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Wohngebäudeversicherung – grob fahrlässiger Herbeiführung eines Frostschadens

LG Frankfurt, Az.: 2-08 O 206/11, Urteil vom 29.11.2011

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Wohngebäudeversicherung mit der Beklagten wegen eines Frost- und Leitungswasserschadens im Winter 2008/2009 in dem Gebäude B.-Gasse … in S..

Im Februar 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten Versicherungsschutz für ein Mehrfamilienhaus in der B.-Gasse … in S., das unter Denkmalschutz stand (Bl, Bl. 68-74 d. A.). Unter Nutzungsart ist „ständig bewohntes Wohngebäude“ vermerkt. Dem Antrag legte der Kläger einen Versicherungsschein der Sparkassenversicherung über das Anwesen bei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B1 Bezug genommen. Im Rahmen der Vertragsanbahnung wurde der Generalagent der Beklagten, Herr L., tätig.

Die Beklagte stellte am 12. April 2002 einen Versicherungsschein zu der Nummer … aus (B3, Bl. 76-79 d. A.). Dem Vertragsverhältnis lagen die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88) zugrunde, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 27-47 d. A.).

Die versicherte Liegenschaft war ein dreigeschossiges Wohnhaus, in dem im Winter 2008/2009 nur eine von zwei Wohnungen im Dachgeschoss bewohnt war. Alle Wohneinheiten waren mit separaten Gasthermen ausgestattet. Im Erdgeschoss befand sich bis 1997 eine Gaststätte, die seither leer stand. Der Leerstand der übrigen Wohneinheiten trat bis zum 15. Dezember 2008 ein. In der Winterperiode 2008/2009 herrschte strenger Frost, in der Zeit vom 30. Dezember 2008 bis 12. Januar 2009 lagen die Temperaturen im zweistelligen Minusbereich bis zu minus 21 °C. Im Jahr 2008 ließ der Kläger neue Fenster einbauen, deren Laibungen nicht alle angearbeitet wurden.

Am 14. Januar 2009 wurde ein Leitungswasserschaden in dem Gebäude entdeckt. Drei Monate später am 21. April 2009 meldete der Hausverwalter L. den Schaden telefonisch der Beklagten und teilte hierbei mit, dass im kompletten Gebäude alle Heizkörper, die sich an der Außenwand befanden, eingefroren seien; eine Beheizung sei erfolgt, die Heizkörper hätten sich zumindest auf Froststellung befunden; der Schaden sei aufgefallen, als der Mieter der Dachgeschosswohnung aufgrund der eingefrorenen Wasserleitung kein Wasser mehr bekommen habe (B6, Bl. 86 d. A.).

Wohngebäudeversicherung - grob fahrlässiger Herbeiführung eines Frostschadens
Symbolfoto: Benedek Alpar/Bigstock

Der von der Beklagten hinzugezogene Regulierungsbeauftragte R. des Sachverständigen-Regulierungsbüros L. & Partner nahm am 6. Mai 2009 einen Orts- und Besprechungstermin wahr, an dem auch der Hausverwalter L. teilnahmen.

Am 6. Juli 2009 übermittelte der Kläger der Beklagten eine Kostenaufstellung, nach der „alle“ Rohrleitungen zu ersetzen seien; beigefügt war ein klägerisches Schreiben vom 15. Juli 2007 (B9, Bl. 93 d. A.). Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 regulierte die Beklagte gegenüber dem Kläger den Schadenfall mit einer Zahlung in Höhe von EUR 1.763,37, was 20 % der zuvor von dem Regulierungsbeauftragten festgestellten Bruttoreparaturkostensumme entsprach (B8, Bl. 91 f. d. A.).

Der Kläger nahm nach dem Versicherungsfall umfangreiche Sanierungsmaßnahmen an dem versicherten Gebäude vor.

Der Kläger zeigte den Schaden schriftlich am 2. Dezember 2009 an (B7, Bl. 87 ff. d. A.).

Er ließ Reparaturarbeiten durch die Firmen F. B. gemäß der Rechnungen vom 29. März 2010, 1. Juni 2010 und 29. Juni 2010, Malermeister H. gemäß der Rechnung vom 16. August 2010 sowie des Fliesenlegers C. gemäß Rechnung vom 4. Juni 2010 durchführen, die sich auf eine Gesamtsumme von EUR 76.105,71 beliefen (K5, Anlagenband).

Das von der Beklagten eingeholte Gutachten des Sachverständigenbüros A. zur Höhe des Schadens vom 7. Februar 2011 wies einen Neuwertschaden von EUR 55.042,00 aus (B10, Bl. 94-122 d. A.).

