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Wohngebäudeversicherung – Auszahlung Neuwertspitze bei Neubau

OLG Dresden – Az.: 4 U 1779/17 – Urteil vom 29.05.2018

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 12.12.2017 – 3 O 1954/17 – aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 79.647,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.07.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.054,87 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2017 hieraus zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckendes Betrages abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 79.647,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung des Neuwertanteiles aus einer Gebäudeversicherung. Sie ist Alleinerbin ihres Ehemannes K. S., für dessen Grundstück A…straße … in L. ihr Sohn N. S. (Versicherungsnehmer) bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung (Neuwert) beginnend zum 01.12.2002 abgeschlossen hat. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für Wohngebäudeversicherung (VGB) 2001 zugrunde. § 27 Nr. 6 hat folgenden Wortlaut:

Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sicherstellt, daß er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sache in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen…

Am 31.12.2010 wurde das in Rede stehende Gebäude durch einen Brand stark beschädigt. Die Ursache konnte nicht ermittelt werden. Die Beklagte ermittelte einen Zeitwert für das Wohnhaus i.H.v. 144.099,13 EUR netto und einen Bruttoneuwert von 223.746,13 EUR. Der Senat hat mit Urteil vom 24.03.2015 (4 U 1292/14) die Beklagte zur Zahlung des Zeitwertschadens i.H.v. 144.099,13 EUR verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin weitere 79.647,00 EUR zu zahlen, sofern diese innerhalb von 18 Monaten nach Rechtskraft des Urteils sichergestellt hat, dass sie die Entschädigung verwenden wird, um ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wie das am 31.12.2010 zerstörte an bisheriger Stelle wiederherzustellen. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13.01.2016 zurückgewiesen. Bei dem zerstörten Gebäude handelte es sich um ein Einfamilienhaus mit Satteldach, Keller (53,88 qm), Erdgeschoss (56,37 qm) und Dachgeschoss (49,83 qm) sowie einem ausgebauten Bodenraum, der als Kinderzimmer und Abstellraum genutzt wurde (Gutachten vom Brandschaden des Sachverständigen L., Anlage K 8). Das Gebäude verfügte über Wohnzimmer, Küche, Arbeitszimmer, Gäste-WC, Schlafzimmer, Kinderzimmer und Bad mit WC sowie ausgebautem Dachboden. Zum Zeitpunkt des Brandschadens war das Haus an den Sohn der Klägerin N. S. und dessen damals minderjährige Tochter vermietet.

Die Klägerin lässt auf dem Grundstück ein neues Gebäude an der gleichen Stelle errichten. Es handelt sich um einen einstöckigen Bungalow mit Flachdach und ohne Keller. Die Wohnfläche wird in der Leistungsbeschreibung mit ca. 160 qm und in den Plänen mit ca. 136,95 qm angegeben. Beabsichtigt ist die Weitervermietung an den Sohn der Klägerin N. S. und dessen Lebensgefährtin zu Wohnzwecken. Das neue Gebäude soll über eine offene Küche mit Esszimmer, ein Wohnzimmer, ein Kaminzimmer, ein Gästezimmer, ein Gästebad/WC, einen Hauswirtschaftsraum, ein Schlafzimmer nebst Ankleide sowie ein Bad/WC verfügen (Bl. 90 dA.). Der umbaute Raum des zerstörten Gebäudes betrug 492,66 m³ und der des neu geplanten Gebäudes beträgt 464 m³.

Die Klägerin stellte am 14.03.2017 einen Bauantrag, dessen Vollständigkeit am 12.05.2017 bestätigt wurde. Die Baugenehmigung wurde am 17.06.2017 erteilt. Die Klägerin schloss am 13.06.2017 mit der Fa. Naturstein W. einen Bauvertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses (Bl. 34 ff.). Als Baubeginn wurde der 01.08.2017 vereinbart.

