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Versicherungsmakler: Beratungspflichten bei privater Krankenversicherung

LG Hamburg, Az.: 312 O 224/12, Urteil vom 01.03.2013

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen Dienstleistungen der Beklagten, die diese im Rahmen von Tarifwechseln innerhalb von privaten Krankenversicherungen nach § 204 VVG erbringt.

Die Klägerin ist eine private Krankenversicherung. Sie bietet den Abschluss privater Krankenversicherungen an und übernimmt die laufende Betreuung ihrer Kunden.

Versicherungsmakler: Beratungspflichten bei privater Krankenversicherung
Symbolfoto: Yastremska/Bigstock

Die Beklagte ist als Versicherungsmakler mit Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO registriert. Eine Erlaubnis für die Tätigkeit eines Versicherungsberaters nach § 34e GewO hat sie nicht. Die Beklagte bietet ausschließlich Beratungsdienstleistungen und die Vertretung der Versicherungsnehmer gegenüber den Versicherungsunternehmen im Rahmen von Tarifwechseln nach § 204 VVG an. Bei einem Tarifwechsel nach § 204 VVG stellt die Beklagte die Alternativtarife nicht selbst zusammen. Dies erfolgt durch die Klägerin.

Für die Beratungsdienstleistung der Beklagten hat ein Versicherungsnehmer nach erfolgter Optimierung des Versicherungstarifes den zwölfmonatigen Betrag der erstmonatlichen Beitragsersparnis zu zahlen.

Die Beklagte wirbt u.a. mit folgenden Sätzen auf ihrer Internetseite: „Wir vertreten ihr gutes Recht, wenn es sein muss und Sie wünschen mit rechtlichem Beistand und auch vor Gericht – für Sie ohne Risiko und kostenlos.“ und

„A. berät Sie vollkommen unabhängig, daher sind wir auch in der Lage, uns ausschließlich auf Ihre Seite, die Seite des Versicherten zu stellen. Wenn nötig – selbstverständlich immer in Absprache mit Ihnen – auch mit den gebotenen Rechtsmitteln. Das soll Sie aber nicht belasten, weil Sie das Recht auf Ihrer Seite haben und wir Ihnen auch dazu verhelfen. “

Die Beklagte bezeichnet sich nach außen hin nicht als Versicherungsmaklerin. In der im Klageantrag abgebildeten Vollmachtserklärung bezeichnet sie sich als Versicherungsberater. Diesbezüglich gab die Beklagte jedoch bereits eine Unterlassungserklärung gegenüber der Klägerin ab.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte handele wettbewerbswidrig, da sie gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoße und daher auch irreführend werbe. Sie mahnte daher die Beklagte mit Schreiben vom 16.03.2012 ab. In Bezug auf den hier geltend gemachten Unterlassungsanspruch erfolgte von der Beklagten jedoch keine Reaktion.

Die Klägerin macht nunmehr Ansprüche auf Unterlassung und Kostenersatz klageweise geltend.

Sie ist der Ansicht, ihr stehe ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 RDG zu. Die Beklagte biete ohne Erlaubnis Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG beim Tarifwechsel nach § 204 WG an. Es müsse geprüft werden, ob den Versicherungsnehmern ein Anspruch auf einen Tarifwechsel nach § 204 VVG zustehe, welchen Inhalt dieser habe, wie er geltend zu machen sei und ob das Versicherungsunternehmen diesen Anspruch erfülle. Zudem müssten die für die Beratung in Betracht kommenden Tarife rechtlich geprüft werden (z.B. Umfang des Versicherungsschutzes, Obliegenheiten, Selbstbehalt, voraussichtliche Beitragsentwicklung, Anrechnung von Altersrückstellungen etc.). Insbesondere müsse auch überprüft werden, ob die Wechselangebote einen im Sinne des § 204 Abs. 1 VVG gleichwertigen Versicherungsschutz beinhalteten. Zudem sei unter Umständen zu prüfen, inwieweit ein Tarif Mehrleistungen enthalte und gegenüber der Versicherung Gesundheitsfragen beantwortet werden müssten. Vorgenannte Prüfungen würden von den Vertragspartnern der Beklagten erwartet. Es komme nicht darauf an, ob die Beklagte eine derartige Prüfung vornehme, sondern ob eine derartige Rechtsprüfung erforderlich sei. Dies sei der Fall, da der Kunde den Auftrag nur so verstehen könne, dass er sich um gar nichts mehr kümmern müsse und sein Recht bestmöglich durchgesetzt werde. Der Kunde erwarte nicht nur eine „Beitragsoptimierung“, sondern vor allem, dass der Versicherungsvertrag vom Leistungsumfang „gleichbleibe“. Dies sei ein entscheidendes Kriterium beim Tarifwechsel nach § 204 VVG.

