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Unwirksame Prämienanpassung bei Kranken-/ Pflegeversicherung

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 2 O 6964/21 – Urteil vom 20.12.2022

1. Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzung der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam war:

a) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A zum 01.01.2015 in Höhe von 0,11 € bis zum 31.12.2020

und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet war.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 1,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 17.05.2022 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte

a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie vom 01.01.2019 bis 16.05.2022 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,

4. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit insoweit erledigt hat, als die Klagepartei beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerseite Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer … betreffend die Prämienanpassungen der Jahre 2019 – 2022 zu erteilen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 90% und die Beklagte 10% zu tragen.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.626,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Unwirksame Prämienanpassung bei Kranken-/ Pflegeversicherung
(Symbolfoto: Kittyfly/Shutterstock.com)

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung der Klagepartei.

Die Klagepartei hält seit dem Jahr 1999 bei der Beklagten einen Vertrag über eine private Krankheitskosten- und Pflegeversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen – von den Parteien stillschweigend vorausgesetzt – die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) – die im Wesentlichen den Musterbedingungen MBKK entsprechen – und Tarifbedingungen der Beklagten zugrunde.

Für den Versicherungsvertrag erfolgten mit Zustimmung des jeweiligen Prämientreuhänders jedenfalls folgende Beitragsanpassungen, auf die die Klagepartei in der Folgezeit die sich hieraus jeweils ergebenden neuen Beiträge zahlte:

Im Tarif A kam es zum 01.01.2021 und im Tarif B zum 01.01.2020, 2021 und 2022 zu unstreitig wirksamen Folgeanpassungen.

Die Beklagte informierte die Klagepartei jeweils mit Mitteilungsschreiben über die anstehenden Prämienanpassungen. Auf die als Anlage BLD12 vorgelegten Anpassungsmitteilungen wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 05.08.2022, der Klagepartei zugestellt am 12.08.2022, teilte die Beklagte die für die Anpassungen jeweils maßgeblichen auslösenden Faktoren mit. Auslöser sämtlicher Anpassungen waren geänderte Leistungsausgaben. Eine Anpassung aufgrund geänderter Sterbewahrscheinlichkeiten erfolgte nicht.

Vorgerichtlich forderten die Klägervertreter die Beklagte zur Auskunft über die Höhe der jeweiligen auslösenden Faktoren auf. Eine Auskunft erfolgte nicht.

Bereits mit Schreiben vom November 2020 (Anlage BLD 10) hatte die Beklagte der Klagepartei in einer Übersicht die maßgeblichen Gründe der Beitragsanpassungen in den Jahren 2010 bis 2020 mitgeteilt.

Mit Anwaltsschreiben vom 25.10.2021 forderte die Klagepartei die Beklagte unter Hinweis auf die Unwirksamkeit der Prämienanpassungen zur Rückzahlung der Erhöhungsbeträge sowie der hieraus gezogenen Nutzungen auf. Eine Rückzahlung erfolgte nicht.

Die Klagepartei ist der Ansicht, dass die Anpassungen unwirksam seien, da die jeweiligen Mitteilungen nicht den gesetzlichen Vorgaben nach § 203 Abs. 5 VVG entsprächen.

In materieller Hinsicht fehle den Anpassungen bei einem auslösenden Faktor unter 10% eine vertragliche Grundlage, da die Regelung in § 8b Abs. 1, 2 MB/KK unwirksam sei.

Die Unwirksamkeit ergebe sich auch daraus, dass die Beklagte trotz gesunkener Leistungsausgaben Prämienanpassungen nach oben vorgenommen habe; dies sei unzulässig.

Es bestehe deshalb ein Anspruch auf vollumfängliche Rückzahlung der geleisteten Erhöhungsbeiträge sowie hieraus gezogener Nutzungen.

Zudem bestehe ein entsprechendes Feststellungsinteresse. Aus den unwirksamen Anpassungen abgeleitete Ansprüche seien nicht verjährt, da die Klagepartei in Folge der zunächst bestehenden unsicheren und zweifelhaften Rechtslage nicht die erforderliche Kenntnis von der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen gehabt habe.

Die Klagepartei habe auch Anspruch auf Auskunft über die Höhe der auslösenden Faktoren, die die Beitragsanpassungen im zur Folge hatten. Dies ergebe sich aus einer vertraglichen Nebenpflicht gemäß § 242 BGB.

Wegen Verletzung der Begründungspflicht habe diese der Klagepartei auch die ihr vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu erstatten.

Die Klagepartei hat zunächst beantragt:

1) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer … seit dem 01.01.2012 zu erteilen.

2) Es wird festgestellt, dass die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch genauer zu bezeichnenden Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam sind und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet, sowie, dass der monatlich fällige Gesamtbetrag für die Zukunft auf einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Betrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen zu reduzieren ist.

3) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

4) Die Beklagte wird verurteilt,

a) der Klägerseite die Nutzungen in der nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Höhe herauszugeben, die die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 2) noch aufzuführenden Beitragsanpassungen gezahlt hat,

b) die Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an die Klägerseite zu zahlen.

5) Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite hinsichtlich der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.054,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Mit Schriftsatz vom 05.05.2022 hat die Klagepartei die Klageanträge geändert und will die neuen Klageanträge zu 1-3 als bezifferte Teilklage verstanden wissen, wobei der Klageantrag zu 4. zu den Klageanträgen 5-6 in einem Stufenverhältnis stehe.

Die Klagepartei beantragt sodann:

1) Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam sind:

a) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A zum 01.01.2015 in Höhe von 0,11 €

b) die Erhöhung des Beitrags im Tarif B zum 01.01.2018 in Höhe von 46,65 €

und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet war.

2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 1.126,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängig-keit zu zahlen.

3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte

a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,

b) die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.

4) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer … seit dem 01.01.2012 zu erteilen.

5) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 4) noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

6) Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite die Nutzungen in der nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 4) noch zu beziffernden Höhe herauszugeben, die die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat.

7) Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite hinsichtlich der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.054,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Mit Schriftsatz vom 21.09.2022 hat die Klagepartei die vorstehenden Klageanträge 4) bis 6) für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigterklärung nicht angeschlossen.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sämtliche streitgegenständlichen Anpassungen den Begründungserfordernissen der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügten.

Im Hinblick auf die von der Klagepartei nicht angegriffenen Folgeanpassungen zu den Jahren 2020 und folgende fehle das entsprechende Feststellungsinteresse. Zudem seien etwaige Begründungsmängel durch das Mitteilungsschreiben vom November 2020 mit Wirkung zum 01.01.2021 geheilt.

Die Anpassungen seien auch in materieller und kalkulatorischer Hinsicht ordnungsgemäß erfolgt. Hierzu bietet die Beklagte nach Sicherstellung der Geheimhaltung die Vorlage aller einschlägigen Unterlagen, sowie die Erholung eines versicherungsmathematischen Sachverständigengutachtens an.

