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Verkehrsunfall – Kfz-Haftpflichtversicherung – Verzugsschaden bei verspäteter Zahlung

LG Stuttgart, Az.: 26 O 23/16, Urteil vom 14.06.2016

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 97,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. aus 9.111,97 € seit 14.12.2015 bis 11.02.2016, aus weiteren 17,43 € vom 12.01.2016 bis 11.02.2016 sowie aus 97,22 € seit 12.02.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. aus 300,– € für den Zeitraum 12.01.2016 bis 11.02.2016 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 21,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. aus 958,19 € für den Zeitraum 03.02.2016 bis 11.02.2016 sowie aus 21,60 € seit dem 17.02.2016 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 100 % den Schaden aus dem Unfall vom … in … betreffend der Mehrwertsteuer zur KfZ-Ersatzbeschaffung zu ersetzen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Der Kläger trägt 20 % der Kosten des Rechtsstreits, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 80 %.

6. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Das Urteil ist für die Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Streitwert: 12.113,50 € bis zum 15.03.2016, danach 2.780,22 €.

Tatbestand

Symbolfoto: monkeybusinessimages/ Bigstock
Symbolfoto: monkeybusinessimages/ Bigstock

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.

Der Kläger fuhr am … gegen … Uhr als Eigentümer und Halter des PKW …, amtliches Kennzeichen: …, bei Grünlicht auf die Kreuzung … in … ein. Der Beklagte Ziffer 1 fuhr mit dem bei der Beklagten Ziffer 2 haftpflichtversicherten PKW …, amtliches Kennzeichen: .., von links bei Rotlicht in die Kreuzung ein, wo beide Fahrzeuge kollidierten. Der Kläger erlitt durch das Unfallereignis eine HWS-Distorsion, befand sich in ärztlicher Behandlung, war vom 03.10.2015 bis 09.10.2015 arbeitsunfähig und hatte Kopf- und Nackenschmerzen sowie Einschlafprobleme (Anlage K 1, AS. 10 ff.). Das Schadensgutachten ist dem Klägervertreter am 17.10.2015 zugegangen. Der Kläger ließ durch Anwaltsschreiben vom 06.10.2015 bei der Beklagten Ziffer 2 unbezifferte Schadensersatzansprüche ankündigen und verlangte eine Bestätigung bis zum 16.10.2015, dass eine Haftungsquote von 100 % anerkannt wird (Anlage K 4, AS. 29). Die Beklagte Ziffer 2 verlangte mit Schreiben vom 19.10.2015 eine Datenschutzerklärung (Anlage K 5, AS. 31), wozu der Klägervertreter mit Schreiben vom 22.10.2015 Stellung nahm (Anlage K 6, AS. 34). Am 10.11.2015 verlangte der Klägervertreter mit Zahlungsfrist bis zum 20.11.2015 die Erstattung von Abschlepp- und Standkosten in Höhe von 868,25 € (Anlage K 8, AS. 38), und bezifferte mit Schriftsatz vom 15.12.2015 unter Beifügung eines Attestes ein Schmerzensgeld in Höhe von 300,– € sowie Attestkosten in Höhe von 17,43 €, wofür er jeweils eine Zahlungsfrist bis zum 23.12.2015 (Anlage K 9, AS. 39) setzte.

Der Kläger machte gegen die Beklagten mit Klageschrift vom 21.01.2016 (Klageantrag Ziffer 1) materielle Schadensersatzansprüche in Höhe von 9.361,78 € (Wiederbeschaffungsaufwand [Anlage K 2, AS. 15] netto 8.356,– €, Abschlepp- und Standkosten 868,35 € [Anlage K 3, AS. 28], An- Abmeldekosten pauschal 90,– €, Unkostenpauschale 30,– € und Attestkosten 17,43 € [Anlage K 1, AS. 10]) geltend. Zudem verlangte er ein Schmerzensgeld von 300,– € und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 1.397,83 € (Klageantrag Ziffer 2). Nach Zustellung der Klageschrift am 02./03.02.2016 zahlte die Beklagte Ziffer 2 mit Abrechnung vom 02.02.2016 (Anlage B 1a, AS. 55) 550,97 € (Abschleppkosten 384,37 € und 166,60 € Standkosten) und mit Abrechnung vom 05.02.2016 (Anlage B 1b, AS. 55) weitere 9.717,80 € unter Einschluss eines Schmerzensgeldes von 300,– € und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 936,59 €. Für die Einzelheiten wird auf die Abrechnungen der Beklagten Ziffer 2 Bezug genommen.

