Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Private Krankenversicherung: Gerichtsurteil zur Unwirksamkeit von Prämienanpassungen, Rückforderungen und der entscheidenden Rolle der Verjährung nach § 203 VVG
- Streit um Beitragserhöhungen in der PKV: Ein Versicherungsnehmer klagt gegen seinen Krankenversicherer
- Formelle Mängel und Verjährung: Die Kernpunkte der Auseinandersetzung um Prämienerhöhungen
- Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth: Teilweise Unwirksamkeit einer Prämienanpassung, geringe Rückzahlung für den Versicherten
- Begründung des Urteils: Die detaillierten Erwägungen des Gerichts
- Kosten des Verfahrens: Versicherungsnehmer trägt Großteil der Prozesskosten
- Fazit: Geringer Erfolg für den Versicherten – Formfehler bei Prämienanpassung durch Verjährung und Folgeanpassungen weitgehend entkräftet
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche gesetzlichen Anforderungen muss eine Prämienanpassung in der PKV erfüllen, um wirksam zu sein?
- Was bedeutet Verjährung im Zusammenhang mit Rückforderungsansprüchen von zu viel gezahlten PKV-Beiträgen?
- Wie wirkt sich eine unwirksame Prämienanpassung auf nachfolgende, wirksame Anpassungen aus?
- Was kann ich tun, wenn ich den Verdacht habe, dass meine PKV-Prämienanpassung unwirksam ist?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 2 O 6964/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Nürnberg-Fürth
- Datum: 20.12.2022
- Aktenzeichen: 2 O 6964/21
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Versicherungsnehmer, der die Prämienanpassungen angefochten hat.
- Beklagte: Privater Krankenversicherer, der die Prämienanpassungen vorgenommen hat.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Versicherungsnehmer klagte gegen seinen privaten Krankenversicherer wegen der Anpassung von Versicherungsprämien. Er hielt die Mitteilungen des Versicherers über die Anpassungen für formell unwirksam und forderte Auskunft sowie Rückzahlung zu viel gezahlter Beiträge.
- Kern des Rechtsstreits: Der zentrale Streitpunkt war, ob die Begründung der Prämienanpassungen durch den Versicherer den gesetzlichen Anforderungen genügte. Weiter ging es um die Frage möglicher Rückzahlungsansprüche und deren Verjährung, insbesondere im Hinblick auf die Wirkung späterer, wirksamer Anpassungen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht stellte eine Prämienanpassung aus dem Jahr 2015 für einen Tarif als unwirksam fest, beschränkte diese Unwirksamkeit jedoch zeitlich bis Ende 2020. Der Versicherer wurde zur Zahlung von 1,32 € nebst Zinsen und zur Herausgabe von Nutzungen für einen bestimmten Zeitraum verurteilt. Die Klage wurde im Übrigen abgewiesen, da die anderen angefochtenen Anpassungen als wirksam angesehen wurden oder die Ansprüche verjährt waren.
- Begründung: Die Mitteilung zur Anpassung 2015 war unzureichend begründet, während die Mitteilung zur Anpassung 2018 genügte. Eine spätere, wirksame Anpassung begrenzte die Wirkungsdauer der unwirksamen Anpassung von 2015. Ansprüche auf Rückzahlung aus der unwirksamen Anpassung waren größtenteils verjährt, weil die Verjährungsfrist nicht rechtzeitig durch eine zulässige Klage gehemmt wurde.
- Folgen: Die Klage des Versicherungsnehmers war nur in einem sehr geringen Umfang erfolgreich. Die formelle Unwirksamkeit einer Prämienanpassung wurde zwar festgestellt, aber ihre finanziellen Auswirkungen für den Versicherungsnehmer wurden durch eine spätere wirksame Anpassung und die eingetretene Verjährung stark begrenzt.
Der Fall vor Gericht
Private Krankenversicherung: Gerichtsurteil zur Unwirksamkeit von Prämienanpassungen, Rückforderungen und der entscheidenden Rolle der Verjährung nach § 203 VVG
Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth beleuchtet detailliert die Fallstricke bei Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung (PKV).

Im Kern ging es um die Frage, ob Beitragserhöhungen formell unwirksam waren, weil die Begründung des Versicherers nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) entsprach. Darüber hinaus musste das Gericht klären, inwieweit hieraus Rückforderungsansprüche abgeleitet werden können, insbesondere unter Berücksichtigung späterer, unstrittig wirksamer Prämienanpassungen und der Verjährung von Ansprüchen. Der Fall zeigt deutlich, wie wichtig eine präzise Kommunikation seitens der Versicherer ist und welche Konsequenzen eine verspätete oder unzureichende Begründung haben kann, aber auch, wie die Verjährungsregeln die Durchsetzung von Ansprüchen erheblich einschränken können.
Streit um Beitragserhöhungen in der PKV: Ein Versicherungsnehmer klagt gegen seinen Krankenversicherer
Ein Versicherungsnehmer, der seit 1999 bei einem privaten Krankenversicherer eine Krankheitskosten- und Pflegeversicherung unterhält, zog gegen mehrere Prämienanpassungen vor Gericht. Seinem Vertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), die im Wesentlichen den Musterbedingungen MB/KK entsprechen, sowie spezifische Tarifbedingungen zugrunde. Im Laufe der Jahre hatte der Versicherer mehrfach die Beiträge erhöht, stets mit Zustimmung des unabhängigen Prämientreuhänders. Der Versicherungsnehmer hatte diese erhöhten Beiträge zunächst bezahlt.