Etwaige Ansprüche aus unwirksamen Beitragsanpassungen seien zudem verjährt.

Hilfsweise beruft sich die Beklagte in Höhe von 1.933,81 € auf Entreicherung, da verschiedene Prämienbestandteile dem Versichertenkollektiv gutgeschrieben worden seien. Äußerst hilfsweise erklärt die Beklagte mit einem eigenen Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB in Höhe der Alterungsrückstellung und verbuchter Zuschläge über 1.555,14 € die Aufrechnung (Schriftsatz vom 05.08.2022 S. 16).

Ein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Nennung aller konkreten Werte der auslösenden Faktoren der letzten 10 Jahre bestehe nicht. Auch insoweit beruft sich die Beklagte auf Verjährung.

Die Beklagte bestreitet, dass die Klagepartei die Klägervertreter ausdrücklich mit einer außergerichtlichen Interessenwahrnehmung im Hinblick auf eine Stufenklage beauftragt hätten. Eine solche sei jedenfalls angesichts des den Klägervertretern bekannten Umstandes, dass die Beklagte außergerichtlich keine Prämienanpassungen zurücknehmen würde, nicht erforderlich gewesen.

Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Die Klage ist der Beklagten am 14.12.2021 zugestellt worden, die Klageänderung mit Schriftsatz vom 05.05.2022 am 16.05.2022. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Mit Beschluss vom 04.10.2022 wurde mit Zustimmung der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet, wobei die Frist zur Einreichung von Schriftsätzen auf den 02.11.2022 bestimmt war.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.

A. Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist nach § 13 GVG eröffnet.

Die Klagepartei hat klargestellt, dass sich die geltend gemachten Ansprüche nicht auf Tarife der Pflegepflichtversicherung beziehen, für die allerdings nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet wäre (z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 21.2.2017 – L 30 P 68/15; LSG Bayern, Urt. v. 12.4.2006 – L 2 P 42/03; zu alledem Boetius/Rogler /Schäfer, HdB PKV § 64 Rn. 3 ff., 14 f.; Felsch r+s 2017, 601).

B. Die Klage ist zulässig.

Dies gilt insbesondere auch, soweit die Klagepartei die Feststellung begehrt, dass bestimmte Prämienanpassungen unwirksam sind und sie nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag entsprechend zu reduzieren ist (§ 256 ZPO; BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17 –, BGHZ 220, 297-323 Rn. 16 f.); ebenso zulässig ist die Feststellungsklage, soweit sie auf die Feststellung der Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen und deren Verzinsung gerichtet ist (BGH aaO Rn. 18 ff.).

Das Feststellungsinteresse entfällt auch nicht dadurch, dass es nachfolgend zu einer wirksamen Neufestsetzung im angegriffenen Tarif bzw. einer Heilung etwaiger Begründungsmängel gekommen ist (BGH Urt. v. 9.2.2022 – IV ZR 291/20, BeckRS 2022, 2867 Rn. 16).

Die vorgenommenen Klageänderungen sind zulässig i.S.d. §§ 264 Nr. 2, 267 ZPO (BGH Urt. v. 24.9.2021 – V ZR 272/19, BeckRS 2021, 34461 Rn. 11).

Die Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich jedenfalls aus § 39 S. 1 ZPO, da sich die Beklagte rügelos zu den Klageanträgen eingelassen hat.

C. Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.

I. Die angegriffenen Beitragsanpassungen sind jedoch zum Teil unwirksam.

1. Die Betragsanpassungen für die Jahre ab 2010 müssen sich an § 203 Abs. 2, 5 VVG messen lassen.

Bei der streitgegenständlichen Krankheitskostenversicherung handelt es sich unstreitig um eine solche, für die das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich bzw. vertraglich ausgeschlossen ist (§ 206 Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2 S. 1 VVG).

Nach § 203 Abs. 2, 5 VVG gilt:

„Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. Dabei dürfen auch ein betragsmäßig festgelegter Selbstbehalt angepasst und ein vereinbarter Risikozuschlag entsprechend geändert werden, soweit dies vereinbart ist. Maßgebliche Rechnungsgrundlagen im Sinn der Sätze 1 und 2 sind die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten. Für die Änderung der Prämien, Prämienzuschläge und Selbstbehalte sowie ihre Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder gilt § 155 in Verbindung mit einer auf Grund des § 160 des Versicherungsaufsichtsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung.

Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach den Absätzen 2 und 3 werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.“

2. Die Beitragsanpassungen sind nicht schon deswegen unwirksam, weil die in § 8b Abs. 1, 2 MB/KK 2009 niedergelegte vertragliche Anpassungsgrundlage unwirksam wäre.

Zwar ist die Regelung in § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam, wonach von einer Betragsanpassung abgesehen werden kann, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist. Nach 208 VVG kann u.a. von der Regelung des § 203 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers und der versicherten Person abgewichen werden. Hieraus folgt die Unwirksamkeit der abweichenden Regelung (BGH Urt. v. 22. Juni 2022 – IV ZR 253/20). Der Bestand der (wirksamen) Regelung in § 8b Abs. 1 MB/KK wird durch die aus der Unwirksamkeit des § 8b Abs. 2 MB/KK folgenden Streichung nicht beeinträchtigt (BGH Urt. v. 22. Juni 2022 – IV ZR 253/20).

3. Nach unbestrittenem Vortrag der Beklagten hat den einzelnen Anpassungen der jeweils bestellte Prämientreuhänder zugestimmt. Ob dieser unabhängig i.S.d. § 155 Abs. 1 S. 1 VVG ist bzw. war, ist von den Zivilgerichten im Rechtsstreit über eine Prämienanpassung nicht gesondert zu prüfen (BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17 –, BGHZ 220, 297-323 Rn. 30 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 30.10.2020 – 1 BvR 453/19 –, juris).

4. Die versicherungsmathematische Berechtigung der Prämienanpassungen stellt die Klage nicht in Frage.

5. Die angegriffenen Anpassungen genügen nur für das Jahr 2018 den formalen Voraussetzungen; im Übrigen sind sie unwirksam.

a) Bei einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG wird erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt (BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17 –, BGHZ 220, 297-323 Rn. 66; BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 21).

Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat insbesondere auch weder mitzuteilen, in welche Richtung sich die maßgebliche Rechnungsgrundlage verändert hat (BGH, Urt. v. 17. November 2021 – IV ZR 113/20 –, juris Rn. 26 f.), noch die Veränderung weiterer Faktoren anzugeben, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses (BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 26). Die „maßgeblichen Gründe“ müssen sich auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (BGH aaO Rn. 27). Durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat erfüllt die Mitteilung den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten, noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat; dafür ist es nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitzuteilen (BGH aaO Rn. 35).

b) Die Begründung in dem Mitteilungsschreiben der Beklagten für die Beitragsanpassung zum 01.01.2015 (Anlage BLD 12 Teil 1) war nicht ausreichend, weshalb die betreffende Anpassung formell unwirksam ist.