Wohngebäudeversicherung - Auszahlung Neuwertspitze bei Neubau
(Symbolfoto: Von Denphumi/Shutterstock.com)

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für die Auszahlung der Neuwertentschädigung liegen vor. Sie beabsichtige, ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wie das zerstörte zu errichten und habe die Sicherstellung der Wiederherstellung innerhalb von 18 Monaten nach Rechtskraft des Urteils gewährleistet. Nicht maßgeblich sei, ob das neu errichtete Haus ein- oder mehrgeschossig sei. Es liege auch keine wesentliche Größenabweichung vor. Bei der Wohnfläche des zerstörten Gebäudes sei der ausgebaute Boden mit einer Größe von 38 qm zu berücksichtigen. Es sei unerheblich, dass der Dachboden nach der Wohnflächenverordnung nicht als Wohnfläche zu qualifizieren sei, weil er tatsächlich zum Wohnen genutzt worden sei. Der Bauvertrag sei fristgerecht abgeschlossen worden, die Bauarbeiten hätten im September 2017 begonnen.

Die Beklagte hat gemeint, die Voraussetzungen der strengen Wiederherstellungsklausel seien hierdurch nicht erfüllt. Die Errichtung eines einstöckigen Bungalows mit Flachdach sei nicht mit einem zweigeschossigen Einfamilienhaus vergleichbar. Die Wohnfläche habe sich erheblich von 106,35 qm auf 153,49 qm vergrößert. Das Kellergeschoss könne nicht berücksichtigt werden, denn dieses sei im alten Gebäude nicht zu Wohnzwecken ausgebaut gewesen. Ebenso wenig sei der Dachboden zu berücksichtigen – dessen Größe von 38 qm bestritten werde -, denn dieser sei zu Wohnzwecken nicht nutzbar gewesen. Der umbaute Raum möge zwar vergleichbar sein, besage aber nichts über die tatsächlich nutzbare Fläche. Des Weiteren werde bestritten, dass ein verbindlicher Bauvertrag mit einem leistungsfähigen Unternehmer abgeschlossen worden sei, der nicht mehr rückgängig zu machen sei. Es bestünden private Kontakte zu dem Inhaber der Baufirma. Zudem seien mittlerweile 18 Monate ab Rechtskraft des Urteils verstrichen.

Das Landgericht Leipzig hat mit Urteil vom 12.12.2017 die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie trägt zur Begründung vor, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass das Gebäude nicht in gleicher Art wiederhergestellt werde, weil es sich um einen einstöckigen Bungalow mit Flachdach handele. Auf technischen, wirtschaftlichen oder sozialen Änderungen beruhende Modernisierungen stünden der Wiederherstellung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht entgegen. Dies habe das Landgericht nicht beachtet. Schließlich habe das Landgericht den Vortrag der Klägerin zu den behaupteten Wohnflächen sowie zu dem umbauten Raum nicht berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 12.12.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 79.647,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 11.07.2017 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.054,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Eine nach den Versicherungsbedingungen nicht vorgesehene Bereicherung der Klägerin liege schon darin, dass sie statt eines älteren Einfamilienhauses einen nagelneuen Bungalow erhalte. Die strenge Wiederherstellungsklausel solle sicherstellen, dass der Versicherungsnehmer nur dann eine Bereicherung erhalte, wenn er tatsächlich ein Objekt gleicher Art und Zweckbestimmung wieder errichte. Dies sei jedoch hier nicht der Fall. Die Klägerin habe den Brand zum Anlass genommen, aus Altersgründen ein ebenerdiges Gebäude zu errichten und damit eine abweichende Gestaltung gewählt. Der erhebliche Vorteil der besseren Nutzungsmöglichkeit stelle eine Bereicherung dar.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

A.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus dem Wohngebäudeversicherungsvertrag ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 79.647,00 EUR zu.