Mit Schreiben vom 18. Februar 2011 regulierte die Beklagte den Schaden auf der Grundlage des Gutachtens vom 7. Februar 2011 in Höhe von 20 % (B11, Bl. 123 f. d. A.). Insgesamt zahlte sie an den Kläger EUR 6.322,83.

Der Kläger begehrt die Zahlung bislang angefallener Reparaturkosten, die Feststellung der darüber hinaus gehenden Ersatzpflicht der Beklagten sowie den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger behauptet, er habe den Versicherungsvertreter L. vor Abschluss des Versicherungsvertrages bereits über den Leerstand des Gebäudes informiert. Er habe diesem damals gültige Mietabrechnungen vorgelegt, aus denen sich ergeben habe, dass fünf der sechs Wohneinheiten leer standen. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2007 an Herrn L. habe er zudem mitgeteilt, dass ein weiterer Mietvertrag zum 31. Januar 2008 gekündigt sei und ein Nachmieter nicht gesucht werde (K3, Anlagenband).

Der Kläger behauptet weiter, die wasserführenden Anlagen in den bewohnten Wohnungen hätten unter einer ständigen Kontrolle der anwesenden Mieter gestanden. In den unbewohnten Wohnungen seien die Leitungen „tot gestellt“, das heißt mit Luft abgedrückt gewesen. In den unbewohnten Wohnungen sei eine Beheizung deshalb nicht erforderlich gewesen. In den bewohnten Wohnungen sei eine ausreichende Beheizung erfolgt.

Der Kläger ist der Ansicht, dass der teilweise Leerstand des Gebäudes kein Gefahr erhöhender Umstand sei. Es sei im Rahmen einer Gefahrenkompensation auch der Wegfall anderer Gefahr erhöhender Umstände zu berücksichtigen, so dass nach Abwägung keine Gefahrerhöhung mehr gegeben sei.

Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass das Gutachten vom 7. Februar 2011 unzutreffend sei. Hierzu behauptet er, dass sich der bisherige Schaden auf EUR 82.428,54 belaufe und voraussichtlich weitere Kosten von insgesamt rund EUR 43.000,00 anfielen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 76.105,71 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.07.2010 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit der Nr. … gegenüber dem Kläger verpflichtet ist, jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm aufgrund des Wasserschadens am 14.01.2009 an dem versicherten Objekt B.-Gasse …, … S. entstanden ist oder noch entstehen wird;

5. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 3.429,58 durch Zahlung an die Rechtsanwälte Dr. W. & Partner freizustellen durch Zahlung auf das Konto der Rechtsanwälte Dr. W. & Partner bei der Deutschen Bank …, Konto-Nr. …, BLZ: ….

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Feststellungsantrag sei unzulässig. Es sei dem Kläger eine Bezifferung möglich. Auch seien die Grundsätze der Rechtsprechung des BGH zur Unzulässigkeit eines Grundurteils bei strittiger Schadenshöhe und Schadensumfang zu berücksichtigen.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Versicherungsfall nach dem 1. Januar 2009 eingetreten sei; aufgrund der Temperaturen sei ein Eintritt des Versicherungsfalls noch im Dezember 2008 möglich. Deshalb meint sie, dass die Anwendbarkeit des VVG in der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung nicht nachgewiesen sei.

Die Beklagte ist der Ansicht, wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei zu sein. Der klägerische Vortrag sei bereits unschlüssig, soweit er die Entleerung von Leitungen behaupte, denn er mache die Kosten des Ersatzes aller Rohrleitungen geltend. Auch sei nicht geheizt worden. In Anbetracht der weiteren Umstände des Leerstandes, der unterlassenen Frostkontrollen, der schlechten Dämmung und der Fensterlaibungen sei eine Leistungskürzung von 100 %, jedenfalls in Höhe von 80 %, gerechtfertigt.

Weiter sei eine Leistungsfreiheit wegen unterlassener Anzeige Gefahr erhöhender Umstände eingetreten. Die Gefahrerhöhung ergebe sich nicht allein aus dem Leerstand, sondern auch aus den weiteren Umständen, die auch den Vorwurf der grob fahrlässigen Herbeiführung begründeten.

Eine Leistungsfreiheit sei ebenfalls wegen Verletzung folgender Obliegenheiten eingetreten: Nichteinhaltung der Sicherheitsbestimmungen des § 11 Nr. 1 c) und d) VGB, unterlassene unverzügliche Anzeige des Versicherungsfalls, unzutreffende Angaben zum Schadenshergang und den Örtlichkeiten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2011 (Bl. 137-140 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

A) Die Klage ist zulässig, insbesondere liegt das Feststellungsinteresse des Klägers vor.

