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Wohngebäudeversicherung – Abgrenzung Rückstau von Hagelschaden

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 16 U 99/18 – Beschluss vom 05.12.2018

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 11. Oktober 2018 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert und auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses, sofern nicht die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen werden sollte.

Gründe

Zu Recht hat das Landgericht die Klage auf Leistung aus der Wohngebäudeversicherung abgewiesen. Die Berufung geht fehl; weder beruht das angefochtene Urteil auf einem Rechtsfehler, § 546 ZPO, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Im Streitfall ist das bei dem Beklagten versicherte Wohngebäude der Klägerin bei einem Hagelschauer am 17. September 2017 dadurch beschädigt worden, dass u.a. eine Dachrinne mit Hagel/Eis gefüllt geworden ist, wonach (annehmbar Tau-) Wasser nicht von dieser Rinne bis zum Fallrohr und von dort weiter abgeführt worden ist, sondern vielmehr direkt aus der Dachrinne unterhalb der Dachpfannen in das Gebäude eingedrungen ist. Für diesen Schaden ist der Beklagte nicht eintrittspflichtig.

Es handelt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um einen versicherten Rückstau, sondern vielmehr um einen unversicherten Hagelschaden.

1.

Ein Rückstau im Sinne von § 3 b) der einbezogenen BWE 2008 (Bl. 16) liegt nicht vor.

Danach liegt ein Rückstau vor, wenn Wasser durch Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern oder durch Witterungsniederschläge bestimmungswidrig aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren oder damit verbundenen Einrichtungen in das Gebäude eindringt.

Es mag, worauf die Klägerin hinaus will, der bloße Wortlaut der Bedingung in dem Sinne erfüllt sein, dass (letztlich) Witterungsniederschläge aus einer (letztlich) mit der gebäudeeigenen Ableitung (irgendwie) verbundenen Einrichtung in das Gebäude eingedrungen ist. Die Bedingungen zielen aber ersichtlich auf etwas anderes.

Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Versicherungsbedingungen sind daher aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (ständige Rechtsprechung, vgl. nur OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 26. April 2017, 20 U 23/17, RuS 2017, 596, Rn. 12 m.w.N. zur BGH-Rpsr.).

Ein Rückstau im Sinne der Bedingungen ist nach diesen Maßgaben gegeben, wenn sich ansammelndes Niederschlagswasser in erheblichen Mengen in die Abwasserleitungen gelangt und von dort nicht mehr in der vorgesehenen Weise abgeführt werden kann (vgl. nur Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, Kommentar, 30. Auflage, O-Nr. 160, § 4 VGB Rn. 11; im MüKo-VVG, 2. Auflage, O-Nr. 230 Elementarschadenversicherung Rn. 52, jeweils m.w.N.). Der Begriff des Rückstaus setzt danach voraus, dass erhebliche Mengen von Wasser auf die gebäudeeigenen Ableitungsrohren oder die damit verbunden Einrichtungen treffen. Aus der Einordnung in die Elementarschäden und der Regelung des Versicherungsfalls im Zusammenhang mit der Überschwemmung („Überflutung“) erschließt sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer weiter, dass der Schaden gerade auf der Menge des auftretenden Elements Wasser beruhen muss, die die dafür vorgesehenen Ableitungsrohre und Einrichtungen nicht mehr ableiten kann, also ein Fall der Überlastung vorliegen muss. Eben auf einen solchen mengenbedingten Effekt von Flüssigkeit verweist auch das Wort des Rückstaus selbst. Rückstau impliziert, dass sich das Wasser entgegen der technisch bestimmten Abflussrichtung bewegt, also in die Gegenrichtung eben zurück fließt (vgl. etwa Böhm/Spielmann, Die Elementarrisiken „Überschwemmung“ und „Rückstau“ in der Sachversicherung, ZfS 2018, 244, 248; was etwa auch in der von der Klägerin für sich reklamierten Entscheidung des LG Dortmund, Urteil vom 17. Dezember 2015, 2 O 263/14, RuS 2017, 78 der Fall gewesen ist, in welchem die Verstopfung einer Grundleitung zum gegenläufigen Ansteigen des Regenwassers im Ableitungssystem und letztlich dazu geführt hat, dass das Wasser aus dem Regenfallrohr „gedrückt“ worden war [Rn. 26 und 21 bei juris]).

Im Streitfall fehlt es an einer erheblichen Menge von Niederschlagswasser, die zu einer Überlastung des Ableitungssystems geführt hätte. Es liegt auch – wenn man das mit dem LG Dortmund (a.a.O.) und entgegen dem LG Wiesbaden (Urteil vom 8. April 2009, 1 O 305/07, RuS 2009, 417, Rn. 13 bei juris) für genügend erachten wollte – keine Verstopfung vor, die zu einem rückläufigen Ansteigen von Wasser im Ableitungssystem geführt hätte. Vielmehr ist allein – und schon auf der obersten Ebene des Ableitungssystems (gesetzt, die oberste Dachrinne gehörte dazu) – Hagel liegen geblieben. Der Schaden beruht damit nicht auf übermäßigen Mengen, schon gar nicht von Wasser, nicht auf einer Überforderung des Ableitungssystems und auch nicht etwa auf einer Verstopfung desselben, sondern schlicht darauf, dass Hagel nicht fließt. Entsprechend liegt auch keine Rückwärtsbewegung des Elements im System vor. Der Hagel hat sich, weil er eben fest ist, von vornherein im Ableitungssystem nicht bewegt, sondern lediglich quasi angestaut.

Zusammenfassend ist daher zu dem Schaden nicht aufgrund eines Rückstaus von Wasser, sondern, wie es zutreffend bereits eingangs der Klage (S. 2, Bl. 3) heißt, aufgrund Hagel/Tauwasser/Regenwasser gekommen.

2.

Der Hagelschaden, der der Sache nach gegeben ist, wenn sich eine sog. Hagelbarriere bildet und ob Tauwasser in das Gebäude eindringt, ist aber nicht versichert.

Nach § 4 Nr. 3, Nr. 4a bb VGB 2008-SL (Bl. 21) ist das Eindringen von Regen, Hagel, Schnee oder Schmutz durch nicht ordnungsgemäß geschlossene Fenster, Außentüren oder andere Öffnungen nicht versichert, es sei denn, dass diese Öffnungen durch Sturm oder Hagel entstanden sind und ein Gebäudeschaden darstellen. Hier ist die Bedingung des letzten Halbsatzes nicht erfüllt. Nach dem eigenen Vortrag des der Klägerin (Bl. 3) ist getauter Hagel unterhalb der Dachpfannen in das Gebäude eingedrungen; der Hagel selbst hat einen Gebäudeschaden nicht verursacht.

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