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Versicherung gegen Blitz- und Überspannungsschäden – Kostenerstattung für Notreparatur

AG Wesel, Az.: 5 C 101/15, Urteil vom 05.01.2017

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.969,10 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 2.3.2015 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i. H. v. 334,75 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 22.5.2015 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten der Beweisaufnahme trägt die Beklagte. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 6 % und die Beklagte 94 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin indes nur gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin hat bei der Beklagten eine so genannte „Rund ums Eigentum“ Versicherung abgeschlossen, die auch eine Versicherung gegen Blitz- und Überspannungsschäden enthält. Die Parteien streiten über das Vorliegen eines solchen Schadens.

Die Klägerin behauptet, am 8.6.2014 sei es infolge eines heftigen Gewitters zu einem Blitz- bzw. Überspannungsschaden gekommen, der zu einem Defekt ihrer Alarmanlage geführt und den Austausch der Alarmanlage erforderlich gemacht habe.

Mit ihrer Klage beansprucht die Klägerin die Erstattung von Kosten i.H.v. 212,42 EUR für einen Notdienst-Einsatz am 8.6.2014, die Erstattung der Kosten für den Austausch der Alarmanlage i.H.v. 2.756,68 EUR, die Erstattung der Kosten für ein vorgerichtlich eingeholtes Privatgutachten i.H.v. 204,68 EUR sowie den Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 413,64 EUR.

Versicherung gegen Blitz- und Überspannungsschäden - Kostenerstattung für Notreparatur
Symbolfoto: trendobjects/Bigstock

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.173,78 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 2.3.2015 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 413,64 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Hilfsweise beantragt sie, die Beklagte zu verurteilen, sie gegenüber dem Rechtsanwalt C in X-Stadt von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 413,64 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet das Vorliegen eines Blitz- bzw. Überspannungsschadens mit Nichtwissen. Außerdem macht sie geltend, die Kosten für den Notdienst-Einsatz und die Kosten für das vorgerichtlich eingeholte Privatgutachten seien im Rahmen des Versicherungsvertrages nicht entschädigungspflichtig. Gleiches gelte für die bislang nicht abgerechneten und bezahlten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 12.11.2015. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen D vom 20.6.2016 und auf sein Ergänzungsgutachten vom 26.10.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten aufgrund ihrer Versicherung gegen Blitz- und Überspannungsschäden und nach Maßgabe der VGB 2002 den Ausgleich der Rechnung vom 4.9.2014 über den Austausch der defekten Alarmanlage beanspruchen und damit die Zahlung von 2.756,68 EUR. Außerdem kann sie den Ausgleich der Rechnung vom 15.7.2014 über den Notdienst-Einsatz am 8.6.2014 verlangen und damit die Zahlung weiterer 212,42 EUR.

Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Rahmen freier Überzeugungsbildung gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO ist das Gericht davon überzeugt, dass die Alarmanlage der Klägerin durch einen Blitz- bzw. Überspannungsschaden am 8.6.2014 irreparabel beschädigt worden ist.

Aus dem Gutachten vom 20.6.2016 und dem Ergänzungsgutachten vom 26.10.2016 des Sachverständigen D ergibt sich zusammenfassend, dass es am 8.6.2014 infolge eines heftigen Gewitters zu einem Blitz- bzw. Überspannungsschaden gekommen ist, der zu einem Defekt an der Alarmanlage der Klägerin geführt hat. Denn am Schadenstag hat es nachweislich einen Blitzeinschlag in das lediglich rund 27 m vom Haus der Klägerin entfernte Nachbarhaus Nummer 89 gegeben. Dieser war mit – 16,2 kA (-16200 A) auch so stark, dass er ein entsprechend hohes Magnetfeld aufbauen und dadurch einen Schaden an der Alarmanlage der Klägerin verursachen konnte. Vermutlich hat es eine so genannte induktive Einkoppelung in die Busleitung und Busplatine (Bus-Interface) der Anlage gegeben, die dort dann einen nicht sichtbaren Schaden innerhalb eines oder mehrerer auf der Busplatine vorhandenen integrierten Schaltkreise verursacht hat. Diese Busstörung war durch den nachfolgenden Notdienst-Einsatz nicht mehr zu beseitigen. Dieser Schadensverlauf ist absolut plausibel und nachvollziehbar. Aufgrund der Tatsache, dass es in einem Abstand von lediglich 27 m zum Schadensort zu einem Blitzeinschlag im Nachbarhaus gekommen ist, kann die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer induktiven Einkoppelung und einer damit einhergehenden Zerstörung der nicht untersuchten Bauteile gekommen ist, auf mindestens 99 % veranschlagt werden. Der Austausch der Alarmanlage war erforderlich, weil es für die mindestens 21 Jahre alte Anlage heute keine Ersatzteile mehr gibt.

