Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 60/18 – Urteil vom 15.05.2019
1. Die Berufung der Streithelferin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 18.7.2018 – Az: 14 O 196/17 – wird zurückgewiesen.
2. Die Streithelferin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger beantragt die Feststellung, dass eine Anfechtung der Beklagten wegen arglistiger Täuschung nicht wirksam sei und seine Wohngebäudeversicherung fortbestehe. Außerdem verlangt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, wegen zweier Leitungswasserschäden vom 20.1.2015 und 13.6.2016 Entschädigung zu leisten.
Der Kläger und seine Ehefrau, die Zeugin Mi., erwarben im Juni 2010 ein Hausanwesen in S.
In ihren Versicherungsangelegenheiten wurden sie von der Streithelferin betreut. Bereits im Frühjahr 2010 führten der Kläger und seine Ehefrau ein Beratungsgespräch über mehrere Versicherungen mit dem früheren Geschäftsführer der Streithelferin, dem Zeugen Mü.. Dabei war auch der geplante Erwerb des Hausanwesens in S. Thema, und der Zeuge Mü. stellte eine Gebäudeversicherung bei der Beklagten vor. Er machte sich Notizen zu dem Hausanwesen (Anlage K2 im Anlagenband) in denen stand: „58 BJ, 98-2000 Dach, Elektro, Wasser im Haus → BJ 2000“.
Der Kläger und seine Ehefrau hatten in diesem Gespräch von Sanierungsarbeiten im Bereich des Daches, der Elektroleitungen und der Wasserleitungen berichtet.
Der Kläger und seine Ehefrau schlossen anschließend mit der Beklagten auf der Grundlage des Antrages vom 6.9.2010 (Anlage K3 im Anlagenband) eine Wohngebäudeversicherung (Versicherungsscheinnummer …-…-…) unter Einschluss der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die verbundene Wohngebäudeversicherung (VGB 2008) für das erworbene Hausanwesen in S. ab.
Der Antrag, der vom Kläger unterschrieben worden war, wurde von dem Zeugen Mü. bzw. einer Mitarbeiterin der Streithelferin ausgefüllt, die Einzelheiten sind streitig. Im Antrag war als Baujahr des Wohngebäudes 1998 eingetragen.
In dem später übersandten Versicherungsschein war auf der ersten Seite direkt unter der Beitragshöhe festgehalten, dass ein Nachlass von 24 % gewährt werde, weil das Gebäude erst 12 Jahre alt sei, und sich dieser Nachlass jährlich um 3 % vermindere.
Am 29.1.2015 und am 13.6.2016 kam es zu Wasserschäden im Anwesen des Klägers und seiner Ehefrau. Den Schaden im Jahr 2015 nahm die Gutachterfirma … pp. auf. Es kam zu einer teilweisen Regulierung des Schadens. Bei der Schadensaufnahme im Jahr 2016 gab die Ehefrau des Klägers bei der Besichtigung am 5.7.2016 einem Gutachter gegenüber das richtige Baujahr des Hauses an.
Die Beklagte focht mit Schreiben vom 29.7.2016 (Anlage K5 im Anlagenband) die Wohngebäudeversicherung wegen arglistiger Täuschung an.
Der Kläger hat behauptet, ihm sei nicht aufgefallen, dass in dem Antrag als Baujahr 1998 statt 1958 eingetragen worden sei, als er den Antrag unterschrieben habe. Seine Frau habe erst im Versicherungsschein gesehen, dass das Alter des Gebäudes mit lediglich 12 Jahren angegeben war. Sie habe sich deswegen mit dem Zeugen Mü. telefonisch in Verbindung gesetzt. Dieser habe ihr dann gesagt, das habe wegen der durchgeführten Renovierungsarbeiten in den Jahren 1998-2000 seine Richtigkeit. Er habe das mit einem Sachbearbeiter der Beklagten abgeklärt.
Der Kläger hat weiter behauptet, ihm und seiner Ehefrau sei der Unterschied zwischen einem Versicherungsmakler und einem Versicherungsvertreter nicht bekannt, eine Maklervollmacht sei nie unterzeichnet worden.