Wie schon im Vorprozess sind die Aktivlegitimation sowie der Eintritt des Versicherungsfalles am 31.12.2010 zwischen den Parteien unstreitig. Der Klägerin steht die Neuwertentschädigung zu, denn sie hat die Voraussetzungen nach Ziffer 2. des Urteils des Senates vom 24.03.2015 – 4 U 1292/14 – und § 27 Nr. 6 der Versicherungsbedingungen der Beklagten erfüllt.

a)

Die Klägerin errichtet derzeit ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wie das alte Gebäude.

Der Zweck der Neuwertversicherung besteht darin, den Schaden auszugleichen, der dem Versicherungsnehmer dadurch entsteht, dass er einen höheren Betrag als den Zeitwert aufwenden muss, wenn er das zerstörte Gebäude wieder herstellt (vgl. BGH, Urteil vom 20.04.2016 – IV ZR 415/14). Auf diesen tatsächlichen Schaden ist der Umfang des Ersatzanspruches grundsätzlich beschränkt. Die Neuwertversicherung soll grundsätzlich nicht auch solche Aufwendungen abdecken, die durch wesentliche Verbesserungen des Gebäudes bei seiner Wiedererrichtung verursacht wurden (so BGH, aaO.). Zweck der Neuwertentschädigung ist es zum einen, die Bereicherung auf den Teil zu beschränken, der das Bedürfnis für die Neuwertversicherung begründet, also auf die ungeplanten, dem Versicherungsnehmer erst durch den Versicherungsfall aufgezwungenen Ausgaben (BGH, aaO.). Jedoch liegt schon darin eine Bereicherung, dass der Versicherungsnehmer nach der Wiederherstellung ein neues Gebäude hat, dies ist aber gerechtfertigt und kann deshalb hingenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2011 – IV ZR 148/10). Das wiederaufgebaute Gebäude muss nach Art und Zweckbestimmung dem abgebrannten entsprechen. Eine Wiederherstellung in diesem Sinne ist nur dann anzunehmen, wenn das neu errichtete Gebäude etwa dieselbe Größe aufweist wie das zerstörte und gleichartigen Zwecken dient, was allerdings eine moderne Bauweise nicht ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2011, IV ZR 148/10; BGH, Urt. v. 21.02.1990 – IV ZR 298/88). Ob an der Auslegung der strengen Wiederherstellungsklausel nach Abschaffung des in § 55 VVG a.F. geregelten Bereicherungsverbotes festgehalten werden muss, kann offenbleiben, denn die Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Das Gebäude dient derselben Zweckbestimmung. Sowohl das abgebrannte als auch das neu errichtete Gebäude sind Einfamilienhäuser, die zu Wohnzwecken genutzt werden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts wurde kein Gebäude anderer Art errichtet, weil es sich bei dem neu zu errichtenden Gebäude um einen einstöckigen Bungalow mit Flachdach ohne Keller handelt und das zerstörte Gebäude über zwei Geschossebenen, einen Keller und Satteldach verfügt. Das Bereicherungsverbot geht nicht so weit, dass jede mit der Wiederherstellung verbundene Besserstellung des Versicherungsnehmers ausgeschlossen bleiben müsste (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.1990 – IV ZR 298/88). Zu einer zulässigen Verbesserung können auch durch technische, wirtschaftliche und soziale Änderungen bedingte Modernisierungsmaßnahmen gehören (BGH, a.a.O.). Unschädlich ist, wenn ein altes eingeschossiges Gebäude zweigeschossig wieder hergestellt ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 08.07.2004 – 3 U 130/03). Eine solche Abweichung wird von dem Tatbestandsmerkmal „in gleicher Art“ noch umfasst (so OLG Frankfurt, a.a.O.). Nichts anderes kann gelten, wenn ein bisher zweigeschossiges Gebäude als eingeschossiges neu hergestellt wird. Die Errichtung eines einstöckigen Bungalows mit Flachdach stellt lediglich eine moderne Bauweise dar, die an die sozialen Bedürfnisse oder auch den geänderten, modernen Geschmack ihrer Bewohner angepasst ist. Der Sohn der Klägerin, der das Haus aller Voraussicht nach mit seiner Lebensgefährtin bewohnen wird, benötigt aus Altersgründen kein Gebäude mit zwei Geschossebenen.

