Wegen einer Zwangseinweisung verweigerte die private Krankenversicherung die Kostenübernahme und berief sich auf die Verwahrungsklausel private Krankenversicherung. Das Oberlandesgericht Rostock deutete nun überraschend an, dass die richterliche Unterbringung dennoch eine versicherte Heilbehandlung darstellen könnte.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Zahlt die private Krankenversicherung bei einer Zwangseinweisung?
- Worauf stützte die Versicherung ihre Ablehnung?
- Warum sah der Patient das anders?
- Wie bewertete das Oberlandesgericht Rostock den Streit?
- Kann eine Zwangseinweisung gleichzeitig eine Heilbehandlung sein?
- Warum reichte die Chance auf einen Beweis für die Prozesskostenhilfe?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann lehnt meine private Krankenversicherung die Kosten für eine Zwangseinweisung ab?
- Gilt eine gerichtlich angeordnete Unterbringung automatisch als Verwahrung statt Heilbehandlung?
- Wie weise ich nach, dass meine stationäre Unterbringung primär der Behandlung diente?
- Was tun, wenn ich mir eine Klage gegen die PKV wegen der Psychiatrie-Kosten nicht leisten kann?
- Welche Risiken ergeben sich aus der Verwahrungsklausel in meinem privaten Krankenversicherungsvertrag?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 W 31/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Rostock
- Datum: 15.12.2021
- Aktenzeichen: 4 W 31/21
- Verfahren: Beschwerdeverfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe
- Rechtsbereiche: Private Krankenversicherung, Prozesskostenhilfe, Unterbringungsrecht
- Das Problem: Ein Mann war in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht und sollte die hohen Kosten selbst tragen. Seine private Krankenversicherung verweigerte die Zahlung mit der Begründung, es handle sich um eine nicht versicherte „Verwahrung“.
- Die Rechtsfrage: Gilt eine gerichtlich angeordnete Unterbringung in der Psychiatrie automatisch als bloße „Verwahrung“ und schließt damit die Leistungspflicht der privaten Krankenversicherung aus?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht gewährte dem Mann Prozesskostenhilfe für seine Klage. Die Leistungspflicht ist nicht automatisch ausgeschlossen, nur weil die Unterbringung behördlich angeordnet wurde.
- Die Bedeutung: Private Krankenversicherer müssen im Einzelfall prüfen und können psychiatrische Unterbringungen nicht pauschal als nicht versicherte Verwahrung ablehnen. Versicherte können verlangen, dass gerichtlich durch ein Sachverständigengutachten geklärt wird, ob die Heilbehandlung im Vordergrund stand.
Der Fall vor Gericht
Zahlt die private Krankenversicherung bei einer Zwangseinweisung?
„Behandlung“ oder „Verwahrung“? Zwei Wörter, die für einen Mann in einer psychiatrischen Klinik einen Unterschied von über 58.000 Euro machten.

Für seine private Krankenversicherung war der Fall klar: Die Einweisung in die geschlossene Abteilung diente der Sicherheit – also der Verwahrung. Damit war die Leistungspflicht laut Vertrag ausgeschlossen. Der Patient sah sich als Opfer einer schweren Krankheit, die eine Heilbehandlung erforderte. Ein Gericht musste nun klären, ob eine Tür, die zur Sicherheit verschlossen wird, gleichzeitig eine Tür zu einem Behandlungsraum sein kann.
Worauf stützte die Versicherung ihre Ablehnung?
Die private Krankenversicherung zog eine spezifische Klausel aus ihrem Vertragswerk: die sogenannte Verwahrungsklausel nach § 5 Teil I Nr. 1 h) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Diese Klausel schließt eine Kostenübernahme für eine Unterbringung aus, die durch „Pflegebedürftigkeit oder Verwahrung“ bedingt ist. Die Logik der Versicherung war simpel. Der Mann wurde auf richterliche Anordnung in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Grundlage waren Gesetze wie das Psychisch-Kranken-Gesetz Mecklenburg-Vorpommern (PsychKG M-V), die dem Schutz des Patienten selbst oder anderer dienen. Aus Sicht der Versicherung war das ein reiner Sicherungsakt – eine Verwahrung. Die Behandlung der paranoiden Schizophrenie trat dahinter zurück. Der Staat schütze die Allgemeinheit. Die Kosten dafür solle nicht die Gemeinschaft der Versicherten tragen.
