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Versicherungsvermittler – Beratung zu Versicherungswechsel bei einer Betriebsinhaltsversicherung

OLG Dresden – Az.: 4 U 441/19 – Beschluss vom 09.04.2019

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Es ist beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens auf 72.777,44 € festzusetzen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz von dem beklagten Versicherungsvermittler wegen eines behaupteten Wasserschadens in ihren Geschäftsräumen, für die keine Betriebsinhaltsversicherung bestand.

Die T… P… GmbH betrieb in den Geschäftsräumen …straße … in L. ein Trauring- und Brautmodengeschäft. Sie wurde am 30.11.2015 mit der Klägerin verschmolzen und gelöscht. Die Klägerin betreibt seit Dezember 2015 an der bisherigen Anschrift den Trauring- und Brautmodenhandel. Die Klägerin kündigte im Dezember 2015 die bestehende Inhaltsversicherung für das Ladengeschäft zum 24.12.2015. Am 02.12.2015 beauftragte sie den Beklagten, der als Agenturleiter der V…-A…-Leipzig auftrat, bessere Alternativen für die bestehenden Versicherungen zu suchen. Am 11.12.2015 teilte der Beklagte der Klägerin auf Nachfrage mit, dass er dabei sei, weitere Angebote einzuholen. Am 16.12.2015 übersandte er ihr ein Angebot für eine Betriebshaftpflichtversicherung. Es erfolgten mehrere Anfragen der Versicherung, die der Beklagte nach Rücksprache mit der Klägerin beantwortete. Am 08.02.2016 kam es im Ladenlokal wegen der Fehlfunktion der Sprinkleranlage zu einem Wasserschaden.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe gegen seine Pflichten aus dem abgeschlossenen Maklervertrag verstoßen, weil er ihr den notwendigen Versicherungsschutz nicht verschafft und sie auch nicht auf die erheblichen Gefahren des fehlenden Versicherungsschutzes hingewiesen habe. Der Beklagte sei über die Beendigung der Vorversicherung unterrichtet gewesen und habe ausreichend Zeit gehabt, ihr eine neue Versicherung zu verschaffen. Der Beklagte habe auch insoweit fehlerhaft gehandelt, als er nur die … Versicherungs AG kontaktiert habe. In ihrem Ladenlokal seien durch den Wassereinbruch zahlreiche Gegenstände beschädigt worden und ihr sei ein Schaden in Höhe von 72.777,44 € entstanden.

Der Beklagte hat vorgetragen, die Vermittlung einer Betriebsinhaltsversicherung sei kompliziert und nicht binnen weniger Wochen zu bewerkstelligen. Letztendlich habe die … Versicherungs AG die Abgabe eines Angebots abgelehnt. Er sei auch kein Makler, sondern Vermittler gewesen und habe zum damaligen Zeitpunkt nur die … Versicherung und die R… vermitteln können. Im Übrigen werde bestritten, dass die aufgeführten Gegenstände durch eine Fehlfunktion der Sprinkleranlage beschädigt worden seien.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.01.2019 – auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird – abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie trägt zur Begründung vor, das Landgericht habe fehlerhaft nicht erkannt, dass keine Pflichtverletzung in Form eines Verzuges, sondern einer Schlechtleistung vorliege. Der Beklagte hätte die Klägerin darüber aufklären müssen, dass er gegebenenfalls nicht in der Lage sei, für Versicherungsschutz zu sorgen. Dies gelte erst recht, wenn er nur wenige Gesellschaften vermittle und er dies nicht mitteile. Des Weiteren hätte der Beklagte der Klägerin die Möglichkeit anbieten können, im Wege der vorläufigen Deckung einen entsprechenden Versicherungsschutz zu erlangen. Auch dies habe der Beklagte unterlassen. Auf die Gefahren des fehlenden Versicherungsschutzes habe er ebenfalls nicht hingewiesen.

II.

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Schadensersatz aus § 280 BGB i.V.m. §§ 60, 63 VVG zu.

