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Versicherungsvertrag – Rücktritt – Verschweigen von Schluckstörungen und Faustschluss-Problemen

Berufsunfähigkeitsversicherung wegen verschwiegener Krankheiten ungültig: Frankfurter Gericht bestätigt Rücktritt der Versicherung nach Verschweigen einer Verdachtsdiagnose. Mann verschweigt schwere Krankheit bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung und muss nun die Konsequenzen tragen. Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigt Rechtmäßigkeit des Rücktritts einer Versicherung wegen arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Kläger begehrte die Feststellung des Fortbestands eines Versicherungsvertrages, trotz Rücktritts und Anfechtung durch die Beklagte.
  • Der Kläger hatte eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung beantragt und im Antrag bestimmte Gesundheitsfragen beantwortet.
  • Die Beklagte machte den Abschluss des Vertrags von Sondervereinbarungen und einem Gesundheitszuschlag abhängig.
  • Nachträglich stellte sich heraus, dass der Kläger seit seiner Kindheit Probleme mit verkrampfenden Händen hatte, was zu einer Verdachtsdiagnose auf eine myotone Dystrophie führte.
  • Der Kläger gab diese gesundheitlichen Probleme bei Antragstellung nicht an.
  • Die Beklagte trat daraufhin vom Vertrag zurück und verweigerte die Leistung aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.
  • Das Gericht entschied, dass der Kläger seine Anzeigepflicht verletzt hatte, indem er relevante Gesundheitsinformationen verschwiegen hatte.
  • Die Rücktritts- und Anfechtungsrechte der Beklagten waren somit berechtigt.
  • Der Kläger konnte nicht plausibel machen, dass die Gesundheitsangaben korrekt waren oder dass der Vertrag bereits vor der Unterschrift unter die Einverständniserklärung zustande gekommen war.
  • Das Urteil des Landgerichts Hanau wurde bestätigt, die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen.

Schluckstörungen als Grund für Vertragsanfechtung: Versicherer muss Leistungen erbringen

Der Abschluss eines Versicherungsvertrages ist für viele Menschen ein wichtiger Schritt, um sich gegen unvorhergesehene Ereignisse abzusichern. Doch Vorsicht ist geboten, denn das Verschweigen wichtiger Informationen kann zu gravierenden Folgen führen. Wer im Antrag beispielsweise gesundheitliche Probleme nicht offenlegt, riskiert, dass der Versicherungsschutz im Ernstfall nicht oder nur eingeschränkt greift. Dies gilt insbesondere für Krankheiten, die zwar nicht lebensbedrohlich sind, aber dennoch die spätere Leistungsfähigkeit einschränken können.

Schluckstörungen und Faustschluss-Probleme sind Beispiele für solche Gesundheitseinbußen, die von einem Versicherten im Antrag offengelegt werden müssen. Der Versicherer erwartet von potenziellen Kunden umfassende Informationen über ihren Gesundheitszustand, um das Risiko einer späteren Leistungspflicht realistisch einschätzen zu können. Ein Versäumnis in dieser Hinsicht kann als arglistige Täuschung gewertet werden und den Versicherungsvertrag für den Betroffenen anfechtbar machen. Im schlimmsten Fall kann die Versicherung den Vertrag sogar rückgängig machen und die bereits geleisteten Beiträge einfordern.

Wie sich ein konkreten Fall von verschwiegenen Informationen im Antrag eines Versicherungsvertrages im Hinblick auf Schluckstörungen und Faustschluss-Problemen auf die Rechtmässigkeit und Wirksamkeit des Vertrages auswirken kann, erörtert der folgende Beitrag.

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Der Fall vor Gericht


Verschweigen von Gesundheitsproblemen führt zur Unwirksamkeit einer Berufsunfähigkeitsversicherung

Der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat in einem Urteil vom 17.11.2021 (Az. 7 U 118/20) entschieden, dass ein Versicherungsnehmer seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat, indem er beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung relevante Gesundheitsprobleme verschwieg. Dies berechtigte die Versicherung zum Rücktritt vom Vertrag.

Hintergrund des Rechtsstreits

Der Kläger hatte im August 2011 bei der beklagten Versicherung eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung beantragt. Im Antragsformular gab er lediglich eine seit 2006 bestehende Skoliose an, verschwieg jedoch andere gesundheitliche Probleme. Konkret handelte es sich um eine Verengung der Speiseröhre sowie seit der Kindheit bestehende Schwierigkeiten, die Hände nach festem Zusammendrücken wieder zu öffnen.

Kurz vor Vertragsabschluss, am 24.02.2012, stellte sich der Kläger in einer Universitätsklinik vor. Dort wurde der Verdacht auf eine myotone Dystrophie (Curschmann-Steinert-Syndrom) geäußert. Die Ärzte wiesen den Kläger darauf hin, dass sich die Beschwerden verschlechtern und Auswirkungen auf seine Berufsfähigkeit haben könnten.

Trotz dieser neuen Erkenntnisse unterzeichnete der Kläger am 29.02.2012 die Einverständniserklärung zum Versicherungsvertrag, ohne die Versicherung über die Verdachtsdiagnose zu informieren. Anfang 2016 beantragte er Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Versicherung trat daraufhin vom Vertrag zurück.

Entscheidungsgründe des Gerichts

Das OLG Frankfurt bestätigte die Rechtmäßigkeit des Rücktritts. Es sah eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) als gegeben an. Der Kläger hätte sowohl die Schluckstörungen als auch die Probleme mit dem Faustschluss im Antragsformular angeben müssen.

Das Gericht stellte klar, dass Fragen nach „Krankheiten, Störungen oder Beschwerden“ jede nicht offenkundig belanglose Gesundheitsbeeinträchtigung erfassen. Die verharmlosende Darstellung der Schluckstörungen als einmaliges Ereignis wertete das Gericht als unrichtige Angabe.

Besonders kritisch sah das OLG, dass der Kläger die Verdachtsdiagnose der myotonen Dystrophie kurz vor Vertragsschluss verschwieg. Obwohl es sich nur um einen Verdacht handelte, hätte der Kläger diese Information der Versicherung mitteilen müssen. Das Gericht sah hierin eine auf Treu und Glauben beruhende Offenbarungspflicht, da die möglichen Auswirkungen auf die Berufsfähigkeit für den Kläger erkennbar waren.

Arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers

Das OLG Frankfurt ging sogar von einem arglistigen Verhalten des Klägers aus. Dafür sprach der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Untersuchung in der Universitätsklinik und der Abgabe der Einverständniserklärung. Das Gericht vermutete, dass dem Kläger die Wichtigkeit einer Berufsunfähigkeitsabsicherung durch die ärztlichen Hinweise bewusst wurde und er deshalb die Angaben bewusst unterließ, um den Vertragsabschluss nicht zu gefährden.

