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Versicherungsvertrag – Beginn Versicherungsschutz vor Ende Widerrufsfrist

OLG Stuttgart – Az.: 7 U 84/18 – Beschluss vom 28.06.2018

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 20.04.2018 – 3 O 33/17 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 19.07.2018 (Eingang bei Gericht).

Gründe

I.

Die Entscheidung des Landgerichts ist nach eingehender Prüfung des gesamten erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der Angriffe in der Berufungsinstanz nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Prämien aufgrund des erklärten Widerspruchs gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrags zu. Die Klage ist daher vom Landgericht zu Recht als begründet angesehen worden; die Berufung ist mithin nicht begründet.

1. Das Erstgericht hat zutreffend gesehen, dass sich der Kläger für den geltend gemachten Anspruch auf Prämienrückerstattung auf die Regelungen in §§ 346, 357 Abs. 1 Satz 1, 355 BGB berufen kann.

Die Rechtsfolgen der wirksamen Ausübung des gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 VVG begründeten Widerrufsrechts richten sich nach den einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn die Voraussetzungen der diese Vorschriften modifizierenden Bestimmung des § 9 Abs. 1 VVG i.V.m. § 152 Abs. 2 VVG nicht erfüllt sind. Denn § 9 Abs. 1 VVG ist eine Spezialregelung gegenüber den im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen allgemeinen Vorschriften über die Widerrufsfolgen, die letztere nur verdrängt, wenn sie tatbestandsmäßig anwendbar ist (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 13.09.2017 – IV ZR 445/14, VersR 2017, 1321 Rn. 20).

2. Hier kann sich die Beklagte indes – entgegen der in der Berufungsbegründung vom 28.05.2018 vertretenen Rechtsauffassung – nicht auf die Bestimmung des § 9 Abs. 1 VVG berufen.

Diese setzt nicht nur in dem von ihrem Satz 1 erfassten Fall, dass der Versicherungsnehmer in der Belehrung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist, sondern auch im Fall ihres Satzes 2, in dem der genannte Hinweis unterblieben ist, voraus, dass der Versicherungsnehmer dem Beginn des Versicherungsschutzes vor Ende der Widerrufsfrist zugestimmt hat (BGH, Urteil vom 13.09.2017 – IV ZR 445/14, VersR 2017, 1321 Rn. 22). Daher greifen die Ausführungen bei Ziff. II.1 (1.1 und 1.2) der Berufungsbegründung insofern zu kurz.

a) Insofern hat das Landgericht zunächst zutreffend und in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Beklagte den Kläger weder bei Antragstellung noch im Schreiben vom 13.08.2009 (Anlage K 1) in ausreichender Form über sein Widerrufsrecht belehrt hat. Das wird von der Berufung auch nicht mehr angegriffen.

b) Vor diesem Hintergrund kommt es maßgeblich darauf an, ob der Kläger hier zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt. Daran fehlt es indes.

Allein darin, dass der Kläger ein Angebot auf Abschluss des Versicherungsvertrages unterzeichnete, in dem das Datum des Versicherungsbeginns am 01.09.2009 bezeichnet war (Anlage B 1), und er später die Versicherungsbeiträge leistete, kann eine konkludente Zustimmung zu dem Beginn des Versicherungsschutzes gerade vor Ende der Widerrufsfrist nicht gesehen werden. Voraussetzung für die Annahme einer solchen konkludenten Zustimmungserklärung wäre zumindest, dass der Versicherungsnehmer über das Widerrufsrecht belehrt wurde oder der Versicherer aufgrund anderer Umstände davon ausgehen konnte, diesem sei sein Widerrufsrecht bekannt gewesen. Andernfalls bringt der Versicherungsnehmer aus Sicht des Erklärungsempfängers nicht schlüssig zum Ausdruck, dass er mit dem Versicherungsbeginn vor Ablauf der Widerrufsfrist einverstanden ist (BGH, Urteil vom 13.09.2017 – IV ZR 445/14, VersR 2017, 1321 Rn. 23).

Fehlt es – wie hier (oben 2 a) – an einer ordnungsgemäßen und damit letztlich an einer wirksamen und ausreichenden Belehrung überhaupt, kommt es mithin darauf an, ob die Beklagte aufgrund anderer Umstände davon ausgehen konnte, dem Kläger sei sein Widerrufsrecht bekannt gewesen. Dafür gibt es im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt indes keine Anhaltspunkte, derlei wird von der Berufungsbegründung auch nicht angeführt. Allein aus der Ausgestaltung des hier zugrunde liegenden Versicherungsvertrags als anteils- bzw. fondsgebundene Rentenversicherung, auf die insbesondere bei Ziff. II.2 (2.1 bis 2.3) der Berufungsbegründung abgestellt wird, ergibt sich derlei nicht.

c) Dies führt dazu, dass sich die Rechtsfolgen des Widerrufs im Streitfall – anders als die Beklagte meint – nicht nach § 9 Abs. 1 VVG i.V.m. § 152 Abs. 2 VVG richten. Daher kommt es auf die Ausführungen bei Ziff. II.2.4 der Berufungsbegründung nicht an.

3. Bei einem nicht ausreichend über sein Widerrufsrecht belehrten Versicherungsnehmer schließt auch die zuerst erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages den späteren Widerruf nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 13.09.2017 – IV ZR 445/14, VersR 2017, 1321 Rn. 12).

II.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

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