Die von der Beklagten erbrachten Rechtsdienstleistungen seien Versicherungsberatern mit Erlaubnis nach § 34e GewO oder Rechtsanwälten Vorbehalten. Die Beklagte erbringe keine Maklerdienstleistungen, da sie weder private Krankenversicherungsverträge vermittle noch die laufende Betreuung der Versicherungsverhältnisse des jeweiligen Versicherungsnehmers übernehme. Die Vermittlung eines Vertrages werde nicht erbracht, da das Tarifwechselrecht ein einseitiges Recht des Versicherungsnehmers zur Vertragsänderung sei. Ein freiwilliger Vertragsschluss finde nicht statt. Es werde kein Versicherungsvertrag begründet, da der bestehende Versicherungsvertrag weiterhin bestehen bleibe und lediglich inhaltlich geändert werde. Die Klägerin verweist hierbei unter anderem auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, NJW 2007, 2871). Es finde auch keine „Vermittlung“ einer Maklerleistung statt. Diese sei nach ständiger Rechtsprechung des BGH definiert als das unmittelbare oder mittelbare Einwirken auf den Willensentschluss des vorgesehenen Vertragspartners (BGH, NJW 1990, 2744). Die Beklagte wirke jedoch nicht auf den Willensentschluss der Klägerin ein, da diese an die Rechtsausübung des Versicherungsnehmers nach § 204 VVG gebunden sei. Schließlich habe der BGH (BGH, NJW 1990, 2744) ausgeführt:

„Wenn man die Entscheidung über den Provisionsanspruch des Maklers in Zwangsversteigerungsverfahren davon abhängig macht, ob in diesem Verfahren ein Vertrag zu Stande kommt, dann liegt darin keine „formalistische“ oder „formaljuristische“ Betrachtungsweise. Es entspricht dies nicht nur der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers, sondern ebenso der allgemeinen, auch nicht von Juristen geteilten Auffassung, nach der die Aufgabe des Maklers darin besteht, durch einen Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit auf einen freiwilligen Vertragsschluss, also auf eine echte, nicht bloß fingierte Willenseinigung der Beteiligteninteressen hinzuwirken. Aus diesem Grunde erscheint es sogar zweifelhaft, ob man dem Makler einen Provisionsanspruch zubilligen, wenn man mit der älteren, heute allgemeinen als unrichtig erkannten Theorie annehmen würde, dass durch den Zuschlagsbeschluss ein Zwangskaufvertrag zwischen Eigentümer und Bieter zu Stande kommt “

Diese Begründung sei ohne Weiteres auf die vorliegende Situation zu übertragen.

Die Ausnahmevorschrift des § 34d Abs. 1 Satz 4 GewO stelle klar, dass die Tätigkeit der Beklagten unzulässig sei (argumentum e contrario). Versicherungsmakler dürften Verbraucher nicht gegen gesondertes Honorar über Versicherungsverträge beraten, also unabhängig von einer tatsächlich erfolgenden oder auch nur angestrebten Vermittlung von Versicherungsverträgen.

Die Beklagte könne sich auch nicht auf § 5 RDG berufen, da sie die Rechtsdienstleistungen als Hauptleistung erbringe. Schließlich sei ihre Tätigkeit allein auf den Tarifwechsel nach § 204 VVG beschränkt. Würde sie im Rahmen ihrer Maklertätigkeit ihre Kunden auch zum Tarifwechsel nach § 204 VVG beraten, würde es sich in diesem Fall um eine Annextätigkeit nach § 5 RDG handeln, die erlaubt sei.

