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Versicherungsmakler als Anlageberater –Schadensersatzanspruch gegen Versicherung wegen Falschberatung

LG Bonn, Az.: 9 O 526/15, Urteil vom 14.09.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte, eine deutsche Niederlassung einer kanadischen Versicherungsgesellschaft, Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung bzw. Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Abschluss von zwei Versicherungsverträgen bei der Beklagten geltend.

Der Kläger tätigte in den Jahren 2003 und 2004 und im Jahre 2006 – letzteres ist streitgegenständlich – bei der T3-Gruppe jeweils Anlagen im Rahmen des von der T3-Gruppe entwickelten T3KR-Konzepts (T3-Komfort-Rente). Das T3KR-Konzept sieht mehrere Bausteine vor, die aufeinander aufbauen bzw. miteinander verzahnt sind. Das Grundkonzept sieht zwei Lebens- bzw. Rentenversicherungsverträge vor, deren Einmalprämien jedenfalls nahezu vollständig über Darlehen bei einer Bank fremdfinanziert werden. Die eine Versicherung soll plangemäß als sogenannte Tilgungsversicherung abgestimmt auf die Laufzeit der Darlehensverträge Renditen erbringen, mit welcher die laufenden Darlehensverbindlichkeiten bedient werden. Beide Versicherungsverträge sollen per Saldo eine über den Kosten der Darlehensverträge liegende Rendite erwirtschaften. Der Beklagte schloss im Wege des Policenmodells am 08.12.2006 zum 01.12.2006 einen fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag namens „Flexibler Kapitalplan“ mit einer Einmalprämie von 200.000,00 EUR und einen fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag namens „Generation private“ mit einer Einmalprämie von 260.500,00 EUR ab, wobei die „Generation private“ nach dem T3KR-Konzept die Tilgungsversicherung sein sollte und eine Todesfallabsicherung beinhaltete. Der Anlagebetrag sollte beim „Flexiblen Kapitalplan“ in den Fonds Garant Liquid ## fließen, beim „Generation private“ in den V-Fonds I. Zusätzlich zum Eigenkapital von 30.348,00 EUR schloss der Kläger einen Darlehensvertrag bei der T2 über 500.000,00 EUR ab und vereinbarte einen Zins- und Währungsswap. Zudem wurde eine Risikolebensversicherung bei der E AG abgeschlossen. Die Versicherungen sowie die Darlehensverträge und die weiteren Verträge wurden dem Kläger vom Untervermittler der T3-Gruppe, Herrn K, vermittelt, der bei der T GmbH angestellt war.

Versicherungsmakler als Anlageberater –Schadensersatzanspruch gegen Versicherung wegen Falschberatung
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Der Kläger meint, dass die Rechtsprechung zu den „Clerical-Medical-Fällen“ (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2012, IV ZR 151/11) auf den vorliegenden Fall übertragbar sei und deshalb zu Lasten der Beklagten Anlageberatungsrecht gelte. Zudem ergebe sich dasselbe (Beratungspflichten des Versicherers und Zurechnung des Handelns des Vermittlers) aus der versicherungsrechtlichen Rechtsprechung zur anlassbezogenen Beratungspflicht. Die Beklagte habe also eine Beratungspflicht insbesondere hinsichtlich der Rendite des Gesamtkonzepts sowie auch hinsichtlich des Smoothing-Verfahrens bzw. der (behaupteten) Quersubventionierung getroffen, welche sie verletzt habe. Die Beklagte müsse sich das Verhalten des Herrn K zurechnen lassen. Die Beklagte verfüge über keinen eigenen Vertrieb der in Rede stehenden Versicherungsprodukte in Deutschland. Dem Kläger sei eine Rendite von jährlich 8% als realistisch genannt worden, obwohl die T3-Gruppe sowie die Beklagte selber nur von 4% als realistische Rendite ausgegangen seien. Auf der Basis einer Rendite von 4% sei die Tilgung des Darlehens ohne Verlust nicht möglich gewesen.