Der Kläger trägt vor, mit eMail vom 23.10.2015, 11:55 Uhr (Anlage K 10, AS. 66), seien der Beklagten Ziffer 2 als Anhänge das Sachverständigengutachten (Anlage K 2, AS. 15) und der Schriftsatz vom 23.10.2015 (Anlage K 7, AS. 36), in welchem er mit Fristsetzung bis zum 02.11.2015 insgesamt 8.476,– € für den Wiederbeschaffungsaufwand, die Ab- und Anmeldekosten und die Unfallkostenpauschale (Anlage K 7, AS. 36) geltend gemacht habe, zugegangen. Der Zugang ergebe sich aus der fehlenden Rücksendung der eMail und Fehlermeldung sowie aus der am 30.10.2012, 12:17 Uhr, an die eMail-Adresse des Klägervertreters automatisiert versandte eMail der Beklagten Ziffer 2 als Eingangsbestätigung (Anlage K 11, AS. 67). Der Differenzsteuersatz betrage bei der Bemessung des Wiederbeschaffungswertes des Gebrauchtwagens 2,4% und nicht wie im Gutachten angegeben 2,5 %, so dass sich ein differenzbesteuerter Wiederbeschaffungswert jedenfalls von 18.056,– € errechne. Der Netto-Wiederbeschaffungsaufwand betrage daher nach Abzug des Restwertes (9.700,– €) 8.356,– €. Die An- und Abmeldekosten könnten geschätzt werden, die Abschlepp- und Standkosten seinen angemessen und ortsüblich. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (1,5 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandwert von 21.812,68 €) seien berechtigt. Da die Beklagte Ziffer 2 im Schreiben vom 10.11.2015 auf die ihr nicht vorliegende Ermittlungsakte verwiesen habe, sei der Klägervertreter verpflichtet gewesen, die knapp siebzigseitige Ermittlungsakte sorgfältig durchzulesen. Zudem seien datenschutzrechtliche Fragen zu klären gewesen, weshalb eine 1,5 Geschäftsgebühr berechtigt sei. Da er den Schaden bisher fiktiv abrechne, sei nach der Ersatzbeschaffung die Mehrwertsteuer und die Nutzungsausfallentschädigung von 50,– € (Gruppe F der Tabelle Sanden/Danner) für 14 Kalendertage zu erstatten, so dass die Feststellungsklage zulässig und begründet sei. Zudem sei die Heilbehandlung im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht abgeschlossen gewesen.

Nach der Teilerledigungserklärung, welcher die Beklagten mit Schriftsatz vom 09.03.2016 zustimmten, beantragte der Kläger zuletzt:

1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 329,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 9.361,68 € seit 03.11.2015 bis 11.02.2016 sowie aus 329,60 € seit 12.02.2016 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an der Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 300,– € vom 24.12.2015 bis 11.01.2016 sowie vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltsvergütung von 461,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.397,83 € seit Rechtshängigkeit bis zum 11.02.2016 sowie aus 441,94 € seit 17.02.2016 zu bezahlen.

3. Es wird festgesteilt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 100 % alle weiteren materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom … in … zu ersetzen.

