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Vollkasko-Versicherung – Trunkenheitsfahrt mit 0,84 Promille – Leistungsfreiheit

LG Bielefeld – Az.: 8 O 428/19 – Urteil vom 09.04.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger unterhielt bei dem Beklagten eine Kfz-Versicherung für das Fahrzeug Mercedes-Benz GLK 350 mit dem amtlichen Kennzeichen XXXX unter Einschluss einer Vollkasko-Versicherung mit einer Selbstbeteiligung von 300,00 EUR. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) – Stand 10/2018 zugrunde.

Unter A.2.9.1. der AKB heißt es:

„Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die Sie vorsätzlich herbeiführen. Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen, allerdings nur, soweit es sich um die Entwendung des Fahrzeugs oder seiner Teile und Zubehörteile handelt oder um die Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung der AKB (Anlage B1, Bl. 87 ff. d.A.) Bezug genommen.

In der Nacht vom 04. auf den 05.01.2019 befuhr der Kläger mit dem versicherten Fahrzeug unter anderem die T.straße in I.. Vor Fahrtantritt hatte er jedenfalls eine ½ bis ¾ Flasche Wein konsumiert. Er unternahm die Fahrt, um sich an einer Tankstelle weiteren Alkohol in Gestalt einer Flasche Wodka zu kaufen. Auf der Rückfahrt von der Tankstelle kam er gegen 00:02 Uhr in Höhe der Hausnummern xxx / zzz mit dem Fahrzeug von der Fahrbahn nach rechts ab, überfuhr einen Leitpfosten und kollidierte etwa 20 Meter hinter dem Leitpfosten mit einem rechts neben der Fahrbahn stehenden Baum.

Die Unfallörtlichkeit liegt innerorts, die Geschwindigkeit ist auf 50 km/h begrenzt.

Gegenüber der gegen 00:19 Uhr am Unfallort eintreffenden Polizeibeamten gab der Kläger an, dass die Fahrbahn auf Grund des Laubes wohl etwas rutschig gewesen sei. Bei dem Kläger wurde eine Flasche Wodka gefunden und sichergestellt.

Vollkasko-Versicherung – Trunkenheitsfahrt mit 0,84 Promille - Leistungsfreiheit
(Symbolfoto: Redaktion93/Shutterstock.com)

Die dem Kläger am 05.01.2019 um 01:25 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 0,84 Promille.

In der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige wurde vermerkt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutprobe schlief und für ein Gespräch nicht erweckbar gewesen sei. In dem ärztlichen Bericht über die anschließende Untersuchung wurde festgehalten, dass der Gang des Klägers torkelnd, die plötzliche Kehrtwendung nach vorherigem Gehen unsicher, die Auslenkung nach dem Drehnystagmus schnell, sowohl die Finger- als auch die Finger-Nasenprüfung unsicher, die Sprache verwaschen, das Bewusstsein benommen, der Denkablauf sprunghabt, das Verhalten insgesamt verlangsamt und die Stimmung stumpf sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtungen der Verkehrsunfallanzeige (Anlage B2, Bl. 108 ff. d.A.), den ärztlichen Befundbericht Labor O. zur Blutprobe vom 08.01.2019 (Anlage B3; Bl. 112 d.A.) und den ärztlichen Bericht vom 05.01.2019 (Anlage B4, Bl. 113 d.A.) Bezug genommen.

Wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs wurde der Kläger durch inzwischen rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts I. (Az.: 3 Cs-302 Js 791/19-499/19) vom 29.04.2019 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 70,00 EUR verurteilt; ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre für die Wiedererteilung bestimmt.

Der Kläger meldete den Schaden an dem versicherten Fahrzeug gegenüber dem Beklagten zur Regulierung unter Bezugnahme auf ein eingeholtes Gutachten des Sachverständigen U. K. vom 01.02.2019 (Anlage K2, Bl. 20 ff. d.A.) an. Aus diesem Gutachten ergaben sich Reparaturkosten in Höhe von ca. 30.000,00 EUR, ein Wiederbeschaffungswert in Höhe von 16.780,49 EUR sowie ein Restwert in Höhe von 2.345,00 EUR.

Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 08.03.2019 dem Kläger gegenüber Versicherungsleistungen mit der Begründung ab, dass beim Kläger ein Blutalkoholgehalt festgestellt worden sei. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.04.2019 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Zahlung von 14.135,49 EUR auf.

Der Kläger hat zunächst schriftsätzlich behauptet, Ursache für das Abkommen von der Fahrbahn seien allein die schlechten Witterungsverhältnisse zum Unfallzeitpunkt gewesen. Unmittelbar vor der Unfallörtlichkeit beginne in Fahrtrichtung U. eine Linkskurve. Zum Unfallzeitpunkt hätten schlechte Witterungsverhältnisse geherrscht. Die Fahrbahn sei nass gewesen und es habe geregnet. Die Straßenoberfläche sei mit Laub bedeckt gewesen.

Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 17.07.2020 hat er behauptet, dass es an der Unfallstelle nass gewesen sei, Laub habe auf der Straße gelegen und er sei auch in Gedanken gewesen. Deshalb sei er von der Straße abgekommen. Plötzlich sei vor ihm ein Baum aufgetaucht und er habe stark gebremst. Das Auto sei dann auf der Straße geradeaus gerutscht. Er wisse nicht mehr genau, warum er von der Straße abgekommen sei. Er sei in Gedanken gewesen.

Schließlich hat der Klägerin in seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 12.03.2021 behauptet, die die damaligen Straßenverhältnisse Schuld an dem Unfall gewesen seien. Neben Nässe und Laub sei auch der Straßenbelag beschädigt gewesen. Er wisse nicht mehr, was er unmittelbar vor der Kollision getan habe. Er müsse wohl abgelenkt gewesen sein. Vielleicht habe sich mit dem Bordcomputer beschäftigt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger einen Betrag zu zahlen in Höhe von 14.135,49 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.04.2019;

2. den Kläger von den außergerichtlichen Gebührenforderungen der Rechtsanwälte R., freizustellen, somit in Höhe von 1.029,35 EUR.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, der Anspruch des Klägers sei um 100% zu kürzen. Es lägen zumindest eine relative Fahruntüchtigkeit sowie ein alkoholbedingter Fahrfehler vor, weil kein erkennbarer Grund für einen Unfall gegeben sei. Er trägt hierzu vor, dass ausweislich der Verkehrsunfallanzeige der Straßenzustand mit „nass (auch feucht)“ beschrieben worden sei. Die Straßenbeleuchtung sei intakt gewesen. Beim Eintreffen der Polizeibeamten knapp 20 Minuten nach dem Unfallereignis, hätten diese leichten Regen festgestellt. Nennenswertes Laub gehe aus den polizeilichen Lichtbildern vom Unfallort allerdings nicht hervor, so dass in der Zusammenschau keinesfalls von schlechten Witterungsverhältnissen oder schlechten Straßenverhältnissen die Rede sein könne. Darüber hinaus verlaufe die T.straße im Unfallbereich fast vollständig geradeaus, beschreibe allenfalls einen leichten Linksschwenk. Die Schäden sowohl am Klägerfahrzeug als auch am Baum sowie die Lage der Frontschürze 30 m vom Kollisionsort entfernt ließen den sicheren Schluss zu, dass der Kläger – typisch für alkoholbedingt Fahruntüchtigkeit – ungebremst von der Fahrbahn abgekommen sei.

Überdies bestreitet der Beklagte die Aktivlegitimation des Klägers unter Verweis darauf, dass ein darlehensgestützter Erwerb mit einhergehender Sicherungsübereignung und Abtretung der versicherungsvertraglichen Ansprüche aus der Kasko-Versicherung vorab an den Sicherungsgeber mehr als nahe lägen.