Konsequenzen für Versicherungsnehmer

Das Urteil verdeutlicht die weitreichenden Folgen unvollständiger oder unrichtiger Angaben beim Abschluss von Versicherungsverträgen. Versicherungsnehmer sind verpflichtet, alle ihnen bekannten gefahrerheblichen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben. Dies gilt nicht nur für bestehende Diagnosen, sondern auch für Beschwerden und Verdachtsdiagnosen.

Bedeutung der Entscheidung für die Versicherungspraxis

Die Entscheidung stärkt die Position der Versicherungen bei der Anfechtung von Verträgen aufgrund verletzter Anzeigepflichten. Sie unterstreicht die Wichtigkeit einer umfassenden und ehrlichen Gesundheitsauskunft bei Vertragsabschluss. Versicherungsnehmer sollten im Zweifelsfall lieber zu viel als zu wenig angeben, um spätere Probleme zu vermeiden.

Die Schlüsselerkenntnisse


Diese Entscheidung bekräftigt die weitreichende vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Sie erstreckt sich nicht nur auf diagnostizierte Erkrankungen, sondern auch auf Verdachtsdiagnosen und Beschwerden, die dem Versicherungsnehmer bekannt sind. Das Verschweigen solcher Informationen kann als arglistige Täuschung gewertet werden und berechtigt den Versicherer zum Rücktritt vom Vertrag. Versicherungsnehmer sind daher gut beraten, im Zweifel alle gesundheitlichen Auffälligkeiten offenzulegen.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für alle, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchten. Es unterstreicht die Wichtigkeit, beim Ausfüllen des Versicherungsantrags äußerst sorgfältig und umfassend vorzugehen. Selbst scheinbar unbedeutende gesundheitliche Probleme wie gelegentliche Schluckbeschwerden oder Schwierigkeiten beim Öffnen der Hände müssen angegeben werden. Auch Verdachtsdiagnosen, die erst nach der Antragstellung, aber vor dem endgültigen Vertragsabschluss gestellt werden, müssen der Versicherung mitgeteilt werden. Verschweigen Sie relevante Informationen, riskieren Sie nicht nur die Unwirksamkeit Ihres Versicherungsschutzes, sondern auch den Vorwurf der Arglist. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Sie im Zweifel lieber zu viele als zu wenige Informationen angeben und im Bedarfsfall einen Experten zur Beratung hinzuziehen.


FAQ – Häufige Fragen

Sie planen eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen und haben Fragen? Besonders wichtig ist die Frage nach der Angabe von Vorerkrankungen. Das Verschweigen von Gesundheitsproblemen führt zur Unwirksamkeit einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Unsere FAQ-Rubrik versorgt Sie mit allen wichtigen Informationen, die Sie vor dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung wissen müssen.


Welche gesundheitlichen Informationen muss ich bei einem Versicherungsantrag angeben?

Bei einem Versicherungsantrag müssen grundsätzlich alle gesundheitlichen Informationen angegeben werden, nach denen der Versicherer konkret fragt. Dies betrifft sowohl bestehende als auch vergangene Erkrankungen und Beschwerden. Besonders relevant sind dabei Vorerkrankungen der letzten fünf Jahre.

Zu den anzugebenden Informationen gehören in der Regel Diagnosen von Ärzten, verschriebene Medikamente, durchgeführte Behandlungen und Therapien sowie Krankenhausaufenthalte. Auch scheinbar harmlose Beschwerden wie Allergien oder leichte Erkältungen sollten nicht verschwiegen werden. Selbst wenn der Hausarzt nur eine Erkältungssalbe verschrieben hat, muss dies angegeben werden, sofern danach gefragt wird.

Besonders wichtig ist die Offenlegung von chronischen Erkrankungen und schwerwiegenden Gesundheitsproblemen. Dazu zählen beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebserkrankungen oder psychische Leiden. Aber auch weniger offensichtliche Beschwerden wie Rückenschmerzen, Schlafstörungen oder Verdauungsprobleme können relevant sein und müssen angegeben werden, wenn der Versicherer danach fragt.

Es ist ratsam, vor dem Ausfüllen des Gesundheitsfragebogens die eigenen Krankenakten und die der Krankenkasse zu konsultieren. Oft sind dort Diagnosen oder Behandlungen vermerkt, an die man sich selbst nicht mehr erinnert. Die Versicherungen haben das Recht, im Leistungsfall die Krankenakten einzusehen. Stellen sie dann fest, dass relevante Informationen verschwiegen wurden, kann dies zur Verweigerung von Leistungen führen.

Bei Unsicherheiten bezüglich der Relevanz bestimmter gesundheitlicher Informationen ist es empfehlenswert, diese sicherheitshalber anzugeben. Im Zweifelsfall sollte man lieber zu viel als zu wenig offenlegen. Falsche oder unvollständige Angaben können im schlimmsten Fall dazu führen, dass der Versicherungsschutz rückwirkend entfällt.

Es ist wichtig zu beachten, dass auch scheinbar unbedeutende gesundheitliche Einschränkungen relevant sein können. So müssen beispielsweise auch Schluckstörungen oder Probleme beim Faustschluss angegeben werden, wenn danach gefragt wird. Solche Beschwerden können auf ernsthafte Grunderkrankungen hindeuten und sind daher für die Risikoeinschätzung des Versicherers von Bedeutung.

Der Gesundheitsfragebogen sollte in Ruhe und mit Bedacht ausgefüllt werden. Es empfiehlt sich, ihn nicht direkt im Gespräch mit dem Versicherungsvermittler auszufüllen, sondern mit nach Hause zu nehmen und die Fragen sorgfältig zu beantworten. Bei Unklarheiten sollte man Rücksprache mit dem Arzt oder der Krankenkasse halten.

Die Pflicht zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Beantwortung der Gesundheitsfragen besteht nicht nur beim Neuabschluss einer Versicherung, sondern auch bei Vertragsänderungen. Wenn beispielsweise die Versicherungssumme erhöht oder der Selbstbehalt einer privaten Krankenversicherung gesenkt werden soll, kann eine erneute Gesundheitsprüfung erforderlich sein.

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Welche Folgen hat es, wenn ich Gesundheitsprobleme im Versicherungsantrag verschweige?

Das Verschweigen von Gesundheitsproblemen im Versicherungsantrag kann schwerwiegende rechtliche und finanzielle Folgen für den Versicherungsnehmer haben. Versicherungsunternehmen sind berechtigt, bei Vertragsabschluss detaillierte Fragen zum Gesundheitszustand zu stellen. Diese Fragen müssen wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden. Werden relevante Gesundheitsinformationen nicht angegeben, liegt eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vor.