Die Streithelferin hat behauptet, der Zeuge Mü. habe beabsichtigt, das von einer Mitarbeiterin der Streithelferin eingetragene Baujahr 1998 nach seiner Rückkehr von einem Außentermin abzuändern und als Baujahr 1958 anzugeben mit dem Hinweis auf eine im Jahr 1998-2000 durchgeführte Komplettsanierung. Dies habe er später vergessen.
Die Beklagte hat behauptet, sie versichere Zu- und Ableitungsrohre nur bis zu einem Alter von 40 Jahren. Bei Kenntnis des Baujahres des Hauses wäre deswegen jedenfalls ein Ausschluss vereinbart worden. Bei dem Wasserschaden im Jahr 2015 habe sich der Rohrbruch außerhalb des Grundstücks ereignet, so dass sie sich zu dieser Zeit über das Alter der Leitungen und des Gesamtobjektes keine Gedanken gemacht habe, die sie mit den Angaben im Antrag verglichen habe. Der Kläger habe eine Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG vor der Antragstellung vom Zeugen Mü. erhalten.
Das Landgericht Saarbrücken hat die Zeugen Mü. und Mi. vernommen und die Klage mit Urteil vom 18.7.2018 (Bl. 150 d.A.) abgewiesen, weil die Beklagte wegen einer arglistigen Täuschung durch den Zeugen Mü. zu einer Anfechtung des Versicherungsvertrages gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau berechtigt gewesen sei.
Dagegen wendet sich die Streithelferin und beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. festzustellen dass die Wohngebäudeversicherung (Versicherungsscheinnummer F-…-…-…) nicht durch Rücktritt oder Anfechtungserklärung der Beklagten beendet worden ist.
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus dem Leitungswasserschadenfall vom 20.1.2015 (Schadensnummer …-…-…/…-…) restliche Entschädigung zu leisten.
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.171,67 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Der Kläger stellt keinen Antrag.
Der Senat hat die Zeugen Mü. und Mi. erneut vernommen.
II.
Die Berufung der Streithelferin ist zulässig. Sie ist allerdings unbegründet.
Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Fortbestandes seiner Wohngebäudeversicherung bei der Beklagten und Feststellung der Ersatzpflicht für Leitungswasserschäden, weil der Versicherungsvertrag aufgrund der Anfechtung der Beklagten nach den §§ 22 VVG, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB, von Anfang an nichtig ist.
(1.)
Gegen die Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage bestehen keine Bedenken. Der Kläger hat ein schutzwürdiges rechtliches Interesse daran, den Fortbestand seines Versicherungsvertrages alsbald gerichtlich klären zu lassen (§ 256 ZPO), nachdem die Beklagte ihn angefochten hat. Gleiches gilt für die Feststellung der Ersatzpflicht für den Leitungswasserschaden, den der Kläger der Höhe nach nicht abschließend beziffern kann.
(2.)
Das Landgericht hat mit überzeugender Begründung angenommen, dass dem Kläger bei Abschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages kein arglistiges Verhalten nachgewiesen ist. Dies haben der Eindruck des Klägers und die Aussage der Zeugin Mi., der Ehefrau des Klägers, die bei ihrer erneuten Zeugenvernehmung in zweiter Instanz uneingeschränkt glaubwürdig erschien, bestätigt. Der Kläger hat das im Antrag falsch vermerkte Baujahr bei seiner eiligen Unterschriftsleistung nicht bemerkt und die Zeugin Mi. hat bei der Lektüre des Versicherungsscheins das aus ihrer Sicht unrichtig mit „12 Jahren“ angegebene Gebäudealter zwar nach Vertragsschluss bemerkt und nichts mehr unternommen, nachdem sie sich mit der Auskunft des Zeugen Mü., das habe wegen der Komplettrenovierung seine Richtigkeit, zufrieden gegeben hat. Sowohl das Nichtbemerken des falschen Baujahres des Hauses, als auch das Vertrauen auf die Auskunft des Zeugen Mü. steht der Annahme entgegen, dass der Kläger oder seine Ehefrau bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers durch falsche Angaben einwirken wollten.
