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Versicherungsmaklervertrag – Pflicht zum Hinweis auf das Auslaufen einer Risikodeckung

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 11 U 212/12 – Urteil vom 19.03.2014

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 28. September 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) – 13 O 422/11 – wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Als Sicherheit genügt die schriftliche unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Versicherungsmaklervertrag - Pflicht zum Hinweis auf das Auslaufen einer Risikodeckung
Symbolfoto: Von stockfour /Shutterstock.com

Die Prozessparteien streiten darüber, ob der Beklagte, ein in S… ansässiger freiberuflicher Versicherungsmakler, der am 02. Oktober 1999 mit der Klägerin und deren am 31. Oktober 2009 verstorbenen Ehemann W… L… einen Maklervertrag (Kopie Anlage K3/GA I 18 ff.) abgeschlossen hatte, Schadensersatz in Höhe von DM 55.556,00 (€ 28.405,33) – der Todesfallleistung, die von der … Lebensversicherung a.G. im Rahmen eines am 01. Februar 2009 durch Zeitablauf beendeten Risikolebensversicherungsgeschäft mit dem Erblasser versprochen worden war – leisten muss, weil er durch die Verletzung vom Hinweis- und Beratungspflichten nicht für den rechtzeitigen Erhalt des Versicherungsschutzes gesorgt habe. Aus der Ehe sind zwei gemeinsame Kinder hervorgegangen, die Tochter J… und der Sohn K…. Eine Verfügung von Todes wegen hat der Verstorbene nicht getroffen. Zur näheren Darstellung des Sachverhalts und der erstinstanzlichen Prozessgesichte wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Vom Landgericht Frankfurt (Oder), das in der Vorinstanz entschieden hat, ist das klageabweisende Versäumnisurteil vom 26. März 2012 (GA I 169 ff.) – nach Einspruch der Klägerin und Vernehmung einer Zeugin – aufrechterhalten worden. Begründend hat die Zivilkammer ausgeführt: Dem Beklagten falle zwar ein Verstoß gegen seine maklervertraglichen Pflichten zur Last, weil er den Erblasser nicht auf den Ablauf der Lebensversicherung hingewiesen und ihn nach Verlängerung oder Neuabschluss gefragt habe. Eine Schadenskausalität dieser Pflichtverletzung lasse sich aber nicht feststellen. Insbesondere sei nicht erwiesen, dass dem Ehemann der Klägerin, der inzwischen das fünfzigste Lebensjahr vollendet hatte, Raucher gewesen sei und schon nach klägerischem Vorbringen gesundheitliche Beschwerden gehabt habe, seinerzeit weiterer oder erneuter Versicherungsschutz zu vergleichbaren Bedingungen angeboten worden wäre. Dass es einen Neuabschluss auch zu höherer Prämie gegeben hätte, behaupte die Anspruchstellerin selbst nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (LGU 6 ff.).

Letzteres ist der Klägerin – zu Händen ihrer erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten – laut deren Empfangsbekenntnis am 11. Oktober 2012 (GA II 391) zugestellt worden. Sie hat am 12. November 2012 (GA II 400), einem Montag, mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel – nach am 07. Dezember 2012 (GA II 411) beantragter und bis zum 11. Januar 2013 (GA II 415) gewährter Verlängerung der Begründungsfrist – mit einem an diesem Tage bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (vorab per Telekopie) eingegangenen Anwaltsschriftsatz begründet (GA II 417 ff.).

Die Klägerin ficht das landgerichtliche Urteil – im Kern ihre bisherigen Darlegungen wiederholend und vertiefend – in vollem Umfange ihrer Beschwer an. Dazu trägt sie speziell Folgendes vor:

Die Eingangsinstanz sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte seine Hinweis- und Beratungspflichten aus dem Versicherungsmaklervertrag verletzt habe und ein Absicherungsbedürfnis hinsichtlich des Todesfallrisikos beim Erblasser weiterhin vorhanden gewesen sei, hätte aber die Schadenskausalität nicht verneinen dürfen. Ihr – der Klägerin – sei der Nachweis gelungen, dass im Jahre 2009 die Möglichkeit zum Abschluss einer Risikolebensversicherung bestanden habe. Gewiss wäre eine bloße Verlängerung des Vertrages bei der … Lebensversicherung a.G. ohne erneute Gesundheitsprüfung nicht möglich gewesen. Jedoch ergebe sich aus den Bekundungen der erstinstanzlich vernommenen Zeugin P…D…, dass der später Verstorbene, obwohl er unter Rückenbeschwerden gelitten habe sowie Diabetiker und Raucher gewesen sei, seinerzeit von der … Lebensversicherung AG binnen zwei bis drei Wochen ein so genanntes Erschwernisangebot erhalten hätte. Auf dieser Grundlage wäre es damals zum Abschluss eines entsprechenden Versicherungsvertrages gekommen. Der Beklagte hätte in Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen nach Besprechung mit ihrem – der Rechtsmittelführerin – Ehemann Angebote von verschiedenen Versicherungsunternehmen einholen müssen. Die Annahme des Landgerichts, dass sie – die Klägerin – beweisfällig geblieben sei, decke sich keineswegs mit dem Verhandlungsergebnis und den von ihr unterbreiteten Beweisangeboten. Ein zustanden gekommenes Lebensversicherungsgeschäft hätte Bestand gehabt, weil die vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben in dem fiktiven Probeantrag, der von der Zeugin P… D… geprüft worden sei, dem Gesundheitszustand des Erblassers im Zeitpunkt der Pflichtverletzung durch den Beklagten entsprächen. Dies könne ein Sachverständiger – entgegen der Auffassung der Eingangsinstanz – anhand der eingereichten ärztlichen Unterlagen zweifelsfrei überprüfen. Deshalb müsse die rechtsfehlerhaft unterlassende Beweisaufnahme nunmehr durch das Oberlandesgericht nachgeholt werden. Die Behandlungsunterlagen des Verstorbenen seien ohne Weiteres verwertbar; auf eventuelle Bedenken betreffend die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht hätte das Landgericht nach § 139 ZPO hinweisen müssen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil – unter Aufhebung des landgerichtlichen Versäumnisurteils vom 26. März 2012 – abzuändern und den Beklagten kostenpflichtig zu verurteilen, an sie – die Klägerin – sowie deren Kinder

a) J… L…, und

b) K…L…,

als Mitgläubiger einen Betrag in Höhe von € 28.405,33 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Juli 2009 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von € 1.196,43 seit dem 20. Januar 2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt, seine erstinstanzlichen Darlegungen im Kern ebenfalls wiederholend und vertiefend, das ihm günstige Urteil des Landgerichts lediglich im Ergebnis und bekämpft die Bejahung von maklervertraglichen Pflichtverletzungen mit Gegenrügen. Dazu trägt er insbesondere Folgendes vor:

Rechtsfehlerhaft sei die Eingangsinstanz zu der Auffassung gelangt, er habe seine rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Es obliege zunächst der Klägerin, den Zweck des von ihrem Ehemann ab 01. Februar 1999 für die Laufzeit von zehn Jahren bei der … Lebensversicherung a.G. im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Darlehens abgeschlossenen Risikoversicherungsvertrages darzulegen und nachzuweisen. Unabhängig davon hätte das Landgericht ihn – den Beklagten – als Partei vernehmen oder anhören müssen, weil es im Streitfall um die Verletzung von Beraterpflichten im Rahmen eines Vier-Augen-Gespräches gehe, an dem die Anspruchstellerin selbst nicht teilgenommen habe. Bereits alle Indizien sprächen dafür, dass ein weiterer Versicherungsschutz weder erforderlich war noch gewünscht wurde. Das ursprüngliche Versicherungsgeschäft sei Teil des seinerzeit durch die G… G… mbH aus einer Hand angebotenen Paketes von Bauleistungen für das Einfamilienhaus nebst Finanzierung gewesen. Welche konkreten Pflichten ein Versicherungsmakler habe, hänge – was von der Zivilkammer unbeachtet geblieben sei – nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stets von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Im Kern müsse er lediglich gewährleisten, dass es an keinem Versicherungsschutz fehle, hinsichtlich dessen der Kunde ein Versicherungsbedürfnis offenbart habe oder eine diesem unbekannte Deckungslücke entstanden sei. Keine der beiden Alternativen liege im Streitfall vor. Der Erblasser selbst habe den Versicherungsschutz schrittweise reduziert. Aus seiner Sicht sei eine Absicherung des Todesfallrisikos lediglich insoweit vorhanden gewesen, wie Kredite für den Bau des Eigenheims aufgenommen worden waren.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei zwischen den Prozessparteien sehr wohl streitig, ob er – der Beklagte – seine Hinweis- und Beratungspflichten aus dem Maklervertrag verletzt habe. Da mit der Risikolebensversicherung allein die Abdeckung des aufgenommenen Darlehens im Todesfalle bezweckt werden sollte, habe es für ihn – den Beklagten – keine Veranlassung gegeben, sich danach zu erkundigen, ob anderweitiger Versicherungsschutz benötigt werde; andere Darlehen seien nicht aufgenommen worden. In Anbetracht seiner im vorangegangenen Jahrzehnt zu Tage getreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätte der Ehemann der Klägerin keinen neuen Versicherungsschutz erhalten, insbesondere nicht zu einer vergleichbaren Prämie. Für Letzteres spreche schon das inzwischen erheblich höhere Lebensalter der versicherten Person. Im Jahre 2009 hätten die Versicherer zudem dem Rauchen eine weitaus größere Bedeutung als Erschwernis- beziehungsweise Ausschlusskriterium beigemessen. Dass mit der … Lebensversicherung AG ein Anschlussvertrag zu Stande gekommen wäre, habe die erstinstanzliche Beweisaufnahme nicht ergeben. Bereits das Schreiben der Zeugin P… D… vom 23. Juli 2012 (Kopie GA II 461 f.) spreche dagegen. Jedenfalls hätte die Gesundheitsprüfung des Versicherers so viel Zeit in Anspruch genommen, dass sie nicht vor dem Offenbarwerden der tödlichen Erkrankung des Erblassers abgeschlossen gewesen wäre. Zudem seien die konkreten Versicherungsbedingungen – speziell die Prämienhöhe und die Risikoausschlüsse – offen geblieben. Sachverständigenbeweis könne über das Zustandekommen eines Anschlussversicherungsgeschäfts nicht erhoben werden, weil dafür individuelle Entscheidungen erforderlich seien.

Im Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz wurde die Sach- und Rechtslage mit den Prozessbevollmächtigten beider Seiten eingehend erörtert; dabei hat der Senat – im Rahmen von § 139 ZPO – auf alle entscheidungserheblichen Aspekte hingewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der bisherigen Prozessgeschichte wird ergänzend auf die anwaltlichen Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle und auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. Das klägerische Rechtsmittel ist an sich statthaft und auch im Übrigen zulässig; es wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517 ff. ZPO). In der Sache selbst bleibt es allerdings erfolglos. Denn das Landgericht hat sein klageabweisendes Versäumnisurteil vom 26. März 2012 (GA I 169 ff.) zutreffend aufrechterhalten. Es besteht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Maklervertrag, den die Berufungsführerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann am 02. Oktober 1999 (Kopie Anlage K3/GA I 18 ff.) mit dem Rechtsmittelgegner abgeschlossen haben. Dem Umstand, dass die Klägerin nicht Zahlung an sich allein verlangen könnte, weil – wie die Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz ergeben hat – mit dem Ableben von W… L… die gesetzliche Erbfolge eingetreten und deshalb eine Erbengemeinschaft entstanden ist, die sich aus der überlebenden Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern zusammensetzt (§ 2032 Abs. 1 i.V.m. § 1922 Abs. 1, § 1924 Abs. 1 und § 1931 BGB), ist zwar durch eine entsprechende Antragsänderung Rechnung getragen worden. Auch gelangt der Senat – wie die Zivilkammer, teilweise jedoch aus anderen rechtlichen Erwägungen – zu dem Ergebnis, dass die Beklagtenseite ihren maklervertraglichen Verpflichtungen nicht vollumfänglich nachgekommen ist. Er vermag sich aber – mit der Vorinstanz (LGU 8ff.) – keineswegs von der Wahrheit der Behauptung zu überzeugen, der Pflichtverstoß habe bewirkt, dass der Klägerin und ihren Miterben keine Todesfallleistung von € 28.405,33 aus einer Anschlusslebensversicherung des Verstorbenen zugeflossen sei. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Indem der Beklagte den Erblasser nicht rechtzeitig darauf hinwies, dass das von diesem bei der … Lebensversicherung a.G. abgeschlossene Geschäft am 01. Februar 2009 durch Zeitablauf endet, hat er seine Pflichten aus dem Maklervertrag verletzt. Ob der Ehemann der Berufungsführerin ursprünglich allein das im Falle seines Todes bestehende Risiko der Rückzahlung eines bestimmten Kredits absichern wollte, den die Eheleute schon mit Vertrag vom 19. Oktober 1998 (Kopie K11/GA I 96 ff.) bei der S… AG aufgenommen hatten, um über die – inzwischen insolvente – G… G… mbH ein Einzelreihenhaus für die Familie errichten zu lassen, spielt – anders als der Rechtsmittelgegner meint – in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Rolle. Denn die Pflichten eines Versicherungsmaklers umfassen regelmäßig alle Phasen der nach den vertraglichen Absprachen zu betreuenden Versicherungsverhältnisse.