Zudem gehe die Beklage selbst davon aus, dass sie keine Tätigkeit als Versicherungsmakler erbringe, da sie sich nicht auf den Steuerbefreiungstatbestand § 4 Nr. 11 UStG berufe und ihren Kunden Umsatzsteuer berechne.

Auch das Amtsgericht Schwäbisch Hall teile in seinem Urteil vom 01.06.2012 die Rechtsauffassung der Klägerin zur Unzulässigkeit der „Tarifwechselberatung“ (Az. 5 C 80/11; Anlage K 9). Die Klägerin verweist insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils.

Zudem stehe ihr ein Unterlassungsanspruch aus § 5 UWG zu, da eine Werbung für eine unzulässige Rechtsdienstleistung eine Irreführung darstelle.

Ihr Kostenerstattungsanspruch für die außergerichtliche Abmahnung ergebe sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen, selbst oder durch Mitarbeiter oder Beauftragte im geschäftlichen Verkehr Versicherungsnehmer der Klägerin bei einem bestehenden privaten Krankenversicherungsverhältnis im Zusammenhang mit einem und/oder zur Vorbereitung und/oder Durchführung eines Tarifwechsels nach § 204 VVG zu beraten, zu unterstützen und/oder zu vertreten sowie diese Tätigkeiten anzubieten und/oder hierfür zu werben, soweit nicht die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Versicherungsmaklerin mit einer Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 GewO die laufende Betreuung des jeweiligen Versicherungsvertrages übernommen hat, insbesondere, wenn dies unter Verwendung des nachstehend wiedergegeben Dokuments erfolgt:

………………….

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der G. Rechtsanwälte in Höhe von € 461,60 zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, zwischen den Parteien bestehe bereits kein Wettbewerbsverhältnis.

Sie ist zudem der Ansicht, sie sei zur Erbringung der Beratung im Rahmen der Vertragsumstellung ermächtigt. Die von der Klägerin gerügte Tätigkeit der Beklagten sei darauf gerichtet, Versicherungsverträge zu vermitteln. Schließlich werde der Tarifwechsel durch Angebot und Annahme vollzogen, was nichts anderes darstelle als einen Vertragsschluss. Zur Vertragsumstellung weise die Beklagte eine Abschlussmöglichkeit nach, in dem sie dem Versicherungsnehmer bei dessen Antragstellung die möglichen Tarife benenne, in die er wechseln könne.

Die Beklagte erbringe keine Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG, da sie keine rechtliche Prüfung des Einzelfalls vornehme, die über die bloße Rechtsanwendung hinausgehe. Es werde lediglich ein Tarifvergleich mit Überprüfung des Leistungsumfangs und diesbezüglicher Beratung des Versicherungsnehmers vorgenommen. Die Beratungstätigkeit sei auf den versicherungswirtschaftlichen Schwerpunkt gerichtet und nicht auf die Rechtsberatung. Die Kunden beauftragten die Beklagte damit, ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis ihres Versicherungsschutzes zu erzielen, was durch Gegenüberstellung der Beiträge und Leistungen unterschiedlicher Tarife erfolge. Soweit dabei auch Vertragsbedingung berücksichtigt würden, dann nur um eine angemessene sorgfältige Beratung zu gewährleisten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 RDG gegen die Beklagte zu.

Die Frage, ob zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis besteht, kann dahinstehen, da die Beklagte bereits nicht gegen § 3 RDG verstößt.

Unabhängig davon, inwieweit die von der Beklagten erbrachten Beratungsdienstleistungen im Rahmen eines Tarifwechsels nach § 204 VVG auch Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 2 RDG darstellen, ist die beanstandete Tätigkeit der Beklagten von der Erlaubnis nach § 34d GewO (dazu unter 1.1.) umfasst oder zumindest nach § 5 RDG erlaubt (dazu unter I.2.). Die Kammer folgt daher insoweit der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Amtsgerichts Schwäbisch Hall vom 01.06.2012 (Az. 5 C 80/11; Anlage K 9) nicht.