Warum sah der Patient das anders?
Der Patient stellte den Zweck seines Aufenthalts in den Mittelpunkt. Er argumentierte, seine Einweisung sei keine bloße Sicherheitsmaßnahme gewesen. Sie war die Voraussetzung für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung seiner akuten psychotischen Symptome. Die Ärzte hätten ihn mit Medikamenten versorgt, um seine Erkrankung zu lindern und eine Besserung zu erzielen. Er war nicht zur Aufbewahrung dort, sondern zur Therapie. Sein Aufenthalt war ein Versicherungsfall im Sinne von § 1 der AVB. Er bot an, dies durch ein Sachverständigengutachten beweisen zu lassen. Um seine Klage auf Freistellung von den Klinikkosten überhaupt führen zu können, beantragte er Prozesskostenhilfe. Das Landgericht Stralsund lehnte ab. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg.
Wie bewertete das Oberlandesgericht Rostock den Streit?
Das Oberlandesgericht Rostock kippte die Entscheidung des Landgerichts und bewilligte die Prozesskostenhilfe. Die Richter sahen die Sache weitaus differenzierter als die Vorinstanz und die Versicherung. Sie stellten klar, dass der Zugang zu den Gerichten für mittellose Menschen nicht durch eine vorschnelle Bewertung einer schwierigen Rechtsfrage versperrt werden darf. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hängt nach § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) davon ab, ob eine Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht hat. Diese Aussicht verneinten die Richter nicht.
Der Knackpunkt war die Auslegung der Verwahrungsklausel. Das Gericht erklärte den Sinn dieser Regelung. Sie soll die Versicherung vor Kosten schützen, wenn eine Krankheit ein Stadium erreicht, in dem es nicht mehr um Heilung oder Linderung geht. Ein Beispiel wäre die dauerhafte Unterbringung eines pflegebedürftigen Menschen ohne konkretes Behandlungsziel. Der Aufenthalt des Patienten fiel nicht automatisch in diese Kategorie.
Kann eine Zwangseinweisung gleichzeitig eine Heilbehandlung sein?
Ja – und das war die zentrale Erkenntnis des Gerichts. Die Richter analysierten die Gesetze, die zur Unterbringung des Mannes führten. Das Psychisch-Kranken-Gesetz (§ 11 PsychKG M-V) nennt zwei gleichberechtigte Ziele: die Abwendung von Gefahren UND die Behandlung des Kranken. Das eine schließt das andere nicht aus.
Noch deutlicher wurde es bei den späteren Beschlüssen, die auf Antrag des Betreuers des Mannes ergingen. Diese stützten sich auf § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser Paragraph erlaubt eine Freiheitsentziehung ausdrücklich, um eine notwendige Heilbehandlung durchzuführen, deren Notwendigkeit der Patient selbst nicht einsehen kann. Eine Unterbringung auf dieser Grundlage verfolgt per Definition einen Behandlungszweck. Die pauschale Annahme der Versicherung – Zwangseinweisung gleich Verwahrung – war damit vom Tisch.
Warum reichte die Chance auf einen Beweis für die Prozesskostenhilfe?
Das Oberlandesgericht machte einen prozessualen Punkt glasklar. Die Frage, ob der Aufenthalt des Mannes primär der Behandlung oder der Verwahrung diente, ist eine Tatfrage. Sie kann nicht am Schreibtisch entschieden werden. Der Patient hatte angeboten, durch ein Gutachten zu beweisen, dass die medizinische Behandlung im Vordergrund stand. Dieses Beweisangebot durfte das Gericht im Prozesskostenhilfe-Verfahren nicht ignorieren.
Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt es, wenn der Ausgang des Prozesses von einer Beweisaufnahme abhängt. Ob das Gutachten am Ende die Sicht des Patienten bestätigt, ist eine Frage des Hauptverfahrens. Ihm die Chance zu nehmen, diesen Beweis überhaupt erst antreten zu können, würde seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen. Die Richter öffneten dem Mann die Tür zum Gerichtssaal. Er darf nun mit finanzieller Unterstützung des Staates beweisen, dass sein Aufenthalt in der geschlossenen Psychiatrie eine bezahlpflichtige Heilbehandlung war.