Der Kläger beantragt nach entsprechender Klarstellung in der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2016 und geringfügiger Klagerücknahme in Höhe von 9.225,50 Euro nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 118.437,95 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus dem Rentenversicherungsvertrag „Generation private“, Versicherungsnummer ######$, sowie aus dem Vertrag Flexibler Kapitalplan, Versicherungsnummer #######$;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von sämtlichen Forderungen der T2 eG aus den beiden Darlehensverträgen, Kontonummer ########### & -###, insbesondere von der Rückzahlung der Darlehen in einer Gesamthöhe von 500.000,00 EUR sowie von sämtlichen Forderungen der T2 eG aus dem Zins- und Währungsswap, Ref.-Nr. ######, freizustellen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen künftigen Schäden, insbesondere von Beitragszahlungen oder Steuerforderungen, die durch die Neufestsetzung der Einkommenssteuer durch das Wohnsitzfinanzamt des Klägers für die Jahre 2005 bis 2016 entstehen, freizustellen.

4. festzustellen, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet;

5. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 8.771,75 EUR gegenüber der Rechtsanwaltssozietät I & N Partnerschaftsgesellschaft mbB freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet Beratungsfehler. Die Clerical-Medical-Rechtsprechung sei nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Insbesondere sei das Verhalten des Vermittlers der Beklagten nicht zurechenbar. Es gelte nicht das Anlageberatungsrecht, sondern die versicherungsrechtlichen Grundsätze. Nach letzteren habe die Beklagte keine Beratungspflicht hinsichtlich der vom Kläger gerügten Punkte getroffen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 27.07.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche aus §§ 280, 311, 249 ff. BGB zu.

Anwendbar ist deutsches Recht gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, Art. 8 EGVVG (vgl. OLG Köln, Urteil vom 05.10.2012, 20 U 71/11), weil das versicherte Risiko bei der Lebensversicherung am Wohnsitz der versicherten Person liegt, also hier in Deutschland.

Intertemporal anwendbar ist noch das alte VVG in der Fassung vor dem 01.01.2008 (Art. 1 Abs. 1 EGVVG), insbesondere nicht § 6 VVG n.F., weil die Verträge vor dem 01.01.2008 geschlossen worden sind.

Es kann offen bleiben, ob die durch den Kläger als verletzt gerügten Beratungs- bzw. Aufklärungspflichten tatsächlich durch das Verhalten des unmittelbaren Vermittlers K verletzt worden sind bzw. inwieweit überhaupt Aufklärungs- bzw. Beratungspflichten bestanden.

Die Beklagte trafen diese Beratungs- bzw. Aufklärungspflichten jedenfalls nicht, sondern allenfalls die T GmbH bzw. die T3-Gruppe, mit denen der Kläger neben der Vertragsbeziehung zur Beklagten einen entgeltlichen Anlageberatungsvertrag abgeschlossen hat. Der Abschluss eines solchen Anlageberatungsvertrages ergibt sich aus der Komplexität des Anlagekonzepts, welches z.B. auch durch die Anlage K 9 illustriert wird, sowie auch aus dem Umstand, dass die T3-Gruppe bzw. die T GmbH eine eigene Vergütung vom Kläger erhielt.

Ebenso wenig muss sich die Beklagte das Verhalten des K gemäß § 278 BGB zurechnen lassen aufgrund des versicherungsrechtlichen Grundsatzes, dass dem Versicherer das Verhalten des Versicherungsmaklers im Verhältnis zum Versicherungsnehmer nicht zuzurechnen ist (heute in § 6 Abs. 6 S. 1, 2. HS VVG n.F. normiert, zuvor bereits – jedenfalls im Grundsatz – ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Der vom Kläger propagierte Ausnahmefall liegt nicht vor.

