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Vermögensschadenshaftpflicht – täuschungsbedingte Banküberweisung

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 13 U 5/17 – Urteil vom 31.01.2018

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18. Januar 2017 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision der Klägerin wird zugelassen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Die klagende Versicherungsgesellschaft verfolgt einen Anspruch, den sie auf Grund einer beim Online-Banking begangenen Betrugstat für auf sich übergegangen hält.

I.

1. Die Klägerin war Versicherer der V… Bank S… eG. Der Versicherungsvertrag beruhte auf einer sogenannten Geno-Bankpolice. Zum versicherten Risiko gehörten Vermögensschäden, die im Online-Banking durch Überweisungen entstanden, die durch unberechtigte Dritte übermittelt wurden (Bl. 74).

Der Beklagte meldete sich auf eine ebay-Kleinanzeige und schloss einen Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber, der sich „A… Immobilien“ nannte und angab, in der S… ansässig zu sein. Der Beklagte übernahm die Aufgabe, Geldbeträge, die aus Anzahlungen für Immobilienverkäufe seines Arbeitgebers stammen sollten, durch Überweisungen auf sein Bankkonto zu vereinnahmen, abzüglich einer Provision bar abzuheben und mittels einer Bareinzahlung bei einer anderen Bank nach P… zu übermitteln. Er stand ausschließlich in eMail- und fernmündlichem Kontakt zu seinem Arbeitgeber.

Herr U… S… war Kunde der V… Bank, die sein Girokonto führte. Herr S… nahm am Online-Banking teil. Unbekannte installierten auf dem Computer des Herrn S… einen Virus und täuschten ihm auf einer von ihnen nachgemachten Internetseite, die wie diejenige der V… Bank aussah, vor, seinem Konto sei eine Überweisung von 9.315 Euro gutgeschrieben worden. Die nachgemachte Internetseite enthielt die vermeintlich von der V… Bank stammende Erklärung, die Überweisung beruhe auf einem Irrtum, und die Bitte, den Betrag zur Bereinigung des Irrtums auf ein angegebenes Konto zu überweisen. Dieser Bitte entsprach Herr S….

Er überwies auf das angegebene Konto, das bei einer anderen Bank für den Beklagten und dessen Ehefrau geführt wurde. Der Beklagte wurde durch einen Anruf seines Arbeitgebers angewiesen, 315 Euro für sich zu behalten und 9.000 Euro von seinem Konto abzuheben und weiterzuleiten. So verfuhr der Beklagte.

Die V… Bank erstattete Herrn S… den überwiesenen Betrag. Sie meinte, zur Erstattung verpflichtet zu sein, weil sie dessen Konto nicht habe belasten dürfen, weil er die Überweisung nicht autorisiert habe.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Betrag auf Grund einer Schadenmeldung an die V… Bank gezahlt. Die Klägerin hat gemeint, der Beklagte habe erkennen müssen, dass er an einem Betrug mitgewirkt habe.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 9.315,00 Euro zuzüglich der Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.15 zu zahlen sowie die vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 952,71 Euro nebst gesetzlicher Zinsen seit Rechtshängigkeit, festzustellen, dass die Forderung i.H.v. 9.315 Euro auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB beruht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat den Bestand des Versicherungsvertrages und die Zahlung der Klägerin an die V… Bank bestritten und behauptet, er habe die Herkunft des Geldes aus einer Betrugstat nicht für möglich gehalten.

2. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage in Höhe von 6.520,50 Euro stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Der Beklagte habe eine leichtfertige Geldwäsche begangen. Die Klägerin müsse sich ein Mitverschulden des dadurch geschädigten Kontoinhabers anrechnen lassen. Wegen der weiteren Begründung wird auf das Urteil verwiesen (Bl. 81 ff.).

3. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, der sich die Klägerin angeschlossen hat.

