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Wohngebäudeversicherung – Ersatz Baumbeseitigungskosten nach Sturm

AG Emmendingen – Az.: 8 C 65/18 – Urteil vom 24.04.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 833,00 EUR nebst Verzugszinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.02.2018 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.04.2018 zu bezahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.

5. Der Streitwert wird auf 833,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung der Kosten für die Beseitigung eines Baumes aus einem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag über eine Wohngebäudeversicherung hinsichtlich des Objekts … in Emmendingen sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

Der Kläger hält bei der Beklagten seit Oktober 2011 unter der Versicherungsscheinnummer … eine sogenannte „MultiPlusmaximo“-Versicherungspolice, die unter anderem eine Wohngebäudeversicherung mit einschließt. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag umfasst unter anderem Schäden an versicherten Sachen, die durch Sturm beschädigt wurden (Ziffer 2.6 der AVB). Gemäß Ziffer 3.4 der AVB sind weitere Kosten versichert, soweit diese ausdrücklich im Versicherungsvertrag vereinbart sind. Entsprechend diesem Hinweis ist in der Klausel VG 026 eine Erweiterung des Versicherungsschutzes vorgesehen. Danach werden auch die Kosten für das Entfernen, den Abtransport und die Entsorgung durch Blitzschlag oder Sturm „umgestürzter“ Bäume auf dem Versicherungsgrundstück erfasst, soweit eine natürliche Regeneration nicht zu erwarten ist. Hinsichtlich des konkreten Inhalts der zwischen den Parteien getroffenen Regelungen wird auf den als Anlage K1 vorgelegten Versicherungsschein vom 02.08.2011 sowie auf die als Anlage K2 auszugsweise vorgelegten Versicherungsbedingungen Bezug genommen.

Der Kläger trägt vor, am 18.01.2018 sei infolge des Wintersturms „Friederike“ und damit infolge eines Sturmes mit Windstärke 8 nach Beaufort (Windgeschwindigkeit von mindestens 63 km/h), der über Deutschland hinweggezogen sei, auf dem bei der Beklagten versicherten Grundstück ein mehrere Jahrzehnte alter Baum etwa zweieinhalb Metern über dem Boden im Stamm komplett abgeknickt, mit der Folge, dass dessen oberer Teil (mindestens zwei Drittel der gesamten Stammlänge) auf das klägerische Grundstück gestürzt sei. Der Kläger ist der Rechtsauffassung, dass der Klausel Vg026 der Versicherungsbedingungen der Beklagten nicht zu entnehmen sei, dass ein Baum auf seiner gesamten Länge umgestürzt sein müsse, damit der Versicherungsnehmer Ersatz der Beseitigungskosten von dem Versicherer verlangen könne. Ansonsten hätte die Klausel dahingehend formuliert sein müssen, dass nur für (vollständig) „entwurzelte“ Bäume Versicherungsschutz hinsichtlich der Beseitigungskosten gewährt werde. Ein im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Vorkenntnisse werde unter einem „umgestürzten Baum“ im Sinne der Klausel vielmehr auch schon einen solchen Baum verstehen, der – wie derjenige des Klägers – nicht auf seiner gesamten Länge, wohl aber auf seiner ganz überwiegenden Länge abgeknickt und umgestürzt sei. Diese Auslegung ergebe sich vor allem aus der in der Klausel enthaltenen, einschränkenden Formulierung „soweit eine natürliche Regeneration nicht zu erwarten ist“. Aus dieser Formulierung sei zu schließen, dass der Versicherer auch bei einem im Stamm umgeknickten und umgestürzten Baum die Kosten der Fällung und Entsorgung dann übernehme, wenn der Baum so stark geschädigt sei, dass er sich hiervon nicht mehr erholen könne und werde. Andernfalls mache der letzte Halbsatz in der Klausel schlicht keinen Sinn, denn eine Regeneration sei von einem auf ganzer Länge umgestürzten (also entwurzelten) Baum niemals zu erwarten. Es könne auch hinsichtlich der Schadenshöhe nicht zwischen den Kosten der Beseitigung und des Abtransports des umgestürzten Teils des Baumes und den weiteren Kosten für die Beseitigung und den Abtransport des restlichen Baumstumpfes unterschieden werden, da die in Streit stehende Klausel eine solche Unterscheidung nicht hergebe.

