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Unfallversicherungsprozess – Ablehnung Gerichtsgutachten wegen Privatgutachten

OLG Nürnberg – Az.: 8 U 1139/21 – Urteil vom 19.08.2021

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.03.2021, Az. 8 O 5003/20, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. –

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 31.500,00 € festgesetzt.-

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer privaten Unfallversicherung, die der Kläger seit 2011 bei der Beklagten unterhält (Anlage B 1).

Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen der Beklagten (im Folgenden: AUB; Anlage B 2) zugrunde. Ferner ist vereinbart, dass die Beklagte ab einem bedingungsgemäßen Invaliditätsgrad von 50 % eine lebenslange Rente von monatlich 750 € an den Kläger zahlt.

Hintergrund des Rechtsstreits ist ein Unfall, den der zu diesem Zeitpunkt 68-jährige Kläger am 20.10.2016 im eigenen Haushalt erlitt und bei dem er sich einen Oberschenkelhalsbruch zuzog (Anlagen B 3 und B 4). Nach Anmeldung der Ansprüche trat die Beklagte in die Leistungsprüfung ein und holte zunächst ein orthopädisches Fachgutachten des Herrn Dr. S. ein, welches am 20.06.2018 erstattet wurde (Anlage K 1). Ein weiteres unfallchirurgisches Fachgutachten im Auftrag der Beklagten erstattete Herr Prof. Dr. P. am 28.08.2019 (Anlage K 2). Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte eine Einstandspflicht ab, weil bei dem Kläger ein unfallbedingter Invaliditätsgrad von lediglich 21 % verbleibe und die vertraglichen Voraussetzungen der Invaliditätsrente daher nicht erfüllt seien (Anlagen K 3 und K 5).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die auf lebenslange Zahlung von monatlich 750 € seit dem 20.10.2016 gerichtete Klage mit Endurteil vom 19.03.2021 ohne Beweisaufnahme vollständig abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es nur auf die unfallbedingte Beeinträchtigung des linken Beines des Klägers ankomme. Hierfür gelte die Gliedertaxe in Ziffer 2.1.2.2.1 AUB. Ohne weitere Beweisaufnahme lasse sich nur aufgrund der beiden vorliegenden Privatgutachten feststellen, dass jedenfalls keine Invalidität von 50 % eingetreten sei. Dies gelte auch dann, wenn man – der Argumentation des Klägers folgend – keinerlei Vorinvalidität berücksichtige. Der Kläger habe keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür geliefert, dass das in beiden Privatgutachten festgestellte Ausmaß der dauerhaften Gesamtbeeinträchtigung unzutreffend sei.

Dieses Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23.03.2021 zugestellt. Die hiergegen gerichtete Berufung ging am 22.04.2021 per Telefax beim Oberlandesgericht Nürnberg ein (Bl. 66/67 d.A.). Das Rechtsmittel wurde mit einem am 10.05.2021 per Telefax eingegangenen Schriftsatz begründet (Bl. 74 ff. d.A.).

Der Kläger beantragt in zweiter Instanz, das am 19.03.2021 verkündete und am 23.03.2021 zugestellte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az.: 8 O 5003/20, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine monatliche Rente in Höhe von 750,- € seit dem 20.10.2016 dauerhaft zu bezahlen bis zu dem Monat, in dem der Kläger stirbt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit ihrer Erwiderung vom 17.06.2021 (Bl. 84 ff. d.A.).

Mit Schriftsatz vom 09.07.2021 hat der Kläger ergänzend beantragt, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen (Bl. 95 d.A.).

Nachdem beide Parteien ihr Einverständnis erklärt haben, hat der Senat mit Beschluss vom 19.07.2021 angeordnet, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren ergeht (Bl. 101/102 d.A.).

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat vorläufig Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1.

Das Urteil beruht auf einem entscheidungserheblichen Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1 ZPO). Infolgedessen bestehen durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der in erster Instanz getroffenen Feststellungen, welche die Durchführung der bislang unterbliebenen Beweisaufnahme gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

a)

Das bisherige Verfahren im ersten Rechtszug leidet an einem wesentlichen Verfahrensfehler (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Denn das Landgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es dessen Beweisantrag übergangen hat.

aa)

Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Demgemäß ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, wenn die Nichterhebung eines ordnungsgemäß angetretenen Beweises im Prozessrecht keine Stütze findet (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 12.05.2021 – XII ZR 152/19, NJW-RR 2021, 861 Rn. 10 und vom 11.05.2021 – VI ZR 1206/20, BeckRS 2020, 48633 Rn. 7 jeweils m.w.N.). Dies gilt auch und insbesondere dann, wenn diese Nichtberücksichtigung auf vorweggenommener tatrichterlicher Beweiswürdigung beruht, also der von einer Partei angebotene Beweis nicht erhoben wird, weil das Gericht dem unter Beweis gestellten Vorbringen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst (vgl. BGH, Beschluss vom 27.09.2017 – XII ZR 54/16, NJW-RR 2018, 74 Rn. 7 m.w.N.).