Die Urteilslogik
Die rechtliche Einordnung einer Zwangseinweisung muss den dualen Zweck der Maßnahmen erkennen, da Sicherungsakte die Notwendigkeit einer Heilbehandlung nicht automatisch aufheben.
- Die Verwahrungsklausel greift nicht automatisch bei Zwangseinweisung: Eine behördlich oder gerichtlich angeordnete Unterbringung erfüllt gleichzeitig den Zweck der Heilbehandlung, auch wenn sie primär der Gefahrenabwehr dient.
- Der Zweck der Unterbringung erfordert Beweisführung: Ob die Behandlung oder die bloße Verwahrung im Vordergrund steht, ist eine komplexe Tatfrage, die im Hauptverfahren durch medizinische Gutachten geklärt werden muss.
- Prozesskostenhilfe sichert den Zugang zum Beweis: Die Aussichtslosigkeit einer Klage darf nicht vorschnell angenommen werden, wenn der Prozesserfolg von der Klärung komplexer Tatfragen durch eine notwendige Beweisaufnahme abhängt.
Nur eine differenzierte juristische Betrachtung des medizinischen Zwecks gewährleistet, dass Versicherte ihre vertraglichen Ansprüche im Streitfall durchsetzen können.
Benötigen Sie Hilfe?
Verweigert Ihre PKV die Kostenübernahme bei psychiatrischer Unterbringung? Kontaktieren Sie uns für eine fundierte erste rechtliche Einschätzung Ihrer Ablehnung.
Experten Kommentar
Viele private Krankenversicherer versuchen, eine psychiatrische Zwangseinweisung vorschnell als reine Sicherheitsmaßnahme abzustempeln, um die Leistungspflicht über die Verwahrungsklausel loszuwerden. Das Gericht hat dieser simplen Schreibtischlogik eine konsequente Absage erteilt, indem es die Verknüpfung von Gefahrenabwehr und Heilbehandlung in den Unterbringungsgesetzen unterstrich. Eine verschlossene Tür schließt demnach eine medizinisch notwendige Therapie nicht automatisch aus, solange der Behandlungszweck im Vordergrund steht. Für Versicherte ist das die strategisch wichtige Erkenntnis: Wer nachweisen kann, dass eine akute Krankheit behandelt wurde, entkräftet die Ausschlussklausel – diesen Beweis zu führen, muss die PKV im Hauptverfahren zulassen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann lehnt meine private Krankenversicherung die Kosten für eine Zwangseinweisung ab?
Private Krankenversicherungen (PKV) lehnen die Kostenübernahme für eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie fast immer ab. Sie berufen sich dabei auf die sogenannte Verwahrungsklausel in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), meistens § 5 Teil I Nr. 1 h). Die Versicherung argumentiert, dass der Aufenthalt primär der Sicherung des Patienten oder Dritter diente und nicht der aktiven Heilbehandlung. Damit versuchen sie, die Leistungspflicht vertraglich auszuschließen.
Die Ablehnung stützt sich auf die Logik, dass eine Einweisung nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) einen reinen Akt der Gefahrenabwehr darstellt. Da die richterliche Anordnung eine Freiheitsentziehung zur Abwendung akuter Eigen- oder Fremdgefährdung war, interpretiert die PKV dies als reine Verwahrung. Aus Sicht der Versicherung tritt die notwendige Behandlung der psychotischen Symptome hinter dem Sicherungszweck zurück. Diese Regelung soll die Versichertengemeinschaft vor Kosten für dauerhafte Aufbewahrung schützen.
Stehen Sie vor dieser Ablehnung, sehen Sie sich schnell mit sehr hohen Rechnungen, oft über 50.000 Euro, konfrontiert. Es ist entscheidend, in der Korrespondenz nicht nur die akute Gefährdung zuzugeben. Betonen Sie stattdessen konsequent, dass die Unterbringung nur die notwendige Voraussetzung war, um die aktive Heilbehandlung überhaupt durchführen zu können. Eine gerichtliche Einweisung schließt die therapeutische Notwendigkeit nicht automatisch aus, wie höhere Gerichte bereits klargestellt haben.
Fordern Sie umgehend eine vollständige Kopie des richterlichen Unterbringungsbeschlusses sowie alle ärztlichen Aufnahme- und Behandlungsberichte bei der Klinik an.
