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Widerspruchsbelehrung muss klar und eindeutig sein!

Rückabwicklung eines Rentenversicherungsvertrags: OLG Karlsruhe gibt Versicherer Recht

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einer jüngsten Entscheidung, die in der juristischen Fachwelt für Aufsehen sorgt, die Rechte von Versicherungsgesellschaften gestärkt und den Widerruf eines Rentenversicherungsvertrags abgelehnt. Der Fall betraf einen Rentenversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, der im Jahr 2005 geschlossen und später widerrufen wurde. Der Kläger versuchte, die Rückabwicklung des Vertrages zu erzwingen, scheiterte jedoch vor Gericht.

Im Mittelpunkt der Kontroverse stand das Widerspruchsrecht des Versicherten nach § 5a Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Der Kläger berief sich auf eine vermeintlich unzureichende Belehrung über sein Widerspruchsrecht und forderte daraufhin die Rückabwicklung des Vertrages.

Direkt zum Urteil Az: 12 U 335/21 springen.

Versicherungsvertrag und Widerspruchsbelehrung

Der Kläger hatte bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Rentenversicherungsvertrag – t fondsgebundene Basisrente mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – abgeschlossen. Der Versicherungsschein enthielt eine Belehrung über das Widerspruchsrecht. Demnach stand dem Kläger ein 30-tägiges Widerspruchsrecht nach § 5a VVG zu. Im Jahr 2021, fast zwei Jahrzehnte nach Abschluss des Vertrages, erklärte der Kläger den Widerspruch.

Anpassungen des Versicherungsvertrags

Im Laufe der Jahre wurden mehrere Anpassungen an dem Vertrag vorgenommen. Der ursprünglich vereinbarte Rentenbetrag wurde im Jahr 2009 erhöht und der Beitrag entsprechend angepasst. Darüber hinaus stimmte der Kläger einer Änderung der Versicherungsbedingungen durch die Beklagte im Jahr 2011 zu. Die Versicherung wurde 2012 beitragsfrei gestellt und das Anlagenportfolio im Jahr 2019 geändert.

Das Urteil des OLG Karlsruhe

Das OLG Karlsruhe entschied zu Gunsten der Beklagten. Das Urteil des Landgerichts Heidelberg wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Gericht führte aus, dass die Berufung der Beklagten begründet sei und das Urteil vorläufig vollstreckbar sei. Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Bedeutung für den Versicherungsmarkt

Dieses Urteil stärkt die Position von Versicherungsunternehmen, indem es die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Widerruf eines Versicherungsvertrags klärt. Es schafft Klarheit für beide Parteien – sowohl für die Versicherer als auch für die Versicherten – und setzt damit einen wichtigen Präzedenzfall für ähnliche Streitigkeiten in der Zukunft.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.04.2023 – AZ.: 12 U 335/21

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 22.10.2021, Az. 2 O 134/21, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages nach Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.

Der Kläger schloss bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Jahre 2005 einen Rentenversicherungsvertrag – t fondsgebundene Basisrente mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – mit der Versicherungsnummer … ab (Versicherungsschein Anlage K1). Versicherungsbeginn war der 01.04.2005. Die Beklagte übersandte dem Kläger am 06.04.2005 den Versicherungsschein nebst Verbraucherinformationen sowie Policenbedingungen (Anlage B1).

Der Versicherungsschein enthält einen Abschnitt zum „B-partner concept“. Darin finden sich zunächst unter der Überschrift „t fondsgebundene Basisrente“ Informationen zur Lebens- und Rentenversicherung (S. 4 f.). Diese Ausführungen enden mit folgendem Satz:

Folgende Lebensversicherer sind als Mitversicherer beteiligt und garantieren in Höhe ihres prozentualen Anteils die vereinbarten Versicherungsleistungen:

Darauf folgt die Überschrift „Berufsunfähigkeitszusatzversicherung“, darunter werden verschiedene Versicherer mit prozentualen Anteilen genannt. Unter dieser Liste steht folgender Hinweis:

Willenserklärungen werden von der M Lebensversicherung AG als vertragsführende Gesellschaft, auch im Namen der übrigen am Vertrag beteiligten Versicherer, abgegeben und entgegengenommen. Der gesamte Schriftverkehr wird daher ausschließlich mit der M Lebensversicherung AG geführt. Willenserklärungen sind nur und erst dann rechtswirksam, wenn sie der M Lebensversicherung AG schriftlich zugegangen sind.