Der Beklagte meint, die Klägerin habe weder den Bestand des Versicherungsverhältnisses noch die Zugehörigkeit des Geschehens zum versicherten Risiko noch die Zahlung an die V… Bank ausreichend dargelegt. Er selbst habe weder vorsätzlich noch leichtfertig gehandelt. Der Geldwäschetatbestand eigne sich nicht als Schutzgesetz.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18.01.2017, Az.: 4 O 287/15, – soweit seine Verurteilung erfolgte – aufzuheben und insgesamt die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage insgesamt stattzugeben, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin meint, Herr S… sei durch die Hintermänner der Täuschung zum Werkzeug gemacht worden. Die Datenübermittlung, die Herr S… zur Überweisung an den Beklagten vorgenommen habe, sei deshalb auf Veranlassung der Hintermänner erfolgt. Herr S… habe die Überweisung nicht so durchführen wollen, wie es geschehen sei.

Die Klägerin behauptet, Herr S… habe gegenüber der V… Bank erklärt, die Zahlung so nicht gewollt zu haben und um die Erstattung des Betrages gebeten. Sie meint, dadurch habe er die erteilte Anweisung, den Geldbetrag an den Beklagten zu überweisen, angefochten. Durch die Anfechtung fehle die Autorisierung des Zahlungsvorganges, so dass die V… Bank zur Erstattung verpflichtet gewesen sei.

Die Klägerin meint, der auf sie übergegangene Anspruch der V… Bank auf Grund einer Nichtleistungskondiktion werde durch etwaiges Mitverschulden des Herrn S… nicht beschränkt, so dass der Beklagte auf den gesamten Betrag zu verurteilen sei.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf deren Schriftsätze und auf die Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist begründet, die Anschlussberufung der Klägerin unbegründet.

Die Klage ist unschlüssig. Dem Vortrag der Klägerin sind nicht alle tatsächlichen Umstände zu entnehmen, die zur Erfüllung des Tatbestands einer Anspruchsgrundlage erforderlich wären, auf der eine Forderung der V… Bank gegen den Beklagten beruhen könnte. Die Hinweise des Senats und die Einwendungen des Beklagten haben diese Gesichtspunkte aufgezeigt, ohne dass die Klägerin ihren Vortrag ausreichend ergänzt und präzisiert hätte.

1. Weil ein auf die Klägerin übergegangener Anspruch der V… Bank gegen den Beklagten nicht festgestellt werden kann, können die Bedingungen des Anspruchsübergangs dahinstehen. Als Rechtsgrund des Anspruchsübergangs auf die Klägerin kommt allein § 86 I 1 VVG in Betracht. Es braucht nicht erörtert zu werden, ob der Beklagte den Bestand des Versicherungsvertrages zwischen der V… Bank und der Klägerin und deren Leistung an die V… Bank ausreichend substantiiert bestritten hat und ob dieses Bestreiten und die Einwendungen gegenüber der Leistungspflicht der Klägerin überhaupt erheblich wären. Der Zweck des Anspruchsübergangs, den Schuldner des Versicherungsnehmers durch die Versicherungsleistung nicht zu befreien und den Versicherungsnehmer nicht durch zwei Ansprüche zu bereichern (vgl. Bruck/Möller-Voit, VVG, 9. Aufl. 2009, § 86 Rdnr. 6; Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, 29. Aufl. 2015, § 86 Rdnr. 1), spricht dagegen, einen wirksamen Versicherungsvertrag und eine Leistungspflicht des Versicherers für Voraussetzungen des Anspruchsübergangs zu halten (vgl. Bruck/Möller-Voit, § 86 Rdnr. 104; Prölss/Martin-Armbrüster, § 86 Rdnr. 37 ff.).