(3.)
Das Landgericht hat auch richtig entschieden, dass der Zeuge Mü. arglistig ein falsches Baujahr im Versicherungsantrag angegeben hat, damit es problemlos zum sofortigen Versicherungsbeginn kommen konnte.
Die erneute Vernehmung der Zeugen Mü. und Mi. vor dem Senat hat den Eindruck des Landgerichts Saarbrücken bestätigt. Um Wiederholungen zu vermeiden kann deswegen zunächst auf die Beweiswürdigung des Landgerichts Saarbrücken verwiesen werden. Ergänzend weist der Senat noch auf Folgendes hin:
Es war dem Zeugen Mü. nicht zu glauben, dass er ohne Problembewusstsein der Ansicht gewesen sein will, dass durch die von dem Kläger und seiner Ehefrau geschilderten Sanierungsarbeiten in den Jahren 1998-2000 das versicherte Objekt wie ein Hausanwesen mit einem Baujahr 1998 versicherungsrechtlich einzuordnen war. Der Kläger hatte in der Klageschrift vorgetragen, dass er und seine Ehefrau keine detaillierten Angaben zu diesen Renovierungsarbeiten machen konnten, weil sie vom Verkäufer keine sicheren Informationen erhalten hatten. Es blieb deswegen vollkommen offen, warum der Zeuge Mü. trotz dieser unsicheren Tatsachenfeststellung überhaupt glaubte, die Einordnung durch die Beklagte vorhersagen zu können. Zwar hat die Zeugin Mi. glaubhaft in ihrer Vernehmung durch den Senat dargelegt, dass an dem erworbenen Hausanwesen sehr umfangreiche Arbeiten ausgeführt worden waren. So seien die Bäder und die dazugehörigen Leitungen aus dem Keller bis in die Bäder und größere Teile der Elektroanlage erneuert worden. Gleiches gelte für die Fenster, das Dach und die Heizung. Sie hätten auch über Handwerkerrechnungen, Kostenvoranschläge und Architektenpläne verfügt, die sich der Zeuge Mü. angesehen habe. Sie hat auch dargelegt, dass der ursprüngliche Vortrag in der Klageschrift, sie hätten keine detaillierten Angaben zu den Renovierungsarbeiten machen können, weil sie vom Verkäufer keine entsprechenden Informationen erhalten hätten, in dieser Allgemeinheit nicht zutraf und auf keinem Kommunikationsfehler beruhte. Trotzdem vermittelten ihre Angaben und die Aussage des Zeugen Mü. selbst den Eindruck, dass nicht einmal im Beratungsgespräch im Frühjahr 2010 eine wirkliche Aufklärung hinsichtlich des Umfanges der Sanierungsmaßnahmen stattgefunden und der Umfang der Arbeiten vom Zeugen Mü. nicht ausreichend dokumentiert wurde, geschweige denn bei Antragstellung im September 2010. Außerdem hatte sich der Zeuge Mü. nicht bei der Beklagten rückversichert, so dass ihm auch offensichtlich ausreichende Informationen darüber fehlten, welche Annahmerichtlinien bei der Beklagten im Detail für solche Fälle galten. Dies zeigt sich bereits an dem Umstand, dass er hinsichtlich der Problematik der Ableitungsrohre nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügte.
Überraschend war auch, dass der Zeuge Mü. bereits im Angebot im Frühjahr 2010 bei der Prämie vermerkt hatte, dass ein Prämiennachlass wegen Gebäudealters vereinbart sei, der sich mit den Jahren abbaue (Bl. 143 d.A.), obwohl er nach eigenen Angaben mit der Beklagten darüber nie gesprochen hatte. Aufgrund welcher Erkenntnisse er eine solche Angabe machen konnte, konnte er im nachhinein nicht erklären.