Das Gericht hat die Ermittlungsakten StA Bielefeld – 302 Js 791/19 informatorisch ausgewertet, die Lichtbilder hieraus zum Unfallort (Bl. 11 bis 16 der Ermittlungsakte) in Augenschein genommen, den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. A. H. vom 11.10.2020 (Bl. 198 ff. d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten der geltend gemachten Zahlungsanspruch in Höhe von 14.135,49 EUR aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vollkaskoversicherungsvertrag wegen des Unfallereignisses vom 05.01.2019 nicht zu.

1.

Zwar steht zwischen den Parteien außer Streit, dass das versicherte Fahrzeug bei einem Unfall am 05.01.2019 einen schweren Schaden erlitten hat, indem es von der Fahrbahn abkam und schließlich gegen einen Baum stieß. Damit sind gemäß A.2.2.2 AKB grundsätzlich die Voraussetzungen für einen Leistungsfall in der Vollkaskoversicherung gegeben.

2.

Vorliegend ist für den Beklagten jedoch hinsichtlich der Versicherungsentschädigung Leistungsfreiheit eingetreten.

Ein Recht, die Versicherungsleistung zu kürzen, hat der Beklagte unter den hier gegebenen Umständen laut A.2.9.1. der AKB dann, wenn der Versicherungsfall vom Kläger infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel grob fahrlässig herbeigeführt wurde; diese Regelung schränkt § 81 Abs. 2 VVG – in zulässiger Weise (arg. e c. § 87 VVG) – zugunsten des Versicherungsnehmers ein (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 08.01.2020 – 11 U 197/18).

Hierauf beruft sich der Beklagte vorliegend zu Recht.

a)

Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger den Unfall durch alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit verursacht hat.

aa)

Die um 01:25 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen BAK von 0,84 Promille. Nach der nachvollziehbaren – und von den Parteien auch nicht angegriffenen – Rückrechnung durch den rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. H. in seinem schriftlichen Gutachten vom 11.10.2020 hat zum Unfallzeitpunkt ein BAK-Wert von mindestens 0,88 Promille vorgelegen (insoweit handelt es sich bei der Angabe eines Promillewert von 0,84 auf Seite 3 des Gutachtens ersichtlich um ein bloßes Schreibversehen).

In diesem Bereich ist der Vorwurf der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit nur dann gerechtfertigt, wenn über die getrunkene Alkoholmenge hinaus äußere Anzeichen für alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit vorliegen. Solche äußeren Anzeichen können sich aus alkoholbedingten Ausfallerscheinungen ergeben, die etwa im Blutentnahmeprotokoll festgehalten sind und den Schluss zulassen, der Fahrer habe ernsthafte Anzeichen für seine Fahruntüchtigkeit missachtet. Sie können sich aber auch aus groben Fahrfehlern ergeben, die typischerweise auf Alkoholgenuss zurückzuführen sind. Dabei darf auf die Fahruntüchtigkeit nicht im Wege des Anscheinsbeweises geschlossen werden. Dieser kann erst zur Beantwortung der Frage der Ursächlichkeit der Fahruntüchtigkeit für den Unfall herangezogen werden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 18.02.1999 – 6 U 213/98).

Der Kläger hat objektiv einen groben Fahrfehler begangen, als er ohne ersichtlichen Grund von der Fahrbahn abkam und zunächst mit einem Leitpfosten und dann mit einem Baum kollidierte. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger vor der Kollision noch bremste oder sogar ungebremst gegen den Baum fuhr. Denn es ist jedenfalls nicht verständlich, weswegen er mit seinem Fahrzeug von der Fahrbahn abkam. Ausweislich der in der Ermittlungsakte befindlichen Lichtbilder ist die leichte Linkskurve klar erkennbar. Es ist davon auszugehen, dass die Kurve mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h gefahrlos durchfahren werden kann. Die Straße weist eine normale Fahrbahnbreite für zwei Fahrspuren auf. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf unter 50 km/h ist nicht angeordnet, Warnschilder die auf eine scharfe Kurve hinweisen, sind nicht aufgestellt.