2. Zedent des Anspruches gegen den Beklagten muss die Versicherungsnehmerin der Klägerin sein, die V… Bank. Der Kunde der V… Bank, Herr S…, wäre nur dann geeigneter Altgläubiger eines nach § 86 I 1 VVG übergegangenen Anspruches, wenn er durch den Versicherungsvertrag zwischen Klägerin und V… Bank Versicherter gewesen wäre. Dass die Klägerin mit der V… Bank eine Fremdversicherung geschlossen hätte, lässt sich aber weder ihrem dürftigen Vortrag zum Inhalt des Versicherungsvertrages noch der Risikoübersicht (Anlage zum Schriftsatz vom 3. Januar 2017, Bl. 74) entnehmen. Sie trägt nun sogar ausdrücklich vor, sie habe die Versicherungsleistung, die den Anspruchsübergang ausgelöst habe, „nicht an den geschädigten Kunden ihrer Versicherungsnehmerin erbracht, sondern an die Versicherungsnehmerin selbst, da diese Anspruchsinhaberin aus dem Versicherungsverhältnis gewesen ist“ (Berufungserwiderung, S. 6 = Bl. 167).

3. Ein Bereicherungsanspruch der V… Bank gegen den Beklagten (§ 812 I 1 Var. 2 BGB) bestand nicht.

a) Ein Anspruch des Versicherungsnehmers aus dem Bereicherungsrecht, der dem Ausgleich einer durch den Versicherer ersetzten Vermögenseinbuße dient, kommt als Gegenstand des Anspruchsübergangs nach § 86 I 1 VVG in Betracht (inzwischen allg. Ans.: vgl. Bruck/Möller-Voit, § 86 Rdnr. 58; Prölss/Martin-Armbrüster, § 86 Rdnr. 7).

b) Im Überweisungsverkehr kann ein solcher Anspruch der Bank (V… Bank) des Zahlers (Herrn S…) gegen den Zahlungsempfänger (den Beklagten) entstehen (vgl. BGHZ 205, 377, Rdnr. 18, 24; 176, 234, Rdnr. 10 f. Staudinger-Omlor, BGB, Stand: Nov. 2017, § 675 z Rdnr. 24 ff.; Erman-Graf von Westphalen, BGB, 15. Aufl. 2017, § 675 f Rdnr. 70 a.E., § 675 u Rdnr. 12 MüKo-BGB-Zetzsche, 7. Aufl. 2017, § 675 u Rdnr. 26 f., 29).

Grundsätzlich ist in den Fällen der Leistung kraft Anweisung der Bereicherungsausgleich innerhalb des jeweiligen fehlerhaften Leistungsverhältnisses zu vollziehen, also zum einen zwischen dem Anweisenden (Herrn S…) und dem Angewiesenen (der V… Bank) im Deckungsverhältnis und zum anderen zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger (dem Beklagten) im Valutaverhältnis. Ausnahmsweise hat der Angewiesene einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch aus § 812 I 1 Var. 2 BGB gegen den Anweisungsempfänger, wenn eine wirksame Anweisung fehlt. In diesen Fällen hat der Angewiesene erfolglos versucht, eine Leistung an den Anweisenden zu erbringen. Der Zuwendungsempfänger ist daher in sonstiger Weise auf Kosten des Angewiesenen bereichert und deshalb dessen Anspruch aus Nichtleistungskondiktion ausgesetzt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Anweisungsempfänger das Fehlen einer wirksamen Anweisung im Zeitpunkt der Zuwendung kannte oder nicht kannte.

Fehlt die Anweisung – oder nach dem Sprachgebrauch des Zahlungsverkehrsrechts: die Autorisierung des Zahlungsvorgangs (§ 675 j I 1 BGB) –, etwa weil sie nur scheinbar erteilt ist, tatsächlich aber wegen einer Fälschung oder Verfälschung oder wegen Nichtigkeit oder fehlender Vertretungsmacht nicht erklärt ist, so kann der Angewiesene die dennoch vorgenommene Zahlung, durch die im tatsächlich nicht vorhandenen Deckungsverhältnis nichts geleistet werden konnte, direkt vom Zuwendungsempfänger herausverlangen. Anders gewendet: Wenn das Leistungsverhältnis zwischen Zahler (Herrn S…) und Zahlungsdienstleister (V… Bank) fehlt, begründet der nicht autorisierte Zahlungsvorgang (die Überweisung an den Beklagten) eine Nichtleistungskondiktion des Zahlungsdienstleisters gegen den Zahlungsempfänger (den Beklagten).