So liegt der Fall hier.

bb)

Im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Anspruch aus einer privaten Unfallversicherung obliegt dem Kläger als Versicherungsnehmer nach allgemeinen Grundsätzen der Nachweis des Umfangs der unfallbedingten dauerhaften körperlichen Beeinträchtigung (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2003 – IV ZR 310/02, NJW-RR 2003, 1328, 1330; BeckOK-VVG/Jacob, § 180 Rn. 47 [Stand: 03.05.2021]). Demgemäß hatte der Kläger bereits in der Klageschrift die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis seiner Behauptung beantragt, dass bei ihm eine dauerhafte erhebliche Funktionsbeeinträchtigung seines linken Beines verblieben sei, welche einen Invaliditätsgrad von mindestens 50 % erreiche (§ 403 ZPO). Dieses Beweisangebot hatte der Kläger mit seiner Replik vom 16.11.2020 mehrfach wiederholt und insbesondere auf den Tatsachenvortrag erstreckt, dass die von der Beklagten eingewandte und mit 3/10 Beinwert bemessene Vorinvalidität nicht vorliege.

(1)

Der genannte Beweisantritt ist weder unzulässig noch fehlt dem Beweisangebot die Eignung zum Beweis der behaupteten Tatsache. Bei der Annahme eines von vornherein ungeeigneten Beweismittels ist ohnehin äußerste Zurückhaltung geboten und sie ist auch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Im Gegenteil ist die Einholung eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens in der Regel ein unumgängliches Beweismittel, um dem Tatrichter die Feststellung des konkreten Invaliditätsgrades zu ermöglichen (vgl. BeckOK-VVG/Jacob, aaO. Rn. 101).

(2)

Dass die behauptete Tatsache nach Aktenlage als unwahrscheinlich erscheint, rechtfertigt im Regelfall ebenfalls nicht, einem ordnungsgemäß angetretenen Beweis nicht nachzugehen (vgl. Jäckel, Das Beweisrecht der ZPO, 3. Aufl., Rn. 274 m.w.N.). Namentlich durfte das Landgericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mit der Begründung absehen, das Gegenteil der klägerischen Behauptung stehe aufgrund der vorgelegten und von der Beklagten – also der Beweisgegnerin – veranlassten Privatgutachten bereits fest. Darin liegt eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung und damit ein Verstoß gegen § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Eine sachgerechte Beweiswürdigung kann und darf grundsätzlich erst erfolgen, wenn die erforderlichen Beweismittel ausgeschöpft sind.

Eine Partei muss ihre unter Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellten Behauptungen auch nicht zusätzlich durch fachkundige Stellungnahmen untermauern, um auf diese Weise ein vom Gegner beauftragtes Privatgutachten zu entkräften und den Weg zu einer gerichtlichen Beweisaufnahme überhaupt erst zu eröffnen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.12.2015 – VI ZR 67/15, NJW 2016, 713 Rn. 4). Rechtsfehlerhaft ist daher die Ansicht des Landgerichts, der Kläger habe „nachvollziehbare Anhaltspunkte“ für die Fehlerhaftigkeit der beiden Privatgutachten vorbringen müssen (LGU 6).

(3)

Solche Privatgutachten stellen keinen Sachverständigenbeweis dar und können einen solchen auch nicht ohne Weiteres ersetzen. Es handelt sich vielmehr um qualifizierten urkundlich belegten Parteivortrag. Derartige Gutachten können daher im Wege des Urkundenbeweises in die Beweiswürdigung einbezogen werden (§ 416 ZPO). Eine Verwertung als förmliches Sachverständigengutachten ist hingegen nur mit Zustimmung beider Parteien möglich (vgl. BGH, Urteile vom 05.05.1986 – III ZR 233/84, NJW 1986, 3077, 3079 und vom 29.09.1993 – VIII ZR 62/92, NJW-RR 1994, 255, 256). Eine solche liegt von Seiten des Klägers nicht vor. Zwar hat der Kläger selbst die beiden Gutachten als Anlagen K 1 und K 2 vorgelegt. Er hat ihnen jedoch inhaltlich widersprochen und zum Beweis seiner Behauptungen die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens beantragt.