Der Zeuge Mü. hat auch nicht verständlich machen können, aus welchen Gründen er durch Nachfrage bei der Beklagten das Problem der Beendigung der Vorversicherung zu lösen suchte, dies jedoch bei dieser Gelegenheit nicht auch wegen des Problems bei der richtigen Einordnung des Baujahres tat.
Außerdem hat es der Zeuge Mü. nicht glaubhaft erklären können, wie es in der Kommunikation mit einer Mitarbeiterin bei der Streithelferin zur Angabe des „Baujahres 1998“ gekommen war und aus welchem Grund er diese Angabe nicht korrigiert hat. Nach eigenen Angaben wusste er von dem falschen Eintrag und hatte vor, diesen zu korrigieren. Nähere Angaben dazu, wer diesen unkorrigierten Antrag weitergeleitet hat und aus welchem Grund seine Korrektur unterblieben war, hat er nicht gemacht. Nicht einmal einen Erklärungsversuch hat er dazu unternommen. Ein solcher Umstand, dass der Zeuge Mü. von dem falschen Ausfüllen eines Antrages durch seine Mitarbeiterin Kenntnis erlangt und erkannt hat, dass dieser unbedingt noch korrigiert werden musste, wird auch nicht an der Tagesordnung gewesen sein und wird als ungewöhnliches Ereignis normalerweise nicht leicht vergessen.
Daran ändert es auch nichts, dass bei der Antragstellung Eile geboten war, nachdem der Vorversicherer sich viel Zeit mit seinen Auskünften gelassen hatte und auf Drängen der Zeugin Mi. letztlich angegeben hatte, dass die bestehende Gebäudeversicherung bereits einen Tag nach dieser Auskunft enden werde, wie die Zeugin Mi. glaubhaft geschildert hat. Trotz dieser Eile mussten die vorhandenen Informationen in den Antrag übertragen werden. Dabei musste aus dem Umstand, dass die Unterlagen das alte Baujahr und die Sanierungsarbeiten enthielten, auf den ersten Blick deutlich werden, dass in diesem Punkt genaue Angaben nötig waren, um eine versicherungsrechtlich bessere Einordnung des älteren Hauses zu erreichen, wenn dieses Ziel verfolgt werden sollte. Dass diese Problematik einfach aus dem Blick gerät, liegt nicht nahe.
Hinzu kommt schließlich, dass der Zeuge Mü. keine Erklärung dafür gehabt hat, aus welchem Grunde er nicht nach dem späteren Anruf der Zeugin Mi. seinen Fehler gegenüber der Beklagten korrigierte. Träfe es zu, dass der Zeuge Mü. lediglich eine Korrektur des durch eine Mitarbeiterin der Streithelferin fälschlicherweise angegebenen Baujahres im Antrag vergessen hätte, dann hätte er sich nach dem Hinweis der Zeugin Mi. sicher daran erinnert, dass es beim Ausfüllen des Antrages Probleme gegeben hatte, und er hätte dies zum Anlass genommen, den Vorgang noch einmal zu prüfen und für eine Richtigstellung zu sorgen, um den Verdacht falscher Angaben bei Antragstellung auszuräumen. Wenn seine Behauptungen richtig wären und es ihm darum gegangen wäre, dem Kläger und seiner Ehefrau einen unangreifbaren Versicherungsschutz zu verschaffen, dann hätte er diese erhebliche Gefahr für die Versicherungsnehmer schnellstmöglich (auch noch nach Vertragsschluss) beseitigt. Dass er dies nicht getan hat, ist nur damit zu erklären, dass er der Beklagten das ältere Baujahr absichtlich vorenthalten hat, um den günstigen und zeitnahen Versicherungsschutz nicht zu gefährden.