Das Feststellungsinteresse fehlt grundsätzlich, wenn ein Kläger dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage erreichen könnte, jedoch besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr bleibt die Feststellungsklage dann zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt (BGH VersR 2006, 830 m. w. N.). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf Das hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach angenommen, wenn es sich bei der beklagten Partei um eine Bank, eine Behörde oder – wie hier – um ein großes Versicherungsunternehmen handelt (BGH VersR 2006, 830 m. w. N.).

Dem Feststellungsantrag steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht die Unzulässigkeit eines Grundurteils in den Fallkonstellationen des Brand- oder Einbruchdiebstahls entgegen (BGH, Urteil vom 20.06.2007, Az.: IV ZR 228/06). Die Besorgnis, es könnten sich im Rahmen einer Beweisaufnahme über die Schadenhöhe bislang nicht erörterte Umstände ergeben, die Rückschlüsse auf ein arglistiges Verhalten oder Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers ergeben, und damit eine Frage sich noch einmal stelle, über die bereits mit dem Grundurteil entschieden sei, ist in der Konstellation eines Feststellungsantrags nicht gerechtfertigt. Die Grundsätze zur Unzulässigkeit eines Grundurteils in diesen Fällen lassen sich nicht übertragen. Denn anders als in der Situation des § 304 ZPO besteht bei einem Feststellungsantrag nicht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen, da die Entscheidung über einen Feststellungsantrag den Rechtsstreit vollständig und nicht nur teilweise beendet. Dass sich nach einem rechtskräftigen Urteil Umstände ergeben können, die zu einem Obsiegen hätten führen müssen, kann nicht dazu führen, dass ein Versicherungsnehmer stets nur die Möglichkeit einer Leistungsklage hätte.

B) Die Klage ist hingegen unbegründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch aus den §§ 1, 2, 4 Nr. 1 b), Nr. 2, §§ 6 f. VGB 88 in Verbindung mit § 1, 49 VVG a. F., § 1 VVG n. F. in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag wegen des Frostschadens in seinem Gebäude in der B.-Gasse …, S., gegen die Beklagte nicht zu.

Aufgrund der strengen Frosttemperaturen Ende 2008, Anfang 2009 kam es in dem versicherten Gebäude zu einem Frostschaden. Das Gebäude stand bis auf eine im Dachgeschoss vermietete Wohnung leer. Der Eintritt des Versicherungsfalls steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

I) Dem Kläger stehen aus dem Versicherungsvertrag keine Ansprüche zu. Die Beklagte ist im vorliegenden Fall zu einer Leistungskürzung von 100 % berechtigt. Der Kläger hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, § 81 Abs. 2 VVG. Die Schwere seines Verschuldens rechtfertigt hier eine vollständige Leistungskürzung.

Dass vorliegend auch eine Verletzung vertraglicher Obliegenheiten nach § 28 VVG n. F. bzw. § 6 VVG a. F. im Raum stehen, hindert die Anwendbarkeit des § 81 VVG nicht. Die Vorschriften sind nebeneinander anwendbar (Prölss/Martin/Prölss, VVG, 28. Aufl. 2010, § 81 Rn. 45, § 28 Rn. 165; OLG Köln, Urteil vom 17.08.2010, Az.: 9 U 41/10; BGH, Urteil vom 12.10.2011, Az.: IV ZR 199/10).

1) Der Kläger hat nicht für eine ausreichende Beheizung des überwiegend leer stehenden Gebäudes gesorgt. Ferner hat er nicht für eine Entleerung der Leitungen gesorgt. Dabei herrschten über einen längeren Zeitraum seit Dezember 2008 an unstreitig erhebliche Minustemperaturen im zweistelligen Bereich. Dieses Verhalten des Klägers wurde zumindest mitursächlich für den Eintritt des Frost- und Leitungswasserschadens.

Aufgrund des klägerischen Sachvortrags muss nach § 138 ZPO als unstreitig gewertet werden, dass er keine ausreichende Beheizung, keine Entleerung sowie keine ausreichenden Kontrollen der Leitungen vornahm bzw. vornehmen ließ.

Er hat behauptet, die wasserführenden Anlagen seien durch die Mieter ständig kontrolliert worden. Unstreitig bewohnt war hingegen nur eine Wohnung im Dachgeschoss; der übrige überwiegende Teil des dreigeschossigen Gebäudes stand im Winter 2008/2009 leer. Folglich kann die Behauptung des Klägers nur dahin verstanden werden, dass die wasserführenden Anlagen in einer von zwei Wohnungen im Dachgeschoss kontrolliert worden sei; im Übrigen Gebäude dies mangels Vermietung jedoch nicht der Fall war.