I.1. Die beanstandete Tätigkeit ist bereits von der Erlaubnis nach § 34d GewO gedeckt.

a) Zunächst ist festzustellen, dass die beanstandete Tätigkeit der Beklagten unter den Anwendungsbereich des § 34d GewO fällt, da es sich hierbei um eine Versicherungsvermittlungstätigkeit im Sinne dieser Norm handelt.

(1) In Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie RL/2002/92/EG (EG-Versicherungsvermittlungsrichtlinie) wird „Versicherungsvermittlung“ als das Anbieten, Vorschlägen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall, definiert. Die Definition kann zur Auslegung des diese Richtlinie umsetzenden § 34d GewO herangezogen werden (vgl. Landmann/Rohmer/Schönleiter, GewO, 61. Ergänzungslieferung, § 34d, Rdn. 29). Nach § 59 Abs. 3 VVG ist Versicherungsmakler im Sinne des VVG, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsnehmer damit betraut zu sein

Unter diese Definitionen ist auch die beanstandete Tätigkeit der Beklagten zu subsumieren. Die Kammer geht entgegen der Auffassung der Klägerin davon aus, dass ein Tarifwechsel nach § 204 VVG zum Abschluss eines neuen Vertrags führt, da durch die Veränderung eines Tarifes die wesentlichen Vertragsbestandteile, nämlich Leistung und Gegenleistung, verändert werden (vgl. § 311 Abs. 1 BGB). Hiergegen spricht nach Auffassung der Kammer nicht, dass das Tarifwechselrecht – sowie die Klägerin meint – ein einseitiges Recht des Versicherungsnehmers zur Vertragsänderung ist. Denn schließlich hat das Versicherungsunternehmen gewisse Einflussmöglichkeiten auf die konkrete Ausgestaltung des Tarifs, was sich unter anderem daraus ergibt, dass der Versicherer nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 2. HS. VVG einen Leistungsausschluss, einen Risikozuschlag oder eine Wartezeit verlangen kann, wenn die Leistungen in dem neuen Tarif höher oder umfassender sind als in dem bisherigem Tarif.

(2) Dem steht auch das von der Klägerin zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.03.2007 (BVerwG, NJW 2007, 2871) nach Auffassung der Kammer nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht führt zwar in den Entscheidungsgründen aus:

„(…) denn der Tarifwechsel stellt nicht den Abschluss eines neuen Krankenversicherungsvertrags dar, sondern die Fortsetzung des bisherigen Vertrags nach Maßgabe des neuen Tarifs. (…)“

Jedoch trifft das Bundesverwaltungsgericht diese Bewertung im Zusammenhang mit der grundlegend anderen, sich hier nicht stellenden Frage, ob das Risiko einer Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherungsnehmers nach Vertragsbeginn, welches grundsätzlich vom Versicherer zu tragen ist, durch einen späteren Tarifwechsel und durch Vereinbarungen von Wartezeiten neu verteilt wird. Nach Auffassung der Kammer ging es dem Bundesverwaltungsgericht nicht darum, eine Aussage zu treffen, ob ein Vertrag im rechtstechnischen Sinne geschlossen wird. Die Kammer interpretiert vielmehr die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts wie folgt:

Eine erneute Risikoverteilung findet nicht statt, da im Rahmen des Tarifwechsels ein Vertrag abgeschlossen wird, bei dem gewisse „erworbene Rechte“ aus dem ursprünglichen Vertrag in den neuen Vertrag einbezogen werden können. Es wird hingegen kein Vertrag abgeschlossen, bei dem die bereits „erworbenen Rechte“ grundsätzlich entfallen.

Die Kammer geht daher – trotz der gewählten Formulierung im Urteil – nicht davon aus, dass der Aussagekern der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts darin liegen sollte, dass ein Vertragsabschluss für den Wechsel eines Tarifes entgegen § 311 Abs. 1 BGB nicht erforderlich ist.