Die Beklagten tragen vor, dass entgegen der Ansicht des Klägervertreters in der eMail vom 17.02.2016 (Anlage B 2, AS. 56 = K 12, AS. 81) rechnerisch nach dem Privatgutachten vom 12.10.2015 (Anlage K 2, AS. 15) kein höherer Fahrzeugschaden als 8.348,78 € bestünde. Eine höhere Auslagenpauschale als 25,– € sei nicht geschuldet. Mangels Angemessenheit und Erforderlichkeit sei die Erstattung weiterer Abschleppkosten als 384,37 € und Standkosten von 166,16 € nicht geschuldet. Für das Abschleppen mit einem Spezialbergungsfahrzeug (75 Minuten, 14 km Fahrtstrecke) seien als angemessene ortübliche Vergütung (Anlagen B 3 bis B 5, AS. 57-59) nur 206,25 € zu entrichten. Der Nachtzuschlag für das Abschleppen sei auf 37,50 € zu kürzen. Entsorgungskosten würden nicht angefallen, da diese nicht nachgewiesen seien. Die angemessenen Verwahrungskosten würden sich auf 140,– € netto belaufen. Höhere außergerichtliche Anwaltskosten, insbesondere aus der 1,5 Geschäftsgebühr, seien nicht gerechtfertigt. Ein Feststellungsinteresse bestünde nicht, auch nicht betreffend der Mehrwertsteuer. Die Heilbehandlung sei abgeschlossen, da nach spätestens 4 Tagen sämtliche Unfallverletzungen abgeheilt gewesen seien. Die Nutzungsausfallentschädigung sei nicht festzustellen, da kein Nutzungswille vorliege und die Höhe von 50,– € pro Tag bestritten werde. Zudem wäre die Nutzungsausfallentschädigung für die Vergangenheit bezifferbar gewesen. Die Kosten des Rechtsstreits habe der Kläger zu tragen, da die Beklagten mangels vorgerichtlicher Übermittlung des Privatgutachtens und Bezifferung des Wiederbeschaffungsaufwandes (Anlage B 6, AS. 70) sowie der allgemein zu kurzen Fristsetzungen vor der Klageerhebung nicht in Verzug geraten seien. Der in der eMail vom 23.10.2015 angegebene Betreff mit der Versicherungsscheinnummer und das Gutachten mit der Schadensnummer der Kaskoversicherung des Klägers wären auch nicht zuordenbar gewesen. Da dem Klägervertreter die Schadensnummer der Beklagten Ziffer 2 bekannt gewesen sei, habe der Kläger den mangelnden Zugang zu vertreten.

Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Parteien haben mit Schreiben vom 23.03.2016 (AS. 60) und 13.04.2016 (AS. 68) der Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt. Mit Beschluss vom 10.05.2016 (AS. 87 ff.) wurde die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet, Schriftsätze konnten bis zum 03.06.2016 eingereicht werden.

Entscheidungsgründe

I.

Die Leistungsklage ist zulässig, aber teilweise unbegründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagten in Bezug auf den Klageantrag Ziffer 1 ein weiterer Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2, 18, StVG, §§ 37 Abs. 1, 8 StVO, § 1 PflVG, § 115 Abs. 1 Ziffer 1 VVG, §§ 249, 421 BGB in Höhe von 97,22 € zu.

a. Die Haftungsquote der Beklagten von 100 % ist unstreitig.

b. Zur Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwandes steht dem Kläger gemäß § 249 Abs. 1 BGB ein weiterer Anspruch in Höhe von 7,22 € zu. Vom Brutto-Wiederbeschaffungswert des Gebrauchtfahrzeuges des Klägers (Erstzulassung 01.03.2013) ist ein differenzbesteuerter Pauschalabzug in Höhe von 2,4% vorzunehmen (Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, 24. Auflage 2016, § 249 BGB Rdnr. 317, 320 m. w. N.), so dass sich mindestens der eingeklagte Wiederbeschaffungsaufwand von 8.356,– € ergibt (18.500,– € abzüglich 2,4 %, abzüglich Restwert 9.700,– € [Anlage K 2, AS. 15]). Nach Zahlung der 8.348,78 € verbleibt eine Restforderung von 7,22 €.