Am Ende des Versicherungsscheins findet sich folgende Belehrung:

Widerspruchsrecht:

Nach § 5a Versicherungsvertragsgesetz steht Ihnen ein 30-tägiges Widerspruchsrecht zu. Die Versicherung gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt dieser Unterlagen der Versicherung in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung.

Im Jahr 2009 wurde der versprochene Rentenbetrag erhöht und der Beitrag entsprechend angepasst. 2011 änderte die Beklagte mit Einverständnis des Klägers ihre Versicherungsbedingungen. 2006, 2010 und 2011 widersprach der Kläger der Beitragsdynamik. Neben dem streitgegenständlichen Vertrag schloss der Kläger noch sechs weitere Verträge bei der Beklagten ab. 2012 wurde die Versicherung auf die Kündigungserklärung des Klägers beitragsfrei gestellt. 2019 wurde das Anlagenportfolio geändert.

Mit Schreiben vom 24.02.2021 erklärte der Kläger den Widerspruch der auf Abschluss des Versicherungsvertrages gerichteten Willenserklärung und forderte die Rückabwicklung des Vertrages. Nach Ablauf der dort gesetzten Frist beauftragte der Kläger die Prozessbevollmächtigten. Diese verfolgten den Anspruch des Klägers mit außergerichtlichen Schreiben vom 12.03.2021 weiter (Aufforderungsschreiben vom 12.03.2020).

Der Kläger leistete Prämien in Höhe von 14.157,04 EUR. Von diesen Prämien entfielen 96,19 EUR auf Risikokosten und 6.227,22 EUR auf Abschluss- und Verwaltungskosten, wovon Überschüsse in Höhe von 758,72 EUR erzielt wurden. Das Fondsguthaben zum Zeitpunkt des Widerspruchs betrug 16.788,57 EUR.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Widerspruchsbelehrung sei nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a VVG a.F., weil sie hinsichtlich der einzuhaltenden Form nicht eindeutig sei, und die Ausübung des Widerspruchsrechts sei auch nicht verwirkt. Mit seiner Klage hat er die Rückerstattung der geleisteten Beiträge nebst Nutzungen, insgesamt 22.919,60 EUR, sowie die Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.791,90 EUR verlangt.

Die Beklagte hat eingewandt, die Belehrung am Ende des Versicherungsscheins sei maßgeblich und ordnungsgemäß. Der vorherige Hinweis auf die Schriftform sei unschädlich, da es sich dabei nicht um eine weitere Widerspruchsbelehrung handle. In dem streitgegenständlichen Versicherungsschein beziehe er sich ohnehin nur auf die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, da nur in Bezug hierauf die Beteiligung durch das Konsortium bestehe. Das habe jeder durchschnittliche, aufmerksame Versicherungsnehmer auch erkennen müssen. Etwaige Ansprüche des Klägers seien zudem verwirkt.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und die Beklagte verurteilt,

1. an den Kläger 22.257,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.06.2021 zu zahlen und

2. an den Kläger für die außergerichtliche Inanspruchnahme des Prozessbevollmächtigten einen Betrag i.H.v. 1.375,88 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.06.2021 zu zahlen.

Die Widerspruchsbelehrung am Ende des Versicherungsscheins sei zwar ordnungsgemäß; durch den vorherigen Hinweis, Willenserklärungen seien schriftlich an die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu richten, sei der Versicherungsnehmer aber widersprüchlich über die einzuhaltende Form belehrt worden. Dass sich der Hinweis auf das Konsortium und die Konsortialführung nur auf die Berufsunfähigkeitsversicherung beziehe, sei dem Versicherungsschein nicht zu entnehmen gewesen. Der Fehler sei nicht durch eine Nachbelehrung geheilt worden. Eine solche Heilung komme nur in Betracht, wenn klargestellt werde, dass sich die Nachbelehrung auch auf den ursprünglichen Vertrag beziehe. Das sei in der Belehrung zum Nachtrag zum Versicherungsschein zum 01.02.2012 nicht der Fall.

