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Vollkaskoversicherung: Versicherungsschutz für Entwendung eines vorübergehend stillgelegten Motorrades aus einem Carport

OLG Köln, Az: 9 U 174/04

Urteil vom 14.06.2005

diebstahl motorrad
Symbolfoto: By filtran under CC BY License

Auf die Berufung des Klägers wird das am 6.9.2004 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 24 O 505/03 – abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.451,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.8.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Die durch Anrufung des Landgerichts Hamburg entstandenen Mehrkosten trägt jedoch der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus einer Ruheversicherung für das Krad Kawasaki ZX 1200 – A 2 H (amtliches Kennzeichen ….)

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Teilkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 153,00 EUR abgeschlossen. Dem Versicherungsvertrag liegen – wie es zwischen den Parteien unstreitig ist – die AKB der Beklagten, die den Musterempfehlungen entsprechen (in der bei Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Aufl. abgedruckten Fassung) zugrunde.

Nachdem das Motorrad vorübergehend stillgelegt war, bestand mit Wirkung ab 27.11.2002 eine Ruheversicherung nach § 5 Abs. 2 AKB.

Der Kläger stellte das Motorrad auf seinem Grundstück in einem Carport ab. Der Carport, dessen Dach links und rechts von mehreren Holzbalken getragen wird, grenzt mit der rechten Seite an eine etwa 1 Meter hohe und an der hinteren Seite zum größten Teil an eine etwa 50 cm hohe massiver Steinmauer. Zwischen den einzelnen Holzbalken befinden sich auf der linken Seite und vorne Metallketten, die an Haken an die Balken eingehängt werden und abnehmbar sind. Wegen der Einzelheiten der Örtlichkeit wird auf die Farbfotos in der Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 19.4.2005 (Bl. 88, 89 GA) verwiesen.

Am 5.6.2003 wurde das Krad des Klägers aus dem Carport entwendet. Mit Schreiben vom 24.7.2003 lehnte die Beklagte ihre Einstandspflicht ab, weil das Fahrzeug nicht „in einem Einstellraum oder einem befriedeten Gelände abgestellt“ gewesen sei und kündigte den Versicherungsvertrag (Bl. 19 GA).

Mit der Klage hat der Kläger einen Entschädigungsanspruch in Höhe von zuletzt 9.451,00 EUR geltend gemacht.

Die Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit berufen, weil das Motorrad nicht den Anforderungen des § 5 Abs.2 Satz 2 AKB entsprechend abgestellt gewesen sei.

Das ursprünglich angegangene Landgericht Hamburg hat sich für örtlich unzuständig erklärt und hat den Rechtsstreit an das Landgericht Köln verwiesen. Das Landgericht Köln hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beklagte sei leistungsfrei, weil es sich bei dem Carport des Klägers nicht um einen Einstellraum oder umfriedeten Abstellplatz handele.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers. Er macht geltend, der Carport erfülle sowohl die Voraussetzungen des Einstellraums als auch eines umfriedeten Abstellplatzes. Ein Abstellraum sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, auf den abzustellen sei, ein räumliches Gebilde, in das Gegenstände eingebracht oder eingestellt werden können. Eine besondere Sicherheit gegen Diebstahl müsse dieses Raumgebilde nicht haben. Auch das Merkmal eines umfriedeten Abstellplatzes liege vor. Das Hausgrundstück sei schon räumlich von der angrenzenden Straße und dem angrenzenden Fußweg getrennt. Grundstück und Carport stellten einen räumlich geschützten Bereich dar, der allein dem Eigentümer bzw. Nutzer zugewiesen sei. Durch die Kette sei ein durch Schutzwehre gegenüber Dritten abgegrenzter Bereich geschaffen.

Schließlich sei die etwaige Obliegenheitsverletzung nicht vorsätzlich erfolgt.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.451,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.8.2003 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,  die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochten Urteil und macht insbesondere geltend, der Carport sei überwiegend offen zugänglich und biete kein Hindernis gegen Entwendung. Damit sei er kein Einstellraum. Außerdem fehlten durchgängige Schutzwehre, die den geschützten Bereich auch tatsächlich abgrenzten, so dass auch kein umfriedeter Abstellplatz gegeben sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze verwiesen.

II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch in Höhe von jedenfalls 9.451,00 EUR auf Grund der Teilkaskoversicherung gemäß den §§ 1, 49 VVG, 5 Abs. 2,12 Nr. 1 I b) AKB zu.

