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Versicherungsmaklerhaftung – Falschberatung bei Krankenversicherungswechsel

OLG Dresden – Az.: 4 U 2372/20 – Beschluss vom 10.03.2021

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin am 23.03.2021 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Schadenersatz sowie die Feststellung der Einstandspflicht wegen einer behaupteten Falschberatung des Beklagten im Zusammenhang mit einem Krankenversicherungswechsel.

Nachdem die Klägerin im Mai 2013 eine dauerhafte Arbeitsstelle angetreten hatte, beabsichtigte sie u.a. wegen der damit verbundenen Möglichkeit einer Verbeamtung den Wechsel von der gesetzlichen in eine private Krankenversicherung. Im Rahmen einer von ihr durchgeführten Internetrecherche gab sie im Juni 2013 ihre Kontaktdaten auf der Seite der Firma „c……“ ein, die den Kontakt an eine Firma „a…… Wirtschaftskanzlei“ weiterleitete. Der Beklagte, der zu dieser Zeit freiberuflich tätig war, meldete sich daraufhin kurze Zeit später telefonisch bei der Klägerin. Die Klägerin erläuterte dem Beklagten in dem Gespräch, dass sie sich wegen einer anstehenden, hinsichtlich des Zeitpunkts aber noch offenen Erstverbeamtung nach Wechselmöglichkeiten erkundigen wolle. Auf die Frage des Beklagten nach Vorerkrankungen gab die Klägerin an, sie leide am Wolff-Parkinson-Syndrom. Mit Email vom 27.06.2013 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er habe bei verschiedenen Gesellschaften nachgefragt, die Versicherbarkeit sei aber wegen der Diagnose problematisch. Ferner bat er sie, sich ärztliche Berichte aushändigen zu lassen und ihm diese zuzusenden, damit er Anfragen bei Versicherungen stellen könne. Die Klägerin sandte ihm die gewünschten Berichte zu. Der Beklagte teilte ihr einige Zeit später mit, der Abschluss einer privaten Krankenversicherung sei wegen ihrer Vorerkrankung nicht möglich.

Die Klägerin wurde am 10.04.2014 auf Probe verbeamtet.

Im Dezember 2014 nahm der Beklagte absprachegemäß per Email erneut Kontakt mit der Klägerin auf. Im August 2015 teilte der Beklagte der Klägerin mit, der Abschluss einer Versicherung sei noch nicht möglich.

Die Klägerin wechselte ohne weitere Beteiligung des Beklagten zum 01.11.2015 in eine private Krankenversicherung bei der YYY AG.

Versicherungsmaklerhaftung - Falschberatung bei Krankenversicherungswechsel
(Symbolfoto: Africa Studio/Shutterstock.com)

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten Schadenersatz wegen Falschberatung geltend gemacht. Zum Zeitpunkt ihrer Auftragserteilung an ihn habe die sogenannte Öffnungsaktion der privaten Krankenversicherer gegolten, die bei Verbeamtung eine Aufnahme in die private Krankenversicherung ohne Leistungsausschlüsse und ohne Risikoprüfung mit einem Beitragszuschlag von maximal 30 % innerhalb der ersten 6 Monate nach Erst-Verbeamtung ermöglichen würde. Da diese Frist am 10.10.2014 abgelaufen wäre, sei ihr infolge des Abschlusses der Krankenversicherung bei der YYY AG durch die erhöhten Beiträge ein Schaden entstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung ergänzend Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage nach Anhörung der Parteien und Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der Versicherungsbeiträge überwiegend stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus, zwischen den Parteien sei kein Auskunftsvertrag zustande gekommen, denn der Beklagte habe keinen dahingehenden Rechtsbindungswillen gehabt. Die vom Landgericht angeführte Rechtsprechung sei nicht einschlägig, da sie sich ausschließlich auf Steuerberater und Wirtschaftsprüfer beziehen würde, bei denen auch ein Mandatsverhältnis bestehen würde. Läge wie hier lediglich eine Anfrage über eine spätere Versicherungsvermittlung vor, könne vor Unterzeichnung einer Maklervollmacht ein Auskunftsvertrag nicht angenommen werden. Der Beklagte habe auch kein wirtschaftliches Interesse bekundet. Es läge auch keine Falschberatung vor, denn die Frage der Klägerin nach ihrer Versicherbarkeit im Jahr 2013 habe der Beklagte zutreffend verneint, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht verbeamtet gewesen sei und ein Termin auch noch nicht festgestanden habe. Im Zeitraum zwischen dem Sommer 2013 und Dezember 2014 habe kein Kontakt zwischen den Parteien bestanden. Zudem falle der Klägerin ein erhebliches Mitverschulden zur Last, weil sie von der Öffnungsaktion Kenntnis gehabt habe. Sie sei ihrer Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen, da sie sich bei einem anderen Versicherer günstiger hätte versichern können. Schließlich sei der Beklagte für die Geltendmachung der Forderung nicht passivlegitimiert, da er im Jahr 2013 für die „c……“ und im Jahr 2014 für die „a……“ tätig gewesen sei. Er habe entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht im eigenen Namen gehandelt. Auch die Höhe der Forderung sei durch das Sachverständigengutachten nicht ausreichend nachgewiesen.