In einer solchen Situation darf einer Partei der ihr obliegende Beweis nicht dadurch abgeschnitten werden, dass das Gericht das Gegenteil bereits durch die vorliegenden Urkunden für bewiesen hält (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.1985 – VI ZR 15/83, NJW 1985, 1399, 1401). Eine solche Verfahrensweise ist grundsätzlich unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 06.02.2014 – V ZR 262/13, NJOZ 2015, 309 Rn. 11 m.w.N.). Wenn die Richtigkeit eines Privatgutachtens bestritten worden ist, muss der Tatrichter vielmehr ein gerichtliches Gutachten einholen, sofern die beweisbelastete Partei dies beantragt hat (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2003 – IV ZR 310/02, NJW-RR 2003, 1328, 1330; Gehrlein, VersR 2003, 574). Etwas anderes kann nur in seltenen Ausnahmefällen und unter strengen Anforderungen gelten, wenn das Privatgutachten die Beweisfrage zweifelsfrei und erschöpfend beantwortet, die beweispflichtige Partei sich nicht näher zu dem Privatgutachten einlässt und der Tatrichter ausschließen kann, dass ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu einem anderen Ergebnis führt (vgl. auch BGH, Urteil vom 18.02.1987 – IVa ZR 196/85, VersR 1987, 1007, 1008; OLG Köln, VersR 2005, 679; OLG Frankfurt, VersR 2008, 248). Dies kommt allenfalls bei einfacher Sachlage in Betracht und erfordert zudem – da es sich um eine Fachwissen voraussetzende Frage handelt – eine entsprechende eigene Sachkunde des Gerichts, welche in den Entscheidungsgründen oder einem vorhergehenden Hinweis darzulegen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 02.06.2008 – II ZR 67/07, NJW-RR 2008, 1252 f.; BGH, Urteil vom 12.07.2017 – IV ZR 151/15, NJW 2017, 2831 Rn. 18 m.w.N.).

(4)

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass an die Qualität der Angriffe der beweispflichtigen Partei gegen ein vom Gegner veranlasstes Privatgutachten keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. OLG Köln, VersR 2014, 492, 493). Im vorliegenden Fall hatte der Kläger unter Beweisantritt insbesondere vorgetragen, dass keine berücksichtigungsfähige Vorinvalidität (mehr) vorliege und dass eine solche auch nicht – wie in beiden Privatgutachten angenommen – mit 3/10 Beinwert in Abzug zu bringen sei. Mehr kann in einem Unfallversicherungsprozess von einem medizinischen Laien im Stadium vor der gerichtlichen Beweisaufnahme grundsätzlich nicht verlangt werden.

(5)

Das Landgericht hat im Übrigen weder in seinem Hinweis vom 14.12.2020 noch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils eine eigene medizinische Sachkunde auf den Gebieten der Unfallchirurgie und Orthopädie dargetan. In Bezug auf die im Unfallversicherungsprozess relevanten medizinischen Fragen wird es dem Gericht ohnehin selten möglich sein, Bedenken und Einwände der Parteien ohne Befragung eines Sachverständigen fachkundig zu bescheiden.

Aus den Erwägungen der Vorinstanz ergibt sich schließlich nicht, warum es schlechterdings ausgeschlossen erscheint, dass ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu einem Beweisergebnis im Sinne der Klagepartei gelangt.

b)

Dieser Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass ein gerichtlicher Sachverständiger bei dem Kläger eine durch den Unfall vom 20.10.2016 herbeigeführte bedingungsgemäße Invalidität von 50 % oder mehr feststellt.

2.

