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Verstoß gegen Gleichbehandlungs­gesetz nach Versicherungsvertrags­kündigung

LG Wiesbaden – Az.: 1 O 134/16 – Urteil vom 10.02.2017

  • Die Klage wird abgewiesen.
  • Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
  • Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verletzung der Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (im Folgenden: „AGG“) in Anspruch.

Die Klägerin ist eine pensionierte Lehrerin. Für sie bestand bei der Beklagten seit dem 02.12.2013 eine Kfz-Haftpflichtversicherung (Nr. xxx) für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen: …-…. Im Jahr 2014 kam es zu einem Versicherungsfall, welcher von der Beklagten reguliert wurde.

Im Juli 2015 schrieb die Beklagte ihre Versicherungsnehmerin an und bat diese, anhand des beigefügten Fragebogens mitzuteilen, ob ihre persönlichen Angaben aktuell sind. Dabei sollte sie auch Angaben zu der momentanen Kilometerleistung und ihrem Wohneigentum machen. Die Klägerin kam der Aufforderung nach und schickte den Fragebogen unter Hinweis auf die erhöhte Kilometeranzahl und ihr Wohneigentum zurück.

Mit Schreiben der Beklagten vom 23.07.2015 wurde die Kfz-Haftpflichtversicherung seitens der Beklagten zum 01.01.2016 gekündigt. In dem Schreiben heißt es u.a.:

„Nach den „Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung“ haben sowohl Sie als auch wir das Recht, den Versicherungsvertrag zum Ablauf zu kündigen (vgl. Abschnitt G.2.1 und G.3.1 AKB).“ […]

Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf Bl. 66 d.A. verwiesen.

Daraufhin forderte die Klägerin, mit anwaltlichem Schreiben vom 13.10.2015, die Beklagte wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des AGG, unter Fristsetzung bis zum 23.10.2015, zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 10.000,00 € auf. Eine Zahlung der Beklagten erfolgte nicht.

In der Folgezeit bemühte sich die Klägerin um den Abschluss einer neuen Kfz-Haftpflichtversicherung bei einer anderen Versicherungsgesellschaft für den Zeitraum ab dem 01.01.2016. Aufgrund der Kündigung der Beklagten war ihr der Abschluss einer neuen Kfz-Haftpflichtversicherung bei einer anderen Versicherungsgesellschaft jedoch nur zu extrem hohen Prämien möglich. Vor diesem Hintergrund bat die Klägerin die Beklagte um Aufhebung des Versicherungsvertrags. Die Beklagte kam der Bitte der Klägerin nach und hob mit Schreiben vom Dezember 2015 den Versicherungsvertrag mit der Klägerin zum 01.01.2016 auf.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten auch eine Wohngebäudeversicherung (Nr. yyy) abgeschlossen. Wegen auftretender Probleme in Zusammenhang mit der Wohngebäudeversicherung leitete die Klägerin ein außergerichtliches Beschwerdeverfahren bei dem Versicherungsombudsmann e.V. ein. Die Beklagte äußerte sich gegenüber dem Versicherungsombudsmann e.V. zu der Beschwerde der Beklagte mit Schreiben vom 08.01.2016 und nahm dabei auch zur Kfz-Haftpflichtversicherung (Nr. xxx) Stellung. In dem Schreiben heißt es in Bezug auf die Kfz-Haftpflichtversicherung unter anderem wie folgt:

„Diesen Vertrag haben wir mit Schreiben vom 23.07.2015 (Anlage 16) zum 01.01.2016 aus den nachfolgenden Gründen gekündigt. […]

Aufgrund eines Schadensfalls im Jahr 2014 wurde auch die vorliegende Kundenbeziehung einer entsprechenden Betrachtung unterzogen. Dabei stand zum Betrachtungszeitpunkt ein Jahresbeitrag von 344,51 € einer Schadensreserve von 3.061,39 € entgegen. Wie wir nun nach erneuter Prüfung festgestellt haben, hat sich der Schaden aber lediglich in Höhe von 1.061,00 € realisiert. Wir sind daher gerne bereit den Vertrag wieder in Kraft zu setzen, sofern dies von unserer Versicherungsnehmerin gewünscht wird.“ […]

Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf Bl. 62, 63 d.A. verwiesen.

Die Klägerin behauptet, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung (Nr. xxx) damals allein wegen ihres am 28.08.2016 anstehenden 70-jährigen Geburtstags durch die Beklagte gekündigt worden sei. Es läge daher eine Benachteiligung wegen ihres Alters vor, weshalb ihr nach den Vorschriften des AGG ein Entschädigungsbetrag zustehe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an Sie eine Entschädigung in Höhe eines vom Gericht für angemessen erachteten Entschädigungsbetrags nebst 5%-Punkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 887,04 € nebst 5%-Punkten Zinsen aus diesem Betrag seit Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass der Anwendungsbereich des AGG nicht eröffnet sei, da der Vortrag der Klägerseite eine reine Mutmaßung darstelle und der Vertrag einvernehmlich aufgehoben wurde. Darüber hinaus fehle es an einem Vortrag über die Fristwahrung. Im Übrigen sei der geltend gemachte Entschädigungsbetrag viel zu hoch.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 21 Abs. 2 i.V.m. 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG zu.

Nach §§ 21 Abs. 2 i.V.m. 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG kann ein Benachteiligter im Falle einer Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG sind nicht erfüllt.