II.

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Beklagte aufgrund einer schuldhaften Pflichtverletzung des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvermittlungsvertrages zum Schadenersatz verpflichtet ist, §§ 63 i.V.m. § 61 Abs. 1 VVG, § 280 BGB.

1. Zwischen den Parteien ist ein Versicherungsvermittlungsvertrag im Sinne des § 59 Abs. 1 VVG aufgrund der im Juni 2013 erfolgten Kontaktaufnahme durch den Beklagten nach Eingabe von Kontaktdaten durch die Klägerin im Internetportal des Maklerverbundes „c……“ und Weiterleitung ihrer Daten an den Beklagten durch die Firma „a……“ zustande gekommen.

a) Entgegen der Ansicht der Berufung ist angesichts der im Anschluss an das erste Telefongespräch zwischen den Parteien erfolgten Tätigkeiten des Beklagten von einem Vertragsschluss zwischen den Parteien und einem dahingehenden Rechtsbindungswillen des Beklagten auszugehen. Die Anfrage der Klägerin zielte auf die Vermittlung eines Krankenversicherungsvertrages ab; für den Beklagten war dabei erkennbar, dass die Klägerin wegen ihrer anstehenden Verbeamtung in eine private Krankenversicherung wechseln wollte und den Beklagten mit dem Nachweis einer dementsprechenden Abschlussmöglichkeit und einem Vergleich von verschiedenen Krankenversicherern beauftragen wollte. Der Beklagte verfügte zu diesem Zweck über die persönlichen Daten der Klägerin, hat von sich aus die Klägerin kontaktiert, sich von ihr den Anlass für den gewünschten Versicherungswechsel erläutern lassen, ihr darauf bezogene Fragen zu ihrem Gesundheitszustand gestellt, sich dazu Unterlagen wie Arztberichte zusenden lassen und unter Weiterleitung dieser Unterlagen konkrete auf die Situation der Klägerin bezogene Anfragen bei verschiedenen in Betracht kommenden Versicherern gestellt. Für einen Rechtsbindungswillen spricht zudem, dass der Beklagte bei Vermittlung eines Krankenversicherungsvertrages eine Provision erhalten hätte, was der Beklagte der Klägerin auf ihre diesbezügliche Frage auch mitgeteilt hat. Da sein Handeln in der Absicht erfolgt ist, eine Provision zu erzielen, begründet dies auch sein wirtschaftliches Interesse an der Vermittlung eines Krankenversicherungsvertrages.