c) Herr S… hat die Autorisierung der Überweisung an den Beklagten wirksam erklärt. Mit der Formulierung, er sei „Werkzeug“ der unbekannten Täter gewesen, die unerlaubt auf seinen Computer zugegriffen haben (Berufungserwiderung, S. 5 = Bl. 166), weist die Klägerin auf eine Beurteilung hin, nach der Herr S… unter dem Einfluss der Täuschung gar nicht oder willenlos gehandelt und eine Willenserklärung deshalb nicht abgegeben hätte. Diese Beurteilung findet indes keine ausreichenden Anhaltspunkte in den tatsächlichen Schilderungen der Klägerin. Herr S… hat die Überweisung an den Beklagten selbst vorgenommen. Er hat dabei nicht unter dem Einfluss unentrinnbaren Zwanges gehandelt, sondern auf Grund einer Fehlvorstellung, die ihn nicht darüber irren ließ, was er tat, sondern weshalb er so handelte. Er irrte nicht über den Umstand, dass er auf genau das Konto überwies, das auf der nachgemachten Internetseite angegeben war, verbunden mit der Bitte, dorthin den ihm vermeintlich fehlerhaft gutgeschriebenen Betrag zurückzuerstatten. Seine Fehlvorstellung bezog sich allein auf den Grund oder das Motiv dieses Zahlungsvorganges. Täuschungsbedingt dachte er, entweder er sei Schuldner einer Erstattungsforderung, die er durch die Überweisung erfülle, oder er könne dem Schuldner der Erstattungsforderung, der V… Bank, bei der Erfüllung der sie treffenden Forderung behilflich sein, indem er die Überweisung vornehme. Herr S… war nicht willenloses Werkzeug, sondern eher klassisches Opfer eines Betruges, dem vorgetäuscht wurde, es bestehe ein Zahlungsgrund, der tatsächlich nicht bestand. Nicht die anfängliche Wirksamkeit irrtumsbedingter Verfügungen steht in Frage, sondern deren nachträgliche Vernichtbarkeit.

d) Der Beurteilung der Klage kann nicht vorausgesetzt werden, dass Herr S… die Autorisierung der Überweisung an den Beklagten angefochten hätte, so dass sie anfänglich nichtig geworden wäre (§ 142 I BGB).

aa) Es kann offenbleiben, ob die Autorisierung eines Zahlungsvorganges angefochten werden kann. Die grundsätzliche Unwiderruflichkeit einer Autorisierung und eines Zahlungsauftrages und die zu diesem Grundsatz geregelten Ausnahmen (§§ 675 j II, 675 p BGB) werden als speziellere Regelungen dem Recht der Anfechtung (§§ 119 ff. BGB) vorgehen müssen, um dem Ziel der vollständigen Umsetzung des Art. 66 I ZDRL gerecht werden zu können. Allerdings wird die Möglichkeit der hier allein in Betracht kommenden Anfechtung nach § 123 BGB vertreten (MüKo-BGB-Jungmann, § 675 j Rdnr. 16, § 675 p Rdnr. 9; Erman-Graf von Westphalen, § 675 p Rdnr. 4).

bb) Die Autorisierung der Überweisung an den Beklagten hat Herr S… durch die Erklärung gegenüber der V… Bank, er wolle den überwiesenen Betrag zurückerhalten, nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten können (§ 123 II 1 BGB), weil ein Dritter ihn getäuscht hat (α) und der Erklärungsempfänger (die V… Bank) die Täuschung nicht kannte und nicht kennen musste (β).

α) Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung hängt nur dann davon ab, dass der Erklärungsempfänger die Täuschung kannte oder hätte kennen müssen, wenn ein Dritter getäuscht hat. Der auf diese Weise bedingte Anfechtungsausschluss dient dem Schutz des Vertrauens des Erklärungsempfängers in den Bestand der Erklärung (Erman-Arnold, § 123 Rdnr. 31; Staudinger-Singer/von Finckenstein, BGB, Neub. 2017, § 123 Rdnr. 51; Flume, BGB AT II, 4. Aufl. 1992, S. 546; Wolf/Neuner, BGB AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rdnr. 110), deren Mangelhaftigkeit ihren Grund nicht in dem Verhältnis des Erklärenden zum Erklärungsempfänger findet. Diesen Schutz verdient der Erklärungsempfänger nicht, wenn nicht ein unbeteiligter Dritter täuscht, sondern jemand, der im Lager des Erklärungsempfängers steht (Bork, BGB AT, 4. Aufl. 2016, Rdnr. 879 MüKo-BGB-Armbrüster, 7. Aufl. 2015, § 123 Rdnr. 64). Dritter ist nicht, wer auf der Seite des Erklärungsempfängers am Zustandekommen des Geschäfts mitgewirkt hat (Soergel-Hefermehl, BGB, 13. Aufl. 1999, § 123 Rdnr. 32; Flume, S. 544, 545) und deshalb seiner Risikosphäre zuzurechnen ist (Wolf/Neuner, § 41 Rdnr. 111). Weil es für den Schutz des Erklärungsempfängers ausreiche, wird im Sinne einer grundsätzlichen Anfechtbarkeit der Erklärung ein äußerst restrikitives Verständnis des Dritten für geboten gehalten: Dritter könne nur sein, wer unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dem Kreis des Erklärungsempfängers zurechenbar sei (Staudinger-Singer/von Finckenstein, § 123 Rdnr. 53 MüKo-BGB-Armbrüster, § 123 Rdnr. 65).

Der Klägerin dient eine solche restriktive Auffassung vom Begriff des Dritten. Sie hat in diesem Rechtsstreit ein Interesse an der Anfechtung der Autorisierung. Wäre das Deckungsverhältnis zwischen Herrn S… und der V… Bank auf diese Weise zu beseitigen, so könnte dies zu einem Kondiktionsanspruch der V… Bank gegen den Beklagten führen, der auf die Klägerin übergegangen sein könnte. Aber es fehlt ein rechtlicher Gesichtspunkt, nach dem das Verhalten des unbekannten Täters der V… Bank zugerechnet werden könnte. Für eine in diesem Sinne großzügige Annahme einer Verpflichtung der V… Bank, das Risiko für das Handeln des Unbekannten zu übernehmen, fehlen dem Vortrag der Klägerin tatsächliche Schilderungen. Wie genau der Unbekannte den Anschein erweckt hat, die V… Bank wende sich an Herrn S…, hat die Klägerin nicht mitgeteilt. Es kann deshalb nicht erwogen werden, ob die V… Bank verpflichtet sein könnte, sich die von dem Unbekannten begangene Täuschung zurechnen zu lassen, etwa weil sie dieses Vorgehen schon aus früher begangenen Taten kannte und dennoch Sicherungsmaßnahmen oder Warnungen unterlassen hat oder weil ihre Internetseiten wegen zu einfacher Gestaltung zu leicht nachzumachen waren. Der Senat hat die Klägerin mit seinem Beschluss vom 17. Juli 2017 darauf hingewiesen, sie habe näher darzulegen, weshalb die Erklärung des Herrn S… gegenüber der V… Bank unwirksam gewesen sein sollte (dort S. 3 = Bl. 182). Der Beklagte hat der Klägerin entgegnet, die Voraussetzungen des § 123 II BGB seien nicht gegeben (Schriftsatz vom 31. August 2017, Bl. 191). Gegenüber der durch eine Rechtsanwältin vertretenen Klägerin würden weitere Hinweise, was genau vorzutragen wäre, um eine Anfechtung annehmen und einen Anfechtungsausschluss verwerfen zu können, die Grenze zur parteiischen Hilfestellung überschreiten.