Zwar hat die Beklagte die Kfz-Haftpflichtversicherung (Nr. xxx) gegenüber der Klägerin gekündigt bzw. einvernehmlich aufgehoben, sodass die Beendigung eines zivilrechtlichen Schuldverhältnisses vorliegt (Palandt, 76. Auflage 2017, § 19 AGG, Rn. 2). Sie konnte jedoch nicht darlegen und beweisen, dass eine Benachteiligung durch die Beklagte aufgrund ihres Alters vorliegt.

Die Klägerin hat zunächst den vollen Beweis dafür zu erbringen, dass sie benachteiligt wurde. Auch trifft die Klägerin die volle Beweislast für das Vorliegen eines Benachteiligungsmerkmals im Sinne des § 1 AGG (Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2015, § 22 AGG, Rn. 6 f.). Hinsichtlich des Beruhens der Benachteiligung auf einem Grund gemäß § 1 AGG greift die Beweislastregelung des § 22 AGG.

Sie hat vorgetragen, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung durch die Beklagte damals aufgrund ihres anstehenden 70. Geburtstags zum 01.01.2016 gekündigt worden sei. Allerdings hat sie keine konkreten Umstände bewiesen, die eine Benachteiligung wegen ihres Alters überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Behauptung einer Altersdiskriminierung stellt eine reine Vermutung dar.

Nach der Überzeugung des Gerichts sind überhaupt keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Beklagte die Kfz-Haftpflichtversicherung aufgrund des Alters der Klägerin gekündigt hat. Die Beklagte hat in ihrem Kündigungsschreiben vom 23.07.2015 keinen Kündigungsgrund genannt, sondern den Versicherungsvertrag unter Bezugnahme auf Abschnitt G.2.1 und G.3.1 AKB ordentlich gekündigt. Der Vortrag der Beklagten, dass die Kündigung aufgrund des Schadensfalls aus dem Jahr 2014 ausgesprochen wurde, wird auch durch das vom Prozessbevollmächtigten vorgelegte Schreiben der Beklagten an den Versicherungsombudsmann e.V. vom 08.01.2016 bestätigt. In diesem Schreiben gab die Beklagte an, dass der Jahresbeitrag der Klägerin und die Schadenszahlung in keinem wirtschaftlichen Verhältnis standen und der Vertrag daher gekündigt wurde. Sofern der Beklagten bei der Berechnung des Verhältnisses zwischen Beitrag und Schadenszahlung – wie die Beklagte in dem Schreiben angibt – ein Fehler unterlaufen ist, kann die Klägerin hieraus keine Ansprüche wegen Verletzung der Vorschriften des AGG ableiten. Vielmehr hätte sie gegen die Kündigung des Versicherungsvertrags durch die Beklagten vorgehen müssen.

Die Behauptung der Klägerin, dass die Kündigung mit dem im August 2016 anstehenden 70. Geburtstag der Klägerin im Zusammenhang stehe, lässt sich in keinster Weise belegen. Auch aus den sonstigen von der Klägerin vorgetragenen Umständen kann das Gericht keine konkreten Umstände erkennen, die eine Benachteiligung wegen ihres Alters überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen.

Eine Benachteiligung der Klägerin aufgrund ihres Alters liegt mithin nicht vor.

Im Übrigen wäre ein Anspruch auf Ersatz eines Schadens wegen einer Benachteiligung im Sinne des AGG auch wegen Versäumung der Ausschlussfrist gem. § 21 Abs. 5 AGG erloschen.

Gemäß § 21 Abs. 5 AGG müssen Schadensersatzansprüche nach § 21 Abs. 1 und Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden. Der Fristablauf ist durch das Gericht von Amts wegen und nicht nur auf Einrede zu berücksichtigen. Es handelt sich hierbei um eine Ausschlussfrist, deren Versäumung zum Erlöschen des materiellen Anspruchs führt (Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2015, § 21 AGG, Rn. 65). Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, ab dem der Anspruch erstmals geltend gemacht werden kann (BT-Drucksache 16/780; OLG Hamm, Urt. v. 12.01.2011 – 20 U 102/10; Palandt, 76. Auflage 2017, § 21 AGG, Rn. 8).

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann aufgrund des Kündigungsschreibens der Beklagten nicht von einer dauerhaften Diskriminierung ausgegangen werden. Ein Dauertatbestand ist nur dann gegeben, wenn fortlaufend neue Tatsachen eintreten, die für eine Benachteiligung von Bedeutung sind. Dagegen liegt ein Dauerzustand dann nicht vor, wenn die für die Benachteiligung maßgeblichen Vorgänge bereits abgeschlossen sind (vgl. BAG, Urt. v. 24.09.2009 – 8 AZR 705/08). Nach der Kündigung der Beklagten traten nicht fortlaufend neue Tatsachen ein. Vielmehr war der die (behauptete) Benachteiligung darstellende Vorgang, die Kündigung der Kfz-Haftpflichtversicherung mit Schreiben der Beklagten vom 23.07.2015, abgeschlossen. Für die Entstehung des behaupteten Anspruches ist vorliegend daher auf das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 23.07.2015 abzustellen, so dass die Ausschlussfrist bei der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs durch die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2015 abgelaufen war.

Dies hat zur Folge, dass ein klägerischer Anspruch aufgrund der Fristversäumung bereits erloschen wäre.

Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz.

Da der Hauptanspruch nicht besteht, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Die Klage war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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