Der Umstand, dass der Kontakt zwischen den Parteien über die Eingabe von Daten in einem Internetvergleichsportal zustande gekommen ist, und über die beidseits geschilderte telefonische und schriftliche Kommunikation hinaus keine weiteren Vereinbarungen getroffen worden sind, lässt sich der Annahme eines rechtsverbindlichen Versicherungsvermittlungvertragsverhältnisses nicht entgegenhalten. Insbesondere kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, er habe lediglich im Rahmen eines Online-Vertriebes unverbindlich als sogenannter „Tippgeber“ tätig sein wollen. Selbst wenn er in einer solchen Vorstellung gehandelt haben sollte, war dies für die Klägerin zu keinem Zeitpunkt erkennbar.

b) Eine Versicherungsvermittlung liegt bei einer Tätigkeit vor, die auf einen konkreten Abschluss eines Versicherungsvertrags gerichtet ist. Maßgeblich ist dabei das objektive Erscheinungsbild der Tätigkeit; auf die vertraglichen Absprachen zwischen dem Beklagten und der gegebenenfalls hinter ihm stehenden Fa. „c……“, bei der es sich um einen Maklerverbund handeln soll, oder der Fa. „a…… Wirtschaftskanzlei“ kommt es nicht entscheidend an (so grundlegend BGH, Urteil vom 28. November 2013 – I ZR 7/13 –, Rn. 21 – 22, juris; vgl.. auch Prölss/Martin-Dörner, VVG, 30. Aufl., § 61 Rn. 41 ff, GewO § 34d, Rn. 7-10 m.w.N.; Lehmann/Rettig, NJW 2017, 596-601).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte die Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers bzw. -maklers ausgeübt. Wie bereits ausgeführt, hat der Beklagte unter Nutzung der persönlichen Daten der Klägerin und ihrer sonstigen Angaben und Auskünfte sich für sie um den Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages bei verschiedenen Anbietern bemüht, im Erfolgsfall gegen Zahlung einer Provision. Damit war sein Verhalten dem objektiven Erscheinungsbild nach darauf gerichtet, der Klägerin eine konkrete Versicherungsmöglichkeit nachzuweisen. Die Klägerin sollte im Ergebnis seiner Bemühungen auch einen hinreichend konkret bestimmten Versicherungsvertrag abschließen. Dass er gegebenenfalls im Rahmen eines mehrstufigen Vermittlungsverhältnisses entsprechend den Absprachen mit dem von einem Maklerverbund betriebenen Internet-Vergleichsportal „c……“ bzw. der „a…… Wirtschaftskanzlei“ als Versicherungsmaklerin diesen letztlich die Abschlussmöglichkeit nachweisen sollte, war für die Klägerin mangels dementsprechender Hinweise bereits nicht erkennbar. Die von ihr im Vergleichsportal „c……“ eingegebenen Daten sind vielmehr auf einem für sie unbekannten und auch unerheblichen Weg an den Beklagten gelangt, der sich entsprechend den Angaben in seiner Email vom 27.06.2013 dann unter Verwendung dieser Daten persönlich an sie wandte als „Spezialist für die private Krankenversicherung – Wirtschaftskanzlei -“ und der sich in der Folge um die Vermittlung einer auf sie zugeschnittenen Krankenversicherung bemühte. Dabei kann offenbleiben, ob der Beklagte der Klägerin entsprechend ihrer vom Beklagten bestrittenen Behauptung tatsächlich zwei Vertragsangebote zugeschickt hat. Denn bereits die im Vorfeld eines konkreten Versicherungsvertragsangebots vom Beklagten entfalteten Tätigkeiten wie die Kontaktaufnahme zu der Klägerin, die Erörterung ihres Versicherungsbedarfs und die Anfrage der Versicherbarkeit sowie die dafür geltenden Konditionen sind für sich genommen ausreichend, um das objektive Erscheinungsbild einer Versicherungsvermittlungstätigkeit auszufüllen. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Beklagten, bei einer Anfrage über einen erst später in Betracht kommenden Versicherungsvertragsabschluss werde deshalb noch keine vertragliche Bindung mit Beratungspflichten ausgelöst, da anderenfalls der (Telefon-) Vertrieb ständig in Haftung wäre. Die Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers setzt zwar die Einholung des Angebots eines Versicherers zum Abschluss eines Versicherungsvertrags durch den Versicherungsmakler voraus, nicht aber auch dessen Abschluss durch eine Vertragserklärung des Versicherungsmaklers (BGH, Urteil vom 28. Juni 2018 – I ZR 77/17 –, Rn. 15, juris). Dass ein Versicherungsvermittler im Internetvertrieb seinen Beratungspflichten nicht oder nicht vollständig nachkommen kann oder will (vgl. Prölss/Martin-Dörner a.a.O.), steht der Annahme einer dahingehenden Verpflichtung nicht entgegen. Der Beklagte hat nach der ersten Kontaktaufnahme mit der Abfrage des auf den Abschluss einer privaten Krankenversicherung bezogenen Versicherungsbedarfs, der Anforderung von Unterlagen und der damit untersetzten Abfrage von Versicherungsangeboten bei privaten Krankenversicherern die Kerntätigkeiten einer Versicherungsvermittlung sämtlich erfüllt, so dass ihm auch die damit einhergehenden Beratungspflichten obliegen.