Je nach Schwere des Verstoßes hat der Versicherer verschiedene Handlungsmöglichkeiten. Bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verschweigen kann er vom Vertrag zurücktreten. Dies bedeutet, dass der Versicherungsschutz rückwirkend entfällt. Bereits gezahlte Prämien verbleiben beim Versicherer. Der Versicherungsnehmer verliert nicht nur den Versicherungsschutz für die Zukunft, sondern muss unter Umständen auch bereits erhaltene Leistungen zurückzahlen.

Bei einfacher Fahrlässigkeit oder schuldlosem Handeln des Versicherungsnehmers besteht für den Versicherer die Möglichkeit zur Kündigung oder Vertragsanpassung. Eine Kündigung beendet den Vertrag für die Zukunft. Bei einer Vertragsanpassung können beispielsweise Risikozuschläge erhoben oder bestimmte Erkrankungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden.

Besonders gravierend sind die Folgen bei arglistiger Täuschung. In diesem Fall kann der Versicherer den Vertrag anfechten. Die Anfechtung wirkt auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück. Der Versicherungsvertrag gilt dann als von Anfang an nichtig. Der Versicherungsnehmer verliert rückwirkend jeglichen Versicherungsschutz und muss sämtliche erhaltenen Leistungen zurückzahlen.

Die Rechtsfolgen können sich auch auf zukünftige Versicherungsabschlüsse auswirken. Viele Versicherungsunternehmen speichern Informationen über Anzeigepflichtverletzungen in gemeinsamen Datenbanken. Dies kann dazu führen, dass der Abschluss neuer Versicherungsverträge erschwert oder unmöglich wird.

Neben den vertraglichen Konsequenzen drohen bei vorsätzlichem Handeln strafrechtliche Folgen wegen Versicherungsbetrugs. Dies kann empfindliche Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen nach sich ziehen.

Um diese Risiken zu vermeiden, ist es ratsam, im Versicherungsantrag alle bekannten Gesundheitsprobleme vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben. Dies gilt auch für scheinbar geringfügige Beschwerden wie leichte Schluckstörungen oder gelegentliche Probleme beim Faustschluss. Im Zweifelsfall sollten Antragsteller lieber zu viele als zu wenige Informationen preisgeben. So lassen sich spätere rechtliche Auseinandersetzungen und finanzielle Einbußen vermeiden.

Versicherungsnehmer sollten bedenken, dass Versicherer im Leistungsfall oft umfangreiche Nachforschungen anstellen. Dabei werden häufig Arztberichte und Krankenakten der letzten Jahre angefordert. Verschwiegene Gesundheitsprobleme lassen sich so in vielen Fällen nachträglich aufdecken. Die Folgen können dann wesentlich gravierender sein als ein möglicherweise höherer Versicherungsbeitrag bei vollständiger Offenlegung aller Gesundheitsinformationen.

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Was bedeutet vorvertragliche Anzeigepflicht bei Versicherungsverträgen?

Die vorvertragliche Anzeigepflicht stellt eine zentrale Verpflichtung für Versicherungsnehmer dar. Sie besagt, dass Personen, die eine Versicherung abschließen möchten, dem Versicherungsunternehmen alle relevanten Informationen zur Risikobeurteilung offenlegen müssen. Diese Pflicht ist im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verankert und dient dazu, dem Versicherer eine angemessene Einschätzung des zu versichernden Risikos zu ermöglichen.

Konkret bedeutet dies, dass Versicherungsnehmer verpflichtet sind, alle ihnen bekannten gefahrerheblichen Umstände wahrheitsgemäß und vollständig anzugeben. Als gefahrerheblich gelten dabei alle Informationen, nach denen der Versicherer in Textform fragt. Dies können beispielsweise Angaben zum Gesundheitszustand, zum Beruf oder zu bestehenden Vorerkrankungen sein. Die Anzeigepflicht erstreckt sich auf den Zeitraum vor Vertragsabschluss und endet mit der Abgabe der Vertragserklärung.

Es ist von großer Bedeutung, dass Versicherungsnehmer dieser Pflicht sorgfältig nachkommen. Eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht kann schwerwiegende Folgen haben. Der Versicherer hat in solchen Fällen das Recht, vom Vertrag zurückzutreten, ihn zu kündigen oder anzupassen. Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht kann der Versicherer sogar vom Vertrag zurücktreten und den Versicherungsschutz rückwirkend aufheben.

Die Anzeigepflicht umfasst auch scheinbar unbedeutende gesundheitliche Einschränkungen. Selbst wenn Versicherungsnehmer bestimmte Beschwerden als geringfügig erachten, müssen sie diese dem Versicherer mitteilen. Dies gilt insbesondere für chronische oder wiederkehrende Gesundheitsprobleme, die möglicherweise Auswirkungen auf das zu versichernde Risiko haben könnten.

Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, Versicherungsnehmer über die vorvertragliche Anzeigepflicht zu informieren und sie auf die möglichen Konsequenzen einer Verletzung hinzuweisen. Dies geschieht in der Regel durch eine entsprechende Belehrung im Versicherungsantrag. Versicherungsnehmer sollten diese Informationen aufmerksam lesen und im Zweifelsfall lieber zu viele als zu wenige Angaben machen.

Bei Unsicherheiten bezüglich der Relevanz bestimmter Informationen ist es ratsam, diese dennoch anzugeben oder beim Versicherer nachzufragen. Eine offene und ehrliche Kommunikation mit dem Versicherungsunternehmen ist der beste Weg, um spätere Probleme zu vermeiden und einen umfassenden Versicherungsschutz zu gewährleisten.

Die vorvertragliche Anzeigepflicht dient letztlich dem Schutz der Versichertengemeinschaft. Durch die vollständige Offenlegung aller relevanten Informationen wird sichergestellt, dass jeder Versicherungsnehmer entsprechend seines individuellen Risikoprofils eingestuft und bepreist wird. Dies trägt zur Stabilität des Versicherungssystems bei und ermöglicht faire Prämien für alle Versicherten.

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Wie kann sich eine Verdachtsdiagnose auf meinen Versicherungsvertrag auswirken?

Eine Verdachtsdiagnose kann erhebliche Auswirkungen auf einen Versicherungsvertrag haben. Grundsätzlich müssen Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss alle gefahrerheblichen Umstände angeben, die für die Risikoeinschätzung des Versicherers relevant sind. Dazu können auch Verdachtsdiagnosen zählen, sofern der Versicherer explizit danach fragt.

Die Rechtsprechung hat jedoch klargestellt, dass Versicherungsnehmer nicht verpflichtet sind, unbestätigte Verdachtsdiagnosen von sich aus offenzulegen. Das Oberlandesgericht Hamm entschied in einem wegweisenden Urteil, dass eine Kundin nicht verpflichtet war, einen unbestätigten Verdacht auf Multiple Sklerose anzugeben, da der Versicherer nicht ausdrücklich danach gefragt hatte.