Gilt eine gerichtlich angeordnete Unterbringung automatisch als Verwahrung statt Heilbehandlung?
Nein, die bloße Tatsache einer richterlich angeordneten Unterbringung in der Psychiatrie führt nicht automatisch dazu, dass diese als reine Verwahrung statt Heilbehandlung gilt. Das Oberlandesgericht Rostock stellte klar, dass Sicherungsmaßnahmen und therapeutische Maßnahmen sich nicht gegenseitig ausschließen. Eine private Krankenversicherung kann die Kosten nicht pauschal ablehnen, nur weil die Unterbringung zwangsweise erfolgte.
Die gesetzliche Grundlage der Zwangseinweisung ist für die versicherungsrechtliche Bewertung entscheidend. Viele landesrechtliche Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKG) nennen die Abwendung von Gefahren und die aktive Heilbehandlung als gleichberechtigte Ziele. Die Richter betonten, dass die notwendige Sicherung des Patienten oder Dritter den Behandlungszweck nicht negiert, sondern oft die Voraussetzung dafür ist. Die richterliche Anordnung ermöglicht es erst, die dringend benötigte Behandlung überhaupt durchführen zu können.
Besonders klar wird dies bei Unterbringungen, die auf § 1906 BGB gestützt werden. Dieser Paragraph erlaubt die Freiheitsentziehung ausdrücklich, um eine notwendige Heilbehandlung durchzuführen, deren Notwendigkeit der Patient selbst krankheitsbedingt nicht einsehen kann. Eine Unterbringung auf dieser Grundlage verfolgt per Definition einen Behandlungszweck und gilt daher nicht als reine Verwahrung.
Prüfen Sie, ob in Ihren Unterlagen die Notwendigkeit der Maßnahme auf § 1906 BGB (Heilbehandlung) gestützt wurde – dies ist ein starkes Argument gegen die Verwahrungsinterpretation.
Wie weise ich nach, dass meine stationäre Unterbringung primär der Behandlung diente?
Der juristische Nachweis, dass eine stationäre Unterbringung primär der Heilbehandlung diente, ist eine sogenannte Tatfrage. Dies bedeutet, dass die Frage nicht pauschal am Schreibtisch entschieden werden kann. Sie müssen den primären Behandlungszweck objektiv beweisen, indem Sie ein medizinisches Sachverständigengutachten vorlegen. Dieses Gutachten muss bestätigen, dass die Therapie im Vordergrund stand und die Verwahrung lediglich Mittel zum Zweck war.
Die private Krankenversicherung stützt ihre Ablehnung fast immer auf die Annahme, der Aufenthalt sei primär der reinen Verwahrung zuzuordnen. Um diesen Vorwurf effektiv zu entkräften, müssen Sie dokumentieren, dass aktive, kurative Behandlungsmaßnahmen dominierten. Nur ein unabhängiger Sachverständiger kann beurteilen, ob die therapeutischen Interventionen die Sicherungsmaßnahmen überwogen. Das Gutachten soll belegen, dass der Aufenthalt nicht in das Stadium der reinen Pflegebedürftigkeit ohne konkretes Behandlungsziel übergegangen war.
Verlassen Sie sich dabei nicht nur auf die allgemeine Krankenhausrechnung oder eine einfache ärztliche Bestätigung. Bitten Sie stattdessen Ihren ehemaligen behandelnden Facharzt schriftlich um detaillierte Unterlagen über die aktiven therapeutischen Interventionen. Die Dokumentation sollte Medikationsanpassungen, tägliche Einzelgespräche oder die Durchführung konkreter Therapiepläne hervorheben. Nur wenn Sie ein klares Beweisangebot in Form eines Gutachtens machen, sichern Sie die notwendige Erfolgsaussicht für eine Klage.
Sorgen Sie frühzeitig dafür, dass die Klinik alle aktiven Behandlungsmaßnahmen lückenlos und nachvollziehbar dokumentiert.
Was tun, wenn ich mir eine Klage gegen die PKV wegen der Psychiatrie-Kosten nicht leisten kann?