a) Anders als ein Zivil- oder Handelsmakler im Allgemeinen ist ein Versicherungsmakler im Sinne des (seit dem 01. Januar 2008 geltenden) § 59 Abs. 3 VVG nach der ganz herrschenden Meinung, die insbesondere in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertreten wird und die der Senat teilt, zum Tätigwerden für seine Auftraggeber verpflichtet; er hat die rechtliche Position eines Interessenvertreters und treuhänderischen Sachwalters des Versicherungsnehmers (vgl. insb. BGH, Urt. v. 22.05.1985 – IVa ZR 190/83, LS und Rdn. 10 f., BGHZ 94, 356 = VersR 1985, 930 [sog. Sachwalter-Urteil]; Urt. v. 20.01.2005 – III ZR 251/04, Rdn. 27, BGHZ 162, 67 = VersR 2005, 406; Urt. v. 14.06. 2007 – III ZR 269/06, Rdn. 10, WM 2007, 1676 = VersR 2007, 1127; ferner Dörner in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 59 Rdn. 50; Matusche-Beckmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR-HdB, 2. Aufl., § 5 Rdn. 275; Rixecker in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. § 59 Rdn. 8; z.T. m.w.N.). Durch den Abschluss des Maklervertrages wird im Allgemeinen ein Dauerschuldverhältnis mit Geschäftsbesorgungscharakter begründet, aus dem sich für den Versicherungsmakler grundsätzlich nicht allein die Verpflichtung ergibt, rechtzeitig angemessenen Versicherungsschutz zu beschaffen und dabei die jetzt in § 60 und § 61 VVG enthaltenen Bestimmungen zu beachten, sondern auch den Auftraggeber als Versicherungsnehmer nachfolgend im Rahmen des jeweiligen Versicherungsverhältnisses begleitend zu betreuen (vgl. Rixecker aaO und § 61 Rdn. 13; ferner Dörner aaO Rdn. 52; Matusche-Beckmann aaO Rdn. 270 f.). Insbesondere gehört es zu den Aufgaben des Maklers, zeitlichen Deckungslücken entgegenzuwirken und den Auftraggeber rechtzeitig auf erforderliche Verlängerungen aufmerksam zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 10.05.2000 – IV ZR 297/98, Rdn. 13, VersR 2000, 846 = r+s 2002, 119; ferner Dörner aaO; Matusche-Beckmann aaO Rdn. 311; Rixecker aaO Rdn. 13).