(3) Entgegen der Ansicht der Beklagten verlangt die Definition einer Versicherungsvermittlung im Sinne des § 34d GewO nicht, dass auf den Willensentschluss des vorgesehenen Vertragspartners unmittelbar oder mittelbar eingewirkt wird. Dies ergibt sich weder aus Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie RL/2002/92/EG noch aus § 59 Abs. 3 VVG. Aber selbst wenn man eine solche Voraussetzung unterstellte, wäre diese bei der beanstandeten Tätigkeit der Beklagten erfüllt. Denn schließlich kann die Beklagte im Rahmen des Tarifwechsels auf die Klägerin dahingehend „einwirken“, von etwaigen Risikozuschlägen, Wartezeiten oder Leistungsausschlüssen Abstand zu nehmen und ein für den Versicherungsnehmer günstigen Tarif zu vereinbaren. Insoweit würde es auch zu einem „freiwilligen“ Vertragsschluss kommen, da der Versicherer in diesem Fall auf etwaige Tarifgestaltungsrechte „freiwillig“ verzichten würde. Daher ist auch das von der Klägerin zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 1990, 2744) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar.

Der Anwendungsbereich des § 34d GewO ist mithin eröffnet.

b) Die von der Klägerin beanstandeten Tätigkeiten der Beklagten werden nach Auffassung der Kammer von der Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO umfasst.

(1) Es gehört zu den Aufgaben eines Versicherungsmaklers über den Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes und über Vertragsbedingungen zu beraten. Er darf hierbei auch bereits bestehende Versicherungen prüfen und inhaltliche Vergleiche anstellen. Der Versicherungsmakler darf in diesem Rahmen zudem die Interessen des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer vertreten. Diese Tätigkeiten werden von § 34d Abs. 1 GewO gestattet (vgl. Grunewald/Römermann/Hirtz, RDG, § 5, Rdn. 190, m.w.N.).

Es trifft zwar zu, dass es bei der hier in Frage stehenden Tätigkeit der Beklagten Unterschiede zu der Vermittlung einer Krankenversicherung gibt, bei der der Versicherungsnehmer entweder überhaupt noch nicht privat krankenversichert ist oder aus einem bestehenden Versicherungsverhältnis zu einer anderen privaten Krankenversicherung wechseln möchte. Die Unterschiede liegen im Wesentlichen darin, dass sowohl dem Versicherungsnehmer als auch dem Versicherer bestimmte Rechte aus § 204 VVG hinsichtlich der Gestaltung des Tarifs zustehen, die diese wechselseitig gegeneinander geltend machen können, und dass der Versicherungsnehmer einen Anspruch darauf hat, dass der Versicherer Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Altersrückstellung annimmt.

Nach Auffassung der Kammer fallen jedoch auch die im Rahmen des § 204 VVG unter Umständen notwendig werdenden Prüfungen unter die Erlaubnis nach § 34d GewO, da es sich auch hierbei im weiteren Sinne um die Beratung über den Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes und über Vertragsbedingungen handelt. Dies gilt auch dann, wenn sich die jeweilige Prüfung – folgt man der Ansicht der Klägerin – unter Umständen komplizierter gestalten kann als bei der Beratung zum Abschluss einer Erstversicherung.

(2) Auch aus der Regelung in § 34d Abs. 1 Satz 4 1.HS GewO ergibt sich nicht – auch nicht im Umkehrschluss -, dass die beanstandete Tätigkeit der Beklagten unzulässig ist. Nach dieser Norm beinhaltet die einem Versicherungsmakler erteilte Erlaubnis die Befugnis, Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich zu beraten. Die Regelung erlaubt es einem Makler, Versicherungsnehmer, die nicht Verbraucher sind, über die Risiken und die möglichen rechtlichen Folgen daraus zu beraten, ohne dass eine Vertragsvermittlung von vornherein beabsichtigt ist oder es zu einer solchen kommen muss. Es wird daher in diesem Fall nicht verlangt, dass die Beratung mit einer konkreten Vermittlungstätigkeit in Zusammenhang stehen muss (Landmann/Rohmer/Schönleiter, aaO, § 34d, Rdn. 60). Nach Auffassung der Kammer kann aus dieser Norm lediglich der Umkehrschluss gezogen werden, dass eine entsprechende rechtliche Beratung dem Makler nur dann nicht von der Erlaubnis nach § 34d GewO umfasst ist, wenn es sich bei den Versicherungsnehmern um Verbraucher handelt und kumulativ die Beratung nicht in Zusammenhang mit einer konkreten Vermittlungstätigkeit steht. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann jedoch aus der Norm nicht der Rückschluss gezogen werden, dass ein Versicherungsmakler einen Verbraucher in keinem Fall rechtlich beraten darf. Da die Beklagte in Zusammenhang mit einer konkreten Vermittlungstätigkeit berät (wie bereits unter Ziffer I.1. ausgeführt), ist ihre Tätigkeit nicht zu beanstanden.