c. Dem Kläger stehen als Schadensersatz nach § 249 Abs. 1 BGB für die Abschleppkosten weitere 7,89 € und für die Standkosten zusätzliche 82,11 € zu. Geschuldet ist die Erstattung in Höhe der angemessenen ortsüblichen Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB, wobei die Preis- und Strukturumfrage des Verbands der Bergungs- und Abschleppunternehmen e.V. eine taugliche Schätzungsgrundlage zur Bestimmung der üblichen Vergütung darstellt (Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, a. a. O., § 249 BGB Rdnr. 260a). Die in der Rechnung vom 03.11.2015 aufgeführten Abschleppkosten von 197,– € pro Stunde bei Einsatz eines Kranfahrzeuges 1524 sind nach der Preis- und Strukturumfrage 2014 (Anlage B 4, AS. 58) nur in Höhe von 175,– €/h (LKW für Fahrzeugbeförderung mit Kran über 15 t) angemessen. Der Zeitaufwand von 85 Minuten (20.55 Uhr bis 22.20 Uhr) ist nicht zu beanstanden. Zu den Kosten von 247,92 € (175,– €: 60 Min. x 85 Min.) kommen der angemessene Überstundenzuschlag von 51,71 € (36,50 €: 60 Min. x 85 Min.) sowie die Kosten für die unstreitige Entsorgung der Ölbinder von 30,– € hinzu, so dass ein Anspruch in Höhe von 392,26 € bestand (329,63 € zzgl. 19 % MwSt). Die Kosen für die behauptete Entsorgung von Fahrzeugteilen in Höhe von 15,– € sind nicht zu erstatten, da der Kläger die Richtigkeit der Rechnung insoweit nicht nachgewiesen hat. Von den Abschleppkosten in Höhe von 392,26 € hat die Beklagte Ziffer 2 bereits 384,37 € gezahlt, so dass noch 7,89 € zu zahlen sind. Ende des Jahres 2015 lagen die in der Rechnung angegebenen Standkosten von 11,– €/Tag unter Berücksichtigung der allgemeinen Preissteigerung im Rahmen der üblichen Vergütung (vgl. Anlage B 4, AS. 58, Stand- und Verwahrgebühren für RKWs auf dem Freigelände 10,– €/Tag). Auch war eine Standzeit von 19 Tagen vom 02.10.2015 bis zum 22.10.2015 angemessen, so dass ursprünglich für die Standkosten ein Anspruch in Höhe von 248,71,– € (209,– € zzgl. 19 % MwSt) bestand. Das Gutachten vom 12.10.2016 ist dem Klägervertreter am 17.10.2015 (Samstag) zugegangen. Diese normale Frist zur Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeuges setzt sich zusammen aus dem Zeitraum bis zur Klärung, ob ein Totalschaden vorliegt, einer kurzen Warte- und Überlegungsfrist sowie der angemessenen Zeit zur Beschaffung eines gleichartigen und gleichwertigen Fahrzeuges (OLG Celle, Urteil vom 24.10.2007, 14 U 85/07, Juris Rdnr. 9). Auch wenn das Restwertangebot bis zum 02.11.2015 (Anlage K 2, S. 6, AS. 20) bindend war, konnte der Kläger diese Frist bis zum Verkauf und damit zur Verwahrung des beschädigten Fahrzeuges nicht ausnutzen, zumal er das Fahrzeug nicht im Rahmen einer Ersatzbeschaffung in Zahlung gab (vgl. Klageschrift vom 21.01.2016, S. 7). Nach der möglichen Mitteilung des Gutachtens an den Kläger (Montag 19.10.2015) war eine Überlegungsfrist von zwei Tagen angemessen (OLG München, Urteil vom 27.11.2009, 10 U 4296/09), zumal der Gutachtenauftrag erst am 07.10.2015 (Anlage K 2, AS. 15) an den Sachverständigen ging. Damit endete die Frist zur Veräußerung des Fahrzeuges am 21.10.2015. Abzüglich der Zahlung von 166,60 € verbleiben 82,11 € an Standkosten.

d. Als Unfallauslagenpauschale sind zusätzlich zu den 25,– € keine weiteren 5,– € zu zahlen (BGH, NJW 2011, S. 2871).

e. Der Zinsanspruch betreffend der Klageantrags Ziffer 1 ergibt sich aus §§ 280, 286, 288 BGB.

aa. Zwar war der Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 271 BGB sofort nach Schadensentstehung fällig. Aber erst wenn der Kfz-Haftpflichtversicherer nach dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens und Vorlage von angeforderten Belegen den geltend gemachten Anspruch ausreichend beurteilen kann, beruht das Nichtzahlen der Regulierungsleistung nach einer Bearbeitungsfrist von mindestens 4 Wochen auf einem zu vertretenden Umstand nach § 286 BGB (vgl. Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, a. a. O., § 249 BGB Rdnr. 441, 447, 551a m. w. N.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2010, 3 W 15/10).