Verwirkung sei nicht eingetreten, da die Erklärungen des Klägers im Wesentlichen zur normalen Vertragsdurchführung zu rechnen seien und der Abschluss weiterer Versicherungen und die erhebliche Erhöhung der Basisrente nicht als gravierende Umstände ausreiche. Der Rückzahlungsanspruch summiere sich auf 22.257,07 EUR; zudem habe die Beklagte die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1,3 Gebühren aus der berechtigten Forderung zu erstatten.

Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Sie macht weiterhin geltend, die Widerspruchsbelehrung sei ordnungsgemäß. Die Passage, aus der das Landgericht die Widersprüchlichkeit abgeleitet habe, stehe unter der Überschrift „Berufsunfähigkeitszusatzversicherung“ und beziehe sich offenkundig nur auf diese. Die Annahme eines zum Widerspruch berechtigenden Fehlers verbiete sich auch vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs. Zudem hält die Beklagte daran fest, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts infolge der zahlreichen Verfügungen, die der Kläger vorgenommen habe, verwirkt sei.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 22.10.2021 (Az.: 2 O 134/21) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zu Recht habe das Landgericht erkannt, dass die Belehrung widersprüchlich und daher unwirksam und dass das Widerspruchsrecht nicht verwirkt sei. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu fehlerhaften Widerrufsbelehrungen bei Verbraucherkreditverträgen sei es der Beklagten insgesamt verwehrt, sich auf Verwirkung zu berufen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet und führt zur Abweisung der Klage. Die streitgegenständliche Widerspruchsbelehrung war zwar fehlerhaft (1.); gleichwohl verstößt die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Kläger gegen § 242 BGB (2.). Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union war nicht veranlasst (3.).

1. Die streitgegenständliche Belehrung war fehlerhaft.

Es handelt sich um einen Konsortialvertrag mit einer Gestaltung, über die der Senat bereits entscheiden hat (Senat, Urteil vom 03.03.2020, 12 U 53/19). Demnach fehlt es der Belehrung an der erforderlichen Klarheit über die Form des Widerspruchs. Zwar enthält die Widerspruchsbelehrung am Ende des Versicherungsscheins einen unmissverständlichen Hinweis auf die Textform. Dieser Hinweis wird aber konterkariert durch die Bestimmung, Willenserklärungen seien nur wirksam, wenn sie der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Konsortialführerin schriftlich zugingen. Die dadurch verursachte Unklarheit konnte der Versicherungsnehmer weder durch Überlegungen zum Vorrang der spezielleren vor der generellen Regelung noch zur räumlichen Anordnung der Textteile ausräumen.

2. Die Ausübung des Widerspruchsrechts war gleichwohl unwirksam, weil sie gegen Treu und Glauben verstößt. Soweit dies vom Senat in der Vergangenheit anders beurteilt wurde, hält er daran in Ansehung der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr fest.

Nach dem aus § 242 BGB abgeleiteten Übermaßverbot wäre es unverhältnismäßig, es dem Versicherungsnehmer zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen, wenn ihm durch die fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (BGH, Urteil vom 15.02.2023 – IV ZR 353/21). Der Bundesgerichtshof hat – unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung – klargestellt, dass dies der Fall ist, wenn der Versicherungsnehmer unzutreffend über ein Recht zum schriftlichen Widerspruch belehrt wurde, obwohl nach der maßgeblichen Fassung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG ein Widerspruch in Textform genügte. Ein schriftlicher Widerspruch – der bei Verbrauchern geradezu typischen und faktisch regelmäßig praktizierten Mitteilungsform, die für jedermann einfach und ohne besonderen Aufwand durchzuführen ist – war in dieser Konstellation wirksam und es blieb dem Versicherungsnehmer trotz der fehlerhaften Belehrung unbenommen, seinen Widerspruch wirksam in Textform zu erklären (BGH, Urteil vom 15.02.2023 – IV ZR 353/21).