Wenn Sie finanziell stark belastet sind und Ihre PKV die hohen Behandlungskosten ablehnt, sichert der Staat Ihren Zugang zum Gericht über die Prozesskostenhilfe (PKH). Diese staatliche Unterstützung gewährleistet Ihr grundlegendes Recht auf rechtliches Gehör und deckt Anwalts- und Gerichtskosten, wenn Sie diese nicht selbst tragen können. Ihr erster Schritt sollte stets die sofortige Beantragung der PKH sein, da sie Ihnen den Weg zur Klärung der Schuldenfrage ebnet.
Selbst wenn ein Landgericht (LG) Ihren PKH-Antrag in erster Instanz ablehnt, sollten Sie Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) einlegen. Die Richter des OLG Rostock stellten in einem ähnlichen Fall klar, dass der Zugang zu den Gerichten nicht durch eine vorschnelle Bewertung einer schwierigen Rechtsfrage versperrt werden darf. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hängt nach § 114 ZPO davon ab, ob eine Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht besitzt.
Die Aussicht auf Erfolg ist gegeben, wenn der Prozessausgang von einer notwendigen Beweisaufnahme abhängt. Im Streit um die Verwahrungsklausel ist dies die sogenannte Tatfrage nach dem primären Zweck Ihres Aufenthalts (Heilbehandlung oder Verwahrung). Dieser Sachverhalt muss durch ein medizinisches Sachverständigengutachten geklärt werden. Die Chance, diesen entscheidenden Beweis im Hauptverfahren antreten zu dürfen, reicht für die Bewilligung der PKH aus.
Suchen Sie sofort einen Fachanwalt für Medizin- oder Versicherungsrecht auf, um den Prozesskostenhilfeantrag professionell unter Benennung des Beweisangebots einzureichen.
Welche Risiken ergeben sich aus der Verwahrungsklausel in meinem privaten Krankenversicherungsvertrag?
Die Verwahrungsklausel stellt bei psychischen Krisen ein erhebliches finanzielles Risiko dar. Sie ermächtigt Ihre private Krankenversicherung (PKV), die Leistung zu verweigern, sobald eine Erkrankung ein chronisches Stadium erreicht. Das Hauptproblem entsteht, wenn die PKV argumentiert, der Aufenthalt diene nur noch der reinen Verwahrung oder Pflege und nicht mehr einem klaren, kurativen Behandlungsziel.
Diese vertragliche Regelung soll die PKV vor Kosten für dauerhafte Unterbringung ohne Aussicht auf Heilung schützen. Ein Behandlungsfall gilt als ausgeschlossen, wenn keine Heilung oder Linderung mehr zu erwarten ist. Bei psychischen Erkrankungen wird das problematisch, weil die PKV die richterlich angeordnete Sicherungsmaßnahme (geschlossene Abteilung) oft als Hauptzweck interpretiert. Dadurch versucht sie, die Notwendigkeit der aktiven Therapie und der eigentlichen Heilbehandlungsabsicht zu negieren.
Das größte finanzielle Risiko resultiert aus der langfristigen, nicht mehr kurativen Unterbringung, die nach dem Verständnis der Gerichte keinen versicherbaren Behandlungsfall mehr darstellt. Selbst bei akuten, kurzen Aufenthalten wird die Verweigerung der Kostenübernahme drohen, falls Klinikdokumente den Aufenthalt im Nachhinein als reinen Sicherungsakt einstufen. Sie müssen aktiv beweisen, dass die aktive Heilbehandlung im Vordergrund stand.
Suchen Sie Ihren Vertrag heraus und markieren Sie § 5 Teil I Nr. 1 h) oder die vergleichbare Klausel, um die genaue Formulierung zu kennen, die die Versicherung im Notfall gegen Sie verwenden wird.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Heilbehandlung
Eine Heilbehandlung ist aus Sicht des Versicherungsrechts jede ärztlich notwendige Maßnahme, deren Ziel die Besserung oder Linderung einer akuten oder chronischen Krankheit ist. Dieses Prinzip legt fest, wann überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt, da private Krankenversicherungen nur die Kosten für Maßnahmen übernehmen, die einen klaren, kurativen Zweck verfolgen.
Beispiel: Die private Krankenversicherung musste im vorliegenden Fall prüfen, ob die verabreichten Medikamente und Therapien eine aktive Heilbehandlung der schizophrenen Symptome darstellten.
