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Vollkaskoversicherung – Leistungsfreiheit bei Falschangaben zum Unfallhergang

LG Münster – Az.: 15 S 13/17 – Beschluss vom 02.05.2018

Die Kammer weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das am 11.04.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Münster (Az. 7 C 3468/15) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten aus einer für seinen Mercedes ML 350 abgeschlossenen Vollkaskoversicherung auf Zahlung von Reparaturkosten in Höhe von 4.926,16 € mit der Behauptung in Anspruch, er habe am 01.07.2015 auf der Thierstraße in Münster in Fahrtrichtung Amelsbüren in Höhe Haus … mit dem Wagen einen Unfall erlitten, bei dem er mit einer Leitplanke kollidiert sei.

Der Beklagte hat die vom Kläger zum behaupteten Unfallhergang vorgetragenen Umstände bestritten und in Abrede gestellt, dass ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall vorliegt. Er hat nach Einholung eines Gutachtens die Auffassung vertreten, dass aufgrund dort im Einzelnen näher dargelegter Umstände der Verdacht bestehe, dass der Kläger den Unfall – wenn der Unfall überhaupt stattgefunden habe – vorsätzlich herbeigeführt habe.

Das Amtsgericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2016 (Bl. 125 ff. d. GA) persönlich angehört und zu der Frage, ob die dokumentierten Beschädigungen an dem Mercedes des Klägers durch den von diesem behaupteten Unfall entstanden sind, ein Gutachten des Sachverständigen … eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 12.09.2016 (Bl. 140 ff. d. GA) Bezug genommen.

Durch die angegriffene Entscheidung ist die Klage abgewiesen worden. Das Amtsgericht hat seine Entscheidung, auf die zur näheren Darstellung und Begründung verwiesen wird, im Kern darauf gestützt, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass die geltend gemachten Schäden auf dem streitgegenständlichen Unfallereignis beruhen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlich gestellten Antrag weiter. Er wiederholt seinen Vortrag aus erster Instanz und meint, das Amtsgericht habe eine Überraschungsentscheidung getroffen und dem Kläger auf diese Weise die Möglichkeit genommen, Beweis für seine Behauptung, dass die als unfallfremd festgestellten PKW-Schäden im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaskoversicherungsvertrages noch nicht vorlagen, anzubieten. Da sämtliche Schäden jedenfalls nach Abschluss des Versicherungsvertrages entstanden seien, sei die Frage, auf wie vielen Unfallereignissen die Schäden am Fahrzeug des Klägers beruhen, für die Eintrittspflicht des Beklagten irrelevant.

Der Beklagte verteidigt das Urteil.

Zur ergänzenden Sachverhaltsdarstellung wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

II.

Die Kammer ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht den – hier allein in Rede stehenden – Leistungsanspruch des Klägers wegen eines Unfalls aus A.2.3.2 der vereinbarten AKB 2014 verneint.

1.

Der für den Eintritt eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalles darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat nicht nachweisen können, dass sich der Unfall so, wie er ihn in der Schadensanzeige dargestellt und im vorliegenden Verfahren behauptet hat, ereignet hat.

Der Kläger hat den Unfall ausweislich des in der Akte befindlichen polizeilichen Äußerungsbogen (Bl. 101 ff. d. GA) wie folgt geschildert:

„Am 1.7. fuhr ich um ca. 12:50 Uhr Richtung Amelsbüren Thierstraße als ein schneller PKW um die Kurve meine Spur kreuzte. Um nicht mit dem Fahrer zusammen zu stoßen, sah ich keine andere Möglichkeit und wich rechts in den Leitplanken aus“.

In der Vollkasko-Schadensanzeige (Bl. 105 ff. d. GA) gab der Kläger zum Unfallhergang an:

„… um nicht mit dem Fahrer zusammen zu stoßen, sah ich kein andre Möglichkeit und wich rechts in den Leitplanken aus. Er fuhr zu schnell um die Kurve, ich war gezwungen in den Leitplanken auszuweichen.“

Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung im Termin vom 22.03.2016 (Bl. 125 f. d. GA) erklärte der Kläger:

„Ich bin dann ausgewichen nach rechts und gegen die Leitplanke gefahren (…) kann ich sagen, dass ich zunächst so ca. 70-75 km/h schnell war. Als ich dann das andere Auto bemerkt hab, was auf meine Spur kam und direkt auf mich zugefahren ist, habe ich ein bisschen gebremst und bin dann nach rechts ausgewichen in die Leitplanke“.

Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 12.09.2016 steht fest, dass die Angaben des Klägers mit dem behaupteten Unfall nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.

So hat der Sachverständige, wegen dessen Feststellungen im Übrigen auf das schriftliche Gutachten Bezug genommen wird, nachvollziehbar ausgeführt, dass ein Ausweichen, d. h. ein Lenken des Fahrzeugs in die Leitplanke, mit – bei dem Klägerfahrzeug nicht feststellbaren – Verformungen im Bereich des Erstkontaktes von PKW mit Leitplanke sowie über die gesamte Flanke durchgängig verlaufenen Beschädigungen einhergegangen wäre.

Das Beschädigungsbild lasse sich teilweise – so der Sachverständige weiter – mit einer nur streifenden, verhältnismäßig leichten Berührung mit der Leitplanke zuordnen. Allerdings wäre nach dem festzustellenden Kollisionswinkel von lediglich etwa 2 bis 3 Grad aus unfallanalytischer Sicht dann von einer nahezu parallelen Ausrichtung des Fahrzeugs zu der Leitplanke auszugehen.

Ein solcher Verlauf ist vom Kläger indessen zu keiner Zeit geschildert worden. Er ist auch den allgemein gehaltenen Ausführungen im Rahmen des Schriftsatzes vom 17.10.2016, die Fahrbahn knicke an der Unfallstelle nach links ab, so dass es hier ausreiche, einfach das Lenkrad geradeaus zu belassen, um sich langsam der Leitplanke zu nähren, nicht zu entnehmen.

Das geht zu seinen Lasten.

Denn ob der Kläger, wie er mit der Berufung erstmals ausführt, möglicherweise im versicherten Zeitraum, aber an anderer Stelle und unter anderen Bedingungen mit dem Fahrzeug verunfallt ist, ist unerheblich. Gegenstand der vorliegenden Verfahrens und der Schadensanzeige ist nur der hier vorgetragene Unfall (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2005 – 20 U 228/03).

2.

Im Übrigen steht dem Kläger auch deswegen kein Anspruch auf Gewährung einer Kaskoentschädigung zu, weil er in der Schadensanzeige gegenüber dem Beklagten falsche Angaben zum Unfallhergang gemacht hat und der Beklagte deshalb wegen vorsätzlicher Verletzung der vertraglichen Aufklärungsobliegenheit im Schadensfall nach Buchstabe E.8.1 AKB von ihrer Leistungspflicht gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG in vollem Umfang frei geworden ist.

Nach dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens steht fest, dass sich der klägerseits behauptete Fahrverlauf – willentliches Ausweichen nach rechts – nicht mit den gesicherten Spuren in Einklang bringen lässt. Die objektiv unzutreffenden Angaben des Klägers betreffen den Kern des Unfallgeschehens und nicht nur eine weniger bedeutsame Einzelheit des Unfallhergangs. Denn es stellt einen erheblichen Unterschied für die Beurteilung der Unfallsituation dar, ob das Fahrzeug zur Vermeidung eines mit hoher Geschwindigkeit entgegenkommenden, die eigene Fahrbahn kreuzenden PKW willentlich in die Leitplanke gesteuert wird, oder ob sich in Wahrheit lediglich ein längsachsenparalleler Streifvorgang ereignet hat.

Der Kläger hat im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast auch nicht vorgetragen, wie und weshalb es zu den objektiv falschen Angaben gekommen ist.

Schließlich begegnet die in der Schadensmeldung (Bl. 108 d. GA) enthaltene Belehrung über den möglichen Verlust eines Anspruchs keinen Bedenken.

War der Beklagte bereits wegen der unzutreffenden Schilderung des Unfallhergangs leistungsfrei, kann es im Ergebnis offen bleiben, ob die Leistungsfreiheit auch auf das Verschweigen der durch den Sachverständigen festgestellten, deutlich erkennbaren Vorschäden – die nach den eigenen Angaben des Klägers bei Abschluss der Kaskoversicherung noch nicht vorlagen, also während seiner Besitzzeit entstanden sein sollen – gestützt werden kann.

III.

Dem Kläger wird anheimgestellt, seine Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten binnen zwei Wochen zurückzunehmen. Das Gericht weist darauf hin, dass sich bei der Berufungsrücknahme gemäß Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG die Gerichtsgebühren von 4 auf 2 Gebühren ermäßigen.

 

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