(3) Die Kammer teilt die Ansicht der Klägerin nicht, dass es einen Unterschied mache, ob sich ein Versicherungsmakler auf die Beratung zum Tarifwechsel nach § 204 VVG beschränke oder ob ein Versicherungsmakler auch zuvor bereits den Erstabschluss des Versicherungsvertrages vermittelt habe. Denn es ist nicht ersichtlich, warum einem Versicherungsmakler allein deshalb eine weitergehende Beratungserlaubnis zustehen sollte, weil er zuvor (unter Umständen mehrere Jahre zuvor) den ursprünglichen Versicherungsvertrag vermittelt hat.

(4) Unerheblich ist es, dass sich die Beklagte in ihren Rechnungen nicht auf den Steuerbefreiungstatbestand des § 4 Nr. 11 UStG beruft und ihren Kunden Umsatzsteuer berechnet. Ohne Relevanz ist es zudem, dass sich die Beklagte nach außen hin nicht als Versicherungsmaklerin bezeichnet. Beide Umstände stehen in keinem Zusammenhang zu der Frage, ob die beanstandete Tätigkeit gegen § 3 RDG verstößt.

I.2. Auch aus § 5 RDG ergibt sich eine Erlaubnis für die von der Klägerin beanstandeten Tätigkeiten der Beklagten.

Nach § 5 RDG sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.

Das hier in Frage stehende Berufs- und Tätigkeitsbild ist die Versicherungsvermittlungstätigkeit der Beklagten im Sinne des § 34d GewO.

Nach Ansicht der Kammer stellt die Versicherungsvermittlung im Sinne des § 34d GewO die Haupttätigkeit der Klägerin im Rahmen des Tarifwechsels im Sinne des § 204 VVG dar. Die Kammer ist bereits unter Zugrundlegung von Lebenswahrscheinlichkeiten davon überzeugt, dass diese Tätigkeit zum weit überwiegenden Teil darin besteht, die verschiedenen von der Versicherung auf Anfrage angebotenen Tarife daraufhin zu prüfen, ob diese unter Berücksichtigung der Leistung und Gegenleistung des Angebots, der gesundheitlichen Vorgeschichte des Patienten sowie dessen finanzielle Situation geeignet und empfehlenswert sind und inwieweit diese wirtschaftliche Vorteile im Vergleich zu dem bestehenden Versicherungsvertrag mit sich bringen. Nach Ansicht der Kammer liegt eine diesbezügliche Beratung auch im primären Interesse des beauftragenden Versicherungsnehmers. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind etwaige Rechtsdienstleistungen als Nebenleistungen einzustufen, da diese lediglich im Zusammenhang mit der vorgenannten Haupttätigkeit notwendig werden und aber lediglich als untergeordneter Bestandteil des Auftrags zu bewerten sind.

II. a) Der Klägerin steht auch kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Werbung für die beanstandeten Tätigkeiten der Beklagten aus § 5 UWG zu, da es sich bei diesen Tätigkeiten entgegen der Ansicht der Klägerin nicht um unzulässige Rechtsdienstleistungen handelt und die Beklagte dementsprechend für diese werben darf.

b) Da der von der Klägerin gestellte Antrag nicht die Unterlassung der Art (also das „Wie“) der von der Beklagten bisher verwendeten Werbung zum Gegenstand hat, sondern die Unterlassung der Werbung für die Beratung im Rahmen des Tarifwechsels nach § 204 VVG an sich (also das „ob“), hat das Gericht nicht zu überprüfen, ob die von der Beklagten bislang getroffenen und von der Klägerin zitierten Werbeaussagen irreführend sind.

III. Mangels Unterlassungsanspruch steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Kostenerstattung für die außergerichtliche Abmahnung aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

V. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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