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Wohngebäude-Sturmversicherung: Rettungskostenersatz für Beseitigung eines entwurzelten Baumes

AG Köpenick, Az.: 6 C 129/02

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 768,– EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 19. Juni 2002 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags zuzüglich 10 vom Hundert abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Wohngebäude-Sturmversicherung: Rettungskostenersatz für Beseitigung eines entwurzelten Baumes
Symbolfoto: Berislavskiy/ Bigstock

Der Kläger unterhält bei der Beklagten u. a. eine Sturmschadenversicherung für sein auf einem Wochenendgrundstück in … belegenes Wochenend-Ferienhaus. Wegen der Einzelheiten des Versicherungsscheins und der zugrunde liegenden Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88) wird auf Bl. 27 bis 38 der Akte verwiesen.

Zwischen dem 27. und 29. Januar 2002 herrschte in Berlin/Brandenburg ein Sturm mit Windstärken um 8 bis 10. Aufgrund dessen wurde auf dem Grundstück des Klägers eine Kiefer entwurzelt, die über dem Gebäude in einem anderen Baum hängen blieb. Der Kläger zeigte dies der Beklagten mit Schreiben vom 04. Februar 2002, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 24 der Akte verwiesen wird, an und bat um Kostenübernahme der Beseitigungskosten.

Die Kiefer wurde durch einen von dem Kläger beauftragten Fachbetrieb beseitigt.

Der Kläger behauptet, die Kiefer sei am 29. Januar 2002 entwurzelt worden. Gleich an einem der Folgetage, noch bevor er, der Kläger, dies der Beklagten gemeldet habe, sei sie dann beseitigt worden. Hierfür habe er einen speziellen Preis von 768,– EUR mit dem Fachbetrieb ausgehandelt, der ihm dann auch mit Rechnung vom 08. März 2002 in Rechnung gestellt worden sei. Die Entfernung der Kiefer sei dringend erforderlich gewesen, weil sie gedroht habe, bei einem weiteren Windstoß auf das Gebäude zu fallen. Spätestens bei dem Sturm vom 10. Juli 2002 wäre dies erfolgt, da hierbei der Baum, der die Kiefer damals zunächst aufgehalten habe, ebenfalls umgestürzt sei. In seiner Schadensanzeige an die Beklagte sei er durch falsche Übermittlung seiner Nachbarin von einem unrichtigen Datum ausgegangen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, EUR 768,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung (= 18. Juni 2002) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, durch die Kiefer habe keine unmittelbare Gefahr für das Gebäude bestanden.

Das erkennende Gericht hat aufgrund des Beschlusses vom 30. August 2002, wegen dessen Einzelheiten verwiesen wird auf Bl. 57 der Akte, Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen Schulz und Bürger. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 30. August 2002 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Anspruch des Klägers folgt aus §§ 1 Abs. 1 S. 1, 49, 63 Abs. 1 S. 1 VVG in Verbindung mit § 2 Ziff. 1 lit c) der maßgeblichen Versicherungsbedingungen. Danach hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer nach dem Eintritt des Versicherungsfalls den dadurch verursachten Vermögensschaden in Geld zu ersetzen. Versichert sind dabei auch die infolge des Versicherungsfalls notwendigen Kosten für Maßnahmen, die der Versicherungsnehmer zur Abwendung oder Minderung des Schadens für geboten halten durfte (Schadensabwendungs- oder Schadensverminderungskosten). Eben solche Kosten macht der Kläger vorliegend gegenüber der Beklagten geltend. Bei der Beseitigung der Kiefer handelte es sich danach nicht um Schadensverhütungskosten, die der Kläger allein zu tragen hätte.

Schadensabwendungskosten oder auch Rettungskosten sind solche Aufwendungen, die dem Versicherungsnehmer entstehen bei Maßnahmen, die einen unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall vermeiden helfen sollen. Dabei muss der Begriff der Unmittelbarkeit je nach Art und Umfang des bevorstehenden Schadens und je nach Versicherungsart unterschiedlich beurteilt werden. Der Begriff dient der Abgrenzung zwischen Sacherhaltungskosten, die der Versicherungsnehmer selbst zu tragen hat, um nicht des Versicherungsschutzes gemäß § 61 VVG verlustig zu gehen, und den nach § 63 VVG vom Versicherer zu erstattenden Rettungskosten. Generell ist mit „unmittelbar“ gemeint, dass der Versicherungsfall in kurzer Zeit und mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne die Rettungsmaßnahme eintreten wird (BGH, Urteil vom 13. Juli 1994, Az: IV ZR 250/93, JURIS). Eine genaue zeitliche Abgrenzung ist nicht möglich und kann u. U. auch noch in Tagen bemessen werden (Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., W II, Rdn. 33).