Soweit der Kläger sich auf die Rechtsprechung zu den sogenannten „Clerical-Medical-Fällen“ (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2012, IV ZR 151/11; OLG Köln, Urteil vom 05.10.2012, 20 U 71/22) dahingehend beruft, dass aufgrund vergleichbarer Umstände im vorliegenden Fall (auch) im Verhältnis des Klägers zur Beklagten Anlageberatungsrecht gelte, sämtliche eigene Pflichten des (Anlage-)Beraters (hier die T GmbH bzw. die T3-Gruppe bzw. Herr K) auch die Beklagte träfen und entsprechende Pflichtverletzungen des Herrn K gemäß § 278 BGB der Beklagten zuzurechnen seien, ist dem nicht zu folgen. Der Bundesgerichtshof hat auch in nachfolgenden Entscheidungen betont, dass diese Entscheidung, wonach das Verhalten eines Versicherungsmaklers (der hier wie im dortigen Fall in Doppelfunktion in eigener Sache auch als Anlageberater tätig wurde), gemäß § 278 BGB der Versicherung zuzurechnen ist, ein Ausnahmefall von dem versicherungsrechtlichen Grundsatz sein soll, wonach der Versicherungsmakler nicht Vertreter bzw. Erfüllungsgehilfe der Versicherung ist, sondern im Grundsatz vielmehr Vertreter des Versicherungsnehmers (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2014, IV ZR 306/13). Die Beratungspflicht des Versicherers entfällt sogar grundsätzlich vollständig, wenn die Versicherung durch einen Versicherungsmakler vermittelt wird (vgl. z.B. OLG Köln, Urteil vom 25.05.2015, 20 U 249/11, Rn. 86). Erst recht ist dem Versicherer im Grundsatz nicht das Verhalten des Versicherungsmaklers gemäß § 278 BGB zuzurechnen. Daraus ergibt sich, dass die „Clerical-Medical-Rechtsprechung“ nur in engen Ausnahmefällen übertragbar ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor, weil jedenfalls ein Aspekt hier nicht vorliegt, der den Bundesgerichtshof dazu veranlasst hat, ausnahmsweise in Abweichung von den versicherungsrechtlichen Grundsätzen trotz Vermittlung durch einen Versicherungsmakler eine anlassbezogene Beratungspflicht des Versicherers über Aspekte des Gesamtanlagekonzepts sowie eine entsprechende Zurechnung des Verhaltens des Versicherungsmaklers gemäß § 278 BGB zu Lasten der Versicherung zu bejahen. Der Bundesgerichtshof hat u.A. darauf abgestellt, dass die Renditeerwartung gegenüber der Versicherung des Todesfallrisikos von untergeordneter Bedeutung gewesen sei, weil im dortigen Fall die garantierte Todesfallleistung 101,00 % des Rücknahmewertes von Einheiten/Anteilen betrug (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2012, IV ZR 151/11,m Rn. 50 nach „juris“). Ungeachtet dessen, ob dies überhaupt ein taugliches Abgrenzungskriterium für die Annahme eines solch weitreichenden Ausnahmefalls von den dargestellten versicherungsrechtlichen Grundsätzen ist, woran die Kammer erhebliche Zweifel hat (siehe zu grundsätzlicher Kritik unten), liegt der Fall hier anders, weil durch die beiden in Rede stehenden Versicherungen u.A. eine nicht unerhebliche Todesfallleistung versichert wurde. Die Kammer folgt dabei der eigenen Argumentation des Klägers, wonach das von der T3-Gruppe konzipierte und dem Kläger von dieser (durch den Untervermittler K) vorgeschlagene Investmentkonzept, zu welchem die beiden in Rede stehenden Versicherungen der Beklagten gehörten, als einheitliches Finanzprodukt (der T3-Gruppe) anzusehen ist. Daraus folgt indes, dass die beiden Lebens- bzw. Rentenversicherungen der Beklagten („Generation private“ und „Flexibler Kapitalplan“) als wirtschaftliche Einheit auch hinsichtlich der Frage einer relevanten Todesfallleistung zu betrachten sind und nicht isoliert darauf abgestellt werden kann, dass eine der beiden Versicherungen – der „Flexible Kapitalplan“ – keine Todesfallabsicherung beinhaltete. Die somit durch die einheitlich zu betrachtenden Versicherungen der Beklagten zugunsten des Klägers versicherte Todesfallleistung vor Rentenbeginn betrug hier 382.935,00 EUR, also bezogen auf die Einmalprämie des „Generation private“-Vertrags von 260.500,00 EUR ca. 147% – weit mehr als die im Fall des BGH in Rede stehenden 101%. Insgesamt sah das Gesamtkonzept eine Todesfallleistungsabdeckung von 605.000,00 EUR vor – 382.935,00 EUR + 222.065,00 EUR durch die zusätzliche Risikolebensversicherung bei der E AG. Somit machte die Todesfallleistungsabdeckung durch die Versicherungen der Beklagten ca. 63% an der Gesamttodesfallleistungsabdeckung aus. Diese hatte also keine untergeordnete Bedeutung, wie recht anschaulich die Anlage K 9, S. 3 zeigt. Allein dieser Umstand reicht aus Sicht der Kammer schon aus, den vom Bundesgerichtshof im „Clerical-Medical-Fall“ angenommenen Ausnahmefall hier zu verneinen. Daher kann offen bleiben, ob zudem der Umstand, dass auch Rentenleistungen und nicht nur reine Einmalkapitalleistungen versichert wurden, gegen die Annahme des Ausnahmefalls sprechen, wofür indes Einiges sprechen dürfte.