Konkret im Fokus des Rechtsstreits standen zwei Prämienanpassungen: eine Erhöhung im Tarif A zum 01.01.2015 um lediglich 0,11 Euro monatlich und eine deutlichere Anhebung im Tarif B zum 01.01.2018 um 46,65 Euro monatlich. Unbestritten war, dass es nach diesen strittigen Anpassungen weitere, wirksame Beitragserhöhungen gab: im Tarif A zum 01.01.2021 und im Tarif B zu den Jahreswechseln 2020, 2021 und 2022.
Der Versicherer hatte seinen Kunden jeweils mit Schreiben über die Anpassungen informiert. Die entscheidenden, auslösenden Faktoren für die Beitragserhöhungen – laut Versicherer ausschließlich gestiegene Leistungsausgaben – teilte er dem Versicherten jedoch erst mit einem Schriftsatz vom 05.08.2022 mit, also erst nach Einreichung der Klage.
Formelle Mängel und Verjährung: Die Kernpunkte der Auseinandersetzung um Prämienerhöhungen
Der Versicherungsnehmer argumentierte, die strittigen Prämienanpassungen seien unwirksam, da die Mitteilungsschreiben des Versicherers nicht den formalen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügten. Dieses Gesetz verlangt eine nachvollziehbare Begründung für Beitragserhöhungen. Zudem hielt er die zugrundeliegende Anpassungsklausel in § 8b Abs. 1 und 2 der Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK) für unwirksam und monierte, dass Anpassungen bei gesunkenen Leistungsausgaben generell unzulässig seien. Vorgerichtlich forderte er Auskunft über die genauen Gründe der Anpassungen sowie die Rückzahlung der seiner Meinung nach zu viel gezahlten Erhöhungsbeträge samt Zinsen (sogenannte gezogene Nutzungen). Der Versicherer lehnte dies ab.
Der Klageweg begann mit einer Stufenklage. Zunächst verlangte der Versicherungsnehmer Auskunft über die auslösenden Faktoren für alle Prämienanpassungen seit dem 01.01.2012. Auf Basis dieser Informationen wollte er dann die Feststellung der Unwirksamkeit der Anpassungen und die Rückzahlung der überzahlten Prämien nebst Zinsen einklagen. Später änderte er seine Klage: Er bezifferte einen Teil seiner Forderung, indem er die Feststellung der Unwirksamkeit der Anpassungen für Tarif A (2015) und Tarif B (2018) sowie die Zahlung von 1.126,20 Euro zuzüglich Zinsen und die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen verlangte. Einen Teil der Klage behielt er als Stufenklage für weitere Anpassungen ab 2012 bei. Nachdem der Versicherer im August 2022 die Informationen für die Jahre 2019-2022 geliefert hatte, erklärte der Versicherungsnehmer den Auskunftsantrag für diesen Zeitraum für erledigt, was der Versicherer jedoch nicht akzeptierte.
Der private Krankenversicherer beantragte die vollständige Abweisung der Klage. Er war der Ansicht, seine Mitteilungen seien ausreichend gewesen. Eventuelle Begründungsmängel seien durch die nachträgliche Information geheilt worden. Die Anpassungen seien zudem materiell und kalkulatorisch korrekt erfolgt. Darüber hinaus seien etwaige Ansprüche des Versicherungsnehmers verjährt. Hilfsweise berief sich der Versicherer auf Entreicherung (Wegfall der Bereicherung) und erklärte die Aufrechnung mit eigenen Forderungen.
Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth: Teilweise Unwirksamkeit einer Prämienanpassung, geringe Rückzahlung für den Versicherten
Das Landgericht Nürnberg-Fürth fällte am 20.12.2022 unter dem Aktenzeichen 2 O 6964/21 ein differenziertes Urteil:
- Es stellte fest, dass die Prämienerhöhung im Tarif A zum 01.01.2015 um 0,11 Euro formell unwirksam war. Diese Unwirksamkeit galt jedoch nur für den Zeitraum bis zum 31.12.2020. Für diese Periode war der Versicherungsnehmer nicht verpflichtet, den Erhöhungsbetrag zu zahlen.
- Der Krankenversicherer wurde verurteilt, an den Versicherungsnehmer 1,32 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2022 zu zahlen.
- Es wurde festgestellt, dass der Versicherer verpflichtet ist, die Nutzungen herauszugeben, die er im Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 16.05.2022 aus dem Prämienanteil gezogen hat, der auf die unwirksame Erhöhung im Tarif A gezahlt wurde.
- Das Gericht stellte fest, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich des Auskunftsverlangens für die Jahre 2019-2022 erledigt hatte.
- Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Dies betraf die beanstandete Anpassung im Tarif B zum 01.01.2018, weitergehende Rückforderungs- und Nutzungsherausgabeansprüche, den Auskunftsanspruch für andere Zeiträume und Tarife sowie die Forderung nach Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
- Die Kosten des Rechtsstreits wurden zu 90 % dem Versicherungsnehmer und zu 10 % dem Krankenversicherer auferlegt.