bb. Insoweit geht es nicht um die reine Erlangung einer positiven Kenntnis, so dass es nicht ausschließlich darauf ankommt, wann der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten Ziffer 2 die Tatsachen bekannt wurden (vgl. aber zu § 20 VVG: OLG Stuttgart, Urteil vom 28.09. 2006, 7 U 111/06). Ebenso wie der Zugang einer Mahnung nach §§ 130 ff. BGB wirksam wird (Ernst in Münchener Kommentar, 7. Auflage 2016, § 286 BGB Rdnr. 47; OLG Celle, Urteil vom 19.06.2018, 8 U 80/07, Juris Rdnr. 40), gilt dies auch für die qualifizierte Anspruchsbegründung, wobei der Kläger, der sich auf den Zugang beruft, diesen zu beweisen hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.03.2009, 7 U 28/089), während die Beklagte Ziffer 2 die tatsächlichen Voraussetzungen für das fehlende Verschulden nach § 286 BGB darlegen und zu beweisen hat (Ernst in Münchener Kommentar, 7. Auflage 2016, § 286 BGB Rdnr. 118; vgl. auch zu § 93 ZPO: Herget in Zöller, 31. Auflage, § 93 ZPO Rdnr. 2, 6 „Beweislast“; BGH, GRUR 2007, S. 629 Rdnr. 13).

(1) Eine Willenserklärung geht unter Abwesenden zu, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (Ellenberger in Palandt, 75. Auflage 2016, § 130 BGB Rdnr. 5). Eine eMail geht mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme nach dem Eintritt in die Mailbox des Empfängers oder der abrufbaren Speicherung des Providers (Ellenberger in Palandt, a. a. O., § 130 BGB Rdnr. 7 a Vehslage, AnwBl 2002, S. 86 m. w. N.) zu. Für den Zugang spricht der Nachweis der Rücksendung einer automatisierten Eingangsbestätigung an den Kläger (Ellenberger in Palandt, a. a. O., § 130 BGB Rdnr. 21 LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2012, 15 Ta 2066/12, Juris Rdnr. 9, 13). Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob für den Zugang eines Anhangs der eMail zusätzlich nachgewiesen werden muss, dass bei objektiver Würdigung die versandte eMail und der dazugehörige Anhang nicht dazu geeignet sind, den berechtigten Anschein einer Spam-eMail, einer Fälschung oder eines Virus zu erwecken (vgl. Wietzorek, MMR 2007, S. 156 ff.; Hoppe in der Anmerkung zum Urteil des Landgericht Hamburg, MMR 2010, S. 654 ff.), denn diese Voraussetzungen liegen vor. Gegen den Verdacht spricht nicht nur die automatisierte Bestätigung des Eingangs per eMail (Anlage K 11, AS. 67) und die Vergabe der Vorgangsnummer Nr. …. Durch die Angabe der Namen der Unfallparteien …, der Versicherungsscheinnummer des Beklagten Ziffer 1 und des amtlichen Kennzeichens dessen Fahrzeuges im Betreff der eMail, sowie durch die Bezeichnung der PDF-Datei des Schreibens vom 23.10.2015 (Anlage K 7, AS. 36) mit „Schreiben an … (Hapfpflicht-Vers-Gegner)“, ist ein Ausscheiden als Spam oder wegen Virusgefahr nicht anzunehmen, auch wenn die weitere PDF-Datei des Schadensgutachtens mit der Schadensnummer der Kaskoversicherung des Klägers sowie mit dem Kennzeichen und der Fahrzeug-Ident-Nr. des klägerischen Fahrzeuges „…-SchadenGA“ bezeichnet war. Der Kläger konnte daher billigerweise mit der Kenntnisnahme der Anlagen durch die Beklagte Ziffer 2 rechnen und die eMail nebst Anhänge wurden unstreitig auch nicht an den Klägervertreter zurückgesandt.