Zwar fand der Unfall zur Nachtzeit statt, die Straße war jedoch durch Straßenlaternen beleuchtet. Laub auf der Fahrbahn in überhaupt nennenswertem Umfang geht aus den polizeilichen Lichtbildern vom Unfallort nicht hervor. Anhaltpunkte für Aquaplaning sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Kläger will nach seinem eigenen Vorbringen ohnehin nicht schneller als 55 km/h gefahren sein. Aus den polizeilichen Lichtbildern ergibt sich lediglich eine regenasse Fahrbahn, jedoch ohne größere Wasseransammlungen. Eine regennasse, durch Straßenlaternen beleuchtete Fahrbahn mit einer leichten Linkskurve stellt sich indes als eine regelmäßig vorkommende Verkehrssituation dar, die ein nüchterner Fahrer ohne Weiteres hätte meistern können. Wenn der Kläger diese Situation nicht gemeistert hat, so ist das ein deutliches Anzeichen dafür, dass er infolge des genossenen Alkohols fahruntüchtig war.

Damit steht es im Einklang, wenn ausweislich der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige (Anlage B2, Bl. 108 ff. d.A.) und dem ärztlichen Bericht vom 05.01.2019 (Anlage B4, Bl. 113 d.A.) bei dem Kläger jedenfalls 83 Minuten nach dem Unfallereignis erhebliche Ausfallerscheinungen (u.a. torkelnder Gang, verwaschene Sprache, benommenes Bewusstsein) vorlagen. Der Kläger hat diese Beschreibungen durch die Polizei und den Arzt auch nicht etwa konkret in Abrede gestellt, sondern sich lediglich überrascht gezeigt über den festgestellten BAK-Wert und darauf verwiesen, dass er an sich keine Ausfallerscheinungen festgestellt habe.

bb)

Die festgestellte alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit war für den Unfall auch ursächlich. Dieses ergibt sich im Wege des Anscheinsbeweises, den der Kläger nicht entkräftet hat (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Er hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich die ernsthafte, nicht nur theoretische, Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt.

Der Kläger hat unmittelbar nach dem Unfall gegenüber den unfallaufnehmenden Polizeibeamten die Vermutung geäußert, dass die Fahrbahn wegen des Laubes wohl etwas rutschig gewesen sei. In seiner persönlichen Anhörung am 17.07.2020 hat er indes angegeben, er wisse nicht mehr genau, warum er von der Fahrbahn abgekommen sei. Er sei in Gedanken gewesen. Dass er tatsächlich durch den Bordcomputer abgelenkt war und deswegen von der Straße abgekommen ist, konnte er in seiner persönlichen Anhörung am 12.03.2021 wiederum nur vermuten.

Die allgemeine Möglichkeit, dass ein derartiger Fahrfehler auch einem Nüchternen etwa wegen Übermüdung oder Ablenkung unterlaufen kann, reicht indes nicht aus, den Anscheinsbeweis zu erschüttern.

Nichts anderes gilt auch, wenn man die in der fraglichen Nacht herrschenden Straßenverhältnisse hinzunimmt, auf die sich der Kläger beruft. Wie bereits unter I. 2. a) aa) der Entscheidungsgründe dargestellt, lässt sich das vom Kläger behauptete rutschige (weil feuchte) Laub auf der Fahrbahn an der Unfallstelle anhand der unmittelbar nach dem Unfallereignis aufgenommenen polizeilichen Lichtbilder (Bl. 11 bis 16 der Ermittlungsakte) nicht feststellen. Letztlich haben auch die unfallaufnehmenden Polizeibeamten, die ausweislich der Verkehrsunfallanzeige nur wenige Minuten nach dem Unfall vor Ort war, kein (feuchtes) Laub auf der Fahrbahn festgestellt, obschon dies aufgrund der Angaben des Klägers vor Ort ohne Weiteres nahe gelegen hätte, wenn dem so gewesen wäre.