So liegt der Fall auch hier. Der einzige Fehler der vorliegenden Widerspruchsbelehrung liegt in der Unklarheit über die einzuhaltende Form. Der Versicherungsnehmer war aber – insoweit zutreffend – darüber informiert, dass nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG in der hier maßgeblichen Fassung vom 02.12.2004 mindestens die Textform einzuhalten war. Soweit er aufgrund des Hinweises im Abschnitt zur Konsortialversicherung irrtümlich von einem Schriftformerfordernis ausging, konnte er auch dieses ohne nennenswertes Hindernis einhalten und damit sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung ausüben.

3. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedurfte es nicht.

a. Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs wäre es unverhältnismäßig, es dem Versicherungsnehmer zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen, wenn ihm durch die Belehrung, auch wenn diese fehlerhaft ist, nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (EuGH, Urteil vom 19.12.2019, „Rust-Hackner“ u.a. – C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18; EuGH, Urteil vom 02.04.2020, „kunsthaus muerz“ – C-20/19). Ob dies der Fall ist, haben die nationalen Gerichte im Wege einer Gesamtwürdigung, bei der insbesondere dem nationalen Rechtsrahmen und den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist, zu prüfen (EuGH, Urteil vom 19.12.2019 – C-355/18 u.a., „Rust-Hackner“; EuGH, Urteil vom 02.04.2020 – C-20/19, „kunsthaus muerz“). Dass der Gerichtshof hiervon mit seinem Urteil vom 09.09.2021 (Volkswagen Bank u.a., C-33/20, C-155/20 und C-187/20, EU:C:2021:736) abweichen wollte, ist nicht ersichtlich. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 22.07.2022 – VGH B 70/21) ist ein Vorabentscheidungsverfahren an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht veranlasst. Dieser Entscheidung lag keine – im Wesentlichen – ordnungsgemäße Belehrung zugrunde (BGH, Urteil vom 15.02.2023 – IV ZR 353/21).

b. Auch im Hinblick auf die Frage, ob das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union unvereinbar ist, ist keine Vorlage an den Gerichtshof veranlasst.

Diese Frage ist hier nicht entscheidungserheblich. Auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells ist es dem – im Wesentlichen – ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer, der sich aus den genannten Gründen nicht auf die geringfügige Fehlerhaftigkeit der Belehrung berufen kann, nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Dabei sind die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt; die Anwendung auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht und beeinträchtigt weder die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts noch den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts. Etwas anderes ergibt sich auch insoweit nicht aus den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zum unionsrechtlichen Grundsatz des Rechtsmissbrauchs in dessen Entscheidung vom 09.09.2021 (Volkswagen Bank u.a., C-33/20, C-155/20 und C-187/20, EU:C:2021:736), die zu der Verbraucherkreditrichtlinie ergangen ist und zudem – ebenso wie der Beschluss des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 22.07.2022 (VGH B 70/21) – den nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer betrifft (BGH, Urteil vom 15.02.2023 – IV ZR 353/21)

Wird – wie im vorliegenden Fall – der Versicherungsvertrag nach im Wesentlichen ordnungsgemäßer Belehrung in Vollzug gesetzt und über mehrere Jahre durchgeführt und schließlich zunächst nicht einmal rückwirkend, sondern lediglich durch Kündigung mit Wirkung für die Zukunft beendet oder beitragsfrei gestellt, begründet dies ein vorrangig schutzwürdiges Vertrauen beim Versicherer in den Bestand des Vertrages. Die Versagung des Widerspruchsrechts nach § 242 BGB in einem solchen Fall berührt den Zweck und das Ziel der Lebensversicherungsrichtlinien ebenso wenig wie deren praktische Wirksamkeit, auch wenn bei dem im nationalen Recht aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Versicherungsnehmers nicht erforderlich sind (BGH, Urteil vom 15.02.2023 – IV ZR 353/21).

4. Mangels eines Hauptanspruchs kann der Kläger auch keinen Ersatz für die außergerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten verlangen.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), bestand nicht.

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