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WEG – Selbstbehaltstragung Gebäudeversicherung

LG Frankfurt/Main – Az.: 2-13 S 149/19 – Urteil vom 20.05.2021

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Kläger wird das Teilurteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 17.10.2019 insoweit abgeändert, als dort die Klage abgewiesen wurde. Die Beklagten werden verurteilt, an die Kläger weitere 850 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.3.2018 zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird beschränkt auf den Klageanspruch zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 6.000 €

Gründe:

I.

Die Kläger sind Wohnungseigentümer, die Beklagte ist die Wohnungseigentümergemeinschaft. Gegenstand des Verfahrens ist … ein Leitungswasserschaden. Dieser wurde von der Gebäudeversicherung reguliert. Die Entschädigungsleistung wurde sowohl für den Schaden im Sondereigentumsbereich als auch für Schäden im Bereich des Gemeinschaftseigentums bezahlt. Insgesamt wurde einvernehmlich mit der Versicherung ein Schaden von 13.950 € festgelegt, davon entfielen 11.750 € auf dem Bereich des Sondereigentums. Die Versicherung enthielt eine Selbstbeteiligung i.H.v. 1.000 €, um deren Verteilung streiten die Parteien.

Mit der Klage haben die Kläger begehrt, die Beklagte zur Zahlung des auf den Sondereigentumsbereich entfallenden Betrag von 11.750 € nebst Zinsen zu verurteilen. Das Amtsgericht hat eine anteilige Aufteilung des Selbstbehaltes vorgenommen und durch das angefochtene Teilurteil einen Betrag i.H.v. 850 € nicht zugesprochen. Diesen Betrag begehren die Kläger mit der Berufung weiter. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. …

II.

Die Berufung der Kläger hat Erfolg. Ihnen steht die auf den Schaden an ihrem Sondereigentum gezahlte Entschädigung der Versicherung in voller Höhe zu, ohne dass insoweit ein Abzug in anteiliger Höhe für den Selbstbehalt erfolgen darf.

Zu Recht hat das Amtsgericht entschieden, dass es sich bei dem von der Beklagten abgeschlossenen Gebäudeversicherungsvertrag um eine Versicherung auf fremde Rechnung nach § 43 Absatz I VVG handelt, sodass zwischen ihr und den Klägern ein Treuhandverhältnis entstanden ist, das die Beklagte verpflichtet, eine den Klägern zustehende Versicherungsleistung an diese auszukehren.

Im Außenverhältnis hat aufgrund des Gebäudeversicherungsvertrages die Gemeinschaft als Schuldnerin der Versicherungsprämien diesen Betrag zu tragen, entsprechend ist auch von der Gebäudeversicherung vorliegend abgerechnet worden. Umstritten ist allerdings, wer den Selbstbehalt im Innenverhältnis zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und den einzelnen Wohnungseigentümern zu tragen hat.

Nach einer Auffassung ist bei Schäden am Gemeinschafts- und Sondereigentum oder an mehreren Sondereigentumseinheiten eine quotale Verteilung des Selbstbehalts auf sämtliche geschädigten Wohnungseigentümer vorzunehmen (Armbrüster ZWE 2009, 109 (112); ders. ZWE 2019, 324; Elzer in Timme, WEG, 2. Aufl., § 21 Rn. 290 f.; Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, § 21 Rn. 130; Hügel/Elzer, § 19 Rn. 131). Ein Ausgleichsanspruch besteht nach dieser Auffassung nicht.

Nach der Gegenansicht hat die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband auch bei einem Schadenseintritt in nur einer Sondereigentumseinheit mit eigenen finanziellen Mitteln die Schadensbeseitigung in vollem Umfang zu ermöglichen und den Aufwand für den Selbstbehalt – auf der zweiten Stufe – in der Jahresabrechnung (auf alle Eigentümer) umzulegen (LG Karlsruhe, ZWE 2019, 324; Bärmann/Pick/Emmerich, 20. Aufl. 2020, WEG § 21 Rn. 119; Dötsch NZM 2018, 353 (366); Jennißen in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 16 Rn. 99; Karkmann in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, § 21 WEG Rn. 99; Reichel-Scherer in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 21 WEG Rn. 341).