Richtig ist zwar, dass für den Zeugen Mü. auf den ersten Blick kein wohlüberlegtes Motiv erkennbar ist, welches ihn zu einer unvollständigen bzw. unrichtigen Angabe hätte verleiten sollen. Motiv für ihn kann es aber gewesen sein, dass er Probleme und Nachfragen durch die Beklagte befürchtete, wenn er den Umstand der Sanierung angab, anstatt schlicht selbst das Baujahr im Hinblick auf die Sanierungen eigenmächtig zu ändern. Es war zwar bei näherem Nachdenken zu befürchten, dass bei jedem ernsthaften Schaden der Umstand auffallen könnte, dass das Baujahr unrichtig angegeben war. Diese Erkenntnis kann aber auch mit dem Gedanken, dass der erstrebte Versicherungsschutz vorzugswürdig ist und es zukünftig schon gut gehen wird, verdrängt werden.

Arglist verlangt grundsätzlich auch keine Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht, ausreichend ist vielmehr, dass der Handelnde bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Es reicht aus, dass er einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche oder seiner Interessen allgemein ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer beeinflussen kann (BGH, Beschl. v. 04.05.2009 – IV ZR 62/07 – VersR 2009, 968). Arglistig kann auch derjenige handeln, der einem anderen vorspiegelt, eine bestimmte Kenntnis von Vorgängen oder Umständen zu haben, diese Kenntnis aber in Wirklichkeit nicht hat, ebenso wie derjenige, der sich der ihm ohne weiteres möglichen und zumutbaren Erkenntnis der die Täuschung begründenden Umstände verschließt und das Fehlen derartiger Umstände blindlings erklärt. Dass ihm die Umstände tatsächlich nicht bekannt waren, ist dabei unerheblich. Das arglistige Verhalten liegt hier gerade darin, dass dem Erklärenden, was ihm auch bewusst war, jegliche zur sachgemäßen Beantwortung erforderliche Kenntnis fehlte und dass er gleichwohl diesen Umstand gegenüber dem anderen Teil verschwieg (BGH, Urt. v. 08.05.1980 – IVa ZR 1/80 – NJW 1980, 2460; BGH, Urt. v. 11.05.2001 – V ZR 14/00 – NJW 2001, 2326; Wandt in: MünchKomm(VVG), § 28 Rdn. 302). Dabei genügt es, wenn der arglistig Handelnde es zumindest billigend in Kauf nimmt, dass die ins Blaue hinein gemachten Angaben für den Versicherer nachteilige Auswirkungen haben können, er also dessen freie rechtsgeschäftliche Willensentscheidung unlauter beeinflusst (Wandt in: MünchKomm(VVG), § 28 Rdn. 302; Felsch in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 28 Rdn. 87). Sowohl für das Bewusstsein der Auskunftspflichtsverletzung als auch der nachteiligen Auswirkung für den Versicherer genügt folglich bedingter Vorsatz.
Jeder einzelne der oben genannte Umstände, den der Zeuge Mü. als Erklärung angeführt hat, wäre noch verständlich und könnte der Annahme von Arglist entgegenstehen. Die Gesamtheit der Umstände, dass er das maßgebliche versicherungsrechtliche Alter des Gebäudes nicht aufgeklärt hat, dass er den Antrag falsch ausgefüllt und nicht korrigiert abgesandt oder dies zumindest nicht verhindert hat und dass er auf den Anruf der Zeugin Mi. nach Vertragsschluss nicht reagiert hat, rechtfertigt aber den Schluss, dass es ihm letztlich auf einen schnellen Vertragsschluss ohne vollständige Aufklärung der Beklagten ankam und er dabei zumindest billigend in Kauf nahm, dass die unvollständigen Angaben für die Beklagte nachteilige Folgen hatten.
(4.)
Diese Arglist des Zeugen Mü. ist dem Kläger und seiner Ehefrau als Versicherungsnehmer auch zuzurechnen.