β) Die V… Bank kannte die Täuschung nicht, und diese Unkenntnis beruhte nicht auf ihrem Verschulden. Die Kenntnis hat die Klägerin nicht vorgetragen, und zu Umständen, die auf ein fahrlässiges Verschulden an der Unkenntnis hindeuten, gilt das soeben Ausgeführte: Die Klägerin hat ihre tatsächlichen Schilderungen auch auf ihr erteilte Hinweise nicht ausreichend ausgeführt. Die maßgeblichen Gesichtspunkte sind die gleichen, die für eine Zurechnung des Handelns des Unbekannten in ihren Risikobereich maßgeblich sein könnten. Auf Fahrlässigkeit beruht die Unkenntnis des Erklärungsempfängers von der Täuschung, wenn sie so nahelag (Flume, S. 543, lässt die Evidenz ausreichen), dass er Anlass hatte, sich zu erkundigen, ob eine Täuschung vorliegt oder nicht (Staudinger-Singer/von Finckenstein, § 123 Rdnr. 63; MüKo-BGB-Armbrüster, § 123 Rdnr. 71; Bork, Rdnr. 878). Dazu hätten der V… Bank irgendwelche Hinweise auf das betrügerische Vorgehen vorgelegen haben müssen. Die V… Bank könnte eine Aufklärungs-, Erkundigungs- oder Warnpflicht getroffen haben. Sie könnte verpflichtet gewesen sein, in den massenweise allein durch Datenübermittlung automatisiert abgewickelten Überweisungsverkehr einzugreifen und einzelne, mehrere nach bestimmten Merkmalen ausgesonderte oder gar alle Autorisierungserklärungen zu überprüfen. Dies könnte erwogen werden, wenn die V… Bank deutliche Hinweise auf häufig aufgetretene unberechtigte Eingriffe in den Datenverkehr und damit begangene Täuschungshandlungen unbeachtet gelassen hätte. Dazu ist dem Vortrag der Klägerin nichts zu entnehmen.

4. Ein Anspruch auf Ersatz der an Herrn S… geleisteten Erstattung stand der V… Bank gegen den Beklagten nicht wegen Geschäftsführung ohne Auftrag zu (§ 683 BGB).

a) Auch ein Anspruch dieser Art hätte auf die Klägerin übergehen können (vgl. Bruck/Möller-Voit, § 86 Rdnr. 63 Prölss/Martin-Armbrüster, § 86 Rdnr. 7).

b) Mit der Erstattung des Überweisungsbetrages an Herrn S… hätte die V… Bank eine Schuld des Beklagten erfüllen können. Da dem Beklagten ein aus einer irrtümlich durchgeführten Überweisung stammender Kondiktionsanspruch gegen Herrn S… tatsächlich nicht zustand, war er dem Bereicherungsanspruch des Herrn S… wegen dessen rechtsgrundloser Leistung ausgesetzt. Mit der Zahlung auf diese Schuld hätte die V… Bank ein Geschäft des Beklagten führen können.