Der Vollständigkeit halber weist die Kammer an dieser Stelle darauf hin, dass wohl einzelne Gerichte meinen, dass jegliche Vermittlung einer kapitalbildenden Lebensversicherung die Anwendung des Anlageberatungsrechts rechtfertige (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 03.06.2013, 330 O 67/12). Dies kommt einer Abschaffung der versicherungsrechtlichen Grundsätze für die Kapitallebensversicherung im Hinblick auf den Pflichtenkreis nach § 280 BGB und § 6 VVG n.F. gleich. Dem vermag die Kammer nicht zu folgen.

Soweit die Beklagte sich auf die Rechtsprechung zur sogenannten anlassbezogenen Beratungspflicht und insoweit insbesondere auf das Urteil des Bundesgerichtshof vom 09.07.1998, III ZR 158/97,) bezieht, wonach jedenfalls bei einer fremdfinanzierten Kapitallebensversicherung anlassbezogene Beratungspflichten des Versicherers bestehen sollen, die sich nicht nur auf Aspekte des Produkts der Beklagten, sondern auch auf das Risiko der Fremdfinanzierung (im Zusammenspiel mit der Versicherung) beziehen sollen und wonach das Verhalten des vermittelnden Versicherungsmaklers dem Versicherer nach § 278 BGB zuzurechnen sei, vermag die Kammer auch dem nicht zu folgen.

Soweit der Bundesgerichtshof tatsächlich meinen sollte, dass in einer solchen Fallkonstellation alleine die abstrakte Kenntnis des Versicherers vom Umstand, dass bei der Vermittlung seines Lebensversicherungsprodukts zugleich eine Fremdfinanzierung empfohlen und vorgenommen werden würde (aufgrund der ihr bekannten ständigen Übung des jeweiligen Versicherungsmaklers), ausreicht, zum Einen den Pflichtenkreis der Versicherung gegenüber dem Versicherungsnehmer dahingehend massiv zu erweitern, dass den Versicherer nicht nur auf sein eigenes Produkt bezogene Beratungspflichten treffen würde (was im Grundsatz bei der Vermittlung durch einen Versicherungsmakler schon nicht der Fall ist, vgl. OLG Köln, Urteil vom 25.05.2015, 20 U 249/11, Rn. 86 m.w.N.), sondern darüber hinausgehend der Versicherer effektiv inhaltsgleiche Beratungspflichten wie im Anlageberatungsrecht hätte, weil er nunmehr umfassend bezogen auf das einheitliche (Anlage-)Produkt aus Kapitallebensversicherung und Darlehen eine anlagegerechte (und auch anlegergerechte) Beratung hätte durchführen müssen, vermag die Kammer dieser Auffassung nicht zuzustimmen. Dies steht nach Ansicht der Kammer nicht im Einklang mit den versicherungsrechtlichen Grundsätzen und mit den Grundsätzen des § 242 BGB.