Die maßgeblichen „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2015“ lassen sich durch die Kennzeichnung („Änderungsgründe“) im Nachtrag zum Versicherungsschein vom November 2014, leicht auffinden. Zudem wird hierauf im Anschreiben vom November 2014 ausdrücklich hingewiesen, zum Teil in Fettdruck.

In dem Abschnitt „Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung …“ finden sich jedoch lediglich allgemein gehaltene Erläuterungen, welche Faktoren sich auf die Erhöhung des Beitrags auswirken können. So wird dargestellt, dass mit dem medizinischen Fortschritt der Umfang des Versicherungsschutzes steigt, was sich auf die Beiträge auswirkt. Auch sei bei der Kalkulation der Beiträge zu berücksichtigen, dass die durchschnittliche Lebenserwartung gestiegen sei. Aus dem Mitteilungsschreiben und den Anlagen hierzu ergibt sich jedoch nicht, dass die aktuelle Überprüfung gerade für die konkreten Tarife der Klagepartei eine Veränderung der maßgeblichen Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen ergeben und damit die Prämienanpassung ausgelöst hat.

Die der Klagepartei zur Verfügung gestellten Informationen genügen damit nicht den zu stellenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung der Prämienerhöhung zum 01.01.2015 (vgl. auch zur identischen Begründung OLG Köln, Urteil vom 29. Oktober 2019 – I-9 U 127/18 Rn. 74 ff., bestätigt durch BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 Rn. 38 ff.; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 – IV ZR 148/20 Rn. 25 f.; BGH, Urteil vom 09. Februar 2022 – IV ZR 337/20, Rn. 29 f.).

c) Die Begründung in dem Mitteilungsschreiben der Beklagten für die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 (Anlage BLD 5 Teil 2; VK160 10.10.17) ist hingegen ausreichend, weshalb die betreffende Anpassung formell wirksam ist.

Die maßgeblichen „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2018“ lassen sich durch die Kennzeichnung („Änderungsgründe 1“) im Nachtrag zum Versicherungsschein vom November 2017, leicht auffinden. Zudem wird hierauf im Anschreiben vom November 2017 ausdrücklich hingewiesen, zum Teil in Fettdruck.

In dem Abschnitt „Was sind die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung?“ werden zunächst die beiden in Betracht kommenden Berechnungsgrundlagen (Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeit) benannt. Nach weiteren allgemeinen Ausführungen zum Verfahren der Beitragsanpassung heißt es sodann:

„Für die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 kommen je nach versichertem Tarif die folgenden maßgeblichen Gründe zum Tragen:“

Am Ende des nächsten, mit „Steigende Leistungsausgaben“ in Fettdruck überschriebenen Absatzes wird – ebenfalls in Fettdruck – ausgeführt:

„Bei allen Tarifen – mit Ausnahme der unter den Punkten „Steigende Lebenserwartung“ sowie „Steigende Leistungsausgaben und steigende Lebenserwartung“ genannten Tarifen – sind die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung also eine insbesondere auf steigende Kosten im Gesundheitswesen und medizinischen Fortschritt zurückzuführende Veränderung bei den Versicherungsleistungen.“

Dem kann der Versicherungsnehmer mit deutlicher Klarheit als Ergebnis der Überprüfung für seinen konkreten Tarif entnehmen, dass für diesen eine solche Abweichung eingetreten ist. Die der Klagepartei zur Verfügung gestellten Informationen genügen damit den zu stellenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung der Prämienerhöhung zum 01.01.2018.

6. Ansprüche aus einer unwirksamen Anpassung kann die Klagepartei aber nur insoweit herleiten, als jene nicht durch eine nachfolgende – wirksame – Anpassung im selben Tarif „überholt“ wurde:

a) Bei der Prämienanpassung findet nicht nur die Festsetzung eines Erhöhungsbetrages, sondern eine vollständige Neufestsetzung für den neu kalkulierten Zeitraum statt. Ob eine frühere Prämienerhöhung fehlerhaft war, ist für die Wirksamkeit der Neufestsetzung und der daraus folgenden erhöhten Beitragspflicht des Versicherungsnehmers deshalb ohne Bedeutung (BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 55).

b) Im beiden angegriffenen Tarifen ist durch die nachfolgenden Anpassungen zum 01.01.2020 bzw. 01.01.2021 eine solche „überholende Neufestsetzung“ erfolgt, denn die entsprechenden Mitteilungen genügen unstreitig den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG.

Infolge der überholenden Neufestsetzung kommt es auf eine „zeitgleiche“ bzw. zeitlich nachfolgende Heilung etwaiger Begründungsmängel durch das Mitteilungsschreiben vom November 2020 bzw. durch die Klageerwiderung im Rechtsstreit nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 41).

7. Damit ist der Feststellungsantrag Ziff. 1) hinsichtlich folgender Anpassung –zeitlich eingeschränkt durch die nachfolgende Neufestsetzung – begründet:

  • im Tarif A zum 01.01.2015 in Höhe von 0,11 € bis zum 31.12.2020

Im Übrigen war der Feststellungsantrag abzuweisen.

II. Aus dem Vorstehenden ergibt sich für die Klagepartei nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein berechtigter und einredefreier Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1,32 €. Unwirksame Anpassungen bilden keinen Rechtsgrund für gleichwohl geleistete Prämienzahlungen.

1. Etwaige bis zum 31.12.2018 aus unwirksamen Beitragserhöhungen resultierende Rückforderungsansprüche sind verjährt. Die Beklagte kann insoweit berechtigt die Rückzahlung verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB); dies gilt nach § 217 BGB auch für die Herausgabe der entsprechenden Nutzungen (BGH, Urt. v. 17. November 2021 – IV ZR 113/20 –, juris Rn. 39).

a) Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem die Prämienanteile gezahlt wurden. Die Klagepartei hatte mit dem Zugang der streitgegenständlichen Änderungsmitteilungen zu diesen Zeitpunkten bereits im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners (ausführlich BGH, Urt. v. 17. November 2021 – IV ZR 113/20 –, juris Rn. 40 ff.). Dies gilt auch hinsichtlich einer etwaigen materiellen Unwirksamkeit der Prämienanpassungen (BGH, Urt. v. 22. Juni 2022 – IV ZR 193/20 –, juris Rn. 51).