(2) Zwar wurde ausweislich der Hardcopy der Schadensakte (Anlage B 6, AS. 72), deren Eingaben erkennbar durch den Sachbearbeiter und nicht automatisiert erfolgen (vgl. Eintrag zu 17.02.2016 „Böse Reaktion auf Abrechnung….“), die eMail nebst Anlagen nicht zur Schadensakte registriert, während die eMails vom 15.12.2015 (Anlagen K 13, AS. 83; K 9, AS. 3, vermerkt am 23.12.2015) und 17.02.2016 (Anlagen K 16, AS. 86; B 2, AS. 56) mit der im Betreff von der Beklagten Ziffer 2 vergebenen Schadensnummer … (vgl. Anlage K 5, AS. 31) zur Schadensakte gelangten. Dass die eMail innerhalb der Beklagten Ziffer 2 an die zuständige Stelle weitergeleitet wird, fällt jedoch in deren Verantwortlichkeit, da eine Zuordnungsmöglichkeit vom Absender hergestellt wurde (vgl. Einsele in Münchener Kommentar, 7. Auflage 2015, § 130 BGB Rdnr. 35; Mankowski, NJW 2004, S. 1901 m. w. N.; OLG Celle, Urteil vom 19.06.2018, 8 U 80/07, Juris Rdnr. 40). Anhand der Versicherungsnummer, des amtlichen Kennzeichens des versicherten Fahrzeuges und dem Inhalt des Schreibens vom 23.10.2015 war der Beklagten Ziffer 2 bei Prüfung eine Zuordnung zu der richtigen Schadensnummer möglich. Unter anderem durch den im Schadensgutachten angegebenen Auftraggeber und das dort genannte amtliche Kennzeichen war erkennbar, dass es sich um die Schadensnummer des Kaskoversicherers des Klägers handelte. Zudem hätte die Posteingangssteile bzw. die im Fall des Irrlaufs aufgrund der angegebenen Versicherungsvertragsnummer des Beklagten Ziffer 1 mit dem Vorgang ggf. betraute Vertragsabteilung der Beklagten Ziffer 2 aufgrund des Impressums (Anlage K 10, AS. 66) die einfache Möglichkeit gehabt, Rücksprache mit der Anwaltskanzlei des Klägervertreters zu nehmen. Eine Weiterleitung an die Schadensabteilung der Beklagten Ziffer 2 war damit problemlos möglich und die Beklagte Ziffer 2 kann sich nach § 242 BGB nicht auf die falsche Bezeichnung der Schadensnummer berufen. Der tatsächliche Zugang zur richtigen Schadensakte konnte daher zumindest nach einer Woche am 30.10.2015 erfolgen, so dass bis zur Anhängigkeit der Klageschrift am 25.01.2016 ausreichend Zeit vergangen war. Die ausweislich der Hardcopy am 10.11.2015 und 28.12.2016 (Anlage B 6, AS. 72) an den Klägervertreter übersandten Schreiben haben die Parteien nicht vorgelegt. Laut Hardcopy-Eintrag vom 12.11.2015 (Anlage B 6, AS. 72) forderte die Beklagte Ziffer 2 die Ermittlungsakte an. Der Verzug wird aber nach Ablauf der angemessenen Prüfungsfrist nicht dadurch ausgeschlossen, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Einsicht in die Ermittlungsakte genommen werden konnte, da sich der KfZ-Haftpflichtversicherer über seinen Versicherungsnehmer unterrichten lassen kann (OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.09.2013, 3 W 46/13).

(3) Betreffend der ursprünglichen Forderung in Höhe von 9.111,97 € (Wiederbeschaffungskosten von 8.356,– €, Abschlepp- und Standkosten von 640,97 €, Ab- und Anmeldekosten von 90,– €, Unfallpauschale von 25,– €) ist der Verzug nach 6 Wochen ab dem 30.10.2015 am 14.12.2016 eingetreten und nicht bereits am 03.11.2015.

2. Hinsichtlich der 300,– € Schmerzensgeld (Klageantrag Ziffer 2) und Attestkosten von 17,43 € (Klageantrag Ziffer 1) ist nach der Vorlage der Atteste (Anlagenkonvolut K 1, AS. 10, 13) mit Schreiben vom 15.12.2015 (Anlage K 9, AS. 39) jedenfalls nach 4 Wochenfrist am 12.01.2016 Verzug eingetreten, so dass von da an die genannten Zinsen bis zum 11.02.2016 zu zahlen sind. Die Beklagten haben nicht vorgetragen, dass die Einsicht in die Ermittlungsakte noch nicht gewährt war bzw. für die Beurteilung erforderlich gewesen sein sollte (Anlage B 1, AS. 55).