c) Entgegen der Ansicht der Berufung steht auch das Fehlen eines Mandatsverhältnisses oder einer Maklervollmacht als ein Merkmal dauerhafter vertraglicher Bindung zwischen den Parteien der Annahme eines Versicherungsvermittlungsvertrages nicht entgegen. Das Fehlen einer Vereinbarung über eine dauernde Betreuung in einem Versicherungsmaklervertrag führt nicht dazu, dass damit kein solcher Vertrag vorliegt (so BGH, Urteil vom 28. Juni 2018 – I ZR 77/17 –, Rn. 17, juris).

2. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Berufung, der Beklagte sei für die Geltendmachung der Forderung nicht passivlegitimiert, da er nicht in eigenem Namen sondern für die Firmen „c……“ bzw. „a……“ gehandelt habe.

a) Gegen ein Handeln im Namen der „c……“ spricht bereits, dass der Beklagte nicht in deren Namen aufgetreten ist. Nach seinem Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht will er sich der Klägerin bei dem ersten Telefonat mit den Worten: „der Herr H…… von der Firma a……“ vorgestellt haben. Dem Sachvortrag des Beklagten lässt sich auch an keiner Stelle entnehmen, dass aufgrund von Informationen auf der Website der Fa. „c……“ die Klägerin erkennen konnte oder musste, dass der Beklagte in deren Namen gehandelt hat. Erst recht bestanden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Fa. „a……“ in Vertretung für die Fa. „c……“ gehandelt haben könnte, diese werden nicht einmal von dem Beklagten selbst behauptet.

b) Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe für die Fa. „a…… Wirtschaftskanzlei“ handeln wollen, was durch die – streitig gebliebene – Vorstellung beim Erstkontakt und die Angabe dieses Namens im Emailschriftverkehr erkennbar gewesen sei. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass sich die Wiedergabe des Logos der Fa. a…… erstmals in der Email vom 02.12.2014 wiederfindet und damit mehr als 18 Monate nach der im Sommer 2013 erfolgten erstmaligen Kontaktaufnahme durch den Beklagten. Selbst wenn zugunsten des Beklagten als zutreffend unterstellt wird, dass er sich der Klägerin bei der ersten Kontaktaufnahme unter Nennung des Firmennamens „a……“ vorgestellt hat, war für die Klägerin aus dem späteren und entscheidenden Emailschriftverkehr an keiner Stelle hinreichend deutlich erkennbar, dass der Beklagte ausschließlich in Vertretung für diese Firma tätig werden wollte, die aus dem Vermittlungsvertragsverhältnis allein berechtigt und verpflichtet werden sollte. Sämtliche Emails sind unterschrieben mit „R…… H…… Spezialist für die private Krankenversicherung“ und dem weiteren Zusatz „- Wirtschaftskanzlei – Kanzlei D.“. Der Name „a……“ findet sich lediglich als Anhang zur Emailadresse des Beklagten und – überdies nur als Logo – auf der ohnehin nicht mehr zu berücksichtigen Email vom 02.12.2014. Aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin als Empfängerin der Erklärung war nicht erkennbar, dass der Beklagte, der im Schriftverkehr ausschließlich mit seinem eigenen Namen und dem auf ihn bezogenen Hinweis eigener besonderer Fachkunde aufgetreten ist, nicht in eigenem Namen handeln wollte. Hinzu kommt, dass der Beklagte nach seinem Sachvortrag zum damaligen Zeitpunkt freiberuflich tätig war und demnach ohnehin nicht als Mitarbeiter der Fa. „a……“ auftreten konnte und wollte. Welche besonderen Absprachen zwischen dem Beklagten und der Fa. a…… bestanden, ist mangels Erkennbarkeit für die Klägerin ohne Belang. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine persönliche Haftung des Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die Informationspflichten gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 11 Abs. 1 VersVermV in Betracht kommen könnte.