Versicherer können den Vertrag in solchen Fällen weder wegen arglistiger Täuschung anfechten noch wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurücktreten. Sie tragen das Risiko, ihren Fragenkatalog so zu gestalten, dass alle für sie relevanten Informationen abgefragt werden.

Dennoch ist Vorsicht geboten: Verschweigt ein Versicherungsnehmer bewusst eine Verdachtsdiagnose, nach der explizit gefragt wurde, kann dies als Verletzung der Anzeigepflicht gewertet werden. Im Leistungsfall prüfen Versicherer oft rückwirkend, ob alle Angaben bei Vertragsschluss wahrheitsgemäß waren. Bei Falschangaben drohen Leistungskürzungen oder sogar der Verlust des Versicherungsschutzes.

Besondere Relevanz hat diese Thematik bei Versicherungen, die auf den Gesundheitszustand abstellen, wie Berufsunfähigkeits-, Lebens- oder private Krankenversicherungen. Hier sollten Antragsteller besonders sorgfältig vorgehen und im Zweifel lieber zu viel als zu wenig angeben.

Ein anschauliches Beispiel verdeutlicht die Problematik: Ein Patient mit gelegentlichen Schluckbeschwerden und Problemen beim Faustschluss erhält von seinem Arzt den Hinweis, dass dies Anzeichen für eine neurologische Erkrankung sein könnten. Obwohl keine endgültige Diagnose gestellt wurde, wäre es ratsam, diese Symptome bei einer Gesundheitsprüfung für eine Berufsunfähigkeitsversicherung anzugeben – vorausgesetzt, der Versicherer fragt gezielt nach solchen Beschwerden.

Für Versicherungsnehmer empfiehlt sich folgende Vorgehensweise: Alle Gesundheitsfragen sollten nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet werden. Bei Unsicherheiten bezüglich einer Verdachtsdiagnose ist es ratsam, diese anzugeben und gegebenenfalls durch ein ärztliches Attest zu erläutern. So kann man sich absichern und spätere Probleme im Leistungsfall vermeiden.

Die Rechtsprechung setzt eine „zumutbare Anstrengung des Gedächtnisses“ voraus. Das bedeutet, Versicherungsnehmer müssen sich aktiv bemühen, alle relevanten gesundheitlichen Informationen zusammenzutragen und anzugeben. Eine Möglichkeit hierfür ist das Einholen der eigenen Patientenakte vor Beantwortung der Gesundheitsfragen.

Wichtig zu wissen: Die Verjährungsfrist für falsche Angaben in Versicherungsverträgen beträgt in der Regel zehn Jahre. In diesem Zeitraum können Versicherer rückwirkend prüfen, ob alle Angaben bei Vertragsabschluss korrekt waren.

Letztendlich liegt es im Interesse beider Vertragsparteien, von Beginn an offen und ehrlich miteinander umzugehen. Nur so kann ein fairer und tragfähiger Versicherungsschutz gewährleistet werden, der im Ernstfall auch tatsächlich greift.

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Was passiert, wenn eine Versicherung von einem verschwiegenen Gesundheitsproblem erfährt?

Wenn eine Versicherung von einem verschwiegenen Gesundheitsproblem erfährt, kann dies erhebliche rechtliche Konsequenzen für den Versicherungsnehmer haben. Der Versicherer hat in solchen Fällen verschiedene Möglichkeiten, auf die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zu reagieren.

Die Versicherung kann zunächst vom Vertrag zurücktreten. Dies bedeutet, dass der Versicherungsvertrag rückwirkend aufgehoben wird. Der Versicherungsschutz entfällt damit vollständig, als hätte es den Vertrag nie gegeben. Bereits gezahlte Prämien werden in der Regel nicht erstattet. Ein Rücktritt ist jedoch nur möglich, wenn der Versicherungsnehmer die Gesundheitsfragen vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch beantwortet hat.

Bei einer einfach fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht steht dem Versicherer stattdessen ein Kündigungsrecht zu. Die Kündigung wirkt für die Zukunft, der bisherige Versicherungsschutz bleibt also bestehen. Allerdings endet der Vertrag mit sofortiger Wirkung.

In bestimmten Fällen kann die Versicherung den Vertrag auch anpassen. Dies geschieht, wenn sie den Vertrag bei Kenntnis der verschwiegenen Umstände zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätte. Die Anpassung kann beispielsweise in Form eines Risikoausschlusses oder einer Prämienerhöhung erfolgen.

Bei arglistiger Täuschung hat der Versicherer zudem die Möglichkeit, den Vertrag anzufechten. Die Anfechtung macht den Vertrag von Anfang an nichtig. Der Versicherungsnehmer verliert damit rückwirkend seinen gesamten Versicherungsschutz.

Die Versicherung muss ihre Rechte allerdings innerhalb bestimmter Fristen geltend machen. So muss sie den Rücktritt oder die Kündigung innerhalb eines Monats erklären, nachdem sie von der Anzeigepflichtverletzung Kenntnis erlangt hat. Für die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gilt eine Frist von einem Jahr ab Kenntnis der Täuschung.

Besonders gravierend können die Folgen für den Versicherungsnehmer sein, wenn das verschwiegene Gesundheitsproblem erst im Leistungsfall bekannt wird. In diesem Fall droht nicht nur der Verlust des Versicherungsschutzes, sondern auch eine Ablehnung der konkreten Leistung. Der Versicherungsnehmer bleibt dann auf seinen Kosten sitzen.

Bei Krankenversicherungen kommt erschwerend hinzu, dass der Betroffene nach einem Rücktritt oder einer Anfechtung des Vertrags unter Umständen ohne Versicherungsschutz dasteht. Er muss sich dann schnellstmöglich um einen neuen Versicherungsschutz bemühen, um nicht in die Versicherungslosigkeit zu geraten. Dies kann insbesondere bei Vorerkrankungen schwierig und teuer werden.

Gesundheitsfragen müssen daher stets vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet werden. Auch scheinbar unbedeutende Beschwerden oder Behandlungen sollten angegeben werden. Im Zweifel ist es ratsam, lieber zu viel als zu wenig anzugeben. Die Bewertung der Relevanz einer Gesundheitsinformation obliegt dem Versicherer, nicht dem Antragsteller.