Begründung des Urteils: Die detaillierten Erwägungen des Gerichts
Das Gericht begründete seine Entscheidung umfassend und stützte sich dabei auf etablierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH).
Anforderungen an die Mitteilung einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 5 VVG
Das Gericht betonte, dass für Beitragsanpassungen ab 2010 die strengen Vorgaben des § 203 Abs. 2 und 5 VVG gelten. Da das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers in der PKV ausgeschlossen ist (§ 206 VVG), ist eine Prämienanpassung nur zulässig, wenn sich eine maßgebliche Rechnungsgrundlage (entweder die Versicherungssleistungen oder die Sterbewahrscheinlichkeit) nicht nur vorübergehend verändert hat. Zudem muss ein unabhängiger Treuhänder zugestimmt haben und die Anpassung dem Versicherungsnehmer mit einer nachvollziehbaren Begründung mitgeteilt werden.
Die Klausel § 8b Abs. 2 MB/KK im Vertrag des Versicherungsnehmers, die eine Abweichung von der Anpassungspflicht bei nur vorübergehender Veränderung vorsah, wurde vom Gericht unter Verweis auf eine BGH-Entscheidung (Urt. v. 22. Juni 2022 – IV ZR 253/20) als unwirksam eingestuft. Sie weiche gemäß § 208 VVG unzulässig zum Nachteil des Versicherten von den gesetzlichen Vorgaben ab. Die grundsätzliche Ermächtigung zur Prämienanpassung in § 8b Abs. 1 MB/KK blieb davon jedoch unberührt. Die Zustimmung des Prämientreuhänders war unstrittig erteilt worden, und dessen Unabhängigkeit wird laut BGH (Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17) im Zivilprozess über die Prämienanpassung ohnehin nicht geprüft. Da der Versicherungsnehmer die versicherungsmathematische Korrektheit der Anpassungen nicht substantiiert bestritten hatte, wurde dieser Punkt vom Gericht ebenfalls nicht weiter untersucht.
Unwirksamkeit der Prämienanpassung 2015 im Tarif A mangels ausreichender Begründung
Entscheidend für die formelle Wirksamkeit ist laut BGH (u.a. Urt. v. 17. November 2021 – IV ZR 113/20; Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19), dass die Mitteilung des Versicherers die maßgebliche Rechnungsgrundlage (also entweder veränderte Versicherungsleistungen oder veränderte Sterbewahrscheinlichkeit) benennt, deren Veränderung die konkrete Anpassung ausgelöst hat. Es ist nicht erforderlich, die genaue Höhe oder Richtung der Veränderung oder andere beeinflussende Faktoren anzugeben. Die Mitteilung soll dem Versicherungsnehmer lediglich verdeutlichen, dass die Anpassung nicht willkürlich erfolgt, sondern auf einer gesetzlich vorgesehenen Veränderung der Umstände beruht.
Die Mitteilung des Versicherers zur Anpassung im Tarif A zum 01.01.2015 (+0,11 €) wurde diesen Anforderungen nicht gerecht. Der Versicherer hatte lediglich allgemeine Erläuterungen zu möglichen Anpassungsfaktoren wie medizinischem Fortschritt und gestiegener Lebenserwartung gegeben. Es wurde jedoch nicht hinreichend klar kommuniziert, dass speziell für den Tarif des Versicherungsnehmers eine Veränderung der Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ die Anpassung ausgelöst hatte. Diese Anpassung war daher laut Gericht formell unwirksam.
Wirksamkeit der Prämienanpassung 2018 im Tarif B durch korrekte Mitteilung
Anders bewertete das Gericht die Mitteilung zur Anpassung im Tarif B zum 01.01.2018 (+46,65 €). Hier benannte der Versicherer die möglichen Rechnungsgrundlagen und führte dann konkret aus, dass für die meisten Tarife – und durch Ausschluss anderer Fälle auch für den Tarif des Versicherungsnehmers – die Veränderung bei den Versicherungsleistungen der maßgebliche Grund für die Erhöhung war. Dies genügte nach Ansicht des Gerichts den Anforderungen der BGH-Rechtsprechung (BGH IV ZR 294/19). Diese Prämienanpassung war somit formell wirksam, weshalb die Klage insoweit abgewiesen wurde.
Die „überholende Neufestsetzung“: Wirkung späterer wirksamer Anpassungen auf frühere Fehler
Ein wichtiger Aspekt der Entscheidung war die sogenannte „Überholende Neufestsetzung„. Gemäß BGH (IV ZR 294/19) führt eine nachfolgende, unstrittig wirksame Prämienanpassung zu einer vollständigen Neufestsetzung der Prämie für den neuen Zeitraum. Die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit früherer Anpassungen ist dann für die Zeit ab dieser neuen, wirksamen Anpassung ohne Bedeutung. Da im Tarif A des Versicherungsnehmers zum 01.01.2021 eine unstreitig wirksame Anpassung erfolgte, war die Unwirksamkeit der Anpassung vom 01.01.2015 auf den Zeitraum bis zum 31.12.2020 beschränkt. Ab dem 01.01.2021 galt die Prämie, die sich aus der wirksamen Folgeanpassung ergab.