Nach ständiger Rechtsprechung können einen Versicherer auch nach der Rechtslage des hier anwendbaren VVG in der Fassung vor dem 01.01.2008 gemäß § 242 BGB bereits im Rahmen der Vertragsanbahnung (vgl. § 311 BGB) anlassbezogen Beratungs-, Aufklärungs- und Informationspflichten treffen (vgl. Prölss-Martin VVG, 26. Auflage, Vorbem. II, Rn. 10 ff. m.w.N.). Soweit die Rechtsprechung insoweit auf das Merkmal der Anlassbezogenheit abstellt, ist damit ein Aufklärungs- bzw. Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers gemeint, das für den Versicherer erkennbar ist (vgl. zum Streit, ob letzteres lediglich eine Frage des Verschuldens oder schon der Pflichtverletzung ist zu § 6 VVG n.F.: Prölss-Martin, VVG, 29. Auflage 2015, Rn. 5 m.w.N.). Ein Versicherer ist zur richtigen und vollständigen Information über alle Umstände verpflichtet, die für den Abschluss des Versicherungsvertrags erkennbar von besonderer Bedeutung sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 25.05.2015, 20 U 249/11, Rn. 44 nach „juris“). Eine Pflicht zu umfassender Vermögens- und Anlageberatung trifft den Versicherer indes im Grundsatz nicht (OLG Köln, Urteil vom 25.05.2015, 20 U 249/11, Rn. 85 ff.). Vor diesem Hintergrund kann nach Auffassung der Kammer ein für den Versicherer erkennbarer Beratungs- und/oder Aufklärungsanlass gemäß § 242 BGB jedenfalls nur dann eine Beratungs- oder Aufklärungspflicht begründen, wenn der Versicherer nicht davon ausgehen darf, dass dieser Beratungs- oder Aufklärungsbedarf des Versicherungsnehmers nicht anderweitig befriedigt werden wird. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn der Versicherer nach dem Vertrauensgrundsatz davon ausgehen darf, dass der Versicherungsnehmer mit dem Versicherungsmakler (ggf. auch konkludent) einen eigenständigen Anlageberatungsvertrag schließen wird, den der Versicherungsmakler sodann auch ordnungsgemäß erfüllen wird. So liegt der Fall hier. Denn unstreitig ist allein, dass die Beklagte abstrakt Kenntnis vom von der T3-Gruppe entwickelten und angebotenen Anlageprodukt hatte, in welchem die beiden Versicherungen jeweils ein (durchaus entscheidender) Baustein waren. Die Beklagte wusste also von der Grundidee des Anlagekonzepts, u.A. von der Fremdfinanzierung. Gerade wegen dieser Kenntnis (von der Komplexität des Gesamtanlagekonzepts) durfte die Beklagte indes davon ausgehen, dass im Rahmen der Vermittlung ihrer Versicherungen ein eigenständiger Anlageberatungsvertrag zwischen der T3-Gruppe bzw. der T GmbH und dem jeweiligen Versicherungsnehmer (oder zwischen einem von der T3-Gruppe oder der T GmbH ggf. beauftragten selbständigen Untervermittler und dem Versicherungsnehmer) zustande kommen würde, den die T3-Gruppe bzw. die T GmbH bzw. die Untervermittler ordnungsgemäß erfüllen würden. Die T3-Gruppe bzw. die T GmbH bzw. ihre Untervermittler erhielten hierfür auch eine eigene Vergütung vom Kläger. In einer solchen Situation vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen, warum der Grundsatz von Treu und Glauben eine inhaltsgleiche – rein zusätzliche – Beratungs- bzw. Aufklärungspflicht des Versicherers neben derselben Pflicht des Anlageberaters aus einem Anlageberatungsvertrag rechtfertigen können sollte, der bestimmungsgemäß eben jenen Bedarf decken soll, der zur Begründung einer Beratungs- bzw. Aufklärungspflicht des Versicherers herhalten soll – in einer Situation, wo sich der Beratungsbedarf im Kern erst durch das eigene Konzept des Anlageberaters ergab und nicht durch das Produkt des Versicherers als solchem (hierzu siehe weitere Ausführungen unten).

Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Schaffung eines weiteren – möglicherweise zahlungskräftigeren – Schuldners besteht gemäß § 242 BGB nicht, da der jeweilige Anleger – wie auch der Kläger – hinreichend erkennen kann, dass ihm ein Anlageprodukt von einem unabhängigen Anlageberatungsunternehmen angeboten wird, welches die Beratung durchführt und selbständig verantwortet. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet vielmehr, dass der Anleger sich an denjenigen wegen Nicht- oder Schlechterfüllung hält, mit welchem er den Anlageberatungsvertrag geschlossen hat, der gerade zur Deckung seines Beratungsbedarfs geschlossen wurde, also hier an die T3-Gruppe bzw. die T GmbH. Mit anderen Worten: Der Kläger muss sein Vertrauen dort suchen, wo er es verloren hat – beim Anlageberater. Die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs läuft indes darauf hinaus, dass der Anlageberater durch Wahrnehmung seiner Doppelfunktion als Anlageberater (gegenüber dem Versicherungsnehmer) und Versicherungsmakler (im Dreiecksverhältnis Anleger-Makler-Versicherer) in Wahrnehmung seiner eigenen Pflicht aus dem Anlageberatungsvertrag zum Einen den Pflichtenkreis des Versicherers erweitern würde und zum Anderen „plötzlich“ zum Erfüllungsgehilfen des Versicherers werden würde. Dies widerspricht schon dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz, dass ein Tätigwerden im eigenen Pflichtenkreis in aller Regel nicht die Besorgung eines fremden Geschäfts darstellt (vgl. § 677 ff., insbesondere § 687 Abs. 1 BGB). Auch die Konstruktion, dass sich der Pflichtenkreis um die eigenen Pflichten des Erfüllungsgehilfen erweitert, ist dem Gesetz und der deutschen Rechtsprechung grundsätzlich fremd, zumal der Versicherungsmakler im Grundsatz nach versicherungsrechtlichen Grundsätzen gar nicht der Erfüllungsgehilfe des Versicherers ist.