Weitergehende Feststellungen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie es der Kläger zuletzt nochmals angeboten hat (Bl. 246 d.A.), sind mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen – der Straßenzustand an der Unfallstelle ist zwischenzeitlich wetterbedingt ein anderer – kein geeignetes Mittel, Erkenntnisse über die behauptete Glätte an der Unfallstelle und, daraus resultierend, Rückschlüsse auf die Ursächlichkeit für das spätere Unfallereignis zu gewinnen. Weitere Beweismittel hat der Kläger für seine Behauptung nicht angeboten.

Kann jedoch nicht von der behaupteten Glätte an der Unfallstelle ausgegangen werden, sondern stellen sich die örtlichen Gegebenheiten lediglich so dar, wie aus der Ermittlungsakte ersichtlich, so sind dies keine Umstände, unter denen auch ein nüchterner Fahrer den Unfall nicht hätte vermeiden können. Vielmehr hätte der Kläger eine solche Verkehrssituation, wie sie regelmäßig vorkommt, ohne Weiteres beherrschen müssen, wäre er nicht alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen.

cc)

Auch in subjektiver Hinsicht trifft den Kläger der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens. Der gesteigerte subjektive Vorwurf ergibt sich vorliegend aus einer mangelnden Selbstprüfung im Hinblick auf seine Fahrfähigkeit. Dass der Kläger selbst angibt, seine Fahruntüchtigkeit nicht erkannt zu haben, kann ihn nicht entlassen. Eine fehlerhafte Selbsteinschätzung des eigenen Fahrvermögens ist typische Folge eines Alkoholkonsums (vgl. LG Flensburg, Urteil vom 24.8.2011 – 4 O 9/11).

b)

Die von dem Beklagten vorgenommene Kürzung ihrer Leistung um 100% ist nicht zu beanstanden.

Die Kürzung im Verhältnis der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers hat unter wertender Betrachtung der maßgeblichen Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls zu erfolgen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.08.2010 – 20 U 74/10). Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die hier gegebene relative Fahruntüchtigkeit keine mildere Form der Fahruntüchtigkeit gegenüber der absoluten Fahruntüchtigkeit darstellt, weil es bei dieser Unterscheidung allein um die Frage des Nachweises geht. Die relative Fahruntüchtigkeit führt in gleicher Weise wie die absolute Fahruntüchtigkeit zu dem Vorliegen einer Straftat nach den §§ 315c bzw. 316 StGB; die relative Fahruntüchtigkeit ist der gesetzliche Grundfall des § 316 StGB. Dementsprechend ist die Kläger hier durch Strafbefehl des Amtsgerichts I. vom 29.04.2019 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 70,00 EUR verurteilt worden.

Die Teilnahme am Straßenverkehr trotz alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ist eine objektiv besonders grobe und schwerwiegende Verkehrswidrigkeit. Bei dem Konsum von Alkohol im Zusammenhang mit dem Führen eines Pkw im Verkehr besteht ein hohes Unfallrisiko mit beträchtlichem Schadensumfang für die versicherte Sache. Zudem kann vorliegend nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Blutalkoholkonzentration mit einem Wert von 0,88 Promille bereits erheblich über dem Bereich der etwa bei 0,3‰ einsetzenden Skala liegt (vgl. OLG Hamm a.a.O.).

Umstände, die das Maß des Verschuldens vorliegend in einem etwas milderen Licht erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteilt: In dem Bewusstsein bereits eine ½ bis ¾ Flasche Wein getrunken zu haben, hat der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen die Fahrt nur deshalb unternommen, weil er sich noch mehr Alkohol besorgen wollte.

II.

Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch des Klägers auf die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zahlung von Zinsen.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 14.135,49 EUR festgesetzt.

 

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