Rückzahlungsansprüche aus § 812 BGB und die Tücken der Verjährung
Ansprüche auf Rückzahlung zu viel gezahlter Prämien aufgrund einer unwirksamen Anpassung ergeben sich aus dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Diese Ansprüche unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB). Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem die Prämie gezahlt wurde und der Versicherungsnehmer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hatte – also von der Zahlung, der Person des Schuldners (Versicherer) und der Unwirksamkeit der Anpassung (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Das Gericht stellte klar, dass die Kenntnis von der Unwirksamkeit bereits mit dem Zugang der (mangelhaften) Mitteilung bestand. Eine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage, beispielsweise weil eine bestimmte Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich durch den BGH entschieden ist, macht eine Klageerhebung nicht unzumutbar und hindert den Beginn der Verjährung nicht (BGH, Urt. v. 17. November 2021 – IV ZR 113/20).
Stufenklage hemmt Verjährung des Zahlungsanspruchs nicht bei Unklarheit über Anspruchsgrund
Die Verjährung der Zahlungsansprüche wurde im vorliegenden Fall erst durch die Zustellung der bezifferten Teilklage am 16.05.2022 gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die zuvor erhobene unbezifferte Stufenklage, die dem Versicherer am 14.12.2021 zugestellt wurde, hemmte die Verjährung der Zahlungsansprüche hingegen nicht.
Das Gericht begründete dies damit, dass eine Stufenklage unzulässig ist, wenn die begehrte Auskunft nicht primär der Bezifferung eines dem Grunde nach bereits feststehenden Leistungsanspruchs dient, sondern vielmehr dazu, überhaupt erst zu klären, ob ein Anspruch besteht (BGH, Urt. v. 24.05.2012 – IX ZR 168/11). Da die vom Versicherungsnehmer ursprünglich begehrte Auskunft genau diesem Zweck diente – nämlich die Grundlage für die Beurteilung zu schaffen, ob überhaupt Rückforderungsansprüche existieren –, war die Stufenklage in Bezug auf die Hemmung der Verjährung des Zahlungsanspruchs unzulässig. Eine unzulässige Klage erfüllt nicht die Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) und kann daher die Verjährung der Leistungsansprüche nicht hemmen.
Folgen für den konkreten Fall: Begrenzte Rückzahlung und Nutzungsersatz
Aufgrund dieser Verjährungsregelung waren sämtliche Rückforderungsansprüche für Prämienzahlungen, die der Versicherungsnehmer vor dem 01.01.2019 geleistet hatte, verjährt. Dies betraf auch die damit verbundenen Ansprüche auf Herausgabe der vom Versicherer gezogenen Nutzungen (§ 217 BGB).
Ein berechtigter Rückzahlungsanspruch bestand somit nur für Prämienzahlungen, die vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2020 (dem Zeitpunkt, an dem die Unwirksamkeit der Anpassung von 2015 durch die wirksame Folgeanpassung von 2021 „geheilt“ wurde) aufgrund der unwirksamen Erhöhung im Tarif A (0,11 € pro Monat) geleistet wurden. Hieraus ergab sich der vom Gericht zugesprochene Betrag von 1,32 Euro. Der Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen wurde ebenfalls auf den Zeitraum der nicht verjährten und auf unwirksamen Zahlungen beruhenden Prämienanteile begrenzt, nämlich vom 01.01.2019 bis zum 16.05.2022 (Datum der Rechtshängigkeit der bezifferten Klage). Die vom Versicherer erhobenen Einreden der Entreicherung und Aufrechnung griffen bezüglich des geringen zuerkannten Anspruchs nicht.
Erledigung des Auskunftsanspruchs und Abweisung weiterer Forderungen
Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs für die Jahre 2019-2022 stellte das Gericht fest, dass sich der Rechtsstreit erledigt hatte, da der Krankenversicherer die begehrte Auskunft während des laufenden Verfahrens erteilt hatte. Der darüber hinausgehende Auskunftsanspruch, der sich auf Zeiträume seit 2012 bezog, wurde abgewiesen, ebenso wie der Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Kosten des Verfahrens: Versicherungsnehmer trägt Großteil der Prozesskosten
Die Kostenentscheidung, wonach der Versicherungsnehmer 90 % und der Krankenversicherer nur 10 % der Prozesskosten tragen muss, spiegelt den sehr begrenzten Erfolg der Klage wider. Der Versicherungsnehmer hatte ursprünglich die Feststellung zahlreicher Unwirksamkeiten und einen erheblichen Rückzahlungsbetrag gefordert, konnte aber nur einen Bruchteil davon durchsetzen.