Diese Ausführungen und Feststellungen des Sachverständigen D sind in sich schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend. Das Gericht macht sich die Ausführungen des Sachverständigen deshalb ausdrücklich zu Eigen und folgt ihnen. Die Einwendungen der Beklagten vermögen die Ausführungen und Feststellungen des Sachverständigen nicht zu erschüttern. Dass es den Blitzeinschlag im Nachbarhaus Nummer 89 gegeben hat, ist bereits durch den von der Klägerin mit der Klageschrift und dem Schriftsatz vom 22.7.2015 zur Akte gereichten Arbeitsauftrag der Klägerin an die Firma S vom 8.6.2014, in dem der Blitzeinschlag im Nachbarhaus Nr. 89 bereits festgehalten worden ist, belegt worden. Der vom Sachverständigen D im Rahmen seiner ergänzenden Begutachtung eingeholte Einsatzbericht der Feuerwehr Stadt X vom 8.6.2014 hat diesen Blitzeinschlag nur nochmals untermauert. Die der Begutachtung zu Grunde gelegte Entfernung von rund 27 m hat der Sachverständige selbst abgeschritten.

Von einer Befragung des Sachverständigen D dazu, ob die Entfernung zwischen den Häusern 46 m beträgt und ob sich bei einer solchen Entfernung eine andere Beurteilung des Sachverständigen ergebe, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.11.2016 ausdrücklich Abstand genommen. Die Beklagte hat auch keine Röntgenuntersuchung der bislang nicht untersuchten Bauteile beantragt. Dies geht mit Blick auf die vorliegenden Ausführungen und Feststellungen des Sachverständigen D zu ihren Lasten. Stattdessen hat die Beklagte beantragt, den Sachverständigen D zu entpflichten und ein neues Gutachten einzuholen. Die Voraussetzungen hierfür gemäß § 412 Abs. 1 ZPO liegen indes nicht vor. Es gibt insbesondere keinen Grund zu der Annahme, dass der Sachverständige D etwaige von der Beklagten an ihn noch gestellte Ergänzungsfragen nicht sachkundig hätte beantworten können.

Die Klägerin kann von der Beklagten aufgrund ihrer Versicherung gegen Blitz- und Überspannungsschäden und nach Maßgabe der VGB 2002 auch den Ausgleich der Rechnung vom 15.7.2014 i.H.v. 212,42 EUR über den Notdienst-Einsatz am 8.6.2014 verlangen. Diese Kosten können noch als erstattungsfähige notwendige Reparaturkosten angesehen werden, auch wenn der Notdienst-Einsatz im Ergebnis nicht zu einer erfolgreichen Reparatur der Alarmanlage führte. Die Versicherung hat für erfolglose Reparaturversuche dann einzustehen, wenn der Versicherungsnehmer die getroffene Maßnahme – wie hier den Notdienst-Einsatz der Firma S – zunächst als aussichtsreich ansehen durfte. Im Schadensrecht trägt der Schädiger das Prognoserisiko. Im Versicherungsrecht hat es die Versicherung zu tragen. Es ist auch anerkannt, dass Kosten für die Feststellung der Reparaturwürdigkeit und Kosten für erfolglose Reparaturversuche als Bestandteil der notwendigen Reparaturkosten zu erstatten sind (vgl. Rüffer, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz, 2. Auflage, § 13 VGB 2008/2010 (1914) Rn. 3 mit weiteren Nachweisen).

Die weitergehende Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten i.H.v. 204,68 EUR für das vorgerichtlich eingeholte Privatgutachten. Denn es handelt sich bei diesen Kosten nicht um notwendige Reparaturkosten. Ob die Kosten des von der Klägerin vorgerichtlich eingeholten Privatgutachtens als „Kosten des Rechtsstreits“ im Sinne der §§ 91 ff. ZPO angesehen und im Kostenfestsetzungsverfahren festgesetzt werden können (vgl. hierzu OLG Köln, Beschluss vom 22.8.2016, 17 W 24/16, zitiert nach Juris), kann dahinstehen. Denn die Entscheidung hierüber hat gegebenenfalls im Kostenfestsetzungsverfahren zu erfolgen.

Auf der Grundlage einer berechtigten Forderung von 2.969,10 EUR schuldet die Beklagte der Klägerin als Schadensersatz aus Zahlungsverzug gemäß den §§ 280, 286 BGB den Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 334,75 EUR (261,30 EUR (1,3 Gebühr) + 20 EUR + 19% Mehrwertsteuer). Die wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten weitergehende Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß den §§ 249 Abs. 1, 250 BGB Zahlung und nicht lediglich die hilfsweise beantragte Freistellung verlangen, weil die Beklagte das Vorliegen eines Versicherungsfalls und die Übernahme von Kosten mit ihren vorgerichtlichen Schreiben vom 18.7.2014 und 21.1.2015 bereits ernsthaft und endgültig abgelehnt hat.

Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf den §§ 280, 286, 288, 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 92 Abs. 1, 96, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. Die Kosten der Beweisaufnahme sind gemäß § 96 ZPO allein der Beklagten auferlegt worden, weil die Klägerin mit der Beweisaufnahme das Vorliegen einen Blitz- bzw. Überspannungsschaden und damit einen Versicherungsfall bewiesen hat. Von der Anwendung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat das Gericht mit Blick auf den vorliegenden Gebührensprung zu dem über 3.000 EUR liegenden Streitwert abgesehen.

Streitwert: 3.173,78 EUR

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