Die Geschäftsführung für einen anderen (§ 677 BGB) setzt indes voraus, dass der Geschäftsführer (die V… Bank) in dem Willen und mit dem Bewusstsein handelt, das Geschäft nicht für sich selbst, sondern wenigstens auch für den Geschäftsherrn (den Beklagten) zu besorgen. Wer dagegen mit dem inneren Willen (MüKo-BGB-Schäfer, 7. Aufl. 2017, § 677 Rdnr. 47) handelt, eine Angelegenheit ausschließlich als eigene wahrzunehmen, führt das Geschäft ohne Fremdgeschäftsführungswillen (RGZ 130, 310, 311; Erman-Dornis, § 677 Rdnr. 8) und damit nicht als fremdes Geschäft ohne Auftrag. Der Bestand oder die Einbildung einer Pflicht zum Handeln steht allein dem Fremdgeschäftsführungswillen nicht entgegen. Wer sich aber nicht dem vermeintlichen Geschäftsherrn verpflichtet fühlt, sondern meint, es bestehe eine eigene Handlungspflicht gegenüber einem anderen, handelt mit dem Willen, diese eigene Pflicht ohne Rücksicht auf die Interessen des vermeintlichen Geschäftsherrn zu erfüllen, und damit ohne Fremdgeschäftsführungswillen. Dass er zugleich auch ein Geschäft des vermeintlichen Geschäftsherrn „mitbesorgt“, vermag ein Geschäftsführungsverhältnis nicht zu begründen (Staudinger-Bergmann, BGB, Neub. 2015, vor § 677 Rdnr. 38, 179).

Für die Feststellung über das Vorliegen oder Fehlen eines Fremdgeschäftsführungswillens ist der Senat nicht auf Vermutungen anhand der objektiven Eigenart des Geschäfts angewiesen (vgl. Erman-Dornis, § 677 Rdnr. 11 ff.). Die Klägerin hat die innere Willenshaltung derjenigen, die bei der Erstattung an Herrn S… für die V… Bank gehandelt haben, ausdrücklich beschrieben: Die V… Bank habe den überwiesenen Betrag an Herrn S… erstattet, weil sie dazu wegen der fehlenden Autorisierung der Überweisung verpflichtet gewesen sei (Berufungserwiderung, S. 3 = Bl. 164; Schriftsatz vom 28. August 2017, S. 2 = Bl. 189). Die V… Bank hat ihre – vermeintliche – eigene Verpflichtung erfüllen wollen. Dass sie dies von irgendeiner Rücksichtnahme auf die Interessen des Beklagten hätte abhängen lassen wollen oder dass es ihr auch nur recht gewesen wäre, damit unvermeidbar auch dessen Interessen zu fördern, lässt sich nicht erkennen. Die V… Bank wollte das durch Betrug belastete Verhältnis zu ihrem Kunden S… bereinigen. Es ging ihr ausschließlich um die Wiederherstellung ihrer eigenen Integrität. Ein Fremdgeschäftsführungswille scheidet aus – und damit eine Geschäftsführung ohne Auftrag und ein darauf beruhender Aufwendungsersatzanspruch.

5. Aus dem gleichen Grunde bestand ein auf die Klägerin übergegangener Aufwendungsersatzanspruch (§ 683 BGB) der V… Bank nicht, der dieser entstanden sein könnte, falls der Beklagte Herrn S… zum Schadensersatz wegen einer unerlaubten Handlung (§§ 823 II BGB, 261 StGB) verpflichtet sein sollte. Auch dieser Anspruch scheitert, wie soeben dargelegt, am fehlenden Fremdgeschäftsführungswillen der V… Bank.

6. Sollte der Beklagte Herrn S… wegen begangener Geldwäsche schadensersatzpflichtig sein (§§ 823 II BGB, 261 StGB), so ist der V… Bank aus der Wiedergutmachung des dadurch entstandenen Schadens kein eigener ersatzfähiger Schaden entstanden, den sie vom Beklagten ersetzt verlangen könnte. Dabei kann der Gesichtspunkt übergangen werden, dass die V… Bank sich – wie gezeigt – für selbst verpflichtet hielt, den Herrn S… entstandenen Schaden auszugleichen. Der Ersatz der Aufwendungen desjenigen, der dem unmittelbar Geschädigten Ersatz leistet, ohne selbst dazu verpflichtet zu sein, gehört jedenfalls nicht zum Schutzobjekt oder zum persönlichen und sachlichen Schutzbereich (vgl. MüKo-BGB-Wagner, 7. Aufl. 2017, § 823 Rdnr. 477 a.E., 540 ff.; Erman-Wilhelmi, vor § 823 Rdnr. 19, § 823 Rdnr. 157) der Strafbarkeit der Geldwäsche (§ 261 StGB). Wenn sowohl die engeren als auch die weiteren Tatbestandsvarianten der Geldwäsche den Individualschutz des durch die Vortat Geschädigten bezwecken (so BGH, NJW 2013, 1158, Rdnr. 14 ff.), so beschränkt sich dieser Schutz doch im Falle des Betruges als Vortat auf denjenigen, bei dem durch die irrtumsbedingte Verfügung der Betrugsschaden eingetreten ist. Dieser Geschädigte soll in seinem Interesse, seine Ersatzansprüche gegenüber dem Betrüger durchzusetzen, vor Verschleierungen durch den Geldwäscher geschützt werden.