Die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, war auch nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage unzumutbar. Eine Rechtslage ist nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist (BGH vom 17.11.2021 – IV ZR 113/20). Hiervon geht die Kammer auch für die Konstellationen aus, in denen die Klagepartei – wie im Streitfall am 25.10.2021 – ihre etwaigen Ansprüche erst nach der Entscheidung des BGH vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19) erstmals geltend gemacht hat. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, was sonst an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH aaO Rn. 43) könnte zweifeln lassen (i.E. ebenso OLG Dresden Urt. v. 28.6.2022 – 4 U 212/22, BeckRS 2022, 18129 Rn. 25).

b) Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass ausgehend von einer Verjährungshemmung mit Zustellung der bezifferten Rückzahlungsklage (Schriftsatz vom 05.05.2022) am 16.05.2022, ein einredefreier Rückforderungsanspruch wegen gezahlter Prämienerhöhungen infolge unwirksamer Anpassungen erst ab dem Jahr 2019 besteht.

(1) Die zuvor erhobene Stufenklage führte zu keiner früheren Verjährungshemmung. Grundsätzlich erfasst allerdings die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BGB auch den im Wege einer Stufenklage nach § 254 ZPO geltend gemachten unbezifferten Anspruch auf Leistung in jeder Höhe. Dem liegt der Rechtsgedanke zu Grunde, dass der Gläubiger durch aktives Betreiben seines Anspruchs seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich macht, dass der Schuldner gewarnt wird und sich auf eine Inanspruchnahme auch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist einstellen muss (BGH, 24.05.2012 − IX ZR 168/11, NJW 2012, 2180). Ein „reiner“ Auskunftsanspruch bewirkt hingegen keine Hemmung der Verjährung, da der Anspruch auf Zahlung durch die Klage auf Auskunftserteilung nicht rechtshängig wird (BGH Urt. v. 24.1.2019 – IX ZR 233/17, BeckRS 2019, 1578 Rn. 12; BGH, 24.05.2012 − IX ZR 168/11, NJW 2012, 2180). Geklärt ist in der Rspr. des BGH zudem, dass auch eine unzulässige Klage i.S.d. § 204 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BGB verjährungshemmend wirken kann (BGH, Urteil vom 05.05.1988 – VII ZR 119/87, NJW 1988, 1964, juris Rn. 16). Die Verjährung wird durch Klageerhebung demnach nicht nur dann unterbrochen, wenn die erhobene Klage in jeder Weise zulässig ist. Voraussetzung für die Unterbrechungswirkung ist aber nicht die Zulässigkeit, sondern allein die Wirksamkeit der Klageerhebung. Eine erhobene Klage ist wirksam, wenn sie den wesentlichen Formerfordernissen des § 253 ZPO entspricht (BGH, Urteil vom 17. November 1988 – III ZR 252/87 –, juris Rn. 17). Um verjährungshemmend zu wirken, muss eine Klage also auch den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügen (vgl. BGH, 13.5.1974 – III ZR 35/72, NJW 1974, 1551 bejahend für eine unbezifferte Schmerzensgeldklage; vgl. auch Staudinger/Peters/Jacoby (2019) BGB § 204 Rn. 30, wonach die Klage zur Verjährungshemmung den Umfang des klägerischen Begehrens erkennen lassen muss).

(2) Gemessen am Vorstehenden kann eine bereits unzulässig erhobene Stufenklage keine Hemmung der Verjährung bewirken. Mit einer unzulässigen Stufenklage wird zwar auch der (unbezifferte) Leistungsanspruch rechtshängig. Durch die Unzulässigkeit der Stufenklage wird jedoch der zu diesem Zeitpunkt noch (zulässig) unbezifferte Zahlungsantrag gleichsam entkoppelt und stellt sich als im Wege der objektiven Klagehäufung – ohne Stufenverhältnis – „isoliert“ rechtshängig gemachter Leistungsantrag dar. Als solcher genügte er ohne Bezifferung allerdings nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, so dass die Leistungsklage nicht wirksam erhoben werden und eine Verjährungshemmung nicht bewirkt werden konnte.

(3) Im Streitfall ist die ursprünglich Stufenklage vom 11.11.2021, zugestellt am 14.12.2021 unzulässig gewesen, weil die Klagepartei mit der in erster Stufe erhobenen Auskunftsklage nicht die Bezifferbarkeit des erhobenen Leistungsanspruchs erreichen wollte, sondern die Auskunft benötigte, um beurteilen zu können, ob überhaupt ein Rückforderungsanspruch besteht (vgl. BGH, 24.05.2012 − IX ZR 168/11, NJW 2012, 2180; s. auch BeckOGK/Meller-Hannich, 1.10.2022, BGB § 204 Rn. 29.1 m.w.N.). Insoweit kann auf den Hinweis der Kammer vom 22.02.2022 Bezug genommen werden:

„Zur (Un-) Zulässigkeit der erhobenen „reinen“ Stufenklage schließt sich die Kammer aus eigener Überzeugung der bisher zu dieser Frage – soweit ersichtlich – einhellig ergangenen ablehnenden Rechtsprechung an (z.B. OLG Hamm Beschl. v. 15.11.2021 – 20 U 269/21, BeckRS 2021, 40312; OLG München Hinweisbeschluss v. 24.11.2021 – 14 U 6205/21, BeckRS 2021, 40311; LG Berlin Urt. v. 21.12.2021 – 4 O 381/20, BeckRS 2021, 40428; LG Wuppertal Urt. v. 29.7.2021 – 4 O 409/20, BeckRS 2021, 25249; LG Krefeld Urt. v. 6.10.2021 – 2 O 448/20, BeckRS 2021, 34436; LG Detmold Urt. v. 26.10.2021 – 02 O 108/21, BeckRS 2021, 34230).

Demnach ist eine Stufenklage unzulässig, wenn – wie im Streitfall – die Auskunft nicht dem Zweck einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern der Klagepartei sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll, insbesondere der Ermittlung, ob gegen die Beklagte überhaupt ein Anspruch besteht (BGH, Urt. v. 2.3.2000 – III ZR 65/99; BGH, Urt. v. 18.4.2002 – VII ZR 260/01).

Eine danach unzulässige Stufenklage ist allerdings idR in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung nach § 260 ZPO umzudeuten. Dies hat zur Folge, dass über die einzelnen „Stufen“ unabhängig voneinander zu entscheiden ist. Gegen die Zulässigkeit der Leistungs- bzw. Feststellungsanträge bestehen in dieser Konstellation dann aber Bedenken, da deren Bestimmtheit im Hinblick auf die (bisherige) Stufung der Ansprüche nun nicht mehr berechtigt offen gelassen werden kann.“

Mit der Klage hat die Klagepartei vortragen lassen: „Ohne die mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Auskunft kann die Klägerseite nicht beurteilen, ob Beitragsanpassungen in Jahren, in denen die Beklagte ordnungsgemäße Begründungen im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG erstellt hat, bereits einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage ermangeln und daher aus anderen Gründen unwirksam sind.“ Es liegt also klar ein Fall vor, in dem die Auskunft mittels Stufenklage erst der Ermittlung dienen sollte, ob gegen die Beklagte überhaupt ein Anspruch besteht.