Er beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 833,00 EUR nebst Verzugszinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.02.2018 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.04.2018 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wohngebäudeversicherung – Ersatz Baumbeseitigungskosten nach Sturm
(Symbolfoto: Margoe Edwards/Shutterstock.com)

Die Beklagte bestreitet, dass das Schadensereignis, wie von dem Kläger behauptet, aufgrund von Sturmeinwirkung im Sinne der Definition in Ziffer 2.6.2. der AVB am 18.01.2018 geschehen sei. Sie ist des Weiteren der Rechtsauffassung, dass der von dem Kläger geltend gemachte Schaden nach dem Wortlaut der einschlägigen vertraglichen Bestimmungen nicht vom Versicherungsschutz umfasst sei. Insbesondere sei ein mehrere Meter über dem Boden abgebrochener oder abgeknickter Baum kein „umgestürzter“ Baum im Sinne der Klausel VG 026. Unter „Umstürzen“ sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Vorgang zu verstehen, bei dem der betreffende Gegenstand komplett umstürze, nicht jedoch irgendwo im Bereich der Mitte, jedenfalls nicht mehrere Meter über dem Boden abbreche oder abknicke. Der Zusatz „soweit eine natürliche Regeneration nicht zu erwarten ist“, habe lediglich feststellenden Charakter. Unabhängig davon könne selbst dann, wenn der abgeknickte Teil des Baumes als „umgestürzt“ interpretiert werden sollte, lediglich der Aufwand beansprucht werden, der erforderlich sei, um den abgeknickten Teil zu entfernen.

Das Gericht hat Beweis erhoben hinsichtlich der Behauptung des Klägers, ein auf dem versicherten Grundstück befindlicher, mehrere Jahrzehnte alter Baum sei am 18.01.2018 infolge der Sturmeinwirkung des Sturmtiefs „Friederike“ in einer Höhe von etwa 2,5 Metern über dem Grund abgeknickt und anschließend auf das versicherte Grundstück des Klägers gestürzt, durch Vernehmung der Zeuginnen … und … in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2019. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.05.2019 (Bl. 237 ff. d.A.) verwiesen.

Das Gericht hat des Weiteren Beweis erhoben über die Frage, ob am 18.01.2018 auf dem klägerischen Grundstück eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort (Windgeschwindigkeit von mindestens 63 km/h) herrschte, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie ergänzende Vernehmung der Sachverständigen … vom Deutschen Wetterdienst. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 13.09.2019 (Bl. 301 ff. d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2020 (Bl. 367 ff. d.A.) verwiesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 06.12.2018 (Bl. 177 f. d.A.) und vom 16.01.2020 (Bl. 367 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der ihm für die Beseitigung des streitgegenständlichen Baumes auf seinem Grundstück entstandenen Kosten in Höhe von 833,00 EUR aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag.

a.

Das Gericht ist nach Vernehmung der Zeuginnen … sowie der Inaugenscheinnahme der als Anlage K3 vorgelegten Lichtbilder in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2019 davon überzeugt, dass am 18.01.2018 infolge des Wintersturms „Friederike“ und damit infolge eines Sturmes mit Windstärke 8 nach Beaufort (Windgeschwindigkeit von mindestens 63 km/h), auf dem bei der Beklagten versicherten Grundstück des Klägers ein Baum in einer Höhe von circa zweieinhalb Metern über dem Boden im Stamm komplett abgebrochen und dessen oberer Teil (mindestens zwei Drittel der gesamten Stammlänge) auf das klägerische Grundstück gestürzt ist.