Fazit: Geringer Erfolg für den Versicherten – Formfehler bei Prämienanpassung durch Verjährung und Folgeanpassungen weitgehend entkräftet
Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth macht deutlich, dass Versicherungsnehmer zwar durchaus erfolgreich gegen formell mangelhafte Prämienanpassungen vorgehen können. Allerdings zeigt der Fall auch eindrücklich, wie spätere wirksame Anpassungen („überholende Neufestsetzung“) die Auswirkungen solcher Fehler zeitlich begrenzen und wie die Verjährungsvorschriften die Durchsetzung von Rückforderungsansprüchen erheblich erschweren können. Insbesondere die Feststellung, dass eine Stufenklage zur Klärung des Anspruchsgrundes die Verjährung des Zahlungsanspruchs nicht hemmt, ist für Versicherte von großer Bedeutung. Für private Krankenversicherer unterstreicht das Urteil einmal mehr die Notwendigkeit, die formalen Anforderungen an die Begründung von Prämienanpassungen gemäß § 203 Abs. 5 VVG strikt einzuhalten, um kostspielige Rechtsstreitigkeiten und Rückforderungen zu vermeiden, auch wenn diese im Einzelfall durch Verjährungseffekte begrenzt sein können.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass Versicherungsnehmer gegen formell mangelhafte Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung vorgehen können, wenn die Begründung nicht den Anforderungen des § 203 VVG entspricht. Allerdings beschränken Verjährungsfristen und spätere wirksame Anpassungen die Durchsetzbarkeit solcher Ansprüche erheblich. Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass eine Stufenklage zur bloßen Klärung eines möglichen Anspruchs die Verjährung nicht hemmt – nur eine bezifferte Klage kann dies bewirken. Für Versicherte bedeutet das: Bei Verdacht auf unwirksame Beitragserhöhungen sollte zügig und mit konkreter Forderung gehandelt werden.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche gesetzlichen Anforderungen muss eine Prämienanpassung in der PKV erfüllen, um wirksam zu sein?
Eine Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung (PKV) ist nur dann wirksam, wenn der Versicherer bestimmte gesetzliche Vorgaben bei der Mitteilung an den Versicherungsnehmer einhält. Die wichtigste gesetzliche Grundlage hierfür ist § 203 Absatz 5 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Dieser Paragraf legt fest, welche Informationen der Versicherer Ihnen mitteilen muss, wenn sich Ihre Prämie ändert.
Warum ändern sich PKV-Prämien?
Private Krankenversicherungen kalkulieren ihre Prämien langfristig. Dabei stützen sie sich auf bestimmte Annahmen, zum Beispiel wie stark die Gesundheitskosten steigen oder wie sich die Lebenserwartung der Versicherten entwickelt. Wenn die tatsächliche Entwicklung von diesen Annahmen erheblich abweicht, kann eine Prämienanpassung notwendig werden. Dies geschieht meist, wenn die Ausgaben für Gesundheitsleistungen stärker steigen als erwartet oder wenn die Menschen älter werden und dadurch länger Leistungen in Anspruch nehmen.
Was muss die Mitteilung des Versicherers enthalten?
Damit eine Prämienanpassung wirksam ist, muss die schriftliche Mitteilung des Versicherers an Sie als Versicherungsnehmer klar und verständlich sein und alle gesetzlich geforderten Informationen enthalten. Gemäß § 203 Absatz 5 VVG sind insbesondere folgende Angaben notwendig:
- Grund der Anpassung: Der Versicherer muss Ihnen mitteilen, warum er die Prämie anpasst. Dies bezieht sich auf die allgemeinen Faktoren, die zur Notwendigkeit der Anpassung geführt haben, wie z.B. die gestiegenen Gesundheitsausgaben oder Änderungen bei der Lebenserwartung, die sich auf den gesamten Tarif auswirken.
- Änderung der Berechnungsfaktoren: Es muss dargestellt werden, wie sich die Annahmen, die der ursprünglichen Prämienkalkulation zugrunde lagen (die sogenannten „maßgeblichen Berechnungsfaktoren“), geändert haben. Entscheidend ist hier, dass der Versicherer Ihnen aufzeigt, dass aufgrund dieser geänderten Annahmen und der behördlichen Genehmigung eine neue, höhere Prämie notwendig geworden wäre, um die Leistungsausgaben zu decken. Es muss ein Vergleich zwischen der ursprünglich benötigten Prämie und der nun benötigten Prämie aufgezeigt werden.
- Darlegung der Berechnung: Der Versicherer muss Ihnen erklären, wie sich die neue Prämie konkret zusammensetzt. Dies bedeutet, er muss die konkreten Änderungen in den relevanten Berechnungsfaktoren (wie z.B. die geänderte Schadenserwartung oder Sterbetafel) benennen und darstellen, wie diese Änderungen zur Berechnung Ihrer neuen Prämie geführt haben. Sie müssen nachvollziehen können, welche Annahmen sich geändert haben und wie diese sich auf Ihre persönliche Prämie auswirken.
- Höhe der neuen Prämie: Selbstverständlich muss die Mitteilung auch die konkrete Höhe Ihrer neuen, angepassten Prämie klar benennen.
- Hinweis auf Wechselmöglichkeiten: Der Versicherer muss Sie über Ihre Rechte informieren, insbesondere über die Möglichkeit, in andere Tarife des gleichen Versicherers zu wechseln. Dies schließt oft auch den sogenannten Basistarif ein, der besondere gesetzliche Anforderungen erfüllt. Dieser Hinweis soll Ihnen ermöglichen, zu prüfen, ob ein Wechsel innerhalb des Unternehmens eine Alternative für Sie darstellt.
Was bedeutet das für Sie?
Wenn Sie eine Mitteilung über eine Prämienanpassung erhalten, ist es wichtig zu prüfen, ob diese Mitteilung alle genannten Informationen enthält. Fehlen wesentliche Angaben oder sind diese nicht klar und verständlich formuliert, kann die Prämienanpassung unwirksam sein. Das bedeutet, dass der Versicherer die höhere Prämie möglicherweise nicht von Ihnen verlangen darf. Die Gerichte haben in der Vergangenheit strenge Anforderungen an die Transparenz und Vollständigkeit dieser Mitteilungen gestellt.