Weiter behauptet der Kläger, die Leitungen seien „tot gestellt“ worden, d. h. mit Luft abgedrückt worden. Der Frost-/Leitungswasserschaden sei im gesamten Gebäude aufgetreten. Folglich können die Leitungen nicht entleert worden sein, sondern müssen Wasser geführt haben, das dann infolge der Minustemperaturen im gesamten Gebäude zu den Schäden geführt hat.

In dem nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 22. November 2011 trägt er weiter vor, dass sich wegen des Alters des Gebäudes und der Leitungen sich trotz des „Totstellens“ der Leitungen wohl dennoch noch Wasser in den Leitungen befunden habe. Er habe alles technisch Mögliche getan, um ein Einfrieren der Rohre zu verhindern. Der Kläger ist zunächst gemäß § 296a ZPO mit diesem Vortrag ausgeschlossen. Es besteht keinerlei Veranlassung mehr, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, zumal nicht vorgetragen wird, weshalb dieser Vortrag nicht bereits früher hätte erfolgen können.

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass selbst unter Berücksichtigung des genannten Schriftsatzes kein anderes Ergebnis gerechtfertigt würde. Denn die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung vom 19. September 2011 ausgeführt, dass zwischen 1988 und 1991 auch die komplette Heizungsanlage erneuert worden sei. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, inwieweit das Alter der Leitungen und des Gebäudes ein Entleeren nicht ermöglicht haben kann. Der klägerische Vortrag bleibt unschlüssig.

Weiter ist der Kläger der Ansicht, dass in den unbewohnten Wohnungen eine Beheizung nicht erforderlich war. Daraus schlussfolgert das Gericht, dass auch keine Beheizung erfolgte. Anderen Sachvortrag hat der Kläger auch nicht erbracht. Weiter ist der Kläger der Behauptung der Beklagten nicht entgegengetreten, wonach ein Gasbezug im Hinblick auf die Heizungen nicht erfolgt sei.

Aufgrund der Umstände der fehlenden ausreichenden Beheizung und das Nichtentleeren der wasserführenden Anlagen ist eine Mitverursachung des Schadens durch ein Verhalten des Klägers als Versicherungsnehmer gegeben.

2) Das Verhalten des Klägers erfüllt zumindest das von § 81 Abs. 2 VVG verlangte Verschuldensmaß der groben Fahrlässigkeit.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt, wer einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Auch in subjektiver Hinsicht muss das Gewicht des Fehlverhaltens unentschuldbar erscheinen.

Die Frostperiode, die im Dezember 2008 ihren Anfang nahm, war so außergewöhnlich streng, dass es sich dem Kläger aufdrängen musste, im Hinblick auf die nichtentleerten wasserführenden Anlagen in dem überwiegend leer stehenden Gebäude ausreichende Gegenmaßnahmen zu ergreifen, also entweder ausreichend zu heizen oder die Anlagen zu entleeren. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass das Gebäude schlecht gedämmt war und erhebliche Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen waren. Im Jahr 2008 waren unstreitig neue Fenster eingebaut worden, deren Laibungen nicht angearbeitet waren. Auch dies sorgte für eine Erhöhung der Gefahr, die sich dem Kläger daher umso mehr aufdrängen musste.

Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entfällt nicht aufgrund der klägerischen Behauptung, dass der bauleitende Architekt M. wöchentlich die unbewohnten Wohnungen überwacht habe. Eine wöchentliche Überwachung genügte bei den vorherrschenden erheblichen Minustemperaturen seit Dezember 2008 nicht. Anhaltspunkte dafür, dass eine wöchentliche Kontrolle vorliegend genügt hätte, um den Eintritt des versicherten Risikos in signifikanter Weise zu minimieren, so dass der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit entfiele, liegen nicht vor. Das erforderliche Kontrollintervall ist an Hand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Es ist dabei zu Grunde zu legen, in welchen Intervallen die jeweils eingesetzte Heizungsanlage nach der Verkehrsanschauung und Lebenserfahrung mit Blick auf ihre Bauart, ihr Alter, ihre Funktionsweise, regelmäßige Wartung, Zuverlässigkeit, Störanfälligkeit und Ähnliches kontrolliert werden muss. Unerheblich ist hingegen, welcher Zeitablauf nach einem unterstellten Heizungsausfall im ungünstigsten Fall bis zum Schadenseintritt zu erwarten ist (BGH VersR 2008, 1207).

