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Versicherungsmaklerhaftung – Fehler bei der Ausgestaltung einer Bauwesenversicherung

OLG Koblenz – Az.: 10 U 724/11 – Beschluss vom 17.10.2011

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 28. November 2011.

Gründe

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung den von den Klägerinnen geltend gemachten Schadensersatz dem Grunde nach zu zwei Dritteln als berechtigt angesehen und der Klage deshalb insoweit stattgegeben. Den Klägerinnen steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen der fehlerhaften Vermittlung einer für den Erhalt eines Bauauftrags erforderlichen Versicherung jedenfalls in dieser Höhe zu. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung gibt zu einer anderen Würdigung keine Veranlassung.

Versicherungsmaklerhaftung - Fehler bei der Ausgestaltung einer Bauwesenversicherung
Symbolfoto: Von Indypendenz/Shutterstock.com

Die Berufung verweist ohne Erfolg darauf, dass die Beklagte nicht über Fachkenntnisse im ausländischen Versicherungsrecht und nicht über Fachpersonal – insbesondere mit französischen Sprachkenntnissen – verfüge, das eigenständig Überprüfungen/Beratungen vornehmen könnte. Dies sei zumindest der Klägerin zu 2. bekannt gewesen. Deshalb könne allenfalls ein eingeschränkter Pflichtenkreis für die Beklagte zugrunde gelegt werden und die von dem Landgericht Trier angenommene Alternative einer Ablehnung des Auftrags sei nicht in Betracht gekommen.

Die Beklagte wirbt in ihrem Firmenprofil (vgl. Anlage K 1) unter anderem im Hinblick auf Industrie- und Gewerbesachversicherungen mit dem Hinweis „Sie dürfen sich auf eine kompetente, lösungsorientierte Beratung und Betreuung durch uns verlassen“. Weiterhin nennt die Beklagte dabei zwei Mitarbeiter als „Spezialisten“, die entweder eine Ausbildung zum Versicherungsfachmann BWV oder zur Versicherungsfachwirtin haben oder sogar als Trainer und Ausbilder in der Versicherungsbranche (BWV-Prüfung) tätig sind. Die Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, nicht über Fachpersonal zu verfügen, das eigenständig Überprüfungen/Beratungen vornehmen konnte. Soweit die Mitarbeiter der Beklagten nicht über Fachkenntnisse im ausländischen Versicherungsrecht verfügt haben sollten und/oder keine französischen Sprachkenntnisse gehabt haben sollten, hätte es der Beklagten oblegen, entweder hierauf hinzuweisen oder die Versicherungsvermittlungsanfrage der Klägerinnen abzulehnen. Nimmt ein Versicherungsmakler einen Vermittlungsauftrag an, ohne auf bei ihm vorhandene personelle oder fachliche Unzulänglichkeiten hinsichtlich der angefragten Versicherungsvermittlung hinzuweisen, kann sich daraus kein eingeschränkter Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers ergeben.

Die Beklagte vermag sich auch nicht darauf zu berufen, dass der (behauptete) Schaden überhaupt nicht eingetreten wäre, wenn die Klägerinnen der Beklagten vollständig die Ausschreibungsunterlagen und insbesondere den Annex 6 b übermittelt hätten, da dieser die erforderliche Versicherungsbestätigung bereits mit allen erforderlichen Deckungssummen bzw. sonstigen notwendigen Versicherungsangaben enthalten habe.

Aus den von den Klägerinnen an die Beklagte mit der Vermittlungsanfrage übersandten Ausschreibungsunterlagen ergeben sich deutlich die erforderlichen Deckungssummen sowie die sonstigen notwendigen Versicherungsangaben. Diese waren zwar in französischer Sprache verfasst, jedoch vermag sich die Beklagte – wie ausgeführt – nicht auf fehlende französische Sprachkenntnisse ihrer Mitarbeiter zu berufen. Zudem hatten die Klägerinnen erstinstanzlich unbestritten vorgetragen, dass die Versicherungen stets eigene Vordrucke, abgestimmt auf ihr Rechnungswesen, benutzen und nicht die Formblätter der öffentlichen Ausschreibung verwenden (Bl. 48 d. A.), weshalb auch in früheren Fällen der Annex 6 b nicht mit an die Beklagte gesandt worden sei. So hat die Versicherung „A.“ ausdrücklich gegenüber der Beklagten erklärt (Bl. 197 d. A.), den Vordruck der Stadt S für die Bauwesenversicherung nicht zu akzeptieren. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann daher die fehlende Übersendung des Annex 6 b nicht als allein schadensursächlich angesehen werden.

Die Beklagte verweist weiter ohne Erfolg darauf, bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen zu haben, dass die Klägerinnen bei der Firma B. eine weitere Versicherung angefragt hätten, die die Vorgaben des Lastenheftes abgedeckt habe. Da diese Versicherungsbescheinigung somit die konkreten Deckungssummen aufgewiesen habe, hätte den Klägerinnen auffallen müssen, dass dies bei der Versicherungsbescheinigung der A. nicht der Fall war.

Bereits erstinstanzlich haben die Klägerinnen darauf hingewiesen, dass nach den Ausschreibungsunterlagen der Stadt S die an der Ausschreibung teilnehmenden Unternehmen zwei verschiedene Versicherungen nachzuweisen hatten, nämlich zum einen das Bestehen einer Betriebshaftpflichtversicherung und zum anderen den Abschluss einer zusätzlichen Baurisikoversicherung (= Bauwesenversicherung). Hinsichtlich der Betriebshaftpflichtversicherung haben sich die Klägerinnen unstreitig unmittelbar mit der Firma B. in Verbindung gesetzt, während die Vermittlungsanfrage an die Beklagte vom 27. März 2009 (Anlage K 2) sich ausdrücklich nur zu der Bauwesenversicherung verhält. Da beide Versicherungen unterschiedliche Gegenstände haben, sind auch die Versicherungssummen nicht notwendig identisch. Aus dem zutreffenden Inhalt der Versicherungsbescheinigung der Firma B. kann daher nichts für eine Kenntnis der Klägerinnen über die Unrichtigkeit der Versicherungsbestätigung der von der Beklagten vermittelten Versicherung A. hergeleitet werden.