Was bedeutet Verjährung im Zusammenhang mit Rückforderungsansprüchen von zu viel gezahlten PKV-Beiträgen?
Verjährung ist ein rechtliches Konzept. Es bedeutet, dass ein Anspruch, den jemand gegen eine andere Person oder Firma hat, nach einer bestimmten Zeit nicht mehr durchgesetzt werden kann, insbesondere nicht mehr gerichtlich. Stellen Sie sich das wie ein „Verfallsdatum“ für die Möglichkeit vor, eine Forderung einzuklagen. Der Anspruch selbst existiert vielleicht noch, aber die andere Seite kann die Einrede der Verjährung erheben und sich so der Durchsetzung entziehen.
Die Dauer der Verjährungsfrist
Für die meisten Ansprüche im deutschen Zivilrecht, wozu auch mögliche Rückforderungsansprüche aus überzahlten PKV-Beiträgen gehören können, gilt die regelmäßige Verjährungsfrist. Diese beträgt drei Jahre.
Wann beginnt die Frist zu laufen?
Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel am Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsinhaber (in diesem Fall Sie als Versicherungsnehmer) von den Umständen, die den Anspruch begründen, Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Vereinfacht ausgedrückt: Wenn Sie zum Beispiel im Jahr 2021 aufgrund einer nach Ihrer Auffassung unwirksamen Beitragsanpassung monatlich zu hohe Beiträge bezahlt haben, dann beginnt die Verjährungsfrist für die in 2021 entstandenen Rückforderungsansprüche grundsätzlich am 31. Dezember 2021 zu laufen. Die Frist würde dann am 31. Dezember 2024 enden.
Verjährung bei PKV-Beitragsanpassungen
Wenn Sie über Jahre hinweg aufgrund möglicherweise unwirksamer Beitragsanpassungen zu viel an Ihre Private Krankenversicherung gezahlt haben, entstehen für jeden Monat, in dem Sie zu viel bezahlt haben, theoretisch separate Rückforderungsansprüche. Das bedeutet, dass jeder einzelne dieser monatlichen Ansprüche separat verjähren kann.
Es ist also wichtig zu wissen, dass nicht alle Ihre potenziellen Rückforderungsansprüche gleichzeitig verjähren. Die Ansprüche aus früheren Jahren können bereits verjährt sein, während die Ansprüche aus den letzten drei Jahren möglicherweise noch offen sind.
Für Sie als Versicherungsnehmer bedeutet das: Selbst wenn eine Beitragsanpassung Ihrer PKV unwirksam war und Sie zu viel gezahlt haben, können Sie die Rückzahlung für die Zeiträume, die länger als drei Jahre zurückliegen, möglicherweise nicht mehr durchsetzen, da die Verjährung eingetreten ist. Ein Anspruch kann somit trotz seiner grundsätzlichen Berechtigung aufgrund Zeitablaufs verloren gehen.
Wie wirkt sich eine unwirksame Prämienanpassung auf nachfolgende, wirksame Anpassungen aus?
Wenn eine Prämienanpassung als unwirksam eingestuft wird, bedeutet das rechtlich, dass sie nie stattgefunden hat. Die Prämie bleibt auf dem Stand, der vor dieser unwirksamen Anpassung galt.
Stellen Sie sich vor, die Prämie war 300 Euro. Es gab eine Anpassung auf 350 Euro, die sich später als unwirksam herausstellt. Rechtlich ist die Prämie nie auf 350 Euro gestiegen, sie ist bei 300 Euro geblieben.
Die „fehlerhafte Basis“
Problematisch wird es nun bei nachfolgenden Prämienanpassungen. Auch wenn diese späteren Anpassungen förmlich und inhaltlich korrekt durchgeführt werden, knüpfen sie in der Regel an die zuletzt tatsächlich gezahlte Prämie an. Wenn die unwirksame Anpassung dazu geführt hat, dass eine zu hohe Prämie gezahlt wurde, dient diese zu hohe Prämie als Ausgangspunkt (Basis) für die Berechnung der nächsten Erhöhung.
Das bedeutet: Eine nachfolgende, eigentlich wirksame Anpassung wird auf eine Prämie aufgeschlagen, die aufgrund der früheren unwirksamen Anpassung bereits zu hoch war.
Für Sie bedeutet das: Eine einmal unwirksame Anpassung kann dazu führen, dass auch alle späteren Prämien zu hoch berechnet wurden, selbst wenn die späteren Anpassungen selbst korrekt angekündigt und begründet wurden. Sie bauen sozusagen auf einer „fehlerhaften Grundlage“ auf.
Vertragsinhaber haben grundsätzlich Rechte bezüglich der korrekten Berechnung ihrer Versicherungsprämien. Die genauen Auswirkungen und Möglichkeiten zur Korrektur hängen jedoch vom Einzelfall und der spezifischen Vertragssituation ab.
Was kann ich tun, wenn ich den Verdacht habe, dass meine PKV-Prämienanpassung unwirksam ist?