b) Im Streitfall war der Beklagte gemäß Nr. 1 Satz 2 des Maklervertrages vom 02. Oktober 1999 in Verbindung mit der entsprechenden Anlage (Kopie Anlage K3/GA I 18 ff.) ausdrücklich mit der Verwaltung bereits bestehender Lebensversicherungsverträge beauftragt. Das Bestandsverzeichnis, das er im Rahmen einer Versicherungsanalyse im Jahre 2000 gefertigt und rund drei Jahre später aktualisiert hat (Kopie Anlage K5/GA I 22, 27 und 29), listet das vom Erblasser bei der … Lebensversicherung a.G. abgeschlossene Risikogeschäft (nebst zutreffendem Ablaufdatum) auf. Zwar hatte der Anspruchsgegner – anders als in der Konstellation, die der Entscheidung des BGH, Urt. v. 10.05.2000 – IV ZR 297/98 (VersR 2000, 846 = r+s 2002, 119) zugrunde liegt – nicht explizit zugesagt, durchgehend für ausreichenden und notwendigen Versicherungsschutz seiner beiden Auftraggeber zu sorgen. Die in dem hier streitgegenständlichen Vertrag enthaltene Formulierung, wonach der Makler beauftragt ist, für die benannten Risiken bestehende oder neu abzuschließende Versicherungsverträge auf bedarfsgerechte Vertragsgestaltung und marktgerechte Prämiensätze zu überprüfen und diese Verträge zu verwalten, impliziert aber ohne Weiteres die Verpflichtung, die Laufzeiten der Versicherungsgeschäfte zu überwachen und – rechtzeitig vor deren Ende – auf das Auslaufen der Risikodeckung hinzuweisen, unabhängig davon, ob die Eindeckung nur vorläufig erfolgt war.

Einen solchen Hinweis gab es hier – nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Seiten – nicht. Denn das vom Beklagten behauptete (und zwischen den Prozessparteien streitige) Telefongespräch mit dem Ehemann der Klägerin hat erst im Laufe des Monats Februar 2009 stattgefunden, als der Risikolebensversicherungsvertrag bei der … a.G. schon – infolge seiner Befristung – beendet gewesen ist (LGU 5; GA I 44, 49). Selbst wenn man unterstellt, der Erblasser habe anfänglich, insbesondere bei Vertragsabschluss im Jahre 1999, allein das Kreditrückzahlungsrisiko im Blick gehabt, so würde das den Berufungsgegner letztlich nicht entlasten. Denn unbeschadet dessen, dass sich seinem Vorbringen nicht entnehmen lässt, ob und inwieweit die von beiden Eheleuten für die Baufinanzierung aufgenommenen Darlehen im Jahre 2009 bereits getilgt waren, hätte sich der Beklagte als Makler anlässlich des bevorstehenden Vertragsendes nach dem aktuellen Versicherungsbedarf erkundigen müssen. In dem – bereits oben zitierten – sog. Sachwalter-Urteil (Urt. v. 22.05.1985 – IVa ZR 190/83, Rdn. 11) hat es der Bundesgerichtshof gerade als vertragstypisch angesehen, dass der Versicherungsmakler von sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den Versicherungsnehmer als seinen Auftraggeber ständig, unverzüglich und ungefragt über die für ihn wichtigen Zwischen- und Endergebnisse seiner Bemühungen, das aufgegebene Risiko zu platzieren, unterrichtet.

2. Die vom Beklagten bestrittene Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Eintritt des Schadens nachzuweisen, ist der Klägerin allerdings im Streitfall jedoch nicht gelungen.

a) Da es sich nicht um die haftungsbegründende, sondern um die so genannte haftungsausfüllende Kausalität handelt, wenn – wie hier – in Frage steht, ob ein Verstoß gegen Hinweis- oder Beratungspflichten den Eintritt eines wirtschaftlichen Nachteils herbeigeführt hat, ergibt sich zwar das Beweismaß aus § 287 Abs. 1 und nicht § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 22.05.1985 – IVa ZR 190/83, Rdn. 19, BGHZ 94, 356 = VersR 1985, 930 [Sachwalter-Urteil]; ferner BeckOK-ZPO/Bacher, Edition 11, § 287 Rdn. 5, m.w.N.). Außerdem kann sich die Anspruchstellerin auf die so genannte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens stützen, was eine (partielle) Umkehr der Beweislast zur Folge hat (vgl. insb. BGH aaO LS und Rdn. 20 ff.; eingehend für Kapitalanlagefälle unlängst BGH, Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 = WM 2012, 1337). Beides hilft der Berufungsführerin im Streitfall aber nicht entscheidend weiter. Denn selbst wenn man unterstellt, der Erblasser hätte – durch den Beklagten rechtzeitig auf das bevorstehende Ende des Risikolebensversicherungsgeschäfts aufmerksam gemacht – entweder Letzteren mit der Beschaffung einer neuen Deckung betraut oder sich selbst darum gekümmert, steht noch keineswegs der Erfolg der Bemühungen in Gestalt des tatsächlichen Abschlusses eines neuen Versicherungsvertrages mit gleicher Leistungssumme im Todesfalle fest. Darauf erstreckt sich die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgearbeitete tatsächliche Vermutung nicht. Grundlage für eine solche Annahme ist regelmäßig ein Satz der allgemeinen Lebenserfahrung. Ob ein Rechtsgeschäft zustande kommt, insbesondere mit einem Dritten, der sich – wie hier – zur Übernahme personenbezogener Risiken verpflichten soll, beruht indes auf einem individuellen Entscheidungsprozess, dem interne Überlegungen oder Prinzipien zugrunde liegen, die regelmäßig keinem derartigen Maß an Verallgemeinerung zugänglich sind, auf das eine tatsächliche Vermutung gestützt werden kann.