Die Zeugin … bekundete in Bezug auf das ihr sowohl in der Ladung als auch in der mündlichen Verhandlung vor ihrer Aussage nochmals mitgeteilte Beweisthema (Behauptung der Klagepartei, dass ein auf dem Grundstück des Klägers befindlicher Baum am 18.01.2018 infolge der Sturmeinwirkung des Sturmtiefs Friederike in einer Höhe von etwa 2,5 Metern über dem Grund abgenickt sei), dass nachts der Sturm gewesen sei und als sie morgens aus dem Fenster geschaut habe, die Bäume gespalten gewesen seien. Am Abend vorher seien die Bäume noch in Ordnung gewesen. Auf Vorhalt der als Anlage K3 vorgelegten Lichtbilder bestätigte die Zeugin, dass es so, wie es auf dem Bild aussehe, tatsächlich gewesen sei. Ihre Wohnung sei im Erdgeschoss und sie schaue vom Wohnzimmer und vom Schlafzimmer aus in den Garten. Was die Bäume angehe, sei einer ganz kaputt gewesen und die anderen „angebrochen“ gewesen. Der komplett beschädigte Baum habe auf dem Grundstück gelegen, das zum Haus gehöre. Das Gericht hält die Angaben der Zeugin für glaubhaft, da diese in der Lage war, das Geschehen und den Zustand des Gartens nach dem Sturm anhand der ihr vorgelegten Lichtbilder detailliert und nachvollziehbar zu schildern. Der Umstand, dass die Zeugin zunächst von lediglich zwei „angebrochenen“ Bäumen sprach und ihre Aussage nach Inaugenscheinnahme der Lichtbilder korrigierte, ist angesichts des Umstandes, dass das Geschehen zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits mehr als ein Jahr zurücklag, nicht dazu geeignet, die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage insgesamt zu erschüttern.

Auch die Zeugin … gab in Bezug auf das ihr sowohl in der Ladung als auch in der mündlichen Verhandlung vor ihrer Aussage nochmals mitgeteilte Beweisthema an, dass sie zwar nicht direkt mitbekommen habe, wie der Baum umgefallen sei, sondern nur den Sturm an sich. Ihr Zimmer liege nicht auf der Seite des Gartens, sondern auf der Seite der Straße. Allerdings sei sie einige Tage vor und einige Tage nach dem Sturm im Garten gewesen, um den Kompost hinaus zu bringen. Als sie das letzte Mal vor dem Sturm im Garten gewesen sei, habe der Baum noch gestanden und nach dem Sturm nicht mehr. Auf Nachfrage des Gerichts, in welcher Höhe der Baum umgeknickt gewesen sei, erklärte die Zeugin, dass sie das nicht mehr sagen könne und es vielleicht so hoch wie sie selbst gewesen sei, bestätigte aber nach Inaugenscheinnahme der als Anlage K3 vorgelegten Lichtbilder, dass dies der Zustand nach dem Sturm gewesen sei. Das Gericht hält die Angaben der Zeugen für glaubhaft, da sie in sich schlüssig waren und die Zeugin Unsicherheiten und Erinnerungslücken offen darlegte.

Nach den dargestellten Aussagen der beiden Zeuginnen bestehen aus Sicht des Gerichts keine vernünftigen Zweifel daran, dass die auf den von dem Kläger als Anlage K3 vorgelegten Lichtbildern erkennbaren Schäden infolge des Wintersturms „Friederike“ am 18.01.2018 eingetreten sind.

b.

Das Gericht ist aufgrund des schriftlichen Gutachtens der Sachverständigen … vom Deutschen Wetterdienst vom 13.09.2019, welches die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2020 erläutert hat, gemäß § 286 ZPO davon überzeugt, dass es sich bei dem für die am 18.01.2018 auf dem Grundstück des Klägers eingetretenen Sturmschäden verantwortlichen Wintersturm „Friederike“ um eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort (Windgeschwindigkeit von mindestens 63 km/h) handelte.

Für die richterliche Überzeugung nach § 286 ZPO bedarf es keiner absoluten Gewissheit oder an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH BeckRS 2019, 19211 Rn. 27; NJW 2015, 2111 Rn. 11).