(4) Es verbleibt nach alledem dabei, dass eine Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung erst mit Zustellung der bezifferten Rückzahlungsklage (Schriftsatz vom 05.05.2022) am 16.05.2022 eingetreten ist.

Dabei unterliegen Zahlungen, die in unverjährter Zeit erfolgt sind, auch dann der Rückforderung, wenn sie auf einer zum Jahr 2018 oder früher erfolgten unwirksamen und im Weiteren nicht „geheilten“ Anpassung beruhen – denn es verjährt nicht „die Anpassung“, sondern etwaige Rückzahlungsansprüche wegen infolge unwirksamer Anpassungen erbrachter Beitragszahlungen.

2. Der Rückgewähranspruch der Klagepartei aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB umfasst die Erhöhungsbeträge, die sie ohne wirksame Prämienanpassungserklärung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt (BGH, Urteil vom 21. September 2022 – IV ZR 2/21 Rn. 24 ff.; BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 45 ff.).

So kommt im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung insbesondere keine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes in Betracht (BGH, Urteil vom 21. September 2022 – IV ZR 2/21 Rn. 24 ff.; BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 45 ff.). Auch auf einen Wegfall der Bereicherung kann sich die Beklagte nicht berufen (Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 51 f.), insbesondere auch nicht, soweit die gezahlten Erhöhungsbeträge der Höhe nach den kalkulierten Beträgen für die Bildung der tariflichen Alterungsrückstellung, für den Beitragszuschlag nach § 149 Satz 1 VAG und für die Zuschläge nach §§ 7, 8 KVAV entsprechen (BGH, Urteil vom 21. September 2022 – IV ZR 2/21, r+s 2022, 639 Rn. 24 ff.).

3. Dies bedeutet für das Jahr 2019 – die Klagepartei beziffert Rückzahlungsansprüche insoweit lediglich bis einschließlich Dezember 2019 – hinsichtlich der Zahlungen auf Beitragsanpassungen im Tarif A einen Rückforderungsanspruch in Höhe von insgesamt 1,32 €.

  • vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2019 (12 Monate) in Höhe von je 0,11 € = 1,32 €

4. Dieser einredefreie Rückforderungsanspruch ist nicht durch die von der Beklagten „äußerst hilfsweise“ erklärte Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB).

a) Zur Begründung der von ihr auf insgesamt 1.555,14 € bezifferten Aufrechnungsforderung führt die Beklagte aus, dass sie versicherungsaufsichtsrechtlich dazu verpflichtet sei, „die Alterungsrückstellungen aufzubauen und zu bedecken bzw. den ordnungsgemäß berechneten Zuschlag entsprechend zu verbuchen. Sollte man diese Verpflichtung jedoch im Vertragsverhältnis zum Kläger verneinen, hätte der Kläger durch die gleichwohl erfolgte, von der Beklagten einseitig nicht mehr korrigierbare Bildung von Rückstellungen bzw. Verbuchung von Zuschlägen eine vermögenswerte Rechtsposition ohne rechtlichen Grund erlangt. Der Beklagten stünde deshalb ein gegenläufiger Bereicherungsanspruch zu …“ (Schriftsatz vom 05.08.2022 S. 17, Gerichtsakte S. 92).

b) Soweit die Beklagte ihre Aufrechnungsforderung in Höhe von 1.540,37 € auf die Verbuchung von Alterungsrückstellungen und Zuschlägen für die Anpassung im Tarif EL Bonus-U zum 01.01.2018 stützt, scheitert jene bereits daran, dass diese Anpassung – wie vorstehend ausgeführt – wirksam ist und die Verbuchung der entsprechenden Beträge deshalb mit Rechtsgrund erfolgte; eine Gegenforderung steht der Beklagten insoweit schon von vornherein nicht zu.

c) Aber auch im Übrigen, d.h. hinsichtlich der tatsächlich unwirksamen Anpassung im Tarif A zum 01.01.2015 besteht kein aufrechenbarer Gegenanspruch der Beklagten gegen die Klagepartei.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 21.09.2022 (IV ZR 2/21, r+s 2022, 639 Rn. 30) die materiell-rechtliche Wirksamkeit einer solchen Aufrechnung im Hinblick auf die im dortigen Verfahren fehlende Bestimmtheit der Aufrechnungsforderung ausdrücklich offen gelassen. Im Streitfall ist die von der Beklagten (hilfsweise) in Anspruch genommene Forderung allerdings bestimmt beziffert.

In seinem vorgenannten Urteil stellt der BGH (aaO Rn. 24 ff.) zur Frage nach einem Wegfall der Bereicherung durch die Verwendung der gezahlten Beiträge für die Bildung der Alterungsrückstellung und verschiedene Zuschläge Folgendes klar:

„Die Vorschriften über die Berechnung und Bilanzierung der Alterungsrückstellung … führen nicht dazu, dass rechtsgrundlos empfangene Zahlungen des Versicherungsnehmers, die nicht als Prämie geschuldet waren, aus dem Vermögen des VR ausscheiden und nicht zurückerstattet werden können, soweit sie der Höhe nach dem Sparanteil der Prämie oder dem Beitragszuschlag nach § 149 S. 1 VAG entsprechen. … aus diesen Vorschriften zur Berechnung und Bilanzierung der Alterungsrückstellung folgt nicht, dass nicht geschuldete Prämienzahlungen diesen Berechnungen folgend wie geschuldete Prämienzahlungen zu verwenden sind und auf diese Weise einen nicht umkehrbaren Vermögensverlust des Versicherers verursachen, der sich deswegen gegenüber dem Versicherungsnehmer auf Entreicherung berufen könnte. Durch die Vorschriften zur Berechnung der Alterungsrückstellung und weiterer Zuschläge und ihre Einstellung in die Bilanz wird der Versicherer im Verhältnis zum Versicherungsnehmer nicht berechtigt, ohne Rechtsgrundlage erlangte Beträge, die nicht der Prämienschuld entsprechen, zu vereinnahmen und der Alterungsrückstellung – oder auch den Zuschlägen nach §§ 7,8 KVAV – zuzuordnen. … Falls die Beklagte aus den Zahlungen des Klägers ohne gesetzliche Grundlage Beträge der Alterungsrückstellung zugeführt haben sollte, kommt es für die Entreicherung auf die Möglichkeiten einer Rückbuchung oder späteren Verrechnung gegenüber dem Kläger an.“

Zusammengefasst bedeutet dies: „Aufsichtsrechtlich kann das nicht wirksam bleiben, was vertragsrechtlich unwirksam ist.“ (Langheid, VersR 2022, S6). Ist somit die Verbuchung der erlangten Beitragsbestandteile (Alterungsrückstellungen und Zuschläge) im Gleichlauf mit der diesen zugrunde liegenden Beitragsanpassung unwirksam und kann sie rückgängig gemacht werden, wird dem Versicherungsnehmer die zunächst erlangte vermögenswerte Rechtsposition ohne weiteres wieder entzogen. Für einen (fortbestehenden) gegenläufigen Bereicherungsanspruch ist damit kein Raum. Letztlich fehlt es von vornherein an der von der Beklagten zur Begründung ihrer Aufrechnungsforderung herangezogenen Unumkehrbarkeit der Bildung von Rückstellungen bzw. Verbuchung von Zuschlägen.