Prozesskostenhilfe (PKH)
Prozesskostenhilfe ist die staatliche Unterstützung, die finanziell schwachen Bürgern den Zugang zur gerichtlichen Durchsetzung ihrer Rechte ermöglicht, indem Gerichtskosten und Anwaltsgebühren übernommen werden. Der Staat garantiert damit das Grundrecht auf rechtliches Gehör und sorgt dafür, dass die finanzielle Situation eines Klägers die Führung eines komplizierten Zivilprozesses nicht verhindert.
Beispiel: Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch das Oberlandesgericht Rostock ermöglichte es dem Kläger, seine Klage auf Freistellung von Klinikkosten gegen die private Krankenversicherung zu führen.
Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG)
Das Psychisch-Kranken-Gesetz ist das Landesrecht, das die Voraussetzungen und den Ablauf für die Zwangsunterbringung von Personen in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen regelt. Mit diesen Gesetzen schaffen die Bundesländer die rechtliche Basis, um sowohl die Gefahrenabwehr für die Allgemeinheit als auch die medizinische Behandlung psychisch Kranker zu gewährleisten.
Beispiel: Die Richter mussten analysieren, ob das Psychisch-Kranken-Gesetz Mecklenburg-Vorpommern die Gefahrenabwehr oder die Behandlung als primäres Ziel der Zwangseinweisung festlegte.
Sachverständigengutachten
Ein Sachverständigengutachten ist eine Beweisaufnahme durch einen neutralen, fachkundigen Experten, der komplexe Sachverhalte aus seinem Spezialgebiet für das Gericht verständlich aufbereitet. Gerichte nutzen diese Gutachten, um Fragen zu klären, die über reines juristisches Wissen hinausgehen, beispielsweise, ob in der Psychiatrie eine aktive Heilbehandlung stattfand.
Beispiel: Der Patient bot an, den primären Behandlungszweck seiner Unterbringung mithilfe eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu beweisen, was das OLG für die Prozesskostenhilfe als ausreichend ansah.
Tatfrage
Juristen bezeichnen als Tatfrage eine Streitigkeit, deren Klärung tatsächliche Gegebenheiten betrifft und nicht die bloße Auslegung von Rechtsnormen oder Paragraphen. Bei einer Tatfrage hängt die juristische Entscheidung oft von der Beweisaufnahme (etwa Zeugen oder Gutachten) ab, da der zugrundeliegende Sachverhalt selbst noch nicht abschließend geklärt ist.
Beispiel: Die Frage, ob der Aufenthalt des Klägers primär der Verwahrung oder der Behandlung diente, war eine zentrale Tatfrage, die das Gericht nicht ohne Beweisaufnahme entscheiden konnte.
Verwahrungsklausel
Die Verwahrungsklausel ist eine vertragliche Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), die die Leistungspflicht der privaten Krankenversicherung für reine Verwahrungs- oder Pflegekosten ausschließt. Diese Klausel soll verhindern, dass die Versicherung für dauerhafte, chronische Unterbringungen aufkommen muss, bei denen kein kuratives Ziel mehr verfolgt wird, und damit die Versichertengemeinschaft schützen.
Beispiel: Die private Krankenversicherung berief sich auf die Verwahrungsklausel des § 5 Teil I Nr. 1 h) AVB, um die Übernahme der Klinikkosten für die Zwangseinweisung in die geschlossene Psychiatrie abzulehnen.
§ 1906 BGB
Dieser Paragraph im Bürgerlichen Gesetzbuch erlaubt die Unterbringung eines Volljährigen gegen seinen Willen, wenn eine notwendige Heilbehandlung nur dadurch durchgeführt werden kann. Der Gesetzgeber schützt damit Patienten, die krankheitsbedingt die Notwendigkeit einer lebenswichtigen Behandlung nicht einsehen können, und stellt sicher, dass der Zweck dieser Freiheitsentziehung klar therapeutisch ist.
Beispiel: Da die spätere Unterbringung des Mannes in der Psychiatrie auf § 1906 BGB gestützt wurde, argumentierte das OLG Rostock, dass sie per Definition einen Behandlungszweck verfolgte und keine reine Verwahrung war.
Das vorliegende Urteil
OLG Rostock – Az.: 4 W 31/21 – Beschluss vom 15.12.2021
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.