Die Sachverständige kommt in ihrem schriftlichen Gutachten vom 13.09.2019 unter Berücksichtigung der Wetterlage und nach Auswertung der ihr zur Verfügung stehenden meteorologischen Registrierungen und Messwerte zu dem überzeugenden Ergebnis, dass im Tagesverlauf des 18.01.2018 ein Orkantief den Schadensbereich in Emmendingen von West nach Ost überquerte und ein großflächiges Windfeld über dem Süden Deutschlands auch Südbaden beeinflusste und am Schadensort sehr wahrscheinlich zu Windstärke 8 Bft. geführt hat. Dieses Ergebnis begründet die Sachverständige in ihrem schriftlichen Gutachten schlüssig insbesondere mit der Tatsache, dass es sich bei dem Windfeld, das am 18.01.2018 Südbaden überquerte, uni ein großflächiges Windfeld gehandelt habe und in Baden-Württemberg mit Ausnahme von drei Stationen alle Windmessstationen mindestens Windstärke 8 Bft verzeichnet hätten. An den Stationen Freiburg und Lahr, die aufgrund der Nähe und der Höhenlage als für den Schadensort repräsentativ anzusehen seien, seien sogar Windgeschwindigkeiten von 9 Bft erreicht worden. Ihre Feststellungen im letzten Absatz des Gutachtens, dass Bewuchs, Bebauung und Landschaftsform den Wind sowohl in Richtung als auch Geschwindigkeit deutlich abändern können und sich im Nachhinein nicht exakt angeben lasse, inwieweit eine derartige Modifizierung des Windfeldes unmittelbar am Schadensort vorgelegen habe und welches Ausmaß sie dort tatsächlich angenommen habe, hat die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2020 nachvollziehbar erläutert. So erklärte sie, dass sie die entsprechende Einschränkung in jedes ihrer Gutachten aufnehmen müsse, da sich die Messtationen auf freiem Feld befänden. Sie habe sich zwar den Schadensort anhand der topographischen Karten, die ihr zur Verfügung stünden, sowie der Satellitenbilder angeschaut. Jedoch könne man im Nachhinein nie sagen, wo bestimmte Verwirbelungen stattgefunden hätten und auch nicht in welchem Winkel der Wind genau auf das Haus aufgetroffen sei. Wenn Hindernisse vorhanden seien, wie z.B. Bebauung, könne sich die Windstärke entweder abschwächen oder auch das Gegenteil eintreten, je nachdem, ob es zu Verwirbelungen oder Ähnlichem komme. Dies könne man hinterher bezüglich der konkreten Schadensstelle nicht mehr genau sagen. Es sei aber so, dass bei einem derart großflächigen Windfeld die Wahrscheinlichkeit schon sehr hoch sei, dass wenn an den Messstationen entsprechende Werte gemessen würden, dann auch am hiesigen Schadensort eine derart hohe Windstärke geherrscht habe. Da die Sachverständige auch die Angaben des Beklagtenvertreters, dass das Gebäude seines Mandanten rundum frei zugänglich liege, daneben nur die Bahnlinie verlaufe und andere Bebauung nicht vorhanden sei, bestätigt hat, steht für das Gericht auch unter Berücksichtigung der glaubhaften Angaben der Zeuginnen … und … mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, fest, dass am 18.01.2018 auf dem Grundstück des Klägers eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort (Windgeschwindigkeit von mindestens 63 km/h) herrschte.

c.

Der streitgegenständliche Schaden in Gestalt der Beseitigungskosten für den auf dem Grundstück des Klägers in einer Höhe von circa zweieinhalb Metern über dem Boden im Stamm komplett abgebrochen Baum ist auch in die bei der Beklagten bestehende Wohngebäudeversicherung des Klägers mit der Versicherungsscheinnummer … einbezogen, mit der Folge, dass die Beklagte zu dessen Erstattung verpflichtet ist.

aa.

Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag umfasst unter anderem Schäden an versicherten Sachen, die durch Sturm beschädigt wurden (Ziffer 2.6 der AVB). In Klausel VG 026 ist eine Erweiterung des Versicherungsschutzes dergestalt vorgesehen, dass auch die Kosten für das Entfernen, den Abtransport und die Entsorgung durch Blitzschlag oder Sturm „umgestürzter“ Bäume auf dem Versicherungsgrundstück erstattungsfähig sind, soweit eine natürliche Regeneration nicht zu erwarten ist.

bb.

Bei dem auf dem klägerischen Grundstück eingetretenen Schaden handelt es sich um einen „umgestürzten“ Baum im Sinne der Klausel VG 026 der Versicherungsbedingungen der Beklagten.

Bei der Auslegung von Versicherungsklauseln ist von dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszugehen.