3. Der Beklagte ist für die unvollständige und damit fehlerhafte Beratung zu der Möglichkeit, sich im Falle der Verbeamtung über die sogenannte Öffnungsaktion für Beamte in der privaten Krankenversicherung bei Vorerkrankung einen beitragsmäßig günstigeren privaten Krankenversicherungsvertrag abschließen zu können zum Schadenersatz verpflichtet.

Die von der Klägerin vorgelegte Vereinbarung der teilnehmenden Krankenkassen mit Stand Juli 2014 (Anlage K16) sieht unter Ziff. II. 1. vor, dass „kein Antragsteller zum teilnahmeberechtigten Personenkreis aus Risikogründen abgelehnt wird“, „Leistungsausschlüsse nicht vorgenommen werden“ und „Zuschläge zum Ausgleich erhöhter Risiken“ „- soweit sie erforderlich sind – auf maximal 30 Prozent des tariflichen Beitrages begrenzt“ werden.

Die Klägerin wollte unstreitig insbesondere wegen einer geplanten und zumindest bevorstehenden Verbeamtung von der gesetzlichen Krankenversicherung in eine private Krankenversicherung wechseln. Einziges Hindernis für den Abschluss der privaten Krankenversicherung war – auch nach Einschätzung des Beklagten – ihre Vorerkrankung mit dem Wolff-Parkinson-Syndrom. Vor diesem Hintergrund liegt eine schuldhaft vorwerfbare Falschberatung darin, dass der Beklagte der Klägerin im Sommer 2013 nicht den Rat erteilte, die Verbeamtung auf Probe abzuwarten und dann über die Öffnungsaktion eine private Krankenversicherung bei einer der teilnehmenden Krankenversicherern abzuschließen. Hierzu hätte – zumindest – dann hinreichend Anlass bestanden, als der Beklagte festgestellt hat, dass die Klägerin mit den bestehenden Vorerkrankungen nicht versicherbar ist, zumal auch die DBV, bei der er u. a. die Versicherbarkeit auch abgefragt hatte, zum Teilnehmerkreis der Öffnungsaktion gehörte. Indem er diesen Hinweis unterließ und mit der Klägerin vielmehr vereinbarte, die Versicherbarkeit erst Ende 2014 erneut abzufragen, hat er seine ihm gegenüber der Klägerin obliegenden Beratungspflichten erheblich verletzt. Aus diesem Grund vermag es ihn nicht zu entlasten, dass zum Zeitpunkt seines Tätigwerdens für die Klägerin die Verbeamtung noch nicht erfolgt und der genaue Zeitpunkt der Verbeamtung noch nicht genau bestimmt war.

Auch der Einwand der Berufung, der Beklagte sei davon ausgegangen, der Arbeitgeber werde die Klägerin über die Öffnungsaktion informieren, steht der Annahme eines Beratungsverschuldens nicht entgegen. Selbst wenn der Beklagte diese Erfahrung in anderen Fällen regelmäßig gemacht haben sollte, hätte sich die Notwendigkeit eines diesbezüglichen Hinweises an die Klägerin ihm aufdrängen müssen, da die Klägerin wegen ihrer Vorerkrankung einerseits im Sommer 2013 keinen privaten Versicherungsschutz erhalten konnte und andererseits die Verbeamtung noch nicht erfolgt war, so dass eine Information über den Arbeitgeber gerade nicht zu erwarten war. Vor diesem Hintergrund hätte der Hinweis, die Verbeamtung abzuwarten und dann eine erneute Anfrage zu stellen auf der Hand gelegen. Im übrigen wird zur Begründung des Beratungsverschuldens auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts ergänzend Bezug genommen.