Wer unsicher ist, ob eine bestimmte Gesundheitsinformation angegeben werden muss, sollte sich an einen unabhängigen Versicherungsberater oder Rechtsanwalt wenden. Diese können bei der korrekten Beantwortung der Gesundheitsfragen unterstützen und so dazu beitragen, spätere Probleme zu vermeiden.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • vorvertragliche Anzeigepflicht: Die vorvertragliche Anzeigepflicht bedeutet, dass ein Versicherungsnehmer alle ihm bekannten gefahrerheblichen Umstände, die für den Abschluss des Versicherungsvertrags relevant sind, vollständig und wahrheitsgemäß mitteilen muss. Das Verschweigen solcher Umstände, wie z.B. gesundheitliche Probleme, kann dazu führen, dass der Versicherer vom Vertrag zurücktreten oder diesen anfechten kann.
  • Rücktritt vom Vertrag: Der Rücktritt vom Vertrag ist das Recht des Versicherers, den Versicherungsvertrag aufzulösen, wenn der Versicherungsnehmer seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat. Im Fall einer Berufsunfähigkeitsversicherung kann dies passieren, wenn der Versicherungsnehmer relevante Gesundheitsprobleme verschweigt.
  • arglistige Täuschung: Arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer bewusst falsche Angaben macht oder wichtige Informationen verschweigt, um den Versicherer zum Abschluss des Vertrags zu bewegen. Dies kann dazu führen, dass der Versicherer den Vertrag anfechten kann, wodurch der Vertrag rückwirkend unwirksam wird.
  • Verdachtsdiagnose: Eine Verdachtsdiagnose ist eine vorläufige Diagnose, die auf bestimmten Symptomen basiert, aber noch nicht durch weitere Untersuchungen bestätigt wurde. Auch diese vorläufigen Diagnosen müssen bei der Antragstellung für eine Versicherung angegeben werden, da sie für die Risikobewertung des Versicherers relevant sein können.
  • Treu und Glauben: Dieser Grundsatz, auch bekannt als „Vertrauensschutz“, besagt, dass sich Vertragsparteien fair und redlich verhalten müssen. Im Versicherungsrecht bedeutet dies, dass Versicherungsnehmer alle relevanten Informationen offenlegen müssen, damit der Versicherer das Risiko korrekt einschätzen kann. Das Verschweigen solcher Informationen verstößt gegen diesen Grundsatz.
  • Berufsunfähigkeitsversicherung: Diese Art der Versicherung zahlt eine Rente, wenn der Versicherungsnehmer aufgrund von Krankheit oder Unfall seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Dabei ist es besonders wichtig, dass der Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss alle relevanten Gesundheitsinformationen angibt, da sonst der Versicherungsschutz gefährdet sein kann.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Anzeigepflicht vor Vertragsabschluss: Versicherungsnehmer sind verpflichtet, dem Versicherer vor Vertragsabschluss alle ihnen bekannten gefahrerheblichen Umstände wahrheitsgemäß und vollständig mitzuteilen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger seine Anzeigepflicht verletzt, indem er gesundheitliche Probleme wie Schluckstörungen und Schwierigkeiten beim Öffnen der Hände nach festem Zusammendrücken verschwiegen hat.
  • § 22 VVG: Folgen der Anzeigepflichtverletzung: Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten oder ihn anfechten. Im vorliegenden Fall hat die Versicherung vom Vertrag zurückgetreten, da der Kläger relevante Gesundheitsinformationen verschwiegen hatte, die für die Risikobewertung und Prämienkalkulation von Bedeutung gewesen wären.
  • § 123 BGB: Anfechtung wegen arglistiger Täuschung: Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung liegt vor, wenn der Anfechtungsberechtigte durch eine Täuschungshandlung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist und ohne die Täuschung die Willenserklärung nicht abgegeben hätte. Im vorliegenden Fall könnte das Verschweigen der Verdachtsdiagnose myotone Dystrophie als arglistige Täuschung gewertet werden, da diese Information für die Versicherung relevant gewesen wäre.
  • § 81 VVG: Rücktrittsrecht des Versicherers: Der Versicherer kann vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht verletzt hat. Im vorliegenden Fall hat die Versicherung von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht, da der Kläger relevante Gesundheitsinformationen verschwiegen hatte.
  • Treu und Glauben (§ 242 BGB): Im Versicherungsrecht gilt der Grundsatz von Treu und Glauben, der besagt, dass beide Vertragsparteien sich fair und redlich verhalten müssen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, indem er relevante Gesundheitsinformationen verschwiegen hat, die für die Versicherung von Bedeutung gewesen wären.

Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 7 U 118/20 – Urteil vom 17.11.2021

Lesen Sie hier das Urteil…

 

Die Berufung des Klägers gegen das am 16.06.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hanau wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das vorliegende und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung des Fortbestands eines Versicherungsvertrages trotz Rücktritts und Anfechtung bzw. hilfsweiser Kündigung.

Der am XX.XX.1993 geborene Kläger beantragte unter dem 18.08.2011 bei der Beklagten den Abschluss einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Auf Seite 3 des Antrags finden sich Fragen zum Gesundheitszustand. Ziffer 1 der Fragen „In den letzten 5 Jahren“ hat folgenden Inhalt: „Haben Behandlungen, Untersuchungen, Beratungen, ambulante Kuren, Beobachtungen oder Kontrollen durch Behandler stattgefunden? Bitte auch Behandlungszeitraum, Ausheilungstermin und jeweiligen Behandler mit Adresse angeben“. Hier gab der Kläger „Krankengymnastik wegen Skoliose“ an. Unter Ziffer 2 „In den letzten 10 Jahren“ findet sich folgende Frage: „Wurden stationäre Behandlungen oder Operationen durchgeführt? Erfolgten stationäre Kurmaßnahmen (wegen welcher Diagnosen)? Bitte auch Behandlungszeitraum, Ausheilungstermin und Adressdaten des Krankenhauses/ der Kuranstalt angeben“. Hier gab der Kläger an, im Jahr 2008 sei etwas zu essen in der Speiseröhre hängengeblieben und mit einer Magenspiegelung entfernt worden. Ziffer 3 fragt nach dem aktuellen Gesundheitszustand: „a) Bestehen Beschwerden, Folgen von Erkrankungen oder Unfallfolgen, Gebrechen, chronische Erkrankungen oder dauerhafte Beeinträchtigungen? Welche? Werden derzeit ärztliche Behandlungen durchgeführt? Welche? Therapieform, Behandlungszeitraum, Behandler und Diagnose angeben“. Hier wies der Kläger wiederum auf die seit 2006 bestehende Skoliose hin. Die Frage 7 „Wurde eine ambulante oder stationäre Untersuchung bzw. Behandlung für die nächsten 12 Monate angeordnet?“ verneinte der Kläger.