5. Der berechtigte Rückforderungsanspruch ist wie beantragt nach § 291, § 288 Abs. 2 BGB ab Rechtshängigkeit, also am Tag nach Zustellung der Klageänderung/Bezifferung der Forderung (vgl. BGH, Urt. v. 21. Juli 2021 – IV ZR 191/20 –, juris Rn. 34) zu verzinsen.

III. Der Feststellungsantrag nach Ziff. 3 betreffend die Herausgabe und Verzinsung gezogener Nutzungen ist ebenfalls nur teilweise begründet.

1. Der Klagepartei steht grundsätzlich ein Anspruch auf Herausgabe der durch die Beklagte gezogenen Nutzungen zu (Feststellungsantrag Ziff. 3a; BGH, Urt. v. 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 57 f.).

Allerdings ist der Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen auf die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt. Prozess- und Verzugszinsen sollen den Nachteil ausgleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen. Dieser Nachteil wird durch einen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen vollkommen ausgeglichen. Daher besteht neben dem Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen kein Anspruch auf Prozess- oder Verzugszinsen (BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19 Rn. 58).

Daher ist lediglich festzustellen, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie in unverjährter Zeit (§ 217 BGB) bis längstens zur Rechtshängigkeit – hier: der Klageänderung – aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klagepartei auf die unwirksamen Beitragserhöhungen (bis zu deren wirksamer Neufestsetzung bzw. Heilung des Begründungsmangels) gezahlt hat.

2. Allerdings hat die Beklagte die jeweils herauszugebenden Nutzungen nicht zu verzinsen, wie die Klagepartei mit dem Feststellungsantrag Ziff. 3b begehrt.

§ 291 BGB als Anspruchsgrundlage für Prozesszinsen greift bei einer Klage, die – wie hier in Ziff. 3a – auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein. Auch ein Verzugszinsanspruch aufgrund einer Mahnung der Klagepartei oder einer Erfüllungsverweigerung der Beklagten kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil schon nicht behauptet ist, dass die Klagepartei vorgerichtlich die bezifferte Herausgabe der Nutzungen überhaupt verlangt hätte (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 59). Es ist weder behauptet noch festgestellt, dass die Klagepartei die darin geforderten Nutzungen beziffert und das Schreiben daher die erforderliche Bestimmtheit einer Mahnung aufgewiesen hätte (BGH, Urt. v. 20.07.2022 – IV ZR 295/20, Rn. 25). Aber auch aus der Feststellung, dass die Beklagte die Ansprüche zurückwies, lässt sich mangels weiterer Angaben zu dieser Erklärung nicht entnehmen, dass sie die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hätte und damit auch ohne Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug geraten wäre (BGH Urt. v. 9.2.2022 – IV ZR 291/20, BeckRS 2022, 2867 Rn. 23).

IV. Soweit die Klageanträge nach dem Vorstehenden begründet sind, muss sich die Klagepartei keinen Verstoß gegen Treu und Glauben oder eine Verwirkung ihrer Ansprüche entgegenhalten lassen (BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17 –, BGHZ 220, 297-323 Rn. 22 ff.; BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 43 ff.).

V. Soweit die Klagepartei die Klage in Stufenansprüchen (vormals Anträge Ziffn. 4) bis 6) einseitig für erledigt erklärt hat, liegt hierin eine Klageänderung i.S.d. §§ 264 Nr. 2, 269 ZPO (BGH Urt. v. 24.9.2021 – V ZR 272/19, BeckRS 2021, 34461 Rn. 11), die zulässig, jedoch überwiegend unbegründet ist.

1. Die einseitig gebliebene Teil-Erledigterklärung der Klagepartei ist auszulegen als Antrag auf Feststellung, dass die Stufenklage (vormals Anträge Ziffn. 4) bis 6)) ursprünglich zulässig und begründet war und durch ein erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet wurde (st. Rspr. z.B. BGH, Urt. v. 15.1.1982 – V ZR 50/81, NJW 1982, 1598; vgl. auch BGH, Urteil vom 20.07.2022 – IV ZR 295/20, Rn. 21; BGH Urt. v. 9.2.2022 – IV ZR 291/20, BeckRS 2022, 2867 Rn. 10 ff.).

Die hierin liegende Klageänderung i.S.d. §§ 264 Nr. 2, 269 ZPO ist zulässig (BGH Urt. v. 24.9.2021 – V ZR 272/19, BeckRS 2021, 34461 Rn. 11).

Der „neuen“ Feststellungsklage fehlt in der konkreten Konstellation auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. So wird zwar zum Teil vertreten, dass wegen der Besonderheiten der Stufenklage, bei der der vorgeschaltete Auskunftsantrag keine selbständige Bedeutung hat, sondern nur ein Hilfsmittel zur Bezifferung des eigentlichen Klagezieles, des Zahlungsantrags sei, bei einer einseitigen Erledigungserklärung für ein Feststellungsurteil über die Erledigung kein Raum sei. Beharre der Kläger, obwohl er – aus welchen Gründen auch immer – der Auskunft zur Bezifferung seines Zahlungsantrags nicht mehr bedürfe, gleichwohl auf Feststellung der Erledigung der ersten Stufe, so sei dieses Begehren mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig, da er ohne weiteres den Auskunftsanspruch fallenlassen und auf den Zahlungsanspruch übergehen könne (vgl. BGH, Urt. v. 05.05.1999 – XII ZR 184/97, BGHZ 141, 307 m.w.N. zum Streitstand und BGH, Urt. v. 15.11.2000 – IV ZR 274/99, NJW 2001, 833).

Im Streitfall war die Stufenklage aber insgesamt unzulässig und deren drei ursprüngliche „Stufen“ bzw. Anträge wären ohne Erledigung im Wege der Anspruchshäufung nach § 260 ZPO unabhängig voneinander zur Entscheidung gestellt gewesen (s. Hinweis der Kammer vom 22.02.2022 und oben).

2. Der damit isoliert zu betrachtende Auskunftsanspruch (Antrag 4)) war im Zeitpunkt seiner Erledigung zulässig, insbesondere (noch) hinreichend bestimmt.

Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und zugleich die Grundlage für eine etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Daran gemessen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH, Urt. v. 21.3.2018 – VIII ZR 68/17, NJW 2018, 3448 Rn. 15). Insoweit sind Anträge allerdings unter Berücksichtigung der Klagegründe auszulegen, wobei in der Regel das als gewollt anzunehmen ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH aaO Rn. 31).

Gemessen daran, ist die Auskunft bezogen auf „sämtliche(n) ehemaligen und derzeitigen Tarife(n) … seit dem 01.01.2012“ ausreichend bestimmt und soll erkennbar die bis zur Klagezustellung am 14.12.2021 vorgenommenen bzw. mitgeteilten Anpassungen umfassen, konkret also die Beitragsanpassungen für die Jahre 2012 bis 2022.

3. Der Auskunftsanspruch Ziff. 4) war im Zeitpunkt seiner Erledigung jedoch lediglich zum Teil, konkret betreffend die Prämienanpassungen der Jahre 2019-2022 begründet; für die Prämienanpassungen der Jahre 2012-2018 beruft sich die Beklagte zu Recht auf Verjährung des Auskunftsanspruchs.

a) Unabhängig davon, ob die Klagepartei mit der begehrten Auskunft potentielle wirtschaftliche Interessen (weitergehende Rückzahlungsansprüche) verfolgt bzw. aus Rechtsgründen überhaupt verfolgen kann, besteht ein Rechtsanspruch auf die begehrte Auskunft zur Höhe der jeweils auslösenden Faktoren jedenfalls als Nebenpflicht aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertragsverhältnis (vgl. § 241 Abs. 2 BGB; OLG Stuttgart, Beschl. v. 06. Juni 2019 – 7 U 237/18 –, juris Rn. 20; OLG Köln, Urt. v. 28. Januar 2020 – I-9 U 138/19 –, juris Rn. 77; Franz, VersR 2020, 449, 459; sowie OLG Stuttgart, Beschl. v. 18. Januar 2007 – 10 W 84/06 –, juris Rn. 30). Das Auskunftsrecht des Versicherungsnehmers ist ein „Instrument zur Beseitigung eines strukturellen Informationsdefizits“ (so überzeugend Franz, VersR 2020, 449, 459) und damit unabhängig von einem etwaigen daran anknüpfenden bzw. nachfolgenden Rückforderungsanspruch.

b) Als derart verstandener Auskunftsanspruch unterliegt dieser einer eigenständigen, von einem etwaigen Zahlungs- bzw. Rückforderungsanspruch unabhängigen Verjährung; § 217 BGB ist insoweit nicht einschlägig.

Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem der Klagepartei die entsprechende Änderungsmitteilung zugegangen ist. Mit deren Zugang hatte die Klagepartei im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen – konkret: einer „genehmigten“ Beitragsanpassung für (idR) das Folgejahr – und der Person des Schuldners (vgl. ausführlich BGH, Urt. v. 17. November 2021 – IV ZR 113/20 –, juris Rn. 40 ff.). Ausgehend von einer Verjährungsunterbrechung mit Klagezustellung am 14.12.2021, waren sämtliche Auskunftsansprüche betreffend Beitragsanpassungen bis einschließlich 2018 (Änderungsmitteilung im Jahr 2017) verjährt.

c) Der begründete Auskunftsanspruch ist durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.08.2022 erfüllt worden, die – im vorstehend erläuternden Umfang teilweise begründete – Klage ist demnach durch ein Ereignis nach Rechtshängigkeit unbegründet geworden.

4. Die Klageanträge Ziffn. 5) und 6) waren hingegen bereits ursprünglich unzulässig.

Ihre Bezifferung durfte mangels wirksamer Stufung nicht offen gelassen werden, so dass es ihnen von Anfang an der erforderlichen Bestimmtheit i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO mangelte.

VI. Einen Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat die Klagepartei nicht.

Unabhängig vom Vorliegen eines haftungsbegründenden Tatbestandes war die Beauftragung der Klägervertreter mit der (zunächst nur) vorgerichtlichen Geltendmachung der Klageforderungen jedenfalls nicht erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

Wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat und der Kammer aus einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren der Fall ist, war eine außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Beklagten von vornherein aussichtslos. Da der Versuch einer außergerichtlichen Regulierung mit anwaltlicher Hilfe somit keinerlei Aussicht auf Erfolg versprach und damit kein Grund zu der Annahme bestand, eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden zu können, wäre die Klagepartei gehalten gewesen, den Klägervertretern bereits von Anfang an einen unbedingten Klageauftrag zu erteilen; dann wären deren Tätigkeiten vor Erhebung der Klage allein unter die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG gefallen (BGH, Urt. v. 07. Mai 2015 – III ZR 304/14 –, BGHZ 205, 260-270 Rn. 35). Der Hinweis der Klagepartei hierzu, wonach die streitgegenständliche Rechtsmaterie aufgrund ihrer Komplexität die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts stets rechtfertige (vgl. BGH, Urt. v. 29. Oktober 2019 – VI ZR 45/19 –, juris), setzt an der falschen Stelle an: Die Kammer stellt die Berechtigung der Klagepartei, einen Rechtsanwalt zur Durchsetzung etwaiger Rückforderungsansprüche heranzuziehen, nicht in Abrede. Da den Klägervertretern – der Klagepartei zurechenbar – jedoch bekannt war, dass ein außergerichtliches Herantreten an die Beklagte keine Aussicht auf Erfolg versprach, hätten diese auf einen unbedingten Klageauftrag hinwirken müssen; eine abweichende Bewertung (s. z.B. OLG Köln Urt. v. 2.9.2022 – 20 U 266/21, BeckRS 2022, 25586 Rn. 48) hält die Kammer nicht für lebensnah. Das Auslösen einer gesonderten Geschäftsgebühr war demnach nicht erforderlich (BGH, Beschl. v. 25.4.2022 – VIa ZR 524/21, BeckRS 2022, 12034).

D. Nebenentscheidungen

I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

1. Dabei ist neben dem Klageantrag Ziff. 2, der auf Rückzahlung der vom 1.1.2015 bis einschließlich 01.12.2019 geleisteten Prämienanteile in Höhe von 1.126,20 € gerichtet ist, der Klageantrag zu 1 auf Feststellung der Unwirksamkeit der erfolgten Prämienerhöhungen und der Nichtverpflichtung zur Tragung der Erhöhungsbeträge für die Vergangenheit nicht Streitwert erhöhend anzusetzen, da er insoweit wirtschaftlich identisch ist, sich also auf denselben Zeitraum bezieht wie der Zahlungsantrag (vgl. BGH, Beschl. v. 20. Januar 2021 – IV ZR 294/19 –, juris).

Für die Zukunft, d.h. ab Anhängigkeit der Klage, ist er als wirtschaftlich eigenständig hingegen grundsätzlich in vollem Umfang zu berücksichtigen. Hierbei bleiben jedoch die Tarife außer Acht, auf die schon vor Klageerhebung keine Zahlungen mehr erfolgten (vgl. S. 4 des Schriftsatzes vom 05.05.2022).