Die Wohnungen besaßen ausweislich des von der Beklagten eingeholten Gutachtens separate Gasetagenheizungen. Das Fachwerkgebäude war aufgrund des überwiegenden Leerstandes einem erhöhten Risiko des Frostschadens infolge der strengen Frosttemperaturen ausgesetzt. Die Fensterlaibungen waren zumindest teilweise undicht. Das Gebäude aufgrund seines Alters und des Renovierungsstaus schlecht gedämmt. Vor diesem Hintergrund erachtet das Gericht eine wöchentliche Kontrolle als nicht ausreichend, um den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entfallen zu lassen.

3) Die Schwere des klägerischen Verschuldens rechtfertigt vorliegend eine Leistungskürzung von 100 %. Eine vollständige Leistungskürzung aufgrund des § 81 Abs. 2 VVG in Einzelfällen ist möglich (BGH, Urteil vom 22.06.2011, Az.: IV ZR 225/10).

Das konkrete Kürzungsmaß ergibt sich aufgrund der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Bei der Bemessung der Leistungskürzung ist danach zu fragen, wie nahe die grobe Fahrlässigkeit beim bedingten Vorsatz oder aber der einfachen Fahrlässigkeit lag (so die Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 16/3945, S. 80). Die genaue Bestimmung fußt für jeden Einzelfall auf einer Bewertung der konkreten, auf die Schwere des Verschuldens bezogenen Gesamtumstände. Bemessungskriterien sind die objektive Bedeutung der Obliegenheit für die Vermeidung des Risikos, das Gewicht, die Dauer und die Offenkundigkeit für die Vermeidung des Risikos, das Gewicht, die Dauer und die Offenkundigkeit des Verstoßes gegen die Pflicht und die Vorhersehbarkeit seiner Folgen, außerdem der konkret erforderliche Aufwand für ihre Erfüllung einerseits und die Höhe des drohenden Schadens andererseits. In Bezug auf Frostvorsorgemaßnahmen wirken erschwerend besonders niedrige Temperaturen über einen längeren Zeitraum, eingetretene Vorschäden und eine störungsanfällige Beheizung (Günther/Spielmann, r+s 2008, 177, 180).

Im vorliegenden Fall sind schon nach dem gegebenen Sachverhalt Ansprüche nicht gegeben. Das ordnungsgemäße Beheizen von Räumen mit wasserführenden Leitungen ist die einzige Möglichkeit Frostschäden zu verhindern. Das ist für jeden verständigen Versicherungsnehmer evident. Bei einer Verletzung dieses Verhaltensgebotes drohen offenkundig erhebliche Schäden. Es einzuhalten ist hingegen mit verhältnismäßig geringem Aufwand möglich. Die strengen Frosttemperaturen traten nicht singulär auf, sondern bestanden bereits seit Ende Dezember 2008 im zweistelligen Minusbereich. Da die Frostperiode zudem noch andauerte, musste sich dem Kläger die Erkenntnis aufdrängen, dass Sicherungsmaßnahmen angezeigt waren. Gleichwohl blieb er schlicht untätig. Ein Entleeren der Leitungen wäre ohne Weiteres möglich gewesen.

Dies rechtfertigt nach Ansicht des Gerichts eine Leistungskürzung um 100 %.

II) Sofern die Beklagte eine Leistungsfreiheit auf Obliegenheitsverletzungen wegen nicht unverzüglicher Anzeige des Schadensfalls, Verletzungen von Sicherheitsbestimmungen sowie wegen unterlassener Einholung von Weisungen des Versicherers gestützt hat, brauchte dies nicht mehr entschieden zu werden. Im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 11, 20 VGB 88 kam eine Leistungsfreiheit nur in Betracht, wenn der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 2009 eingetreten wäre. Denn dann wären die Rechtsfolgenregelungen der §§ 11, 20 VGB 88 wirksam vereinbart und insofern maßgebend gewesen. Vor dem Hintergrund des VVG in seiner alten Fassung hätte das Vorbringen der Beklagten insoweit zum Erfolg führen können; wohingegen die Bestimmungen in den §§ 11, 20 VGB 88, soweit es um die Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen geht, nach den §§ 28, 32 VVG n. F. unwirksam wären (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2011, Az.: IV ZR 199/10), wenn der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 2008 eingetreten ist. Da der Rechtsstreit jedoch zur Entscheidung reif ist, bedurfte es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung dieser Frage.

III) Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§91, 709 ZPO.

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