b) Konkrete Anhaltspunkte, die im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Zweifel an der Annahme des Landgerichts begründen, es sei nicht erwiesen, dass der Erblasser Ende 2008/Anfang 2009 – zu vergleichbaren Bedingungen wie noch im Jahre 1999 – weiteren oder neuen Versicherungsschutz hätte erlangen können, bestehen nicht. Eine schlichte Verlängerung des auslaufenden Vertrages bei der … Lebensversicherung a.G. – ohne erneute Gesundheitsprüfung – wäre, wie die Klägerin in zweiter Instanz selbst einräumt (GA II 425, 427), nach der Mitteilung des bisherigen Versicherers vom 12. November 2009 (Kopie Anlage B3/GA I 128) nicht möglich gewesen, weil im Altvertrag nicht das „Überschusssystem Beitragsverrechnung“ vereinbart war. Bei einer neuen Risikoprüfung hätte ein potenzieller Versicherer, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, zunächst berücksichtigt, dass der Erblasser inzwischen zehn Jahre älter geworden war, nun das fünfzigste Lebensjahr überschritten hatte und nach wie vor rauchte, im hier maßgeblichen Zeitraum wenigstens fünf bis zehn Zigaretten täglich. Hinzu kam, dass beim Ehemann der Klägerin im August 2002 ein Diabetes mellitus diagnostiziert worden war, der mit Tabletten behandelt wurde sowie zu regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen und zur Teilnahme an einem Diabetikerprogramm führte. Anfang 2004 hatte der später Verstorbene einen Glatteisunfall, durch den Verletzungen verursacht wurden, die eine rund zweiwöchige stationäre Behandlung mit Operation und eine anschließende ambulante Therapie erforderten. Außerdem war beim Erblasser eine Fehlsichtigkeit von über 6 dpt festgestellt worden, weshalb er sich in augenärztlicher Behandlung befand. Auf die Beantwortung der abstrakten Frage, ob der Ehemann der Rechtsmittelführerin kurz vor dem Ablauf seiner Risikolebensversicherung noch versicherbar gewesen wäre, kommt es für die Entscheidung des Streitfalls nicht an, weil nur der tatsächliche Abschluss eines entsprechenden Folgeversicherungsgeschäftes, der von der individuellen Entscheidung des jeweiligen Versicherers geprägt und deshalb einer Begutachtung durch gerichtliche Sachverständige nicht zugänglich ist, den Erben die Todesfallleistung gewahrt hätte. Ein Angebot ohne Erschwerniszuschläge wäre W… L… gemäß den Bekundungen der Zeugin P… D… bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht damals auch von der … Lebensversicherung AG nicht unterbreitet worden.