Die Parteien haben einen Versicherungsmaklervertrag abgeschlossen. Es kann offen bleiben, ob der Beklagte Versicherungsvertreter war, denn es ist nicht ersichtlich, dass er offengelegt hat, nur für zwei Gesellschaften tätig zu sein. Versicherungsmakler ist, wer gewerbsmäßig Versicherungsverträge vermittelt oder abschließt, dabei aber nicht vom Versicherer, sondern vom potentiellen Versicherungsnehmer mit dem konkreten Vermittlungsgeschäft betraut worden ist, § 59 Abs. 3 Satz 1 VVG. Als Versicherungsmakler gilt auch, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistung als Versicherungsmakler nach Satz 1, § 59 Abs. 3 Satz 2 VVG. Auch ein Versicherungsvermittler, der im Verhältnis zu den Versicherern Versicherungsagent oder Mehrfachagent ist, kann als Versicherungsmakler auftreten und mit dem Versichernehmer Maklerverträge schließen mit der Folge, dass er für Pflichtverletzungen aus dem Vertrag selbst einzustehen hat (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 08.10.2009 – 18 U 26/08 – juris). Diesen Anschein hat der Beklagte hier erweckt. Er ist unter der Bezeichnung „V…-A…“ aufgetreten. Es ist nicht ersichtlich, dass er beim ersten Geschäftskontakt der Klägerin mitgeteilt hat, dass er Versicherungsvertreter ist. Dazu wäre er gemäß § 11 Abs. 1 VersVermV a.F. (jetzt § 15 VersVermV) i.V.m. § 60 VVG verpflichtet gewesen. Der Hinweis auf eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO genügt nicht, denn sowohl Versicherungsmakler als auch Versicherungsvertreter können darunter fallen. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, aus denen die Klägerin hätte entnehmen können, dass der Beklagte Versicherungsagent für lediglich zwei Versicherungen ist.

Die Pflichten des vom Versicherungsnehmer beauftragten Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Wegen seiner umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich des Versicherungsverhältnisses des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderischer Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden. Als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers hat er dessen Interessen wahrzunehmen und individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz zu besorgen (st. Rspr., zum Ganzen BGH Urt. v. 26.03.2014 – IV ZR 422/12, juris Rn. 25 mwN; OLG Zweibrücken, Urteil vom 12. Dezember 2018 – 1 U 167/14 –, Rn. 30, juris). Gegen diese Pflicht hat der Beklagte jedoch nicht verstoßen. Den von ihm vorgelegten Unterlagen, auf die sich auch das Landgericht bezogen hat, lässt sich vielmehr entnehmen, dass er beginnend ab dem 21.12.2015 und damit noch vor der Kündigung der streitgegenständlichen Inhaltsversicherung erhebliche Anstrengungen unternommen hat, um möglichst zeitnah für eine Anschlussversicherung zu sorgen. Dass er dieser Pflicht nicht verzögerlich nachgekommen ist, lässt auch die Berufung gegen sich gelten. Sie meint stattdessen, dem Beklagten sei ein Verstoß gegen Informations- und Beratungspflichten vorzuwerfen. Hiermit dringt sie jedoch nicht durch.

Geht es um einen beabsichtigten Versichererwechsel in einem existentiell bedeutsamen Bereich, in dem Versicherungsschutz nicht ohne Weiteres erlangt werden kann, so sind die an den Versicherungsmakler gestellten Anforderungen an eine sachgerechte Aufklärung und Beratung besonders hoch. Er hat zu beachten, dass der Versicherungsnehmer in der Regel weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes in Kauf nehmen will (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 26. April 2017 – 5 U 36/16 –, juris für den Versicherungsvertreter). Schlägt ein Versicherungsvermittler im Rahmen einer Analyse der bestehenden Versicherungssituation seines Kunden eine Umdeckung vor, so muss er dem Versicherungsnehmer deutlich vor Augen führen, dass eine vorzeitige Kündigung mit gravierenden Nachteilen – einer Einschränkung des Versicherungsschutzes oder gar dem vollständigen Verlust – verbunden sein kann, und empfehlen, die bestehende Versicherung erst zu kündigen, wenn gewährleistet ist, dass der angestrebte Versicherungsvertrag mit den gewünschten Konditionen zustande kommt (OLG Saarbrücken aaO; so auch OLG Hamm, 10. Juni 2010, 18 U 154/09, juris Rn.60).