7. Schließlich steht der V… Bank gegen den Beklagten kein auf die Klägerin übergegangener Anspruch aus § 823 II BGB in Verbindung mit einer etwa von dem Beklagten begangenen Geldwäsche (§ 261 StGB) zu, der zu einem Schaden in der Gestalt des die V… Bank gegenüber Herrn S… entstandenen Ersatzanspruches geführt haben könnte. Die irrtumsbedingte Verfügung des Herrn S… hat nicht zu einem Schaden der V… Bank geführt. Die Entstehung eines Anspruches kommt als Schaden des Schuldners dieses Anspruches in Betracht. Aber da die Überweisung, die Herr S… vorgenommen hat, von ihm auf Grund des betrügerisch erregten Irrtums wirksam autorisiert war, diese Autorisierung nicht widerrufen wurde und sie entweder nicht anfechtbar war oder – nach dem Vortrag der Klägerin, wie oben gezeigt – nicht angefochten wurde, traf die V… Bank ein Erstattungsanspruch nicht (§§ 675 u, 675 z S. 1 BGB). Dass die V… Bank den Anspruch für entstanden hielt und sie ihn deshalb erfüllte, führt zu einem Schaden, der nicht auf der irrtumsbedingten Verfügung des Herrn S…, sondern auf dem eigenen Rechtsirrtum der V… Bank beruht und deshalb nicht vom Schutzzweck der Geldwäsche erfasst wird. Dieser Schaden beruht nicht auf dem – hier unterstellten – Verstoß gegen das Schutzgesetz (vgl. MüKo-BGB-Wagner, § 823 Rdnr. 541). Selbst wenn man diesen Gesichtspunkt überginge, und die Leistung zur Erfüllung des eingebildeten Erstattungsanspruches für einen kausalen und zurechenbaren Schaden aus der Betrugstat und der nachfolgenden Verschleierungshandlung des Beklagten hielte, müsste die V… Bank sich ein schwerwiegendes Mitverschulden entgegenhalten lassen, das den Ersatzanspruch ganz beseitigt (§ 254 BGB). Die fehlerhafte Beurteilung eines Erstattungsanspruches (§§ 675 u, 675 z S. 1 BGB) nach irrtumsbedingter Autorisierung hätte ihr nicht unterlaufen dürfen. Die Fehleinschätzung einer Bank auf dem Gebiet der Regelungen, die gerade die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die daraus entstehenden Erstattungsansprüche ordnen, hat erdrückendes Gewicht. Diese Normen, die die Geschäftstätigkeit einer Bank wesentlich bestimmen, muss sie fehlerfrei anwenden können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.

IV.

Die Revision der Klägerin wird zugelassen, damit eine etwaige Entscheidung des Revisionsgerichts zur Bildung und Festigung einer einheitlichen Rechtsprechung zum Recht der Zahlungsdienste beitragen kann, etwa zur Anfechtbarkeit und gegebenenfalls zu besonderen Voraussetzungen der Anfechtung der Autorisierung von Zahlungsvorgängen (§ 543 II 1 Nr. 2 ZPO).

Einer Rechtsbehelfsbelehrung bedarf es nicht (§ 232, 2 ZPO).

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