Maßgeblich ist hierfür zunächst der Wortlaut der Klausel. Bei natürlicher Betrachtungsweise setzt das „Umstürzen“ eines Baumes voraus, dass der Baum entweder entwurzelt wird oder der Baumstamm insgesamt abbricht (vgl. auch LG Wiesbaden ZfSch 2007, 640 ff). Ein Abbrechen einzelner Teile wie z.B. der Baumkrone oder auch eine Teils des Stammes, kann demgegenüber nicht als Umstürzen ausgelegt werden, wenn der wesentliche Teil des Baumstammes stehen bleibt (vgl. LG Wiesbaden a.a.O.). Die seitens des Amtsgerichts Köln in dem Urteil vom 05.11.2008 (Az.: 143 C 163/08) vertretene Auffassung, dass der Begriff des Umstürzens bei natürlicher Betrachtungsweise voraussetzt, dass diejenigen Teile des Baumes, die über dem Erdboden stehen, nicht mehr stehen, vermag nicht zu überzeugen. Denn ein Abbrechen sämtlicher Teile eines Baumes, die sich über dem Erdboden befinden, ohne dass dieser zugleich auch entwurzelt wird, ist nicht vorstellbar und für den Fall, dass lediglich entwurzelte Bäume vom Versicherungsschutz umfasst werden sollten, wäre dieser Wille durch die Wahl des in vielen Wohngebäudeversicherungsverträgen enthaltenen und gängigen Begriffs der „Entwurzelung“ zum Ausdruck gekommen.

Ebenso spricht der Umstand, dass in der Klausel von durch Blitzschlag umgestürzten Bäumen die Rede ist, dafür, dass der Begriff des „Umstürzens“ gerade keine Entwurzelung des Baumes voraussetzt, da dies im Falle des Blitzschlages typischerweise nicht der Fall ist.

Des Weiteren spricht auch die in der Klausel enthaltene einschränkende Formulierung „soweit eine natürliche Regeneration nicht zu erwarten ist“ ganz entscheidend dafür, dass nicht lediglich entwurzelte, sondern auch Bäume vom Versicherungsschutz umfasst sein sollten, bei denen lediglich ein Teil des Baumstammes abgebrochen ist. Aus der vorgenannten Formulierung ist nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu schließen, dass der Versicherer auch bei einem im Stamm abgebrochenen Baum die Kosten der Beseitigung übernimmt, wenn der Baum so stark geschädigt ist, dass er sich hiervon nicht mehr erholen kann. Andernfalls würde diese Einschränkung keinen Sinn machen, da die natürliche Regeneration eines entwurzelten Baum niemals zu erwarten ist.

Da nach der Beweisaufnahme feststeht, dass der streitgegenständliche Baum in einer Höhe von circa 2,5 Metern über dem Boden komplett (und nicht nur ein Teil des Stammes oder dessen Krone) abgebrochen ist, ist er nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Vorkenntnisse vom Versicherungsschutz des Klägers umfasst.

d.

Da die Beklagte die von dem Kläger unter Vorlage der Rechnung der Firma Land- und Forstservice Thomas Bergmann vom 25.04.2018 dargelegte Höhe des streitgegenständlichen Schadens unstreitig gestellt hat, besteht ein Erstattungsanspruch des Klägers in Höhe von 833,00 EUR.

Eine Differenzierung zwischen den Kosten der Beseitigung sowie des Abtransports des umgestürzten Teils des Baumes und den weiteren Kosten für die Beseitigung und den Abtransport des restlichen Baumstumpfes war nicht geboten, da die betreffende Klausel eine derartige Unterscheidung gerade nicht vorsieht.

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erstattung der ihm durch die Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 – Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 833,00 EUR, zuzüglich einer Auslagenpauschale und der Mehrwertsteuer, mithin in Höhe von 147,56 EUR aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Beklagte befand sich aufgrund ihres Schreibens vom 21.02.2018 mit der Zahlung von 833,00 EUR gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug. Zwar hat der Kläger nicht vorgetragen, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beglichen zu haben. Jedoch hat sich infolge der seitens der Beklagten in ihren vorprozessualen Schreiben erklärten ernsthaften und endgültigen Weigerung, die Versicherungsleistung zu erbringen, die konkludent auch die Weigerung umfasst, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu übernehmen, der zunächst bestehende Freistellungsanspruch des Klägers in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (vgl. BHG NJW 2004, 1868 ff.).

3.

Die Zinsansprüche ergeben sich sowohl hinsichtlich der Hauptforderung als auch in Bezug auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Beklagte befand sich aufgrund ihres Schreibens vom 21.02.2018 mit der Zahlung der Hauptforderung und aufgrund ihres Schreibens vom 17.04.2018 mit der Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11 Alt. 1, 709 ZPO.

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