Anders wäre der Fall allenfalls dann zu bewerten, wenn die Beklagte ex ante Anhaltspunkte dafür gehabt hätte, dass die T3-Gruppe bzw. ihre Untervermittler ihre Pflichten aus dem jeweiligen Anlageberatungsvertrag nicht ordnungsgemäß erfüllten, so dass die Beklagte nicht auf eine ordnungsgemäße Beratung hätte vertrauen dürfen. In diese Richtung gehen zwar grob die Behauptungen des Klägers, wonach die Beklagte umfassendere als die eingeräumte Kenntnis von dem Anlagekonzept und den Inhalten der Vermittlungsgespräche gehabt habe. Aber insoweit fehlt es jedenfalls an tauglichen Beweisantritten des beweisbelasteten Klägers. Aus der vorgelegten Korrespondenz, insbesondere aus den in Bezug genommenen internen e-mails, vermag nicht der Schluss gemäß § 286 ZPO gezogen zu werden, dass die Beklagte hinreichende Anhaltspunkte gehabt hätte, um davon ausgehen zu müssen, dass die T3-Gruppe bzw. ihre Untervermittler die Anleger nicht ordnungsgemäß beraten würden. Insbesondere hat der Kläger keinen tauglichen Beweis dafür angeboten, dass die Beklagte Anhaltspunkte dafür gehabt hätte, dass die T3-Gruppe bzw. ihre Untervermittler eine Rendite von 8% als realistisch nannten und im Fall des Klägers nennen würden. Gleiches gilt für die weiteren als Beratungsfehler gerügten Aspekte.

Soweit der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen darauf abstellt, dass sich der Versicherer durch Verzicht auf ein eigenes Vertriebssystem (was hier streitig ist) der Möglichkeit der Erfüllung seiner Pflichten begeben habe und daher der Versicherungsmakler mit Wissen und Wollen des Versicherers Aufgaben der Versicherung übernommen und sich deshalb sein Verhalten zuzurechnen habe, auch wenn er in Erfüllung eigener Pflichten handele (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2012, IV ZR 151/11, Rn. 48 nach „juris“; Urteil vom 12.03.2014, IV ZR 306/13, Rn. 22 nach „juris“), stützt sich der 4. Zivilsenat des Bundesgerichtshof immer wieder (primär) auf die Entscheidung des 11. Zivilsenats vom 14.11.2000 (XI ZR 336/99). Diese betrifft allerdings den nicht vergleichbaren Fall eines das in Rede stehende Finanzprodukt vermittelnden Finanzmaklers, wobei die Bank nach Auffassung des 11. Zivilsenats Beratungspflichten aufgrund der Besonderheiten des von ihr selbst eigenständig kreierten Finanzprodukts traf (vgl. Rn. 20 des Urteils nach „juris“: „der von der Beklagten angebotenen speziellen Finanzierungsmethode – Verbindung von Vorausdarlehen und Bausparverträgen“). Die Beratungspflicht der Bank entstand also nicht (erst) dadurch, dass der Finanzmakler ein eigenständiges Finanzprodukt kreiert hätte, in welchem ein Produkt der Bank als Baustein eingefügt worden wäre. Warum diese Entscheidung vergleichbar und übertragbar auf die hier in Rede stehende Fallkonstellation eines vom Versicherungsmakler in Doppelfunktion als Anlageberater kreierten Finanzprodukts unter Integrierung von Versicherungen des beklagten Versicherers als Bausteine sein sollte, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Die rechtlichen Schlussfolgerungen, die der 4. Zivilsenat mit dem Zitat der Entscheidung des 11. Zivilsenats begründet, sind nicht überzeugend, da sich der 4. Zivilsenat für die genannte Rechtsprechung auf einen im entscheidenden Punkt nicht vergleichbaren Fall des 11. Zivilsenats bezieht.