4. Der weitere Einwand des Beklagten, der Klägerin sei ein erhebliches Mitverschulden anzulasten, greift ebenfalls nicht durch. Die Klägerin hat entgegen der Behauptung des Beklagten stets bestritten, von der Öffnungsaktion vor Ablauf der Annahmefrist im Oktober 2014 Kenntnis erhalten zu haben. Der Beklagte hat zum Nachweis der Kenntnisnahme lediglich vorgetragen, seine Kunden hätten ihm bestätigt, dass der Dienstherr im Falle einer Verbeamtung stets auf die Öffnungsaktion hinweisen würde. Dieser pauschale Sachvortrag ist nicht geeignet, die Kenntnisnahme der Klägerin hinreichend zu belegen, da die Behauptung durch keine weiteren auf den Dienstherrn der Klägerin bezogenen Anhaltspunkte näher konkretisiert und belegt wird sowie Beweisangebote fehlen. Ohnehin hätte in der im Sommer 2013 bestehenden Situation der Ablehnung der Versicherbarkeit durch private Krankenversicherer – unabhängig von einer etwaigen Mitteilung des Dienstherrn – ein vorsorglich erteilter Hinweis durch den Beklagten nahegelegen.

5. Ein Mitverschulden der Klägerin oder einen Verstoß gegen ihre Schadensminderungspflicht ergibt sich auch nicht daraus, dass sie sich bei einem anderen Versicherer möglicherweise günstiger hätte versichern können. Abgesehen davon, dass die – verspätet vorgetragene – Behauptung des Beklagten durch keine Nachweise näher untersetzt wird und daher als unsubstantiiert zurückzuweisen ist, steht dem bereits entgegen, dass sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Allianz keine weiteren Angebote vorliegen hatte.

6. Schließlich wendet sich der Beklagte auch ohne Erfolg gegen die vom Sachverständigen überzeugend dargestellte Höhe der Schadensersatzforderung. Das Berufungsvorbringen beschränkt sich darauf, die Feststellungen des Sachverständigen in Abrede zu stellen, ohne jedoch konkret aufzuzeigen, aus welchem Grund die sachverständigen Ausführungen unzureichend sind. Der Sachverständige hat unter zutreffender Bezugnahme auf die Regelungen (Anlage K16, S. 10 unter Ziffer 2) überzeugend festgestellt, dass „Wahlleistungen“ ebenfalls von der Öffnungsaktion umfasst sind, wenn und soweit die Beihilfe für sie leistet. Dies sei bei den versicherten Wahlleistungen für Zweibettzimmer und privatärztliche Leistungen im Krankenhaus bei der für die Klägerin geltenden Bundesbeihilfe der Fall (vgl. S. 3 des Gutachtens vom 23.03.2020, Bl. 189 dA). Auch die weiteren Ausführungen des Sachverständigen zum Unterfallen der im Krankenversicherungsschutz der Klägerin enthaltenen Zusatztarife dem Grunde nach und im Einzelnen (vgl. S. 3 des Gutachtens, Ziffer 3, Abs. 5-9, S. 4, Abs. 1-3) werden von der Berufung nicht substantiiert in Zweifel gezogen.

7. Entgegen der Ansicht der Berufung hat die Klägerin durch Vorlage der Versicherungsscheine und Abrechnungsbelege hinreichend zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass sie die vertraglich begründeten und geforderten Krankenversicherungsbeiträge nebst Folgebeiträgen und Beitragsanpassungen auch tatsächlich gezahlt hat. Für die Überzeugungsbildung des Senats ist die ergänzende Vorlage von Kontobelegen nicht erforderlich.

8. Schließlich ist nach den obigen Ausführungen, auf die ergänzend Bezug genommen wird, auch der Feststellungsanspruch begründet.

Der Senat rät daher zur Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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