Dies setzt jedoch voraus, dass der Makler auch mit der Betreuung des bestehenden Vertrages beauftragt und zu einem Zeitpunkt eingeschaltet wird, in dem der noch die Möglichkeit hat, auf die Vermeidung von Deckungslücken hinzuwirken. Diese Möglichkeit hatte der Beklagten jedoch nicht. Die Klägerin ist initiativ an den Beklagten herangetreten und hat die streitgegenständliche Versicherung am 23.12.2015 selbst gekündigt, ohne den Beklagten hierüber zu informieren; mit der als Anlage K1 vorgelegten E-Mail vom 2.12.2015 war er lediglich darüber unterrichtet worden, dass die Versicherung gegen Wirtschaftskriminalität gekündigt worden war, mit E-Mail vom 11.1.2016 (K 5) erhielt er Kenntnis von der Kündigung der Betriebshaftpflichtversicherung. Unabhängig davon, ob ihre bei der …-Versicherung bestehende Inhaltsversicherung den streitgegenständlichen Schadensfall abgedeckt hätte (vgl. Anlage K 9) hatte der Beklagte in dieser Konstellation keine Veranlassung, die Klägerin von einer übereilten Kündigung abzuhalten. Ebenso wenig war er bei diesem Kenntnisstand gehalten, für die Klägerin um eine vorläufige Deckung bei der G oder einer anderen Versicherung nachzusuchen. Unabhängig hiervon fehlt es auch an der haftungsausfüllenden Kausalität, die nach § 287 ZPO zu beurteilen ist. Im vorliegenden Fall ist nichts dafür ersichtlich, dass eine Versicherung bereit gewesen wäre, vorläufigen Deckungsschutz für eine Betriebsinhaltsversicherung zu gewähren, ohne die von der G Versicherung erfragten Umstände (Anlagen B4, B6, B8) zu kennen. Hierfür trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast. Die mit E-Mail vom 15.3.2016 (B 10) von der G Versicherung ausgesprochene Weigerung, überhaupt ein Angebot abzugeben, spricht indiziell gegen die Möglichkeit, eine solche vorläufige Eindeckung kurzfristig erlangen zu können.

Der Beklagte war schließlich auch nicht verpflichtet, die Klägerin bei Übernahme des Maklerauftrags darauf hinzuweisen, dass die Vermittlung gegebenenfalls scheitern könnte. Der Makler schuldet gerade keine erfolgreiche Vermittlung. Mit Abschluss des Vertrages übernimmt er allein die Verpflichtung, sich um die Vermittlung des für seinen Kunden passendsten Versicherungsvertrages zu bemühen (vgl. Dörner, in: Prölss/Martin in VVG, 29. Aufl., § 59 Rn. 72). Dass eine solche Vermittlungstätigkeit auch erfolglos sein kann, liegt dabei auf der Hand. Unabhängig hiervon hätte die Klägerin aber auch in einem solchen Fall zu beweisen, dass sie einen solchen Hinweis zum Anlass genommen hätte, sich anderweitig um Versicherungsschutz zu bemühen und dass sie mit diesem Vorhaben vor Eintritt des Schadensfalls am 8.2.2016 Erfolg gehabt hätte. Gleiches gilt mit Blick auf den Vorwurf, der Beklagte habe es verabsäumt, gemäß § 60 VVG seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen zugrunde zu legen und darauf hinzuweisen, dass nur eine eingeschränkte Versichererauswahl vorliegt gemäß.

Aus den vorstehend genannten Gründen rät der Senat zur Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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