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Vollkaskoversicherung – Erklärung der Reparaturfreigabe – Wirkung

LG Bonn – Az.: 10 O 230/18 – Urteil vom 25.06.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einem (Voll-)kaskoversicherungsvertrag wegen Beschädigung seines Transporters Ford Transit mit amtl. Kennzeichen $$-$$ ### in Anspruch.

Die Parteien waren seit April 2017 durch einen Kaskoversicherungsvertrag betreffend das o.g. Fahrzeug miteinander verbunden (Versicherungsschein vom 30.08.2017/09.10.2017, Anlage K 1, lautend auf die Fa. „E“, deren Inhaber der – vorsteuerabzugsberechtigte – Kläger ist). Hierbei wurde die Geltung der AKB 2016 der Beklagten vereinbart (Anlage B 1, Bl. 33ff.). Vertraglich vereinbart war u.a. eine Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 Euro. Zunächst bestand lediglich eine Teilkaskoversicherung. Diese wurde jedoch auf Antrag des Klägers ab 28.08.2017 in eine Vollkaskoversicherung umgewandelt, ehe der Kläger mit Schreiben vom 16.11.2017 (Anlage B 2, Bl. 109 d.A.) gegenüber der Beklagten sodann erklärte, er kündige die Vollkaskoversicherung wieder, der Vertrag solle nunmehr wieder als Teilkaskoversicherung weitergeführt werden.

Der Kläger meldete der Beklagten zu einem nicht näher vorgetragenen Zeitpunkt einen Schaden vom 05.10.2017 und legte einen – nicht zur Akte gereichten – Kostenvoranschlag der Fa. F vor, worauf die Beklagte eine Reparaturfreigabe erklärte. Gleichwohl holte die Beklagte hiernach ein Sachverständigengutachten G vom 29.11.2017 (Anlage K 2) ein, welches zu einem Reparaturkostenaufwand von (netto) 6.390,94 Euro gelangt.

Mit Schreiben vom 30.11.2017 (Anlage B 3, Bl. 110 d.A.) erklärte der Kläger schließlich die Kündigung des Versicherungsvertrags wegen Geschäftsaufgabe.

Mit Schreiben vom 26.03.2018 (Anlage K 4) lehnte die Beklagte vorprozessual eine Regulierung ab.

Der Kläger behauptet, am 05.10.2017 habe er mit dem in seinem Eigentum stehenden und von ihm geführten Fahrzeug die A-Straße in H befahren und sei beim Abbiegen auf den rechtsseitig der Straße gelegenen Parkplatz seiner Büroräume mit der rechten Fahrzeugseite gegen einen „hohen Bordstein“ gestoßen, da er sich aufgrund der Länge des Fahrzeugs verschätzt habe. Hierdurch sei am PKW ein Schaden mit einem Reparaturkostenaufwand in Höhe von 6.390,94 Euro entstanden (Gutachten G vom 29.11.2017 in Anlage K 3), welcher abzüglich Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 Euro und zuzüglich Kostenpauschale von 25,00 Euro die Klageforderung bildet. Die Reparatur habe der Kläger zum nämlichen Preis sach- und fachgerecht bei der Fa. F durchführen lassen, worüber die Rechnung vom 13.12.2017 (Anlage K 3) Auskunft gebe.

Der Versicherungsvertrag sei lediglich aufgrund sprachlicher Missverständnisse zunächst ohne Vollkasko abgeschlossen worden. Die unter dem 30.11.2017 erklärte Kündigung beruhe auf zwischenzeitlicher Liquidation seiner Firma.

Er beantragt,

1.  die Beklagte zu verurteilen, ihn von seiner Verpflichtung zur Zahlung der Reparaturkosten in Höhe von 6.115,94 Euro netto gegenüber der Fa. F gemäß der Reparaturrechnung vom 13.12.2017 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen;

2.  die Beklagte zu verurteilen, ihn von seiner Verpflichtung zur Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,50 Euro netto gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet den Versicherungsfall dem Grunde und der Höhe nach. Sie bestreitet namentlich das Eigentum des Klägers am versicherten Fahrzeug, den Unfall als solchen, die Unfallzeit, den Unfallort sowie die Kausalität des Schadens bzw. dessen Kompatibilität mit dem vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 15.01.2019 und 04.06.2019 (Bl. 118f. bzw. 148ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C, D und B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird gleichfalls auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2019 (Bl. 148ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Versicherungsleistung gegen die Beklagte aus § 1 S.1 VVG i.V.m. mit dem zeitweise bestehenden Vollkaskoversicherungsvertrag als einzig in Betracht kommender Anspruchsgrundlage nicht zu.

a)

Die Beklagte ist mit Einwendungen in diesem Rechtsstreit nicht ausgeschlossen, nachdem sie dem Kläger gegenüber unstreitig eine – nicht zur Akte gereichte – Reparaturfreigabe erklärt hat. Denn der Freigabeerklärung kommt – im Gegensatz etwa zu einer Kostenübernahmeerklärung des Versicherers – aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht die rechtliche Wirkung eines Anerkenntnisses bezüglich der Einstandspflicht des Versicherers zu, sondern allein die Bedeutung, dass der Versicherer hiermit erklärt, der Versicherungsnehmer dürfe den Zustand der beschädigten Sache nunmehr durch Reparatur verändern (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10. 8. 2006 – 7 U 73/06, r+s 2007, 238). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers die Reparaturfreigabe bereits auf den von ihm der Beklagten vorgelegten bloßen Kostenvoranschlag abgegeben wurde, also offenbar noch vor der durch die Beklagte selbst beauftragten Begutachtung durch den Sachverständigen G.

b)

Die Kammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu der notwendigen Überzeugung eines Versicherungsfalles in versicherter Zeit gelangt.