Die Nutzfläche des neuen Gebäudes weicht mit 25% nicht wesentlich von derjenigen des alten Gebäudes ab. Nach Auffassung des Senates ist eine Abweichung der Nutzfläche von jedenfalls bis zu 40 % bei einer etwa gleichbleibenden Größe des umbauten Raumes nicht erheblich. Feste Grenzen für die Abweichung der Fläche gibt es nicht. Insoweit kommt es stets auf eine Gesamtbetrachtung auch unter Berücksichtigung anderer Parameter -wie z.B. der Größe des umbauten Raumes- an. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 20.04.2016 (IV ZR 415/14) eine Vergrößerung der Wohnfläche von 116 qm bei dem alten Gebäude auf 171,29 qm bei dem neuen Gebäude – mithin um 47 % – nicht zum Anlass genommen, die Neuwertentschädigung schon aus diesem Grund zu versagen. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat erst bei wesentlich größeren Abweichungen als der vorliegenden das Tatbestandmerkmal „in gleicher Art“ verneint. So hat das Oberlandesgericht Frankfurt in einer Entscheidung vom 08.07.2004 (3 U 130/03) den Anspruch auf Neuwertentschädigung versagt, weil der Neubau die frühere Nutzfläche um 53 % und den umbauten Raum um 60 % überstieg. Das Oberlandesgericht Köln hat im Urteil vom 10.01.2006 (9 U 92/05) eine wesentliche Vergrößerung des Gebäudes in einem Fall bejaht, in dem an ein Vereinsheim eines Sportvereines ein weiteres Gebäude mit zusätzlichen Nutzungsmöglichkeiten (Sporthalle mit Nebenräumen) angebaut wurde und die ursprünglich bebaute Fläche nur ein Drittel der nunmehr bebauten Fläche ausmachte. Im Urteil vom 27.11.2007 (9 U 196/06) hat es eine Vergleichbarkeit verneint, weil die Grundfläche sich nahezu verdoppelt und der Rauminhalt das Zweieinhalbfache des versicherten Gebäudes betragen habe. Dieses Ausmaß erreicht die Nutzflächenabweichung vorliegend nicht.