Wenn Sie eine Benachrichtigung über eine höhere Prämie Ihrer privaten Krankenversicherung (PKV) erhalten, stellen sich viele Fragen. Eine Prämienanpassung muss bestimmten Regeln folgen, damit sie wirksam ist. Nicht jede Erhöhung ist automatisch korrekt.
Gründe für eine unwirksame Prämienanpassung
Eine Prämienanpassung kann aus verschiedenen Gründen unwirksam sein. Ein häufiger Grund, der in der Rechtsprechung diskutiert wurde, betrifft die Begründung der Anpassung. Versicherer müssen die Gründe für eine Beitragserhöhung klar und nachvollziehbar darlegen. Dies ist im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt, insbesondere in § 203 Absatz 5 VVG. Stellt sich heraus, dass die Begründung fehlerhaft oder unzureichend war, kann dies dazu führen, dass die gesamte Prämienanpassung unwirksam ist. Auch formale Fehler bei der Benachrichtigung können eine Rolle spielen.
Erste Schritte zur Klärung
Wenn Sie Zweifel an der Wirksamkeit der Anpassung haben, ist es hilfreich, die Benachrichtigung genau zu prüfen. Achten Sie darauf, ob und wie die Gründe für die Erhöhung erläutert werden. Fehlen Angaben oder erscheinen sie unklar? Es kann auch nützlich sein, relevante Unterlagen zu sammeln, wie zum Beispiel die ursprüngliche Versicherungspolice und frühere Mitteilungen zu Prämienanpassungen.
Mögliche Wege zur Klärung
Um eine Klärung herbeizuführen, stehen grundsätzlich verschiedene Wege offen:
- Kontaktaufnahme mit dem Versicherer: Sie können sich schriftlich an Ihren Versicherer wenden und um eine detailliertere Erläuterung der Prämienanpassung bitten. Schildern Sie dabei, welche Punkte für Sie unklar sind.
- Anrufung des Ombudsmanns: Für Streitigkeiten im Bereich der privaten Krankenversicherung gibt es eine unabhängige Schlichtungsstelle, den sogenannten Ombudsmann. Der Ombudsmann prüft den Fall und kann eine unverbindliche Empfehlung aussprechen. Dieses Verfahren ist für Sie kostenfrei und kann eine Alternative oder ein Zwischenschritt sein, um eine außergerichtliche Lösung zu finden. Das Ombudsmann-Verfahren ist in der Regel unkomplizierter als ein Gerichtsverfahren.
- Prüfung rechtlicher Möglichkeiten: Bestehen weiterhin Zweifel an der Wirksamkeit, kann eine weitergehende rechtliche Prüfung notwendig werden. Dabei wird anhand der spezifischen Details Ihres Falles und der aktuellen Rechtslage beurteilt, ob die Anpassung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Jeder Fall ist anders und hängt von den konkreten Umständen und der genauen Formulierung der Benachrichtigung ab. Was in einem Fall zur Unwirksamkeit führt, muss in einem anderen Fall nicht zutreffen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
§ 203 Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
§ 203 Abs. 5 VVG regelt die Anforderungen an die Mitteilung von Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung. Versicherer müssen dem Versicherungsnehmer genau erklären, warum die Beiträge erhöht werden, insbesondere aufgrund welcher veränderten Berechnungsgrundlagen (z. B. gestiegene Leistungsausgaben oder veränderte Sterbewahrscheinlichkeiten). Diese Begründung muss nachvollziehbar und verständlich sein, damit der Versicherte die Anpassung prüfen kann. Fehlt diese formelle Voraussetzung, kann die Beitragserhöhung als unwirksam gelten.
Verjährung (§ 195, § 199 BGB)
Verjährung bedeutet, dass ein Anspruch nach Ablauf einer gesetzlich bestimmten Frist nicht mehr durchsetzbar ist, obwohl er rechtlich besteht. Für Rückforderungsansprüche aus zu viel bezahlten PKV-Beiträgen gilt meist die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB), die mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Gläubiger Kenntnis von den Anspruchsgrundlagen erlangt hat (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Praktisch bedeutet das, dass ein Rückzahlungsanspruch oft nur für die letzten drei Jahre geltend gemacht werden kann. Ältere Ansprüche sind ohne gerichtliche Geltendmachung in der Regel verloren.
Beispiel: Wer 2018 zu viel gezahlt hat, kann diesen Anspruch Ende 2021 nicht mehr durchsetzen, wenn er bis dahin nichts unternommen hat.
Stufenklage
Die Stufenklage ist eine besondere Klageform, bei der der Kläger zunächst nur Auskunft oder Feststellung begehrt, um dann – auf Grundlage der gewonnenen Informationen – später eine Bezifferung oder Leistungsklage folgen zu lassen. Im vorliegenden Fall wollte der Versicherungsnehmer erst wissen, warum die Beiträge erhöht wurden, um dann Rückforderungen zu beziffern. Juristisch ist eine Stufenklage jedoch nur dann sinnvoll, wenn die Auskunft primär der Bezifferung eines bereits feststehenden Anspruchs dient. Ist unklar, ob überhaupt ein Anspruch besteht, hemmt eine solche Klage nicht die Verjährung der Zahlungsansprüche.
