkosten geregelt, sondern es wird auf die Klausel VG030 verwiesen.

Damit ist es ohne Relevanz, ob oder wie es sich auswirkt, dass diese Klausel erst seit dem Nachtrag vom 02.11.2016 gilt, Risse jedoch schon seit einem längeren, auch über einen vor der Vereinbarung des Nachtrags liegenden Zeitraum hindurch eintreten.

2.

Ein Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten ist auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund begründet.

Der Versicherungsnehmer kann Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens grundsätzlich gemäß § 85 Abs. 2 VVG nur dann ersetzt verlangen, wenn der Versicherungsnehmer zur Beiziehung verpflichtet war oder der Versicherer ihn dazu aufgefordert hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der Kläger könnte Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens damit nur als Verzugsschaden geltend machen (§§ 286, 280 BGB) oder wenn die ablehnende Entscheidung der Beklagten eine schuldhafte vertragliche Pflichtverletzung darstellte (§ 280 BGB). Da der Kläger nicht dargetan hat, dass ein versichertes Risiko die Schäden am Haus verursacht hat und die Beklagte die vertragliche Verpflichtung trifft, diese bedingungsgemäß zu regulieren, liegen die Voraussetzungen für einen Verzugsschaden oder einen sonstigen Schadensersatzanspruch schon im Ausgangspunkt nicht vor.

3.

Mangels Begründetheit der Hauptforderung steht dem Kläger ein Anspruch auf deren Verzinsung ebenfalls nicht zu.

III.

Der Klageantrag zu 3) ist nicht begründet.

Ein Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten könnte dem Kläger nur unter Verzugsgesichtspunkten oder als Schadensersatz wegen unberechtigter Deckungsablehnung zustehen.

Wie ausgeführt wurde, ist jedoch nicht vom Vorliegen eines versicherten Risikos auszugehen, so dass nicht dargetan ist, dass die Ablehnung durch die Beklagte vertragswidrig oder verzugsbegründend war.

Mangels Begründetheit dieser Forderung, ist auch die Zinsforderung nicht begründet.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Streitwert:  338.651,97 EUR, sich zusammensetzend wie folgt:

Antrag zu 1): 332.000,00 EUR (nach Schätzung des Klägers entstehen Kosten von

etwa 350.000,00 EUR netto, damit 416.500,00 EUR brutto;

abzüglich Selbstbeteiligung: 415.000,00 EUR, davon 20%

Abschlag wegen Feststellung)

Antrag zu 2): 6.651,97 EUR

Antrag zu 3):  —-

gesamt: 338.651,97 EUR

 

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