Nach § 123 Abs. 2 S. 1 BGB berechtigt eine Täuschung durch Dritte nur zur Anfechtung, wenn der Anfechtungsgegner die Täuschung kannte oder kennen musste. Für die Anfechtungsbegrenzung ist es damit zunächst entscheidend, wer Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, denn dadurch wird bestimmt, wessen Täuschung der Versicherungsnehmer wie eine eigene zu vertreten hat. Ist jemand nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift, kommt es auf die Kenntnis von Versicherungsnehmer/Versichertem gar nicht an, sondern die Täuschung des „Nicht-Dritten“ wirkt wie eine eigene Täuschung des Versicherungsnehmers. Das ist der Grundgedanke des § 123 Abs. 2 BGB, der darüber hinaus bei Täuschung eines Dritten diese dem Versicherungsnehmer zurechnet, wenn er sie kannte oder kennen musste. Entscheidend für die Frage, ob sich der Versicherungsnehmer das arglistige Verhalten eines anderen zurechnen lassen muss, so dass ihn seine eigene Gutgläubigkeit nicht schützt, ist folglich, ob die Beziehungen des Täuschenden zum Versicherungsnehmer – objektiv oder aus der Sicht des Versicherers – im Einzelfall so eng sind, dass der Versicherungsnehmer die Täuschung wie eine eigene zu vertreten hat. Die Rechtsprechung zu § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB spricht dann nicht von einem Dritten, wenn dessen Verhalten dem Erklärungsempfänger wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen sonstiger besonderer Umstände billigerweise zugerechnet werden muss, so dass er, was dem Erklärungsempfänger zurechenbar ist, als dessen Vertrauensperson erscheint, also in seinem Lager steht (Müller-Frank in: MünchKomm(VVG), 2.Aufl., § 22 Rn. 35; Knappmann in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3.Aufl., § 14 Rn. 155).
Für den Versicherungsmakler wird meistens differenziert. So soll der Versicherungsmakler mit Sachwalterstellung für den Versicherungsnehmer in dessen Lager stehen und kein Dritter sein. Anders kann das sein, wenn er von beiden Seiten beauftragt ist oder nicht allein im Interessenbereich des Versicherungsnehmers tätig wird (Müller-Frank in: MünchKomm(VVG), 2.Aufl., § 22 Rn. 38; Knappmann in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3.Aufl., § 14 Rn. 156; BGH, Urt. v. 12.3.2014 – IV ZR 306/13 – VersR 2014, 565).
Im vorliegenden Fall kann diese Frage aber offen bleiben. Selbst wenn der Zeuge Mü. als Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 S. 1 BGB angesehen wird, kommt es darauf an, ob der Kläger die Täuschung kannte oder kennen musste.
Diese Zurechnungsvoraussetzung ist im Fall des Klägers zu bejahen.
Hinsichtlich der Kenntnis bzw. des Kennenmüssens des Erklärungsgegners von der Täuschung ist jede Form von Fahrlässigkeit ausreichend. Hat der Erklärungsempfänger Anhaltspunkte dafür, dass die Willenserklärung nicht einwandfrei zustande gekommen ist, muss er dem nachgehen (Singer/von Finckenstein in: Staudinger, BGB, 2017, § 123 Rn. 63).
Fahrlässig hat der Kläger gehandelt, also die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet, als er den Antrag ungelesen bzw. ungeprüft unterschrieben hat. Dass der Zeuge Mü. die Stellen vorgekennzeichnet hatte, an denen noch unterschrieben werden musste, enthob den Kläger nicht von seiner Verantwortung zu überprüfen, welche Erklärung er unterschrieb. Hätte der Kläger den Antrag durchgelesen, hätte er das um 40 Jahre abweichende Baujahr erkannt und hätte ausreichende Anhaltspunkte dafür gehabt, dem nachzugehen, um dafür zu sorgen, dass die Willenserklärung der Beklagten einwandfrei zustande kommt.
(5.)
Die arglistige Täuschung des Zeugen Mü. ist für die Annahmeentscheidung der Beklagten auch kausal (siehe zu diesem Erfordernis BGH, Urt. v. 24.11.2010 – IV ZR 252/08 – VersR 2011, 338).
Die Beklagte hat nicht darauf abgestellt, dass auch nach der Renovierung in den Jahren 1998 bis 2000 der Prämiennachlass nicht möglich war. Dazu fehlen insgesamt Informationen, so dass nicht angenommen werden kann, dass bei wahrheitsgemäßen Angaben der Prämiennachlass nicht gewährt worden wäre. Die Streithelferin hat auch behauptet, dass das Haus wegen der umfassenden Renovierungen wie ein neues Haus hätte versichert werden können.