Mit Schreiben vom 28.09.2011 teilte die Beklagte mit, dass der Versicherungsschutz nur mit einer Sondervereinbarung übernommen werden könne, wonach alle Erkrankungen und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule einschließlich zugehöriger Bänder, Bandscheiben und Nerven vom Versicherungsschutz ausgenommen seien. Wegen des Verhältnisses von Körpergröße und Gewicht forderte die Beklagte einen Gesundheitszuschlag in Höhe von 25 % des Zusatzbeitrages. Für den Fall des Einverständnisses solle der Kläger die Einverständniserklärung unterschrieben zurückzusenden. Hieran erinnerte die Beklagte mit Schreiben vom 11.11.2011 und 23.12.2011.

Am 24.02.2012 stellte sich der Kläger in der Klinik für Neurologie der Universität1 vor und gab dort an, dass er seit der Kindheit Probleme habe, seine Hände zu öffnen, nachdem er sie fest zugedrückt habe. Auch bei emotionaler Erregung würden sich seine Hände des Öfteren verkrampfen. Als Hauptdiagnose ist in dem Befundbericht „G71.1 V.a. Myotone Dystrophia (Curschmann-Steinert)“ vermerkt. Zu Diagnosesicherung wurde eine genetische Untersuchung empfohlen. Der Kläger sei darüber aufgeklärt worden, dass es im Verlauf zu einer Verschlechterung der Beschwerden kommen könne, aber nicht müsse, was unter Umständen auch Auswirkungen auf seine Berufsfähigkeit haben könne.

Am 01.03.2012 ging bei der Beklagten die undatierte, aber unterzeichnete Einverständniserklärung ein. Unter der auf Seite 2 befindlichen Unterschrift findet sich folgender Text: „Falls sich seit Antragstellung Ihr Gesundheitszustand geändert hat, teilen Sie uns dies bitte mit. Unser Angebot gilt nur, wenn ihre im Antrag gemachten Angaben unverändert zutreffend und vollständig sind“.

Die Beklagte nahm den Antrag an und übersandte dem Kläger den Versicherungsschein vom 02.03.2012. Die Erstprämie hatte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits von dem Konto des Klägers abgebucht.

Anfang 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die Beklagte trat in die Leistungsprüfung ein und erhielt unter anderem folgende Unterlagen: Auskunft der Krankenkasse1, Auskunft der Hausärztin Dr. A, ergänzende Auskunft von Dr. A, Befundbericht des Klinikums der Universität1/ Klinik für Neurologie vom 24.02.2012 und Befundbericht des Klinikums Stadt1 vom 16.01.2020.

Mit Schreiben vom 08.04.2016 erklärte die Beklagte den Rücktritt und die Anfechtung des Vertrags, hilfsweise für den Fall, dass kein Vorsatz oder kein grob fahrlässiges Handeln vorgelegen habe, die Kündigung, und lehnte die Erbringung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab.

Der Kläger hat behauptet, er habe bei dem Ausfüllen der Vertragsunterlagen im August 2011 alle relevanten gesundheitlichen Beeinträchtigungen angegeben, insbesondere auch die Schluckbeschwerden 2008, die einen eintägigen Krankenhausaufenthalt erforderlich gemacht hätten. Die endoskopischen Untersuchungen seien im Alter von 11 bzw. 12 Jahren erfolgt. Das Ereignis habe mehrere Jahre zurückgelegen. Ob eine Verengung der Speiseröhre vorgelegen habe, könne von Seiten des Klägers nicht gesagt werden. Er sei mit Schluckbeschwerden ins Krankenhaus gekommen und ohne Schluckbeschwerden entlassen worden. Ein ADHS sei bei ihm zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden. Bei dem Schulter-Arm-Syndrom handele es sich um Schmerzen in der Schulter, die einmalig gewesen und durch die Einnahme rezeptfreier Medikamente behoben worden seien. Darüber, dass er die Hand nach einem Faustschluss nicht ohne weiteres wieder öffnen könne, habe er sich nie Gedanken gemacht und dies auch nicht in den Kontext einer gravierenden Erkrankung gesetzt. Der Begriff Beschwerden sei viel zu weit gefasst.

Sofern in der Einverständniserklärung zugleich bestätigt werde, dass es keine Veränderungen im Gesundheitszustand gegeben habe und die Beantwortung der Fragen im Antragsformular nach wie vor vollständig und richtig sei, sei dies in keiner Weise hervorgehoben und befinde sich zudem unterhalb der Überschrift, so dass die entsprechende Passage leicht zu übersehen sei. Der Hinweis genüge den Anforderungen des § 19 Abs. 5 VVG in keiner Weise. Die Vorstellung in der Universitätsklinik sei zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung am 29.02.2012 noch nicht erfolgt. Es habe sich zudem lediglich um eine Verdachtsdiagnose gehandelt.

Im Übrigen habe die Beklagte die Erstprämie bereits vor Ausstellung und Übersendung des Versicherungsscheins eingezogen, so dass sie sich nicht darauf berufen könne, der Vertrag sei erst im März 2012 zustande gekommen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die gestellten Feststellungsanträge seien bereits unzulässig. Der Kläger habe seine Anzeigepflicht verletzt, da schon die Angabe über die einmalige stationäre Behandlung wegen verschluckter Speisereste unvollständig und verharmlosend sei. Dass es sich nicht um ein einmaliges Ereignis gehandelt habe, ergebe sich aus dem Befundbericht des Klinikums Stadt1 vom 16.01.2020, in dem von vier Ereignissen dieser Art und einer Verengung des Ösophagus die Rede sei. Ferner habe bei dem Kläger schon seit Jahren eine bekannte ADHS bestanden. Von Frau Dr. A sei der Kläger vom 01.02.2011 bis 02.02.2011 wegen einer Anpassungsstörung behandelt worden. Auch die Beschwerden an den Händen hätte der Kläger angeben müssen.

Hätte die Beklagte Kenntnis von diesen Umständen gehabt, hätte sie den Vertrag nicht abgeschlossen.

Der Kläger habe arglistig gehandelt. Hierfür spreche schon die zeitliche Nähe der verschwiegenen Umstände zum Vertragsabschluss. Zudem habe er nicht plausibel gemacht, wie es zu den falschen Angaben gekommen sei. Den Kläger entlaste nicht, dass es sich bei der myotonen Dystrophie nur um eine Verdachtsdiagnose gehandelt habe, da er in Ziffer 3) nach Beschwerden, nicht nach Diagnosen gefragt worden sei. Einer Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG bedürfe es im Falle von Arglist nicht. Im Übrigen habe die Beklagte sowohl im Antragsformular als auch in der Selbstauskunft ausdrücklich auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 140 ff. der Akte).