Unter Anwendung dieser Grundsätze steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, dass die Beseitigung der Kiefer der Abwendung eines solchen unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalles diente, § 286 ZPO. Beide Zeugen, für deren Glaubwürdigkeit begründete Zweifel für das Gericht nicht erkennbar waren, haben glaubhaft bekundet, dass die Kiefer soweit entwurzelt war, dass allein ihre Beseitigung ein Herabstürzen auf das versicherte Gebäude verhindern konnte. Insbesondere der Zeuge … bestätigte die Behauptung des Klägers, die Kiefer sei lediglich durch einen anderen Baum aufgehalten worden. Sie habe dort aber keinen sicheren Halt bekommen, sondern es sei damit zu rechnen gewesen, dass sie alsbald ganz herabstürzen werde. Der Zeuge … bezeichnete dies plastisch als einen Extremfall und grenzte diese Beurteilung deutlich von den sonstigen Einsätzen für seine auch im Rahmen von Sturmschädenbeseitigung tätige Arbeitgeberin ab. Es handelte sich damit nicht nur um die Entfernung eines durch Sturm beschädigten Baumes, sondern der Zeuge … hat deutlich gemacht, dass hier ein sofortiges Tätigwerden erforderlich war, um weitere zwangsläufig eintretende Schäden an dem Gebäude zu verhindern. Gegen diese Beurteilung sprach nicht, dass es dem Zeugen nicht möglich war, eine konkrete Windstärke anzugeben, bei der mit einem endgültigen Abstürzen des Baumes zu rechnen war. Der Zeuge … gab an, ein leichter Windstoß hätte ausgereicht. Dies ist auch nachvollziehbar, berichtete er doch, der Baum habe selbst bei Berührung durch einen angeseilten leichtgewichtigen Mitarbeiter bereits weiter nachgegeben.

Hiergegen steht nicht die ursprünglich Mitteilung des Klägers an die Beklagte, der Baum sei bereits am 27. Januar 2002 umgefallen, woraus zu folgern wäre, der fortdauernde Sturm habe nicht dazu geführt, den Baum zum Abstürzen zu bringen. Der Kläger hat seinen Vortrag insofern korrigiert und behauptet, die Entwurzelung der Kiefer sei tatsächlich am 29. Januar 2002 also am letzten Tag des dreitägigen Sturms erfolgt. Diese Behauptung hat die Zeugin … glaubhaft bestätigt.

Gegen die Behauptungen des Klägers spricht auch nicht der Umstand, dass die Zeugen keine Angaben mehr zum konkreten Tag der Baumfällarbeiten machen konnten. Maßgeblich waren hier die Aussagen des sachkundigen Zeugen … der aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen deutlich gemacht hat, der Baum habe jederzeit auf das Gebäude fallen können. Dass er es bis zu den Baumfällarbeiten nicht tat, beruhte danach mehr oder weniger auf Zufall, besagte aber nichts darüber, der Baum sei trotz Entwurzelung noch genügend standfest gewesen.

War danach von einem unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall auszugehen, so stand einer Einstandspflicht der Beklagten nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag sie, die Beklage, erst nach den Baumfällarbeiten benachrichtigt hatte. Allerdings hat der Versicherungsnehmer, wenn es die Umstände gestatten, Weisungen des Versicherers einzuholen, § 62 Abs. 1 S. 1 VVG, und vorliegend war hiervon auch auszugehen. Denn es ist nicht ersichtlich, warum es dem Kläger ohne weiteres möglich war, seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten um Rat zu fragen nicht jedoch die Beklagte. Auch hat der Kläger selbst auf ausdrückliches Nachfragen des Gerichts keine Antwort darauf gefunden, warum sein Schreiben vom 04. Februar 2002 so abgefasst war, dass die Beklagte nicht davon ausgehen konnte, die Rettungskosten seien bereits angefallen. Dies lässt grundsätzliche Zweifel an der Lauterkeit des Klägers gegenüber der Beklagten begründet erscheinen. Jedoch ist die Verletzung dieser Obliegenheit vorliegend ohne Rechtsfolge, weil nicht ersichtlich ist, welche anderen Weisungen die Beklagte dem Kläger hätte geben sollen als die, die Kiefer schnellstmöglich entfernen zu lassen. Und eben dies hat der Kläger getan.

Soweit die Beklagte die Höhe der angefallenen Kosten bestritten hat, war ihr Einwand unerheblich. Zwar wird ein einfaches Bestreiten der nichtbeweisbelasteten Partei regelmäßig ausreichend sein (BGH, NJW 1999, 1404, 1405 f.; MDR 2002, 515, 516). Jedoch hat der Kläger auf das Bestreiten der Beklagten eine nachvollziehbare Begründung abgegeben gegen die sie letztlich weitere Einwendungen nicht mehr erhoben hat. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass der Rechnungsbetrag seiner geltend gemachten Höhe nach der zu zahlenden Versicherungssumme entspricht.

Die geltend gemachte Zinsforderung ist begründet und beruht auf der Anwendung der §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1, 247, 187 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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