Die Beklagte hat aber darauf abgestellt, dass sie Zu- und Ableitungsrohe nur bis zu einem Alter von 40 Jahren versichere, so dass bei wahrheitsgemäßen Angaben insoweit ein Ausschluss vereinbart worden wäre. Dazu hat sie in der Berufungsinstanz ihre allgemeinen Hinweise zur verbundenen Wohngebäudeversicherung vorgelegt (Bl. 327 d.A.). Daraus ergibt sich, dass bei dem Tarif Exklusiv, den der Kläger abgeschlossen hat, bei einem Gebäudealter über 40 Jahren, was auf das zu versichernde Haus zutraf, für die Mitversicherung der Ableitungsrohre ein Risikozuschlag erhoben wird, wenn diese nicht komplett erneuert worden sind. Wenn dies nicht der Fall war – so wie hier – muss eine Druckprobe vorgenommen werden (oder eine Kameradurchfahrt). Wird die Druckprobe nicht vorgenommen, ist die erweiterte Versicherung der Ableitungsrohre nicht möglich.
Diesen Annahmekriterien ist der Kläger nicht entgegengetreten. Folglich wäre es bei richtiger Angabe des Baujahres des Hauses und des Umstandes, dass die Ableitungsrohre nicht erneuert worden waren, mindestens zu einem Risikozuschlag gekommen.
(6.)
Die Anfechtungsfrist ist gewahrt.
Bei der Täuschung beginnt die einjährige Frist des § 124 Abs. 1 BGB mit der Entdeckung der Täuschung durch den Anfechtungsberechtigten, d.h. mit der Entdeckung des Irrtums und des Umstands, dass dieser durch eine Täuschung veranlasst worden ist. Dieser positiven Kenntnis ist das Kennenmüssen (fahrlässige Unkenntnis) nicht gleichzusetzen. Auch ein bloßer Verdacht, getäuscht worden zu sein, genügt nicht. Allerdings ist es nicht erforderlich, dass der Getäuschte alle Einzelheiten der Täuschung kennt oder die volle Gewissheit vom Bestehen des Anfechtungsrechts hat; vielmehr entscheidet der Gesamteindruck (Armbrüster in: MünchKomm(BGB), 8.Aufl., § 124 Rn. 3; BGH, Urt. v. 9.11.2011 – IV ZR 40/09 – VersR 2012, 615).
Die Darlegungs- und Beweislast für den Ablauf der Anfechtungsfrist trägt der Anfechtungsgegner. Wer sich darauf beruft, dass der Anfechtende bereits länger als ein Jahr vor seiner Anfechtungserklärung Kenntnis von der Täuschung hatte, ist dafür beweispflichtig (Armbrüster in: MünchKomm(BGB), 8.Aufl., § 124 Rn. 16).
Die Argumentation der Berufungsklägerin, die Beklagte habe bereits bei der Schadensaufnahme im Jahr 2015 das Alter des Gebäudes feststellen können und müssen, verkennt den Umstand, dass ein Kennenmüssen nicht genügt. Es ist nicht unplausibel, dass sich die Beklagte wegen des Schadens im Jahr 2015, der durch einen Rohrbruch außerhalb des Hauses entstanden war, nicht von dem Alter der Rohre und des Hauses überzeugt hat und die Erkenntnisse mit den vertraglich vereinbarten Gefahrumständen verglichen hat. Dazu bestand kein Anlass. Eine Kenntnis steht deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht fest.
Die Behauptung der Beklagten, sie habe dass unrichtig angegebene Baujahr erst durch die Mitteilung der Ehefrau des Klägers am 5.7.2016 erfahren, ist von der Klägerin bzw. der Streithelferin folglich nicht widerlegt, so dass die Anfechtungserklärung vom 29.7.2016 innerhalb der Jahresfrist erfolgte.
(7.)
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.