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage mit Urteil vom 16.06.2020 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei im Hinblick auf die Anträge zu 2) und 3) unzulässig. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Beklagte sei nach § 19 Abs. 2 VVG berechtigt gewesen, von dem geschlossenen Vertrag zurückzutreten. Der Kläger sei jedenfalls verpflichtet gewesen, bei Antragstellung die Verdachtsdiagnose einer myotonen Dystrophie anzugeben, da diese ihm mit Arztbericht vom 24.02.2012 mitgeteilt worden sei. Die Anzeigepflicht habe fortgewirkt, da zu diesem Zeitpunkt der Vertrag noch nicht zustande gekommen sei. Dass die entsprechende Belehrung sich direkt unterhalb der durch den Versicherungsnehmer zu leistenden Unterschrift befinde und der Kläger sie möglicherweise tatsächlich nicht zur Kenntnis genommen habe, stehe der Möglichkeit ausreichender Kenntnisnahme nicht entgegen. Das Verschulden des Versicherungsnehmers werde vermutet, wie sich aus § 19 Abs. 3 VVG ergebe.

Gegen das ihm am 22.06.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.07.2020 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.09.2020 am letzten Tag der Frist begründet. Der Kläger macht zur Begründung der Berufung geltend, das erforderliche Feststellungsinteresse für die Anträge zu 2) und 3) liege vor, da die Beklagte durch ihr gesamtes Verhalten zum Ausdruck gebracht habe, dass ein Recht des Klägers nicht bestehe.

Der Hinweis in der Einverständniserklärung könne nicht einem – erforderlichen – Hinweis nach § 19 Abs. 5 VVG gleichgestellt werden. Es fehle schon an einer drucktechnischen Hervorhebung. Darüber hinaus sei auch keine Veränderung des Gesundheitszustandes eingetreten. Aufgrund eines weiteren Verschluckens und der Problematik mit dem Faustschluss sei es zu der Anregung gekommen, sich im Universitätsklinikum vorzustellen, wo lediglich eine Verdachtsdiagnose gestellt worden sei. Nach solchen habe die Beklagte aber nicht gefragt. Die Angaben im Antragsformular zu dem Gesundheitszustand seien unverändert zutreffend und vollständig gewesen. Eine Verschlechterung sei gerade nicht eingetreten.

Überdies sei der Kläger bei Unterzeichnung der Einverständniserklärung am 29.02.2012 davon ausgegangen, dass der Versicherungsvertrag schon zustande gekommen sei, nachdem die Beklagte die Prämien für Dezember 2011 und Januar 2012 bereits abgebucht habe. Dementsprechend habe für ihn keine Veranlassung bestanden, auf die Verdachtsdiagnose hinzuweisen. Auf das Vorliegen einer Versicherungspolice komme es nicht an.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 16.06.2020 verkündeten Urteils

1. festzustellen, dass die erklärte Anfechtung und der erklärte Rücktritt zu dem Lebensversicherungsvertrag … nicht zu einer Leistungsfreiheit in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geführt haben,

2. festzustellen, dass die hilfsweise Kündigung nicht wirksam erklärt wurde und zu keiner Leistungsfreiheit in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geführt hat,

3. festzustellen, dass die Beklagte ihre Leistungspflicht aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung seit Antragstellung prüfen muss.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil.

Der Senat hat mit Beschluss vom 17.06.2021 Hinweise erteilt und sodann mit Beschluss vom 21.09.2021 i.V.m. dem Beschluss vom 18.10.2021 im Einverständnis der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO das schriftliche Verfahren angeordnet und gemeinsame Schriftsatzfrist, die zugleich dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, auf den 03.11.2021 bestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zur Gerichtsakte gereicht worden sind.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob die Klage zulässig ist, da sie jedenfalls unbegründet ist.

Die Beklagte war nach § 19 Abs. 2 VVG berechtigt, von dem Vertrag zurückzutreten.

Nach § 19 Abs. 2 VVG kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG verletzt hat. Gemäß § 19 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet (§ 19 Abs. 1 Satz 2 VVG).

Der Kläger hat seine Anzeigepflicht im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG verletzt, da er die ihm gestellten Gesundheitsfragen nicht vollständig und zutreffend beantwortet hat.

Dies gilt jedenfalls in Bezug auf die im Antragsformular gestellte Frage 3 zu dem aktuellen Gesundheitszustand. Dort wird gefragt: „Bestehen Beschwerden, Folgen von Erkrankungen oder Unfallfolgen, chronische Erkrankungen oder dauerhafte Beeinträchtigungen? Welche? Werden derzeit ärztliche Behandlungen durchgeführt? Welche?“. Hier hat der Kläger lediglich eine Skoliose angegeben, die seit 2006 bestand. Nicht angegeben hat er dagegen eine Verengung der Speiseröhre sowie die seit seiner Kindheit bestehenden Probleme, die Hände zu öffnen, nachdem sie zuvor fest zusammengedrückt worden waren, und den Umstand, dass es auch bei emotionaler Erregung zu einer Verkrampfung der Hände kommt (so die Angaben in der Anamnese im Uniklinikum Stadt2, die der Kläger nicht in Abrede gestellt hat).

Die Frage nach „Krankheiten, Störungen oder Beschwerden“ erfasst jede Gesundheitsbeeinträchtigung, die nicht offenkundig belanglos ist oder alsbald vergeht. Der Versicherungsnehmer hat damit Auskunft unabhängig von der Schwere oder von dem Stadium der erfragten Gesundheitsstörung zu erteilen (Spuhl, in: BeckOK VVG, Stand: 03.05.2021, § 19 Rdnr. 62.1). Dass hier sowohl die Schluckstörungen als auch die Probleme mit dem Faustschluss anzugeben gewesen sind, war für den Kläger auch aufgrund der näheren Erläuterungen zu den Gesundheitsfragen auf der Rückseite des Antragsformulars erkennbar. Denn dort werden Beschwerden als „vorübergehende als auch dauerhafte Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens“ umschrieben. Der Zulässigkeit einer solchen Frage steht nicht entgegen, dass sie sehr weit gefasst ist (Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG 2021, § 19 Rdnr. 38). Soweit der Kläger geltend macht, er habe die Schluckstörung angegeben, trifft dies zwar zu. Unrichtig sind aber auch stark verharmlosende Angaben (Armbrüster, a.a.O., Rdnr. 83). Um eine solche handelt es sich, da die Schluckstörung als lediglich einmaliges Ereignis dargestellt wird, obwohl bereits weitere diagnostische Maßnahmen durchgeführt worden sind und es im Jahr 2010 schon zu vier Ereignissen dieser Art gekommen ist. Zudem ergibt sich aus einem Arztbericht des Klinikums Stadt1 vom 16.01.2010, dass eine bekannte Ösophagusverengung bestehe. Entgegen der Ansicht des Klägers bestand auch keine Nachfrageobliegenheit der Beklagten. Für die Beklagte ergab sich aus der Antwort keine Veranlassung anzunehmen, dass es sich um mehr als ein bloßes Verschlucken handelte, das jedermann einmal passieren kann. Es war nicht ersichtlich, dass hinter dem Steckenbleiben von Essen in der Speiseröhre eine Grunderkrankung stecken könnte.