Entgegen der Auffassung der Berufung hätte es auch keines (erneuten) ausdrücklichen Hinweises der Klägerinnen bedurft, wonach die Versicherungs-summe bei der Bauwesenversicherung über den Baukosten liegen sollte, da sich die erforderlichen Versicherungssummen aus den der Beklagten übersandten Ausschreibungsunterlagen hinreichend deutlich ergaben.

Die Beklagte vermag auch nicht geltend zu machen, dass eine etwaige ihr anzulastende Pflichtverletzung nicht kausal für den eingetretenen Schaden gewesen sei, da ja letztlich eine politische Entscheidung dazu geführt habe, dass der Schöffenrat der Stadt S ohne neues Vergabeverfahren oder Auswahl den Auftrag an den günstigsten Anbieter vergeben habe. Der Widerspruch der beiden günstigsten Bieter habe schließlich dazu geführt, dass auch das Angebot der Klägerinnen überprüft worden sei. Soweit alle drei Angebote unzureichend gewesen seien, hätte die Stadt S neu ausschreiben müssen oder aber den viertgünstigsten Anbieter auswählen müssen. Die Klägerinnen seien deshalb verpflichtet gewesen, Widerspruch gegen den Zuschlagsentzug oder aber Rechtsmittel gegen die letztliche Entscheidung der Stadt S, den Auftrag an die Firma C. zu vergeben, einzulegen. Ein derartiges Vorgehen wäre auch erfolgreich gewesen, was durch Einholung eines Rechtsgutachtens nach-zuweisen sei.

Das Landgericht hat zu Recht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme davon auszugehen ist, dass es bei der Zuschlagerteilung an die Klägerinnen geblieben wäre, wenn diese innerhalb der ihnen dazu gesetzten Frist ein vollständig ordnungsgemäßes Angebot einschließlich eines entsprechenden Versicherungsnach-weises vorgelegt hätten. Das Landgericht stützt sich insoweit auf die Bekundungen des von ihm vernommenen Zeugen D., der unter anderem ausgesagt hat, auf den Widerspruch der abgelehnten zwei günstigsten Anbieter sei erstmals aufgefallen, dass auch die Klägerinnen die versicherungsrechtlichen Vorgaben nicht eingehalten hätten. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass sodann wohl wegen der mittlerweile verstrichenen Zeit und der gestiegenen Dringlichkeit der Angelegenheit „politisch entschieden“ worden sei, dass für die Beurteilung der Angebote die Versicherungsnachweise unberücksichtigt bleiben sollten, und deshalb der Auftrag dann an den günstigsten Anbieter, das Unternehmen C., vergeben worden sei. Aus den Bekundungen des Zeugen ergibt sich, dass ein Widerspruch der Klägerinnen gegen den Zuschlagsentzug jedenfalls nicht zur Auftragsvergabe an die Klägerinnen geführt hätte. Die Klägerinnen hatten ebenso wie die beiden günstigeren Anbieter die versicherungsrechtlichen Vorgaben der Ausschreibung nicht erfüllt. Damit war nach den Ausschreibungsunterlagen der Zuschlag an keine der drei günstigsten Bieter zu erteilen. Da der Zeuge bekundet hatte, dass eine Nachbesserungsmöglichkeit für keines der bietenden Unternehmen bestanden habe, ist nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerinnen durch einen Widerspruch gegen den Zuschlagsentzug die Möglichkeit der Nachbesserung der vorzugebenden Versicherungsunterlagen hätten erreichen können.

Es ist auch nicht ersichtlich, wieso die Klägerinnen mit einem Rechtsmittel gegen die Vergabeentscheidung an die Firma C. hätten erreichen können, dass der Zuschlag für das Bauvorhaben doch wieder an die Klägerinnen erteilt würde. Vielmehr wäre insoweit lediglich zu erwarten gewesen, dass der an die Firma C. erteilte Zuschlag widerrufen würde und der viertgünstigste Anbieter den Zuschlag erhalten würde, wenn er ein ordnungsgemäßes Angebot abgegeben hatte. Unstreitig waren die Klägerinnen jedoch nicht der viergünstigste Bieter, so dass auch in diesem Falle sie den Auftrag letztlich nicht erhalten hätten.

Folglich ergibt sich, dass mangels eines ordnungsgemäßen, mit ausreichenden Versicherungsnachweisen versehenen Angebotes der Klägerinnen innerhalb der von der Stadt S gesetzten Angebotsfrist die Klägerinnen den Zuschlag im ursprünglichen Vergabeverfahren nicht erhalten konnten und in dem zweiten Vergabeverfahren, das auf den Nachweis ausreichender Versicherung verzichtete, den Zuschlag nicht erhalten konnten, weil sie nicht die günstigsten Bieter waren. Der Einholung eines Rechtsgutachtens hierzu bedarf es daher ersichtlich nicht.

Hinsichtlich der Anschlussberufung wird auf § 524 Abs. 4 ZPO verwiesen.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 462.372,65 € (Berufung 308.248,42 €; Anschlussberufung 154.124,21 €) festzusetzen.

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