Die Kammer teilt die zuletzt genannte Auffassung. Das LG Karlsruhe hat insoweit jüngst zutreffend ausgeführt: „Es überzeugt, dass der Selbstbehalt als Bestandteil der Prämie anzusehen ist, weil deren Höhe auch von der Vereinbarung eines Selbstbehalts abhängig ist. Da sämtliche Wohnungseigentümer von einer niedrigeren Prämie infolge eines Selbstbehalts profitieren, ergibt sich aus der zwischen der Gemeinschaft und den Wohnungseigentümern bestehenden Treuepflicht (vgl. Suilmann in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 10 Rn. 46) auch die Pflicht der Gemeinschaft, im Schadensfall den Selbstbehalt nicht dem einzelnen zufällig Geschädigten aufzubürden, sondern diesen zunächst als Verband zu übernehmen und anschließend im Rahmen der Jahresabrechnung auf alle Wohnungseigentümer nach den entsprechenden Kostenanteilen (in der Regel nach Miteigentumsanteilen, § 16 II und I 2 WEG) umzulegen. Auf ein Fehlverhalten der Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung über den Versicherungsvertrag kommt es – entgegen der zuerst genannten Ansicht (unter 1) – nicht an, da der Ausgleichsanspruch nicht auf einen verschuldensabhängigen Ersatzanspruch gestützt wird.“ (LG Karlsruhe ZWE 2019, 324 Rn. 35-37)

Soweit dem entgegengehalten wird, dass den Selbstbehalt immer anteilig derjenige zu tragen habe, der geschädigt sei (Armbrüster ZWE 2019, 324), berücksichtigt dies nach Auffassung der Kammer nicht ausreichend die zwischen Verband und Mitgliedern bestehenden Treuepflicht (Dötsch NZM 2018, 353 (366)). Die Höhe des Selbstbehaltes ist üblicherweise unmittelbar mit der Höhe der Prämienzahlung verbunden. Insoweit profitieren alle Wohnungseigentümer in gleichem Umfang – im Verhältnis ihrer Kostenanteile – durch eine Reduzierung der Versicherungsprämie von dem Selbstbehalt, solange es nicht zu einem Schaden kommt. Dann kann aber nicht der Ort eines Schadenseintritts zu einer extrem ungleichen Kostenbelastung dadurch führen, dass der volle oder anteilige Selbstbehalt den Eigentümern aufgebürdet wird, bei dem sich (ggf. zufällig – wie hier bei einem Leitungswasserschaden) das Schadensergebnis zeigt. Dies schon deshalb nicht, weil durch die Gebäudeversicherung ein verschuldensunabhängiges und damit nicht beherrschbares Risiko abgesichert werden soll (Reichel-Scherer in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 21 WEG Rn. 341; LG Karlsruhe aaO). Hinzu kommt, dass üblicherweise ein einzelner Wohnungseigentümer überhaupt keine Möglichkeit hat, durch den Abschluss einer eigenen Versicherung den Selbstbehalt „wegzuversichern“ (Dötsch NZM 2018, 353, 367). Ob etwas anderes gilt, wenn die Schadensursache nur im Sondereigentum liegt und auf eine Pflichtverletzung des Wohnungseigentümers zurückgeht (Reichel-Scherer in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 21 WEG Rn. 341), bedarf keiner Entscheidung, denn ein solcher Fall liegt nicht vor.

Diese Auffassung vermeidet zudem Schwierigkeiten bei der Auflösung der Frage, wie der Selbstbehalt zu quoteln ist, was sich noch deutlich verkompliziert, wenn verschiedene Sondereigentumseinheiten oder – wie hier – das Sondereigentum eines Eigentümers und das Gemeinschaftseigentum betroffen sind.

Nach alledem war insoweit das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte auch bezüglich des einbehaltenen – anteiligen – Selbstbehalts nebst Zinsen (§§ 286, 288 BGB) zu verurteilen.

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