Sie hat dabei weniger Zweifel an dem Versicherungsfall als solchem, welcher von den Zeugen weitgehend glaubhaft und in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Klägers und seiner Angaben im Rahmen seiner persönlichen Anhörung bestätigt wurde (auch wenn von Zeugen in der Schadenmeldung – ausdrücklich – noch keine Rede war, vgl. Bl. 126ff. [128])

Offen geblieben ist aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls der hier streitentscheidende Zeitpunkt des behaupteten Schadenseintritts am 05.10.2017.

In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem kurz vor dem behaupteten Versicherungsfall die vormals bestehende Teilkaskoversicherung um eine Vollkaskoversicherung erweitert und kurz nach Eintritt des behaupteten Versicherungsfalls wieder in eine reine Teilkaskoversicherung rückumgewandelt wird (vollkaskoversicherter Zeitraum 28.08.2017 bis 16.11.2017), kommt dem Umstand, wann genau der Versicherungsfall sich ereignet hat, entscheidende Bedeutung zu und sind an den Nachweis des von der Beklagten zulässigerweise mit Nichtwissen bestrittenen exakten Schadenszeitpunkts naturgemäß strenge Anforderungen zu stellen. Insoweit liegen die Dinge hier anders als in dem Fall, das der zitierten Entscheidung des OLG Stuttgart vom 17.11.2016 – 7 U 34/16 – NJW – RR 2017, 613, zugrunde liegt.

Die vernommenen Zeugen haben den Beweis für den Vortrag des Klägers, der Schaden sei am 05.10.2017 eingetreten, nicht zur Überzeugung der Kammer zu erbringen vermocht. Der Zeuge B war – aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung (Zustand nach Schlaganfall) – hierzu ohnehin unergiebig, da er kaum überhaupt situationsadäquate Antworten geben konnte. Die Zeugin D war gleichermaßen unergiebig, da sie angab, sich an den Zeitpunkt des Schadenseintritts nicht erinnern zu können. Lediglich die Zeugin C bekundete, der Schaden müsse sich nach ihrer Erinnerung „in den letzten drei Monaten vor dem Ende des Jahres“ ereignet haben. Nahezu wortgleich hatte sich bereits der Kläger selbst im Rahmen seiner persönlichen Anhörung geäußert, den vorgetragenen Sachverhalt selbst also ebenfalls nur äußerst vage bestätigt. Eine Parteivernehmung war insoweit nicht veranlasst, da der Kläger bereits in der ersten mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden war und zum Beweis der von ihm aufgestellten Behauptung immerhin drei Zeugen (nach-)benannt hat. Es ist nicht anzunehmen, dass sich seine Angaben im Rahmen einer Parteivernehmung geändert hätten.

Die oben wiedergegebene Angabe der Zeugin C ist in ihrer Ungenauigkeit ersichtlich nicht geeignet, den vorgetragenen konkreten Schadenszeitpunkt 05.10.2017 als bewiesen anzusehen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der behauptete Schadenseintritt am äußersten Rand der genannten Periode liegt, was den Rückschluss zulässt, dass sich die Zeugin C nur äußerst ungenau überhaupt an den Zeitpunkt des Unfalls erinnern konnte. Vor diesem Hintergrund lässt sich letztlich auch ein Vorfall vor dem 28.08.2017 nicht sicher ausschließen. Gleiches gilt in Ansehung der vorgetragenen Abläufe für den Zeitraum nach dem 16.11.2017, unter dem der Kläger die Vollkaskoversicherung wieder kündigte und auf eine Teilkaskoversicherung umstellen ließ. Denn über den Zeitpunkt der Schadenmeldung ist nichts Näheres bekannt. Aus dem Gutachten G vom 29.11.2017 geht lediglich hervor, dass die Beauftragung zur Gutachtenerstellung am 22.11.2017 erfolgte. Hierauf kommt es aber letztlich nicht einmal an, da jedenfalls der dem Kläger obliegende Beweis für ein versichertes Ereignis gerade an einem bestimmten vom ihm behaupteten Tag nicht erbracht ist. Dies wäre in der vorliegenden Konstellation aber erforderlich. Das Günstigste, was man vor diesem Hintergrund aus den Zeugenaussagen für den Kläger herleiten kann, ist, dass diese dem von ihm vorgetragenen Zeitpunkt jedenfalls nicht widersprochen haben. Bewiesen ist er hierdurch aber nicht, zumal es an objektiven Anknüpfungstatsachen fehlt. Es reicht nicht, dass der behauptete Schadentag formal – gerade noch – in den von der Zeugin C angegebenen vagen Dreimonatszeitraum fällt.

Auf dieser Grundlage konnte die Kammer naturgemäß nicht die erforderliche Gewissheit darüber erlangen, ob der streitgegenständliche Transporter zum vorgetragenen vollkaskoversicherten Zeitpunkt  beschädigt wurde.

2.

Die neben der Hauptforderung geltend gemachten Nebenforderungen teilen das rechtliche Schicksal der nach dem oben Gesagten unbegründeten Hauptforderung und sind demgemäß gleichfalls unbegründet.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

Streitwert: 6.115,94 EUR

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