Es kann hierfür offen bleiben, ob die Wohnfläche des neu zu errichtenden Gebäudes ca. 160 qm beträgt – wie in der Leistungsbeschreibung angenommen – oder lediglich 136,95 qm ohne Terrasse – wie sich dies aus den Planungsunterlagen (Bl. 90) ergibt. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten eine Nutzfläche von ca. 160 qm als zutreffend unterstellt, so weicht die Größe des alten Gebäudes hiervon nicht erheblich ab. Die Nutzfläche des alten Gebäudes betrug auch schon ohne ausgebauten Dachboden mindestens 129,18 qm. Denn zu der Fläche des Erdgeschosses und Dachgeschosses (106,35 qm) sind in jedem Falle der Hauswirtschaftsraum des Kellers mit 7,04 qm und der Kellerraum mit 15,79 qm hinzuzurechnen. Des Weiteren ist auch der ausgebaute Dachboden, der als Kinderzimmer und als Abstellfläche genutzt wurde, einzubeziehen -ohne dass es in vorliegendem Fall entscheidend auf dessen konkrete Größe ankäme. Unabhängig davon, dass das hier zu errichtende Wohnhaus den Regelungen des Wohnraumförderungsgesetzes nicht unterfällt und damit auch allenfalls indirekt dem Anwendungsbereich der Wohnflächenverordnung unterliegt, kann bei der Berechnung der Größe des Gebäudes in einem Versicherungsverhältnis nicht auf die dort geregelte Wohnflächenberechnung zurückgegriffen werden. Die Wohnflächenverordnung dient einem völlig anderen Zweck. Sie wird angewendet, wenn die Wohnfläche nach dem Wohnraumförderungsgesetz berechnet wird und sie ermöglicht im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter eine zuverlässige Berechnung der Wohnfläche. Im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer würde ihre Anwendung nicht zu sachgerechten Lösungen führen. Gemäß § 2 Abs. 3 Wohnflächenverordnung vom 25.11.2003 gehören zur Wohnfläche weder die Grundflächen der Keller- und Bodenräume noch die Räume, die nicht den an ihre Nutzung zu stellenden Anforderungen des Verordnungsrechtes der Länder genügen. Vorliegend behauptet auch die Klägerin nicht, dass der Bodenraum den Anforderungen für Aufenthaltsräume gemäß § 47 SächsBO genügt hätte. Nach der Wohnflächenverordnung wären daher weder Keller- noch der ausgebaute Bodenraum des alten Gebäudes bei der Berechnung zu berücksichtigen. Die Versicherungsbedingungen der Beklagten definieren in § 27 Nr. 6 aber nicht, wie die Fläche berechnet werden soll. Der Wortlaut nennt weder Fläche noch Größe, sondern stellt lediglich auf die gleiche Art und Zweckbestimmung ab. Daraus wird der Versicherungsnehmer nicht entnehmen können, dass das neu zu errichtende Gebäude eine vergleichbare Wohnfläche – berechnet nach der Wohnflächenverordnung – aufweisen muss. Die Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges versteht (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 04.04.2018 – IV ZR 104/17). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (so BGH, a.a.O.). In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klausel sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, a.a.O.). Der Versicherungsnehmer wird bei verständiger Würdigung der Versicherungsbedingungen annehmen können, dass ihm bei der Wiederherstellung des Gebäudes eine vergleichbare Nutzfläche zur Verfügung stehen kann. Entscheidend für ihn ist die von ihm tatsächlich genutzte Fläche – unabhängig von der Frage, ob sie bauordnungsrechtlich auch genutzt werden kann oder sie nach der Wohnflächenverordnung zur Wohnfläche rechnet. Insbesondere bei älteren Gebäuden werden Flächen genutzt, die zum Zeitpunkt der Zerstörung des Gebäudes bauordnungsrechtlich nicht mehr genehmigungsfähig sind. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass den Nutzern in dem alten Gebäude ein Keller mit einer erheblichen Fläche als Stauraum zur Verfügung stand. Wird nunmehr ein Gebäude ohne Keller errichtet, ist es nicht gerechtfertigt, die im Erdgeschoss befindlichen Räume, die als Stauraum ähnlich wie ein Keller genutzt werden können, bei der Berechnung zu berücksichtigen, aber den Keller außen vor zu lassen. Aus diesem Grund ist es sachgerecht, jedenfalls diejenigen Räume des Kellers zu berücksichtigen, die zur Nutzung zur Verfügung standen. Dies sind nach dem Gutachten des Sachverständigen Leine (Anlage B1, Bl 106) der Kellerraum mit 15,79 qm und den Hauswirtschaftsraum mit 7,05 qm. Die Fläche des neuen Gebäudes (ca. 160 qm) ist lediglich ca. 25 % größer als die des alten Gebäudes (129,18 qm). In diesem Zusammenhang kann auch offen bleiben, wie groß die Nutzfläche des ausgebauten Kinderzimmers und Abstellraumes im ausgebauten Boden ist. Diese Fläche wäre ebenfalls bei der Berechnung der Nutzfläche des alten Gebäudes zu berücksichtigen, würde die Differenz der Flächenabweichung jedoch weiter vermindern. Hinzu kommt, dass bei der Bewertung auch die Größe des umbauten Raumes in Rechnung zu stellen ist. Dieser Wert gibt ebenfalls Auskunft über die Größe des Gebäudes. Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass der umbaute Raum des neuen Gebäudes mit 464 m³ kleiner ist als der des zerstörten Gebäudes mit 492,66 m³.

b)

Die Klägerin hat die im Urteil des Senates vom 24.03.2015 gesetzte Frist von 18 Monaten nach Rechtskraft des Urteils des Senats vom 24.03.2015 für die Sicherstellung eingehalten.