Auch wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung am 18.08.2011 weder ein Verdacht noch eine gesicherte Diagnose einer myotonen Dystrophie bestand, bestanden die entsprechenden Beschwerden bereits längere Zeit. Aus dem Bericht des Universitätsklinikums Stadt1 vom 24.02.2012 geht hervor, dass die entsprechenden Probleme schon seit der Kindheit bestünden.

Überdies bestand, stellt man auf die am 01.03.2021 bei der Beklagten eingegangene Einverständniserklärung ab, ungeachtet einer entsprechenden Frage eine spontane Anzeigepflicht.

Entgegen der Ansicht des Klägers war zu diesem Zeitpunkt der Versicherungsvertrag noch nicht zustande gekommen. Das Zustandekommen eines Versicherungsvertrages richtet sich – mit Ausnahme von § 5 VVG – nach den allgemeinen Regeln des BGB (Looschelders, in: Münchener Kommentar zum VVG, 2016, § 1 Rdnr. 5). Das in dem Antrag des Klägers auf Abschluss einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung liegende Angebot hat die Beklagte nicht angenommen, sondern mit Schreiben vom 28.09.2011 ein abweichendes Angebot unterbreitet. Für das Zustandekommen des Vertrages war danach noch ein Einverständnis des Klägers erforderlich, das erst am 01.03.2012 bei der Beklagten einging. Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte bereits die Erstprämie abgebucht hatte. Dies konnte und durfte der Kläger nicht als Annahmeerklärung der Beklagten verstehen, da diese in dem Schreiben vom 28.09.2011 deutlich gemacht hatte, dass noch eine Erklärung des Klägers erforderlich ist.

Zwar besteht nach § 19 Absatz 1 Satz 1 VVG eine vorvertragliche Anzeigepflicht nur in Bezug auf solche gefahrerheblichen Umstände, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, so dass zweifelhaft sein könnte, ob Raum für die Annahme einer weitergehenden Anzeigepflicht für ungefragte Umstände besteht. Denn der Versicherungsnehmer darf nach der gesetzlichen Wertung des § 19 Abs. 1 VVG grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Fragenkatalog des Versicherers alle gefahrerheblichen Umstände erfasst.

Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls bestand jedoch eine über § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG hinausgehende Aufklärungspflicht des Klägers.

Eine solche auf Treu und Glauben beruhende Offenbarungspflicht ohne Auskunftsverlangen des Versicherers bezieht sich auf die Mitteilung außergewöhnlicher und besonders wesentlicher Informationen, die das Aufklärungsinteresse des Versicherers so grundlegend berühren, dass sich dem Versicherungsnehmer ihre Mitteilungsbedürftigkeit auch ohne Auskunftsverlangen aufdrängen muss. In all diesen „krassen” Fällen, in denen es um Dinge geht, die für jedermann erkennbar das Aufklärungsinteresse des Versicherers in ganz elementarer Weise betreffen und deren Bedeutung daher für den Versicherungsnehmer auf der Hand liegen, widerspricht ein Berufen auf ein fehlendes vorheriges Auskunftsverlangen Treu und Glauben (BGH, Beschluss vom 19.05.2011 – IV ZR 254/10 – r+s 2011, S. 421).

Zwar handelte es sich nur um eine Verdachtsdiagnose. Allerdings geht aus dem Bericht des Universitätsklinikums Stadt2 vom 24.02.2012 hervor, dass mit dem Kläger und seiner Mutter bereits über etwa erforderliche Verlaufskontrollen gesprochen worden ist. Insbesondere aber wurde der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es im Verlauf zu einer Verschlechterung der Beschwerden kommen könne, was unter Umständen auch Auswirkungen auf seine Berufsfähigkeit, insbesondere eine Einschränkung bei körperlichen Tätigkeiten haben könne und frühzeitig bei der Berufswahl bedacht werden solle. Angesichts dessen lag für den Kläger die Gefahrerheblichkeit klar auf der Hand, nachdem es um den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ging. Dies gilt umso mehr, als schon die Beschwerden, die zu der Verdachtsdiagnose geführt haben, bereits bei Antragstellung hätten angegeben werden müssen.

Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die ihn von dem vermuteten Vorsatz bzw. einer groben Fahrlässigkeit entlasten könnten (vgl. hier Langheid, a.a.O., § 19 Rdnr. 182).

Im Hinblick auf die Fragen in dem Antragsformular fehlt es auch nicht an der nach § 19 Abs. 5 VVG erforderlichen Belehrung. Denn unmittelbar vor den Gesundheitsfragen findet sich ein Hinweis auf die Belehrung über die vorvertragliche Anzeigepflicht, die sich ihrerseits auf der Rückseite des Antragsformulars befindet.

Ungeachtet dessen hat der Kläger arglistig gehandelt.

Voraussetzung für das Vorliegen arglistigen Handelns ist, dass der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss eines Versicherungsvertrages beeinflusst werden kann.

Davon ist hier auszugehen. Hierfür spricht bereits der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Untersuchung im Universitätsklinikum Stadt2 am 24.02.2012 und der Abgabe des Einverständnisses, das erst am 01.03.2012 bei der Beklagten eingegangen ist, nachdem der Kläger zuvor auf entsprechende Erinnerungen der Beklagten nicht reagiert hatte. Offensichtlich haben ihm die Erörterungen in der Universitätsklinik die Wichtigkeit einer Berufsunfähigkeitsabsicherung vor Augen geführt und ihn veranlasst, unverzüglich das Einverständnis mit dem Angebot der Beklagten zu erklären. Auch die Hinweise, die dem Kläger im Klinikum für seine berufliche Tätigkeit gegeben worden sind, sprechen dafür, dass er die Angabe bewusst unterlassen hat, um den Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zu gefährden. Im Hinblick auf den ursprünglichen Antrag ist festzuhalten, dass der Kläger stark verharmlosende Angaben gemacht hat.

Für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers spricht ferner indiziell, wenn er falsche Angaben zu erheblichen Umständen macht. Den Versicherungsnehmer trifft dann eine sekundäre Darlegungslast; er muss plausibel darlegen, wie und weshalb es zu den objektiv falschen Angaben gekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2007 – IV ZR 103/06 – NJW-RR 2008, S. 343). Eine Erklärung, wie es insgesamt zu den falschen Angaben gekommen ist, hat der Kläger indes nicht gegeben.

Danach war die Beklagte nach § 19 Abs. 1 VVG berechtigt, von dem Vertrag zurückzutreten und ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 Abs.1 ZPO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.


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