1. In der Fahrzeugversicherung besteht Versicherungsschutz als Ruheversicherung in Form der Teilkaskoversicherung nach § 5 Abs. 2 S. 1 AKB.

Für diesen Fall ist in § 5 Abs. 2 S. 2 AKB bestimmt, dass das Fahrzeug außerhalb des Einstellraumes oder des umfriedeten Abstellplatzes nicht gebraucht oder nicht nur vorübergehend abgestellt werden darf. Wird diese Obliegenheit verletzt, so ist der Versicherer nach § 5 Abs. 2 S. 3 AKB von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, dass die Verletzung ohne Wissen und Wollen des Versicherungsnehmers erfolgt und von ihm nicht grob fahrlässig ermöglicht worden ist.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Carport des Klägers nicht um einen Einstellraum. Darunter ist ein mit Seitenwänden und Dach versehener Raum zu verstehen, der nicht frei zugänglich sein darf (vgl. OLG Celle, ZfS 1992, 269; Stiefel/Hofmann, a.a.O., § 5, Rn 15; differenzierend für Carport mit einer offenen Seite Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 5 AKB, Rn 8). Erfasst werden sollen insbesondere Garagen, Hallen und Scheunen, also Räume mit besonderem Schutz gegen unbefugtes Betreten.

Der Carport des Klägers ist aber als umfriedeter Abstellplatz im Sinne der AKB anzusehen. Umfriedeter Abstellplatz ist ein geschlossener Hofraum oder umzäunter freier Platz, nicht aber ein Gelände, das von der öffentlichen Straße her ohne weiteres frei zugänglich ist (vgl. Senat, r+s 2003, 232; OLG Celle, ZfS 1992, 269, Stiefel/Hofmann, a.a.O., § 5 AKB, Rn 15). Der Bereich muss durch Schutzeinrichtungen wie Mauern, Zäune, Hecken oder Gräben gegenüber Dritten abgegrenzt sein (vgl. Knappmann in Prölss/Martin VVG, § 5 AKB, Rn 9). Der „umfriedete Abstellplatz“ ist ähnlich zu verstehen wie der Begriff des „befriedeten Besitztums“ in § 123 Abs. 1 StGB (vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 123, Rn. 8 m.w.N.). Es muss ein erkennbarer „eingehegter“ Bereich vorliegen.

Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 S.2 AKB soll das Risiko des Abstellens außerhalb eines umfriedeten Bereichs, etwa bei einer Laternengarage, ausschalten. Die Abgrenzung darf nicht vorwiegend nur symbolischen oder psychologischen Charakter haben. Der Schutz muss aber nicht lückenlos sein (vgl. auch OLG Frankfurt, SP 1994, 90; Knappmann, a.a.O., § 5 AKB, Rn 9). Ein verschlossener Abstellplatz wird nicht verlangt. Ausreichend ist jedenfalls, wenn der Platz in einen gewissen Schutzbereich einbezogen ist. So liegt es hier.

Eine solche Schutzeinrichtung ist in der Begrenzung rechts und hinten durch die Mauer und links und vorne durch die eingehängten stabilen Metallketten zwischen den massiven Holzbalken zu sehen (ebenso für einen durch Ketten gesicherten Privatparkplatz Tröndle/Fischer, a.a.O., § 123, Rn 9). Die Ketten in Verbindung mit den Balken sorgen für eine deutliche tatsächliche Abgrenzung gegenüber dem frei zugänglichen Bereich.

Demnach besteht keine Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung nach § 5 Abs. 2 S. 2 AKB.

Für die Höhe des Anspruchs ist nach § 13 AKB in der vorliegenden Fassung der Wiederbeschaffungswert maßgebend. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Bewertungsgutachten des Sachverständigen C. vom 9.7.2003 (Bl 20 GA) ist als Wiederbeschaffungswert ein Betrag von 9.800,00 EUR anzusetzen. Dieser Berechnung hat sich der Kläger angeschlossen. Unter Berücksichtigung der Selbstbeteiligung ist der geltend gemachte Betrag jedenfalls gerechtfertigt.

2. Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Es handelt sich um eine Entscheidung, die einen Einzelfall betrifft und von der tatsächlichen Ausgestaltung des Carports abhängt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 281 Abs. 3, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 9.451,00 EUR

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