Die Sicherstellung erfordert eine Prognose in dem Sinne, dass bei vorausschauend wertender Betrachtungsweise eine bestimmungsgemäße Verwendung hinreichend sicher angenommen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2004 – IV ZR 94/03 – juris). Dementsprechend bedarf es diesbezüglich Vorkehrungen, die – auch wenn sie keine restlose Sicherheit garantieren – jedenfalls keine vernünftigen Zweifel an der Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung aufkommen lassen, um Manipulationen möglichst auszuschließen (BGH, aaO.). Das ist jedenfalls nach verbindlichem Abschluss eines Bauvertrages oder eines Fertighauskaufvertrages mit einem leistungsfähigen Unternehmer anzunehmen, wenn die Möglichkeit der Rückgängigmachung des Vertrages nur eine fernliegende ist oder wenn von der Durchführung des Vertrages nicht ohne erhebliche wirtschaftliche Einbußen Abstand genommen werden kann (vgl. BGH a.a O.). Rechtskraft des Senatsurteils trat am 13.01.2016 mit Zurückweisung der von der Beklagten eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des Bundesgerichtshofes ein. Die 18-Monats-Frist lief daher am 13.07.2017 ab. Bis zu diesem Zeitpunkt war eine Sicherstellung gewährleistet. Die Stadt L. hat am 07.06.2017 (Bl. 29 ff.) eine Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses auf dem in Rede stehenden Grundstück erteilt. Die Klägerin hat mit der Fa. Naturstein W. am 13.06.2017 einen Bauvertrag über die Errichtung des Einfamilienhauses zum Preis von 234.000,00 EUR abgeschlossen. Dies genügt. Bei einer Abstandnahme von dem Vertrag drohen der Klägerin erhebliche Ersatzforderungen des Bauunternehmers gemäß § 649 BGB. Konkrete Anhaltspunkte für die fehlende Verbindlichkeit des Bauvertrages hat die Beklagte nicht vorgebracht. Insoweit reicht es nicht aus, dass auch private Kontakte zwischen dem Inhaber der Baufirma und der Lebensgefährtin des Sohnes der Klägerin bestehen. Ebenso wenig hat die Beklagte substantiiert dargelegt, weshalb das Bauunternehmen nicht leistungsfähig sein soll. Die Auskunft aus dem Handelsregister zum Geschäftsgegenstand der Firma ist insoweit nicht geeignet, die Leistungsfähigkeit in Frage zu stellen. Zudem hat die Klägerin bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 21.11.2017 ein Lichtbild zum Bautenstand vorgelegt, das die Anfertigung der Bodenplatte zeigt. Im Berufungsverfahren wurden Lichtbilder des Rohbaus vorgelegt (Anlage K 13).

2. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten in der hier geltend gemachten Höhe einer 0,65 Gebühr zzgl. 20,00 EUR Auslagenpauschale und der Mehrwertsteuer aus dem Gegenstandswert von 79.674,00 EUR, mithin in Höhe von 1.054,87 EUR gem. §§ 280, 286 BGB.

3. Des Weiteren stehen der Klägerin Zinsen im tenorierten Umfang aus §§ 288, 291, 286 BGB zu. Die Beklagte befand sich nach der Zahlungsaufforderung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 30.06.2017 in Verzug. Zinsen aus den Rechtsanwaltskosten sind seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung beruht auf dem Einzelfall.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 3 ZPO.

 

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