3. Die Beklagten sind gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2, 18, StVG, §§ 37 Abs. 1, 8 StVO, § 1 PflVG, § 115 Abs. 1 Ziffer 1 VVG, §§ 280, 249, 421 BGB verpflichtet, dem Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 21,60 € (958,19 € [1,3-Gebühr aus 9.129,40 € gemäß §§ 13, 14 RVG Nr. 2300 VV RVG, 20,– € Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG zzgl. 19 % MwSt] abzüglich gezahlter 936,59 €) zu ersetzen. Anzusetzen ist der Gegenstandswert von 9.129,40 €, denn der in der Klageschrift vom 21.01.2016, S. 7, angegebene Gegenstandswert von 21.812,68 € ist auch unter Berücksichtigung der Schreiben vom 06.10.2015 (Anlage K 4, AS. 29) und 22.10.2015 (Anlage K 6, AS. 34) nicht nachvollziehbar. Eine Nutzungsentschädigung wurde zu keinem Zeitpunkt konkret geltend gemacht. Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG umfangreich oder schwierig war. Dem Gericht ist unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20 % die Überprüfung der Angemessenheit entzogen, nicht jedoch die Überprüfung der Erhöhung der Schwellengebühr auf eine 1,5-fache Gebühr (BGH, Urteil vom 05.02.2013, VI ZR 195/12). Die Einsichtnahme in die umfangreiche Ermittlungsakte unter Auswertung der Lichtzeichenschaltpläne ist für eine Erhöhung des Regelsatzes nicht ausreichend. Gleiches gilt für die Recherche zum Schreiben vom 22.10.2015 (Anlage K 6, AS. 34). Den Zinsanspruch aus 958,19 € macht der Kläger zu Recht seit Rechtshängigkeit (03.02.2016) bis zum 11.02.2016 geltend. Den Zinsanspruch aus dem Restbetrag verlangt er seit dem 17.02.2016.

II.

Die Feststellungklage nach § 256 ZPO ist teilweise unzulässig bzw. unbegründet. Hinsichtlich der Nutzungsentschädigung besteht für die Vergangenheit kein Feststellungsinteresse, da eine Bezifferung möglich gewesen wäre. Ein Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls nach §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB stünde dem Kläger im Übrigen nur zu, wenn er zur Nutzung willens und fähig gewesen wäre (BGH, Urteil vom 18.12.2007, VI ZR 62/07 Rdnr. 6), wofür er darlegungs- und beweislastet ist (Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, a. a. O, § 249 BGB Rdnr. 181, 182). Weil der bestrittene Nutzungswille aufgrund der fehlenden Ersatzbeschaffung und des erheblichen Zeitablaufs seit dem Unfall auch nicht vermutet werden kann, besteht insoweit auch für die Zukunft kein Feststellungsanspruch. Ein künftiger noch nicht bezifferbarer Schadensersatzanspruch im Hinblick auf die körperlichen Beschwerden ist ausgeschlossen, da nach dem vorgelegten Attest vom 23.11.2015 (Anlage K 1, Ziffern 14-16, AS. 12) keine Restbeschwerden mehr bestehen und aufgrund der leichten HWS-Distorsion auch künftig nicht nochmals zu erwarten sind. Nur in Bezug auf die Mehrwertsteuer der angekündigten Ersatzbeschaffung nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB besteht ein Feststellungsinteresse (Verjährung), auch wenn die Beklagten die 100 % Haftung unstreitig gestellt und hieraus die Wiederbeschaffungskosten bezahlt haben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 91a ZPO. Unter Berücksichtigung des ursprünglich geschuldeten Schadensersatzes hatten die Beklagten aufgrund des Verzugs Anlass zu Klageerhebung zum 25.01.2016 gegeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert ergibt sich aus § 48 GKG, § 3 ZPO. Der Streitwert von 12.113,– € bemisst sich nach den Angaben des Klägers zum Feststellungsinteresse von 2.451,22 € in der Klageschrift und der ursprünglichen Klageanträge von 9.361,68 € und 300,– €. Ab der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung ergibt sich der Streitwert aus dem noch streitigen Teil von 2.780,22 € mit Ausnahme der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Herget in Zöller, a. a. O., § 3 ZPO Rdnr. 16 „Teilweise übereinstimmende Erledigungserklärung“).

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