c) Der Senat vermag sich – unter Würdigung aller Umstände des Streitfalles nach § 287 Abs. 1 ZPO – nicht davon zu überzeugen, dass seinerzeit ein neuer Risikolebensversicherungsvertrag mit gleicher Leistungssumme zustande gekommen wäre, selbst wenn der Versicherer dafür höhere Beiträge gefordert hätte. Dass sich dieser Umstand – ebenso wie generell die Verpflichtung zur Prämienzahlung bis zu dem Eintritt des Versicherungsfalles – zugleich auf den Schadensumfang auswirken würde, sei deshalb hier lediglich ergänzend angemerkt. Zwar hat die Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung im Termin am 26. März 2012 vor dem Landgericht zu Protokoll erklärt (GA I 166, 168): „Wir hätten auf jeden Fall eine Versicherung weiter abgeschlossen, aber die Höhe kann ich jetzt nicht angeben.“ Daraus musste die Zivilkammer aber – nicht zuletzt unter Berücksichtigung der weiteren Äußerungen der Anspruchstellerin – keineswegs die Bereitschaft und den wirtschaftlichen Spielraum des Erblassers entnehmen, in Zukunft mehr Beiträge zu entrichten (LGU 10), zumal der Akteninhalt eher für eine tendenzielle Reduzierung des Versicherungsschutzes spricht. Aus den seinerzeit protokollierten Äußerungen der jetzigen Berufungsklägerin folgt, dass der Prämienhöhe eine erhebliche Bedeutung zukam und die wirtschaftliche Situation beider Eheleute – angesichts der noch offenen Kreditsumme und weiterer Zahlungsverpflichtungen, auch aus anderen Versicherungsgeschäften – eine sorgfältige Kalkulation erforderte. Zudem gestalteten sich die Verhältnisse beider Ehegatten unterschiedlich: Während die Klägerin selbst als Lehrerin über relativ sichere Bezüge verfügte, war ihr Ehemann, der von Beruf Dachdecker gewesen ist, in besonderem Maße den Risiken des Arbeitsmarktes ausgesetzt; er hatte ein deutliche geringeres Einkommen und war zuletzt für ein Zeitarbeitsunternehmen tätig. Zu welchen Konditionen die … Lebensversicherung AG ihr so genanntes Erschwernisangebot unterbreitet hätte, insbesondere welche (zusätzlichen) Beiträge verlangt worden wären, lässt sich – wie den Bekundungen der Zeugin P… D… zu entnehmen ist – nicht mehr feststellen. Es spricht jedoch alles dafür, dass die Prämie deutlich über der gelegen hätte, die im Rahmen des Altvertrages aus Jahre 1999 gezahlt werden musste, der im Zusammenhang mit der Finanzierung der Errichtung des Eigenheims über die G… G… mbH vermittelt wurde. Neben dem Umstand, dass die versicherte Person inzwischen zehn Jahre älter geworden war und bereits das fünfzigste Lebensjahr überschritten hatte, musste erfahrungsgemäß mit einem deutlichen Risikozuschlag gerechnet werden, weil beim Erblasser nach Aussage der Zeugin fünf – von maximal acht möglichen – Erschwernissen vorlagen.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Danach fallen die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels der Klägerin zur Last, weil sie es eingelegt hat.

C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Berufungsurteils ergibt sich aus § 708 Nr. 10 sowie § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. Art und Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt der Senat nach § 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung der in § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO und in § 239 Abs. 2 BGB enthaltenen Rechtsgedanken.

D. Die Revision wird vom Senat – in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG – nicht zugelassen. Die vorliegende Rechtssache hat weder grundsätzliche – über den Streitfall hinausgehende – Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Auf die Beantwortung der Frage, ob dem Beklagten maklervertragliche Pflichtverletzungen zur Last fallen, kommt es für den Ausgang des hiesigen Zivilprozesses nicht an. Im Übrigen beruht das Urteil des Senats auf der Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall und der Würdigung von dessen tatsächlichen Umständen. Eine Divergenz zur höchstrichterlichen Judikatur oder zu Entscheidungen anderer Oberlandesgericht ist nicht ersichtlich.

E. Der Gebührenstreitwert für den zweiten Rechtszug beträgt bis € 30.000,00 (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Bei den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin handelt es sich um eine Nebenforderung im Sinne des § 43 Abs. 1 GKG, die nach ganz herrschender Meinung, welche vom Senat geteilt wird, streitwertneutral bleibt (vgl. dazu insb. BGH, Beschl. v. 30.01.2007 – X ZB 7/06, LS, BGH-Rp 2007, 571 = VersR 2007, 1102; ferner Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 4 Rdn. 13, m.w.N.).

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