Überholende Neufestsetzung
Die überholende Neufestsetzung beschreibt den Effekt, dass eine spätere, unstrittig wirksame Prämienanpassung die Wirksamkeit früherer, möglicherweise unwirksamer Anpassungen überlagert. Das bedeutet, dass Fehler bei älteren Beitragserhöhungen ab dem Zeitpunkt der neuen, korrekten Anpassung keine rechtlichen Folgen mehr haben. Die Prämienhöhe wird dann ab dem Termin der wirksamen Anpassung neu festgesetzt, und frühere Fehler gelten nur für den Zeitraum davor.
Beispiel: Eine unwirksame Erhöhung von 2015 gilt nur bis Ende 2020; ab Anfang 2021 wird mit der wirksamen Anpassung neu gerechnet.
Herausgabe von Nutzungen (§ 217 BGB)
Nutzungen sind Vorteile oder Erträge, die jemand aus einer rechtswidrigen Situation oder ungerechtfertigten Bereicherung zieht. Nach § 217 BGB muss derjenige, der ungerechtfertigt durch eine unwirksame Prämienanpassung zu viel Gelder erhalten oder damit Erträge erzielt hat, diese sogenannten Nutzungen herausgeben. Im Kontext der PKV bedeutet das, dass der Versicherer die Zinserträge oder sonstige Vorteile, die er aus den zu viel gezahlten Beiträgen gezogen hat, ebenfalls an den Versicherten zurückzahlen muss. Dieser Anspruch kann aber – wie die Forderung selbst – verjähren.
Beispiel: Zinsen, die der Versicherer aus den überzahlten Beiträgen eingenommen hat, müssen an den Versicherten zurückerstattet werden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 203 Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Regelt die Verpflichtung des Versicherers, bei Prämienanpassungen dem Versicherungsnehmer eine verständliche, nachvollziehbare Begründung vorzulegen, welche die maßgebliche Veränderung der Rechnungsgrundlage offenlegt. Diese Transparenzanforderung soll Willkür verhindern und dem Versicherten Klarheit über die Ursache der Beitragserhöhung verschaffen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die mangelhafte Begründung der Erhöhung von 2015 führte zur formellen Unwirksamkeit dieser Anpassung, weil der Versicherer die konkrete Veränderung der Versicherungsausgaben nicht hinreichend benannt hatte.
- § 8b Abs. 1 und 2 Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK): Enthält die vertraglichen Regelungen zu Beitragsanpassungen in der PKV, wobei Abs. 1 die grundsätzliche Ermächtigung zur Anpassung bei Veränderung der Rechnungsgrundlagen festlegt, während Abs. 2 Anpassungen bei vorübergehenden Schwankungen ausschließt. Abs. 2 wurde als unwirksam eingestuft, weil es Äquivalenzschutzvorschriften des VVG zu Lasten des Versicherten beeinträchtigt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die vertragliche Klausel zum Ausschluss von Anpassungen bei vorübergehenden Veränderungen konnte vom Gericht nicht anerkannt werden, sodass die Prämienanpassung grundsätzlich zulässig bleibt, jedoch an die gesetzlichen Voraussetzungen gebunden ist.
- § 195 und § 199 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Verjährung: § 195 definiert die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren für Ansprüche, während § 199 den Verjährungsbeginn regelt, hier maßgeblich mit Kenntnis von Anspruch, Schuldner und den Umständen, die den Anspruch begründen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Rückforderungsansprüche für überzahlte Beiträge sind wegen Fristablaufs ab dem Jahr 2019 nicht mehr durchsetzbar, da die Verjährung bereits mit Erhalt der mangelhaften Mitteilung begann und durch die unzulässige Stufenklage nicht gehemmt wurde.
- § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB – Hemmung der Verjährung durch Klage: Die Verjährung wird durch die Erhebung einer Klage gehemmt, wenn diese ausreichend bestimmt und beziffert ist. Eine unzulässige oder unbestimmte Stufenklage hemmt die Verjährung hingegen nicht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die ursprüngliche unbezifferte Stufenklage konnte die Verjährung der Zahlungsansprüche nicht hemmen, erst die bezifferte Teilklage von Mai 2022 führte zur Hemmung, was die Durchsetzbarkeit der Ansprüche einschränkte.
- § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB – Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung: Wer durch Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, ist zur Herausgabe verpflichtet, um einen Vermögensvorteil zu beseitigen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Versicherungsnehmer konnte Rückzahlungen für überzahlte Beiträge geltend machen, da die Beitragserhöhung 2015 formell unwirksam war, jedoch nur begrenzt für den Zeitraum nach 2019 aufgrund der Verjährung.
- „Überholende Neufestsetzung“ nach BGH-Rechtsprechung (IV ZR 294/19): Spätere wirksame Prämienanpassungen setzen die Prämie neu fest und heilen damit auch formelle Fehler früherer Anpassungen für die Zeiten ab der späteren Erhöhung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die ab 2021 wirksame Prämienanpassung im Tarif A begrenzte die Unwirksamkeit der 2015 erlassenen Anpassung zeitlich auf den Zeitraum bis Ende 2020, sodass Ansprüche für die Folgejahre nicht mehr bestehen.
Das vorliegende Urteil
LG Nürnberg-Fürth – Az.: 2 O 6964/21 – Urteil vom 20.12.2022
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