Die Sache ist gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf Antrag des Klägers an das Landgericht zurückzuverweisen. Ein solcher Antrag konnte auch noch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gestellt werden (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 573).

a)

Es ist eine weitere Verhandlung erforderlich. Der Prozess ist weder zur Entscheidung reif noch kann die Entscheidungsreife mit vertretbarem Aufwand herbeigeführt werden. Vielmehr ist eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig, da mindestens ein Sachverständigengutachten auf unfallchirurgischem/orthopädischem Fachgebiet einzuholen ist. Die Notwendigkeit eines ergänzenden und/oder zusätzlichen Gutachtens sowie der Einvernahme sachverständiger Zeugen zu Fragen der Vorinvalidität ist derzeit nicht abschließend zu beurteilen.

b)

§ 538 Abs. 2 ZPO räumt dem Berufungsgericht ein Ermessen ein („darf“; vgl. auch BGH, Urteil vom 01.02.2010 – II ZR 209/08, NJW-RR 2010, 1048 Rn. 16). Der Senat hat im Rahmen der erforderlichen Abwägung folgendes berücksichtigt:

Würde der Senat die zuvor skizzierte Beweisaufnahme gemäß § 538 Abs. 1 ZPO selbst durchführen, wäre hiermit keine bedeutsame Zeitersparnis verbunden. Auch entstehen durch eine vom Landgericht durchzuführende Beweisaufnahme keine zusätzlichen Kosten, die ohne eine Zurückverweisung vermieden werden könnten. Darüber hinaus ginge den Parteien eine Tatsacheninstanz verloren und die Möglichkeiten der Rechtsmittelkontrolle würden verkürzt. Diese Aspekte erscheinen in ihrer Gesamtschau so wesentlich, dass die möglichen zusätzlichen Kosten eines nochmaligen Berufungsverfahrens nach vollständigem Abschluss der ersten Instanz dahinter zurücktreten.

c)

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

aa)

Der Maßstab für die Bemessung des konkreten Invaliditätsgrades ergibt sich aus § 287 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2006 – IV ZR 203/03, NJW-RR 2006, 1323 Rn. 21 m.w.N.). Auf das daraus folgende Beweismaß ist ein Sachverständiger im Beweisbeschluss ebenso hinzuweisen wie auf die für den Begriff der Invalidität und deren Ausmaß relevanten Vertragsbedingungen.

bb)

Art und Ausmaß einer nach Ziffer 2.1.2.2.3 AUB zu berücksichtigenden Vorinvalidität sind vom Versicherer zu beweisen (vgl. OLG Frankfurt, r+s 2006, 164).

cc)

Die Beklagte hat die Leistungsprüfung nach Einholung zweier Gutachten erst im Oktober 2019 abgeschlossen, mithin deutlich nach Ablauf der vertraglichen Invaliditätseintrittsfrist von 18 Monaten nach dem Unfall (Ziffer 2.1.1.1 AUB). Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Parteien konkludent auf einen abweichenden Bemessungsstichtag geeinigt haben (vgl. Grimm/Kloth, Unfallversicherung, 6. Aufl., AUB 2014, Ziffer 2 Rn. 74 m.w.N.). Dies ist hier der Tag der letzten sachverständigen Untersuchung, also der 29.07.2019 (Anlage K 2). Dieser Bemessungszeitpunkt und die Notwendigkeit einer rückschauenden Bewertung sind dem Sachverständigen ebenfalls vorzugeben. Die nach diesem Zeitpunkt eingetretene Entwicklung ist nur insoweit beachtlich, als sie bessere Erkenntnisse über den Zustand im Bemessungszeitpunkt zu liefern vermag (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2015 – IV ZR 124/15, r+s 2016, 92).

dd)

Die in der Hinweisverfügung vom 14.12.2020 geäußerte Ansicht des Landgerichts, dass die behauptete unfallbedingte Inkontinenz mangels fristgemäßer ärztlicher Feststellung bei der Bemessung keine Berücksichtigung zu finden hat, ist nicht zu beanstanden.

3.

Ein Ausspruch über die Kosten des Berufungsverfahrens ist nicht verlasst. Hierüber ist in dem die erste Instanz abschließenden Urteil nach Maßgabe der §§ 91 ff. ZPO mitzuentscheiden.

4.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eine solche Entscheidung ist zu treffen, obwohl das vorliegende Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt enthält (vgl. OLG München, Urteil vom 18.09.2002 – 27 U 1011/01, juris Rn. 75).

5.

Der Streitfall wirft keine höchstrichterlich noch ungeklärten Fragen auf. Es bedarf daher keiner Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO).

6.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist gemäß §§ 47 Abs. 1 und 2, 48 Abs. 1 GKG festzusetzen. Dabei ist der 3,5-fache Jahresbetrag der geltend gemachten Invaliditätsrente maßgebend (§§ 3, 9 ZPO).

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