2. Die beanspruchten Nutzungen bleiben als unselbständige Nebenforderungen nach § 4 ZPO ebenso streitwertneutral wie die geforderten Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (vgl. vgl. OLG Celle Urt. v. 13.1.2022 – 8 U 134/21, BeckRS 2022, 1230 Rn. 83; OLG Köln, Urt. v. 21. April 2020 – 9 U 174/18 –, juris Rn. 135; gebilligt durch BGH, Urt. v. 17. November 2021 – IV ZR 113/20 –, juris, wo offensichtlich nicht davon ausgegangen wird, dass nach den Grundsätzen der Entscheidung BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000 – XI ZR 273/99 –, juris die Nutzungen als Teil eines einheitlichen bereicherungsrechtlichen Gesamtanspruchs selbst Hauptforderung sind). Die abweichende Auffassung (z.B. OLG Saarbrücken Urt. v. 1.12.2021 – 5 U 93/20, BeckRS 2021, 40887) verkennt mit ihrem Hinweis auf BGH, Beschl. v. 19. 12. 2018 – IV ZB 10/18, r+s 2019, 137, dass diese Rspr. ausdrücklich auf „Fälle der vorliegenden Art“, also die Rückabwicklung von Lebensversicherungsverträgen beschränkt ist. Das dort zur ausnahmsweise streitwerterhöhenden Berücksichtigung von Nutzungen herangezogene Argument, wonach es bei der vollständigen Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages tatsächlich und rechtlich schwierig ist, ob und in welchem Umfang der eingeklagte Nutzungsherausgabeanspruch in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Anspruch auf Rückzahlung der Versicherungsbeiträge steht, von diesem also sachlich rechtlich abhängt, greift in den streitgegenständlichen Fällen hingegen nicht: Hier geht es nicht um die Rückabwicklung eines kompletten Vertrages, sondern die Rückzahlung von zeitlich und der Höhe nach klar definierbaren Prämienanteilen. Auch nur hinsichtlich dieser Prämienanteile werden Nutzungen beansprucht. Das Abhängigkeitsverhältnis der beanspruchten Nutzungen zu den zurückgeforderten Prämienanteilen liegt deshalb offen zutage.

3. Der Auskunftsanspruch ist mit 500 € zu berücksichtigen.

Dessen Wert richtet sich grundsätzlich nach dem Interesse der Klagepartei an der Erteilung der Auskunft. Dieses ist für den Fall, dass die Auskunft zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs geltend gemacht wird, nach einem gem. § 3 ZPO zu schätzenden Teilwert des Anspruchs zu bemessen, dessen Durchsetzung die verlangte Information dienen soll (BGH Beschl. V. 13.7.2017 – I ZB 94/16, BeckRS 2017, 130171); dabei werden üblicherweise 1/4 bis 1/10 angesetzt (BGH Beschl. v. 17.12.2020 – III ZR 76/20, BeckRS 2020, 38483). Mit der Klageschrift geht die Klagepartei davon aus, dass die Höhe der von ihr eingeforderten auslösenden Faktoren ggf. einen weiteren Rückzahlungsanspruch begründen kann (aaO S. 22); dies im Hinblick auf eine etwaige Unwirksamkeit der vertraglichen Anpassungsgrundlage § 8b MB/KK (zwischenzeitlich überholt durch BGH, Urteil vom 22. Juni 2022 – IV ZR 253/20).

Es ist allerdings nicht ersichtlich, in welchem Umfang über den bereits bezifferten Rückforderungsbetrag hinaus die beanspruchte Auskunft zusätzliche Zahlungsansprüche der Klagepartei überhaupt begründen könnte. Dies deshalb, da die bereits bezifferte Rückforderung hinsichtlich Zeitraums und versicherter Tarife das von der begehrten Auskunft abgedeckte „Zeitfenster“ bereits vollständig bzw. zumindest weitgehend ausfüllt.

Bei dieser Ausgangslage ist die Bewertung des Auskunftsanspruchs mit einem Auffangwert von 5.000 € keinesfalls gerechtfertigt (vgl. auch LG Münster, Beschluss vom 26. Januar 2022 – 115 O 231/21 –, juris, wo ein Betrag zwischen 500 € und 750 € angenommen wird).

Aber auch wenn man – wie geboten – den Auskunftsanspruch „isoliert“, gleichsam als ideell ansieht, kann das im Raum stehende reine „Informationsinteresse“ keinesfalls mit einem Betrag von 5.000 € in Ansatz gebracht werden. Die Kammer sieht insoweit einen Wert von 500,00 € als angemessen an (vgl. auch LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. März 2021 – 26 Ta (Kost) 6110/20 –, juris m.w.N.).

Dass der zunächst gestellte Stufenantrag (vgl. § 40 GKG), einen höheren Wert gehabt haben könnte, als der sodann gestellte Zahlungsantrag (vgl. § 44 GKG), ist nicht ersichtlich.

4. Die zur Entscheidung gekommene Hilfsaufrechnung der Beklagten wirkt nicht streitwerterhöhend, da sie nicht i.S.d. § 45 Abs. 3 GKG „bestritten“ wurde, sondern vielmehr in Grund und Höhe unstreitig geblieben ist (NK-GK/Ralf Kurpat, 3. Aufl. 2021, GKG § 45 Rn. 26; BeckOK KostR/Schindler, 37. Ed. 1.4.2022, GKG § 45 Rn. 21).

5. Da in der streitgegenständlichen Konstellation das Verhältnis von Unterliegen und Obsiegen zwischen Feststellungsantrag und Leistungsantrag nicht „parallel läuft“, ist für die Kostenquote ein fiktiver Streitwert in Ansatz zu bringen (vgl. BGH, Urt. v. 23. Juni 2021 – IV ZR 250/20 –, juris Rn. 30 zu OLG Köln, Urt. v. 01. September 2020 – I-9 U 186/19 –, juris, wo (nur) der „parallele“ Feststellungsantrag als unzulässig abgewiesen worden war). Für den fiktiven Streitwert ist daher auch der Zeitraum des Feststellungsantrags zu berücksichtigen, soweit er sich auf denselben Zeitraum bezieht wie der Zahlungsantrag. Dabei ist der Feststellungsantrag mit 20% des Zahlungsantrags zu bewerten (BGH aaO).

Der Kläger obsiegt daher mit 202,67 € (0,2 x 1,126,20 € x 0,006 + 1,32 € + 200,00 € (Auskunft/Erledigung)) bei einem fiktiven Streitwert von 1.851,44 € (1.126,20 € + 0,2 x 1.126,20 € + 500 € (Auskunft/Erledigung)), d.h. mit 10%.

II. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708, § 711 ZPO.

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