Die Kammer würde in der vorliegenden Fallkonstellation eine Beratungspflicht der Beklagten durchaus bejahen, wenn die Beklagte das T3KR-Konzept eigenverantwortlich so konzipiert hätte, wie die Bausparkasse im Fall des 11. Zivilsenats die spezielle Finanzierungsmethode einer Verbindung von Vorausdarlehen und Bausparverträgen konzipiert hatte. Die Rechtsprechung des 11. Zivilsenats ist überzeugend; diejenige des 4. Zivilsenats in dieser Frage hingegen nicht. Sofern eine Versicherung oder eine Bank sich in der Fallkonstellation des 11. Zivilsenats eines Maklers zum Vertrieb bedient, ist eine Zurechnung des Beratungsverschuldens des Maklers gerechtfertigt – weil die beratungsbedürftigen Besonderheiten aus der Sphäre der Bank bzw. der Versicherung stammen, so dass sie nach Treu und Glauben den Kunden hierüber im Rahmen der Vertragsanbahnung aufklären bzw. beraten muss. Dies begründet dann auch nachvollziehbar ausnahmsweise eine Zurechnung des Handelns des Maklers zu Lasten der Bank oder Versicherung gemäß § 278 BGB, weil die Bank oder Versicherung sich ansonsten in Kenntnis der durch die Komplexität ihres Produkts entstandenen anlassbezogenen Beratungspflicht der Möglichkeit der Erfüllung dieser Beratungspflicht entziehen könnte durch Einschaltung eines Maklers beim Vertrieb (anstelle eines Versicherungsvertreters) – wenn eine Zurechnung nicht ausnahmsweise bejaht werden würde. Die oben angesprochene und abgelehnte Pflichtenerweiterung der Versicherung durch das Handeln des Vermittlers läge in einer solchen Fallkonstellation nicht vor, weil sich die eigene Beratungspflicht der Bank bzw. der Versicherung originär schon daraus ergibt, dass die Bank bzw. Versicherung eigenverantwortlich das jeweilige Finanzprodukt konzipiert hat und damit den Anlass für die (gesteigerte) Beratungspflicht selbst geschaffen hat.

So liegt der Fall hier indes nicht, da das T3KR-Konzept unstreitig allein von der T3-Gruppe konzipiert worden ist. Die allenfalls unstreitig bzw. bewiesenermaßen bestehende Kenntnis der Beklagten vom Grundkonzept und dass die Versicherungen der Beklagten insoweit als Bausteine benutzt werden würden, reicht nicht aus, um zusätzliche, eigene Beratungspflichten der Beklagten sowie eine Zurechnung des Beratungsverschuldens des Vermittlers neben der ohnehin ggf. gegebenen inhaltsgleichen Pflicht und entsprechenden Haftung des Anlageberaters zu rechtfertigen (ggf. als Ausnahmefall von versicherungsrechtlichen Grundsätzen).

Der 4. Zivilsenat hat bei seiner Begründung daneben Bezug genommen auf die oben bereits thematisierte Entscheidung des 3. Zivilsenats vom 09.07.1998 (III ZR 158/97), der die Kammer aus den oben genannten Gründen nicht zu folgen vermag, und auf eine weitere Entscheidung des 11. Zivilsenats (vom 24.09.1996, XI ZR 318/95), die einen gleichgelagerten Fall wie denjenigen betraf, der Gegenstand des Urteils vom 14.11.2000 war (von der Bank konzipiertes und vom Versicherungsmakler vermitteltes Finanzprodukt aus Vorausdarlehen und Bausparverträgen). Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer keine Veranlassung, der Rechtsprechung des 4. Zivilsenats in der vorliegenden Fallkonstellation zuzustimmen (wobei ein zu den Clerical-Medical-Fällen vergleichbarer Fall ohnehin nicht vorliegt, s.o.).

Insgesamt traf die Beklagte mithin gar keine Beratungspflicht auf Basis der versicherungsrechtlichen Rechtsprechung, wonach bei Vermittlung der Versicherung durch einen Versicherungsmakler im Grundsatz gar keine Beratungspflicht des Versicherers besteht; ein Ausnahmefall liegt nicht vor. Mangels Beratungspflicht der Beklagten kann offen bleiben, ob die gerügten Beratungsfehler (des Anlageberaters) vorlagen.

Mangels Hauptanspruch dem Grunde nach waren auch die Nebenforderungen unbegründet.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 269 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Streitwert: bis zu 900.000,00 EUR.

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